Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: raumordnung, windenergie, regionalplanung, vollzug, ausweisung, hauptsache, amtsblatt, gemeinde, konzentration, eng

1
2
3
4
5
6
7
8
Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 2 S 6.09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 28 Abs 2 S 1 GG, § 47 Abs 1
Nr 1 VwGO, § 47 Abs 2 S 1
VwGO, § 47 Abs 6 VwGO, § 47
Abs 7 VwGO
Einrichtung eines Windenergieparks mit 14 Windkraftanlagen
außerhalb einer im Teilflächennutzungsplan dargestellten
Sonderbaufläche für Windenergie, jedoch innerhalb eines im
Regionalplan ausgewiesenen Eignungsgebiets für
Windenergienutzung
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung gegen den von der Gemeindevertretung der Antragsgegnerin
am 17. September 2008 beschlossenen Sachlichen Teilflächennutzungsplan
„Windenergienutzung“. Sie beabsichtigt, im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin einen
Windpark mit 14 Windkraftanlagen zu errichten und hat hierfür eine Genehmigung nach
dem Bundes-Immissionsschutzgesetz beim Landesumweltamt beantragt. Der in
Aussicht genommene Standort des Vorhabens liegt außerhalb der im angegriffenen
sachlichen Teilflächennutzungsplan dargestellten „Sonderbauflächen für Windenergie“,
jedoch innerhalb eines Bereichs, der im Regionalplan Havelland-Fläming - Sachlicher
Teilplan „Windenergienutzung“ als Eignungsgebiet für die Windenergienutzung
ausgewiesen ist.
Die Antragstellerin hat am 30. Januar 2009 einen Normenkontrollantrag (OVG 2 A 2.09)
und gleichzeitig den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
gestellt, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen geltend macht, dass sich der
angegriffene sachliche Teilflächennutzungsplan wegen eines Verstoßes gegen das
Anpassungsgebot gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sowie zahlreicher Abwägungsfehler als
offensichtlich rechtswidrig erweise. Werde er nicht außer Vollzug gesetzt, drohe ihr ein
schwerer Nachteil, da sie Gefahr laufe, dass ihr Genehmigungsantrag abgelehnt werde.
„Im Hinblick auf die Errichtung und Inbetriebnahme eines umweltfreundlichen
Energieprojektes mit einem Investitionsvolumen von über 10.000.000 €“ drohe ihr „ein
weiterer erheblicher Bauverzug“.
Die Antragstellerin beantragt,
den Sachlichen Teilflächennutzungsplan „Windenergienutzung“ der Gemeinde
Wustermark, bekannt gemacht am 23. Dezember 2008, durch Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO außer Vollzug zu setzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist die beantragte einstweilige Anordnung weder zur Abwehr
schwerer Nachteile noch aus anderen wichtigen Gründen im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO
dringend geboten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten
verwiesen.
9
10
11
12
13
14
15
II.
1. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 6 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Der
angegriffene sachliche Teilflächennutzungsplan (vgl. § 5 Abs. 2 b BauGB) enthält
Darstellungen mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, die in
entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der (prinzipalen)
Normenkontrolle unterliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 4 CN 3.06 -,
BVerwGE 128, 382). Für die Bejahung der Antragsbefugnis gemäß § 47 Absatz 2 Satz 1
VwGO genügt es, dass die Antragstellerin auf der Grundlage von Nutzungsverträgen mit
den Grundeigentümern einen Genehmigungsantrag gestellt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom
19. Februar 2004 - 4 CN 13.03 -, BRS 67 Nr. 118, zur Antragsbefugnis hinsichtlich einer
Veränderungssperre).
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Die Antragstellerin hat die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht glaubhaft gemacht. Nach dieser
Vorschrift kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies
zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten
ist. Die im Rahmen des § 47 Abs. 6 VwGO anzustellenden Erwägungen decken sich
weitgehend mit den zu § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz entwickelten
Grundsätzen; beide Vorschriften entsprechen sich in ihrer Zielrichtung. Weil eine
Rechtsnorm außer Vollzug gesetzt werden soll, ist es notwendig, bei der Prüfung der
Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO
einen strengen Maßstab anzulegen. Die für eine vorläufige Regelung sprechenden
Gründe müssen so schwer wiegen, dass sie ihren Erlass als unabweisbar erscheinen
lassen. Die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge,
der Normenkontrollantrag später aber in der Hauptsache Erfolg hätte, sind mit den
Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung
erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache später erfolglos
bliebe. Ein schwerer Nachteil ist dabei dann zu bejahen, wenn Rechte oder rechtlich
geschützte Interessen des Antragstellers in ganz besonderem Maße beeinträchtigt oder
dem Betroffenen außergewöhnliche Opfer abverlangt werden. Der Frage der
Rechtsgültigkeit der im Normenkontrollverfahren angefochtenen Rechtsvorschrift kommt
bei dieser Abwägung nur dann Bedeutung zu, wenn die Gültigkeit oder Ungültigkeit der
Norm schon bei summarischer Prüfung offensichtlich ist und der Normenkontrollantrag
in der Hauptsache mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg haben würde (vgl. Beschlüsse
des Senats vom 31. März 2006 - 2 S 123.05 - und vom 28. August 2007 - OVG 2 S 63.07
-, BRS 71 Nr. 27).
Nach diesem Maßstab, an dem der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens
der Antragstellerin im Schriftsatz vom 8. April 2009 festhält, kommt der Erlass einer
einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
Der angegriffene Sachliche Teilflächennutzungsplan „Windenergienutzung“ der
Antragsgegnerin ist bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht offensichtlich ungültig (a).
Auch die Folgenabwägung führt nicht zum Erfolg des Antrags (b).
a) Ungeachtet der von der Antragstellerin vorgetragenen gewichtigen und im
anhängigen Hauptsacheverfahren eingehend zu prüfenden Argumente kann der Senat
derzeit keine offensichtlichen Mängel feststellen, die den Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zur Außerkraftsetzung der angegriffenen Norm
dringend gebieten würden.
aa) Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4
BauGB mit der Begründung geltend macht, dass die Antragsgegnerin jedenfalls im
Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Sachlichen Teilflächennutzungsplan am 17.
September 2008 an die im Regionalplan Havelland-Fläming - Sachlicher Teilplan
„Windenergienutzung“ vom 2. September 2004 (Amtsblatt für Brandenburg 2008, S.
1127 ff.) festgelegten Ziele der Raumordnung gebunden gewesen sei, sind die
Erfolgsaussichten dieses Vortrags bei summarischer Prüfung als offen anzusehen.
Zwar handelt es sich bei der textlichen Festlegung 1.1 des Sachlichen Teilplans
„Windenergienutzung“ des Regionalplans Havelland-Fläming, der zufolge zur Sicherung
eines verstärkten Ausbaus der Windenergienutzung eine geordnete und konzentrierte
Errichtung von raumbedeutsamen Windenergieanlagen in dafür geeigneten
Standortbereichen der Region zu gewährleisten und außerhalb der dazu ausgewiesenen
Eignungsgebiete die Errichtung raumbedeutsamer Windenergieanlagen in der Regel
ausgeschlossen ist, in Verbindung mit der Aufzählung der Windeignungsgebiete und
16
ausgeschlossen ist, in Verbindung mit der Aufzählung der Windeignungsgebiete und
ihrer zeichnerischen Darstellung auf der als Anlage veröffentlichten Karte um eine
verbindliche Vorgabe, die keine weitere Abwägung zulässt und die für ein Ziel der
Raumordnung und Landesplanung im Sinne des § 3 Nr. 2 Raumordnungsgesetz (ROG)
erforderliche räumliche und sachliche Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit aufweist. Nach
allgemeiner Ansicht hat die auf § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes zur
Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung (RegBkPlG) gestützte
Bezeichnung von Gebieten, die für bestimmte, raumbedeutsame Maßnahmen geeignet
sind, die städtebaulich nach § 35 Baugesetzbuch (BauGB) zu beurteilen sind und an
anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen werden (Eignungsgebiete),
grundsätzlich Zielcharakter (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 21. September
2007 – OVG 10 A 9.05 –, Juris, und vom 25. Oktober 2007 – OVG 10 A 2.06, Juris). Das in
§ 1 Abs. 4 BauGB geregelte Erfordernis, die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung
„anzupassen“, bedeutet, dass die Gemeinden bei der Aufstellung von Bauleitplänen die
Ziele der Raumordnung je nach deren Aussageschärfe konkretisieren und ausgestalten,
sich über sie aber nicht im Wege der Abwägung hinwegsetzen dürfen. An die Ziele der
Raumordnung sind die örtlichen Planungsträger strikt gebunden. Planungen, die einem
geltenden Ziel der Regionalplanung widersprechen, haben sie zu unterlassen (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2005 - 4 BN 1.05 -, NVwZ 2005, 584, 585, m.w.N.).
Dem Anpassungsgebot wird daher entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht
bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass die „planungsrechtliche
Situation“, welche durch die im Regionalplan festgelegten Windeignungsgebiete geprägt
wird, in der Begründung des sachlichen Teilflächennutzungsplans (§ 5 Abs. 5 BauGB)
erwähnt wird.
Dennoch kann ein Verstoß gegen das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB derzeit
nicht mit derjenigen Sicherheit, die für die Außervollzugsetzung der Norm im Wege einer
einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO erforderlich wäre, festgestellt werden.
Der von der Antragstellerin hervorgehobene Umstand, dass der angegriffene sachliche
Teilflächennutzungsplan das im Regionalplan festgelegte Windeignungsgebiet auf dem
Gemeindegebiet der Antragsgegnerin auf weniger als ¼ reduziert habe, reicht hierzu für
sich genommen nicht aus; denn § 1 Abs. 4 BauGB ist nicht schon dann verletzt, wenn
die nach dem Raumordnungsplan für Windenergieanlagen geeigneten Bereiche im
Rahmen der Flächennutzungs- und Bebauungsplanung räumlich erheblich reduziert
worden sind (vgl. OVG Münster, Urteil vom 14. Januar 2008 - 7 D 12/07.NE -, Juris).
Vielmehr ist im einzelnen zu prüfen, ob die gegenüber der Ausweisung im Regionalplan
vorgenommene Reduzierung der Fläche für Windenergienutzung auf der
Berücksichtigung städtebaulicher Belange beruht, die auf den übergeordneten
Planungsebenen noch keine Berücksichtigung finden konnten. Soweit die Antragstellerin
beanstandet, die von der Antragsgegnerin herangezogenen Kriterien des „Landschafts-
und Kulturraumes" seien bereits Gegenstand der Regionalplanung und der dortigen
Abwägung gewesen und könnten daher nicht einmal eine „Feinsteuerung“ durch die
Gemeinde rechtfertigen, übersieht sie, dass es sich bei dem Erscheinungsbild der
Landschaft jedenfalls auch um einen im Rahmen der gemeindlichen Bauleitplanung zu
berücksichtigenden städtebaulichen Belang handelt (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 5 und 7
Buchstabe a BauGB) und dass der Regionalplan Havelland-Fläming - Sachlicher Teilplan
„Windenergienutzung“ ausweislich der Begründung und Erläuterung zu Plansatz 1.1
(Amtsblatt für Brandenburg 2008, S. 1130) eine „kleinräumige Steuerung“ deshalb
unter anderem auch durch die Berücksichtigung „landschaftspflegerischer sowie weiterer
örtlicher öffentlicher Belange“ ermöglicht, „soweit eine Abwägung dieser Belange im
Rahmen des Teilplanes noch nicht erfolgen konnte“. Ob die von der Antragsgegnerin
befürchteten Auswirkungen der von der Antragstellerin geplanten Windenergieanlagen
auf das Erscheinungsbild der Landschaft insbesondere im Ortsteil Hoppenrade bereits
auf der Ebene der Regionalplanung abschließend abgewogen worden sind, kann letztlich
ohne eine Beiziehung der Aufstellungsvorgänge des Regionalplanverfahrens, die jedoch
grundsätzlich erst im Hauptsacheverfahren in Betracht kommt, nicht geklärt werden.
Allerdings dürfte in diesem Zusammenhang der Umstand nicht völlig unberücksichtigt
bleiben können, dass nach den Angaben in der Begründung des sachlichen
Teilflächennutzungsplans (Abschnitt 5) in einem eng begrenzten Raum nördlich und
westlich der Ortsteile Wustermark, Hoppenrade und Buchow-Karpzow der
Antragsgegnerin derzeit bereits ca. 120 Windkraftanlagen vorhanden sind, deren
Gesamtzahl sich mit den noch in Genehmigungs- oder Bebauungsplanverfahren
befindlichen Anlagen zukünftig insgesamt auf ca. 155-160 Windkraftanlagen erhöhen
kann. Dass die besonderen Belastungen für das Orts- und Landschaftsbild im
Gemeindegebiet der Antragsgegnerin, die sich aus einer derartig hohen und von der
Antragsgegnerin nicht mehr beeinflussbaren Konzentration von Windkraftanlagen auf
angrenzenden Flächen in den Nachbargemeinden Brieselang, Nauen und Ketzin
ergeben, im Verfahren zur Aufstellung des Regionalplans bereits abschließend
berücksichtigt worden sein könnten, drängt sich nicht ohne weiteres auf.
17
18
19
Gegen eine abschließende Abwägung der genannten Belange auf der übergeordneten
Planungsebene könnte unter anderem die im Beteiligungsverfahren abgegebene
Stellungnahme der Regionalen Planungsgemeinschaft Havelland-Fläming als Träger der
Regionalplanung (vgl. § 4 Abs. 2 RegBkPlG) vom 18. April 2008 sprechen, in der die
Berücksichtigung der genannten Kriterien im Rahmen der Flächennutzungsplanung der
Antragsgegnerin nicht beanstandet wird. Die erwähnte Stellungnahme beschränkt sich
im Wesentlichen auf die Forderung einer „weitergehenden Argumentation“ in Bezug auf
den Ausschluss der an das Gemeindegebiet der Stadt Ketzin angrenzenden
Windeignungsgebiete Nr. 3 und 4, der in der Begründung des sachlichen
Teilflächennutzungsplans vor allem mit der Zerschneidung durch eine 380-KV-Leitung
und der damit verbundenen Unterschreitung der Mindestflächengröße begründet worden
ist. In diesem Zusammenhang dürfte auch zu berücksichtigen sein, dass das
Erfordernis, Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen, kein
unausräumbares rechtliches Hindernis darstellt, sondern durch Zulassung einer
Zielabweichung unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 ROG n.F. (entspricht § 11
ROG in der bis zum 29. Juni 2009 geltenden Fassung) in Verbindung mit § 10 des
Landesplanungsvertrags überwunden werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.
September 2003 - 4 C 20/02 -, BVerwGE 119, 54, 62). Weiter kommt ein Verstoß gegen
das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB ohnehin nur dann in Betracht, wenn der
übergeordnete Regionalplan Havelland-Fläming - Sachlicher Teilplan
„Windenergienutzung“ nicht selbst unwirksam ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar
2004 - 4 CN 13.03 -, BRS 67 Nr. 18). Dies wird gegebenenfalls im Rahmen der bereits
anhängigen Normenkontrollverfahren gegen den Regionalplan zu klären sein (vgl. OVG
10 A 17.08, 18.08, 19.08, 20.08 und 1.09). Solange eine Entscheidung des für das Recht
der Raumordnung und Landesplanung zuständigen 10. Senats des
Oberverwaltungsgerichts in diesen fünf Verfahren noch aussteht, kann im vorliegenden
Verfahren jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der
angegriffene sachliche Teilflächennutzungsplan in einer den Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO rechtfertigenden offensichtlichen Weise gegen ein
wirksames Ziel der Raumordnung und damit gegen § 1 Abs. 4 BauGB verstößt.
bb) Ob die von der Antragstellerin geltend gemachten Abwägungsmängel (§ 1 Abs. 7
BauGB) vorliegen und nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB
beachtlich sind, kann ebenfalls nicht bereits im Rahmen einer lediglich summarischen
Prüfung festgestellt werden, sondern muss der Prüfung im bereits anhängigen
Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Zwar weist die Antragstellerin in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass der
durch die Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windenergienutzung im Sinne
des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in einem Raumordnungsplan bewirkte Ausschluss von
Windenergieanlagen nur dann gerechtfertigt ist, wenn und soweit der Windenergie im
Übrigen, d.h. in den hierfür festgesetzten Konzentrationsflächen in substanzieller Weise
Raum geschaffen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2008 - 4 CN 2.07 -, NVwZ
2008, 559, 560). Dass es an dieser Voraussetzung in dem hier zu betrachtenden
Bereich offensichtlich mangelt, kann jedoch bei summarischer Prüfung nicht festgestellt
werden. Ausweislich der Begründung des sachlichen Teilflächennutzungsplans (Abschnitt
8.2) weist der Plan mit den Flächen 9, 10,11 und 12 Konzentrationsflächen für die
Errichtung von Windkraftanlagen mit einer Gesamtfläche von insgesamt ca. 84,5 ha aus.
Dies entspricht zwar lediglich einem Anteil von ca. 23 % an der auf den westlichen Teil
des Gemeindegebiets der Antragsgegnerin entfallenden, ca. 380 ha großen Teilfläche
des im Regionalplan ausgewiesenen Windeignungsgebiets „Nauener Platte". Allerdings
könnte in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen sein, dass es sich bei dem im
Regionalplan ausgewiesenen Windeignungsgebiet „Nauener Platte", das sich auch auf
die der Antragsgegnerin nördlich bzw. westlich benachbarten Gemeinden Brieselang,
Nauen und Ketzin erstreckt, mit insgesamt ca. 2.750 ha um das flächenmäßig größte
Windeignungsgebiet der Region Havelland-Fläming handelt. Nach den bereits erwähnten
Angaben in der Begründung des angegriffenen sachlichen Teilflächennutzungsplans
(Abschnitt 5) sind allein in einem eng begrenzten Raum nördlich und westlich der
Ortsteile Wustermark, Hoppenrade und Buchow-Karpzow der Antragsgegnerin derzeit
bereits ca. 120 Windkraftanlagen vorhanden, deren Gesamtzahl sich mit den noch in
Genehmigungs- oder Bebauungsplanverfahren befindlichen Anlagen zukünftig
insgesamt auf ca. 155-160 Windkraftanlagen erhöhen kann. Die Annahme, dass der
Windenergie in den hierfür festgesetzten Konzentrationsflächen nicht in substanzieller
Weise Raum geschaffen wird, drängt sich deshalb zumindest nicht auf. Auch im
Verhältnis zu der Gesamtfläche des Gemeindegebiets der Antragsgegnerin von 52,63
km² (Quelle: Wikipedia) erscheint die Größe der im sachlichen Teilflächennutzungsplans
dargestellten Konzentrationsflächen mit insgesamt ca. 84,5 ha (= 0,845 km²) bzw. ca.
20
21
22
23
dargestellten Konzentrationsflächen mit insgesamt ca. 84,5 ha (= 0,845 km²) bzw. ca.
1,6 % nicht als unverhältnismäßig gering, wenn vergleichsweise berücksichtigt wird, dass
die im Regionalplan ausgewiesenen Eignungsgebiete für die Nutzung der Windenergie
ausweislich der Begründung und Erläuterung zu Plansatz 1.1 des Regionalplans
(Amtsblatt für Brandenburg 2008, S. 1132) einen Anteil von nur ca. einem Prozent an
der Regionsfläche umfassen.
Das Vorbringen der Antragstellerin, dass die von der Antragsgegnerin im Rahmen der
Restriktionsanalyse angenommenen „Mindestabstandszonen“ rechtswidrig seien, führt
ebenfalls nicht schon bei summarischer Prüfung auf einen beachtlichen
Abwägungsmangel. Nach der von der Antragstellerin selbst zitierten Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts ist es im Grundsatz nicht zu beanstanden, wenn ein
Planungsträger das gesamte Planungsgebiet zunächst nach allgemeinen Kriterien
untersuchen lässt und dabei vorerst von örtlichen Besonderheiten absieht und auch
noch nicht in den Blick nimmt, ob im Ergebnis eine ausreichend große Fläche für die
Windenergienutzung verbleibt. Daher kann der Planungsträger in diesem ersten Schritt
seiner Untersuchung auch zunächst relativ große Pufferzonen um bestimmte Nutzungen
herum zu Grunde legen. Wenn er als Ergebnis dieser Untersuchung jedoch erkennt, dass
mit der gewählten Methode der Windenergie nicht ausreichend substanziell Raum
geschaffen wird, hat er sein Auswahlkonzept nochmals zu überprüfen und
gegebenenfalls abzuändern. Je kleiner die für die Windenergienutzung verbleibenden
Flächen ausfallen, umso mehr ist das gewählte methodische Vorgehen zu hinterfragen
und zu prüfen, ob mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse auch kleinere Pufferzonen als
Schutzabstand genügen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2008, a.a.O.).
Hiervon ausgehend wird die Frage, ob die Antragsgegnerin trotz der sich ergebenden
Reduktion des im Regionalplan festgelegten Windeignungsgebietes auf weniger als ¼ zu
Recht an den Abstandszonen von 800 m um Wohn-, Misch- sowie geplante
Sondergebiete (Erholung/Freizeit/Besondere Grünfläche; Sport/Bildung, Kultur/Hotel) und
von 150 m um Gewerbe- und Industriegebiete sowie Dauerkleingartenanlagen
festgehalten hat, ebenso im Hauptsacheverfahren zu prüfen sein wie die im Rahmen der
Restriktionsanalyse vorgenommene Annahme bestimmter schematischer
Mindestabstände um Infrastrukturanlagen, Biotope, Amphibienlebensräume,
Fledermauskorridore, Brutvogelvorkommen und Waldflächen sowie das die Grundlage
der Restriktionskriterien bildende Datenmaterial. Auch die Frage, ob das von der
Antragsgegnerin herangezogene Kriterium einer Mindestflächengröße von 30 ha
abwägungsfehlerhaft ist, kann jedenfalls nicht ohne eine weitergehende Prüfung bejaht
werden. Die Erwägung, so genannte Splitterflächen nicht als Sonderbauflächen für
Windenergie auszuweisen, wenn weitere Gründe gegen eine Ausweisung sprechen (vgl.
Abschnitt 8.2 der Begründung des sachlichen Teilflächennutzungsplans), erscheint zwar
angesichts der sich hieraus konkret ergebenden Reduktion der in Betracht kommenden
Konzentrationsflächen möglicherweise im Sinne der zitierten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts überprüfungsbedürftig. Von einem offensichtlichen und
beachtlichen Abwägungsfehler kann jedoch bei summarischer Prüfung nicht
ausgegangen werden, da das von der Antragsgegnerin mit der Anwendung dieses
Kriteriums zugleich verfolgte Ziel einer Konzentration der Windkraftanlagen im
nordwestlichen Teil des Gemeindegebiets im Hinblick auf den bereits erwähnten Belang
der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbilds möglicherweise nicht zu beanstanden ist.
Dass das städtebauliche Konzept der Antragsgegnerin teilweise rechtswidrig und
deshalb mit zu hohem Gewicht in die Abwägung eingestellt worden wäre, kann ebenfalls
nicht ohne weiteres angenommen werden. Soweit die Antragstellerin in diesem
Zusammenhang geltend macht, dass im Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg
auf dem Gemeindegebiet der Antragsgegnerin ein Vorsorgestandort für großflächige
gewerblich-industrielle Vorhaben ausgewiesen sei und insbesondere der westliche und
südwestliche Teil des Gemeindegebiets über keine touristische Infrastruktur verfüge,
rechtfertigt dies für sich genommen nicht den Schluss, dass die Antragsgegnerin mit der
nach ihrer Darstellung angestrebten Entwicklung der Erholungs- und Freizeitnutzung eine
reine Verhinderungsplanung betreibe. Vielmehr dürfte es nicht von vornherein zu
beanstanden sein, wenn die Gemeinde die ihr angesichts der gewerblichen Vorprägung
weiter Teile ihres Gemeindegebietes verbliebenen, möglicherweise verhältnismäßig
geringen Gestaltungsspielräume im Rahmen ihrer nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG
geschützten kommunalen Planungshoheit zur Verfolgung ergänzender städtebaulicher
Ziele nutzt, solange dabei auch der Windenergie in den hierfür festgesetzten
Konzentrationsflächen in substanzieller Weise Raum geschaffen werden kann.
Ein offensichtlicher Abwägungsfehler kann schließlich nicht in einer fehlerhaften
Gewichtung der privaten Belange der Antragstellerin gesehen werden. Insbesondere
durfte die Antragstellerin entgegen ihrer Auffassung bei ihren Planungen für die
24
25
26
durfte die Antragstellerin entgegen ihrer Auffassung bei ihren Planungen für die
Errichtung von 14 Windkraftanlagen östlich von Hoppenrade nicht ohne weiteres auf die
Ausweisung des Windeignungsgebiets „Nauener Platte“ im Regionalplan vertrauen, da
sie von den entgegenstehenden Planungen der Antragsgegnerin und den rechtlichen
Bedenken gegen die Wirksamkeit der Festlegungen des Regionalplans, deren
abschließende gerichtliche Klärung – wie erwähnt – noch aussteht, Kenntnis haben
musste. Dass sich die Antragsgegnerin bei der Abwägung für eine Konzentration der
Windkraftanlagen auf den nordwestlichen Teil ihres Gemeindegebiets und damit zulasten
des durch die Genehmigungsanträge konkretisierten privaten Interesses der
Antragstellerin an der Errichtung und Nutzung der geplanten Windkraftanlagen
entschieden hat, ist jedenfalls nicht mit der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung
nach § 47 Abs. 6 VwGO erforderlichen Eindeutigkeit zu beanstanden.
b) Auch die Folgenabwägung fällt zu Ungunsten der Antragstellerin aus, denn diese hat
keine Gründe glaubhaft gemacht, die darauf schließen lassen, dass ihr
außergewöhnliche Opfer abverlangt oder ihre Rechte oder rechtlich geschützten
Interessen durch den Vollzug des angegriffenen Flächennutzungsplans in ganz
besonderem Maße beeinträchtigt werden könnten. Dass der Antragstellerin durch die
ohne die einstweilige Anordnung drohende Ablehnung ihres immissionsschutzrechtlichen
Antrags auf Genehmigung einer Windfarm und die damit entstehende Verzögerung der
Realisierung ihres Vorhabens ein ökonomischer Schaden entstehen mag, reicht hierzu
nicht aus; denn derartige finanzielle Verluste sind keine irreparablen Schäden und
grundsätzlich weder als abzuwehrender schwerer Nachteil noch als andere gewichtige
Gründe anzusehen, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung i. S. d. § 47 Abs. 6
VwGO dringend gebieten würden (vgl. Beschluss des Senats vom 31. März 2006 - OVG 2
S 123.05 -, S. 11 des Entscheidungsabdrucks, m.w.N.). Der Antragstellerin bleibt
unbenommen, wegen möglicher Vermögensschäden gegebenenfalls
Amtshaftungsansprüche gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machen. Das
weitere Vorbringen der Antragstellerin, dass die Finanzierung ihres Vorhabens „bei
einem weiteren Zuwarten (…) angesichts der bestehenden Wirtschaftskrise derart stark
gefährdet“ sei, „dass eine Umsetzung generell problematisch“ sein werde, ist schon
nicht substanziiert genug, um den Erlass einer einstweiligen Anordnung i. S. d. § 47 Abs.
6 VwGO ausnahmsweise zu rechtfertigen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
findet ihre Grundlage in § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 7 GKG. Der Senat geht
hierbei von Ziffer 9.8 des - im Interesse der Vorhersehbarkeit der Kostenfolgen und
damit der Rechtssicherheit sowie der Gleichbehandlung - von ihm regelmäßig
herangezogenen Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. von Juli
2004 (DVBl. 2004, 1525) aus, der für die Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan
einen Streitwert von 7.500,- Euro bis 60.000,- Euro vorsieht. Da der
streitgegenständliche Flächennutzungsplan gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB die
gleichen Rechtswirkungen wie ein Bebauungsplan entfaltet, ist eine Gleichbehandlung
ohne weiteres gerechtfertigt. Im Hinblick auf die Größe des durch den angegriffenen
Flächennutzungsplan verhinderten Vorhabens (14 Windkraftanlagen) ist in der
Hauptsache ein Betrag von 50.000,- Euro angemessen, der im vorliegenden Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges zu halbieren
ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum