Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, amt, aufschiebende wirkung, unternehmen, agent, hauptsache, aktiengesellschaft, rechtsschutz, vollziehung, kreis

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 6 S 18.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 5 VwGO, § 146 Abs 4
VwGO, § 4 Abs 4 S 2
PostPersRG, § 6 PostPersRG,
Art 33 Abs 5 GG
Postnachfolgeunternehmen; amtsangemessene Beschäftigung;
Zuweisung eines abstrakt-funktionellen Amtes
Leitsatz
1. Die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer dauerhaften Zuweisung nach § 4
Abs. 4 Satz 2 PostPersRG lässt sich in Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs.
5 VwGO und der dort vorzunehmenden Interessenabwägung nicht durch einen Verweis auf § 6
PostPersRG umgehen, wonach vorübergehend eine unterwertige Beschäftigung zulässig ist.
2. Die Zuweisung einer Tätigkeit bei einer Tochtergesellschaft eines Nachfolgeunternehmens
der Deutschen Bundespost muss eine amtsgemäße Beschäftigung des Beamten
sicherstellen. Hierzu muss die Zuweisungsverfügung selbst Angaben enthalten, denen sich
hinreichend bestimmt ein Aufgabenkreis entnehmen lässt, der einem abstrakt-funktionellen
Amt gleichkommt.
3. Zur Frage, ob die von der Deutschen Telekom AG in der Zuweisungsverfügung enthaltene
Aufgabenbeschreibung die amtsgemäße Beschäftigung einer betroffenen Beamtin
hinreichend sicherstellt.
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Februar 2010 wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid
der Antragsgegnerin vom 7. Dezember 2009 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die 1962 geborene Antragstellerin ist Fernmeldeobersekretärin (Besoldungsgruppe A 7).
Sie war bis Ende Juli 2009 bei der A. GmbH und Co. KG, einem in Köln ansässigen
Tochterunternehmen der Antragsgegnerin, tätig. Der Vorstand der Deutschen Telekom
AG wies ihr unter Berufung auf § 4 Abs. 4 Satz 2 und 3 PostPersRG durch für sofort
vollziehbar erklärten Bescheid vom 7. Dezember 2009 mit Wirkung ab 14. Dezember
2009 dauerhaft eine Tätigkeit im Unternehmen Vivento Customer Services GmbH als
„Service Center Agentin“ am Dienstort Bonn mit einer Wochenarbeitszeit von 38
Stunden zu. Der Bescheid enthielt eine umfassende Beschreibung der Tätigkeiten einer
Service Center Agentin.
Der hiergegen von der Antragstellerin am 15. Dezember 2009 erhobene Widerspruch ist
bislang unbeschieden.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin mit Beschluss vom 23. Februar 2010
zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass im Rahmen der in Verfahren nach § 80
Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung das Interesse der Antragsgegnerin,
der Antragstellerin sofort eine Tätigkeit als Service Center Agentin zuzuweisen, das
Interesse der Antragstellerin, von dieser Zuweisung vorläufig verschont zu bleiben,
überwiege. Dabei bedürfe es keiner abschließenden Entscheidung, ob die der
Antragstellerin zugewiesene Beschäftigung amtsangemessen sei und ob der Kreis der
bei dem Tochterunternehmen der Antragsgegnerin in Betracht kommenden Tätigkeiten
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bei dem Tochterunternehmen der Antragsgegnerin in Betracht kommenden Tätigkeiten
zu weit gefasst sei und sich diese dadurch ihrer beamtenrechtlichen Pflicht zur
Bestimmung des abstrakt- und konkret-funktionellen Amtes ihrer Beamtin entzogen
habe. Aus § 6 PostPersRG ergebe sich, dass es der Antragstellerin vorerst zumutbar sei,
die ihr zugewiesene Tätigkeit als Service Center Agentin auch dann aufzunehmen, wenn
sich dieser Arbeitsposten aufgrund näherer rechtlicher Prüfung in dem laufenden
Rechtsbehelfsverfahren für eine Fernmeldeobersekretärin als nicht angemessen
erweisen sollte. Auch die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des § 78 BBG hindere die
Zuweisungsentscheidung nicht. Den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der
Antragstellerin werde nach den Auskünften der Antragsgegnerin hinreichend Rechnung
getragen. Die Zuweisung sei auch im Hinblick auf die familiäre Situation der
Antragstellerin (Pflege ihrer Mutter) zumutbar. Das Interesse an der sofortigen
Vollziehung des Bescheides sei formell und materiell hinreichend begründet worden.
II.
Die Beschwerde hat aus den von der Antragstellerin fristgerecht dargelegten Gründen
(vgl. § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO) Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist im rechtlichen
Ausgangspunkt zwar zutreffend davon ausgegangen, dass in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO die widerstreitenden Interessen an der
Aussetzung des Vollzugs der streitigen Maßnahme bzw. an deren sofortiger Vollziehung
miteinander abzuwägen sind und dass dabei regelmäßig primär auf die
Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist. Es hätte sich dann aber an den
durchaus gegebenen Erfolgsaussichten des gegen die Zuweisungsverfügung gerichteten
Widerspruchs orientieren müssen und die damit in Zusammenhang stehenden Fragen
nicht offen lassen dürfen. Nach der in Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes
notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und
Rechtslage bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zuweisung; das
Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres
Widerspruchs gegen die streitige Zuweisungsverfügung überwiegt das
Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin. Der Rückgriff des Verwaltungsgerichts auf
die Regelung des § 6 PostPersRG ist verfehlt.
Nach § 6 PostPersRG können der Vorstand oder die von ihm bestimmten Stellen mit
Dienstvorgesetztenbefugnissen einen Beamten vorübergehend auf einem anderen
Arbeitsposten von geringerer Bewertung unter Belassung seiner Amtsbezeichnung und
seiner Dienstbezüge verwenden, wenn betriebliche Gründe es erfordern. Es handelt sich
um eine materiell-rechtliche spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für
Maßnahmen auf dem Gebiet des Beamtenrechts, die selbständig neben der weiteren
Ermächtigungsgrundlage des § 4 Abs. 4 Sätze 2 und 3 PostPersRG steht. Ein formal-
rechtlicher Regelungsgehalt insbesondere im Hinblick auf den durch die
Verwaltungsgerichte zu gewährenden vorläufigen Rechtsschutz kann der Vorschrift nicht
entnommen werden. Sie ist offensichtlich nicht einschlägig und taugt nicht für eine
sinngemäße Anwendung dergestalt, dass eine unterwertige Beschäftigung
vorübergehend generell hinzunehmen wäre. Vielmehr weist die Antragstellerin insoweit
zu Recht darauf hin, dass die Heranziehung der Vorschrift in einstweiligen
Rechtsschutzverfahren, in denen wie hier eine dauerhafte Zuweisung im Streit ist, auf
eine Negierung des einstweiligen Rechtsschutzes hinausliefe, was schwerlich mit Artikel
19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar ist, der die Verwaltungsgerichte verpflichtet, effektiven
Rechtsschutz zu gewähren.
Rechtsgrundlage für die hier angegriffene Maßnahme ist § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG.
Danach ist eine dauerhafte Zuweisung einer dem Amt entsprechenden Tätigkeit auch
ohne Zustimmung des Beamten zulässig bei Unternehmen, deren Anteile ganz oder
mehrheitlich der Aktiengesellschaft gehören, bei der der Beamte beschäftigt ist, wenn
die Aktiengesellschaft hieran ein dringendes betriebliches oder personalwirtschaftliches
Interesse hat und die Zuweisung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen
zumutbar ist. Diese Voraussetzungen liegen nach Aktenlage nicht vor.
Es fehlt an der Zuweisung einer „dem Amt entsprechenden Tätigkeit“. Mit dieser
Formulierung knüpft der Gesetzgeber des PostPersRG an die verfassungsrechtlichen
Vorgaben des Artikels 143b Abs. 3 GG an, wonach die bei der Deutschen Bundespost
tätigen Bundesbeamten unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung des
Dienstherrn bei den privaten Unternehmen beschäftigt werden (Satz 1). Die
Unternehmen üben die Dienstherrenbefugnisse aus (Satz 2). Die danach zu wahrende
Rechtsstellung der Beamten ergibt sich namentlich aus Artikel 33 Abs. 5 GG, der
uneingeschränkt auch für diejenigen Beamten gilt, die - wie die Antragstellerin - einem
der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost angehören. Diese
Nachfolgeunternehmen haben keinen über die Vorgaben des Artikels 33 Abs. 5 GG
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Nachfolgeunternehmen haben keinen über die Vorgaben des Artikels 33 Abs. 5 GG
hinausgehenden Gestaltungsspielraum (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 C 26/05 -,
BVerwGE 126, 182 ff., Rn. 15 bei juris). Artikel 33 Abs. 5 GG umfasst die Verpflichtung
des Dienstherrn, für eine amtsgemäße Beschäftigung des Beamten zu sorgen (BVerwG,
Urteil vom 18. September 2008 - 2 C 126/07 -, BVerwGE 132, 40 ff., Rn. 13 bei juris). Das
geschieht, indem der Dienstherr dem Beamten ein abstrakt-funktionelles Amt zuweist.
Damit ist der einem statusrechtlichen Amt entsprechender Aufgabenkreis gemeint, der
einem Inhaber dieses Statusamtes bei einer bestimmten Behörde auf Dauer
zugewiesen ist. Das abstrakt-funktionelle Amt wird dem Beamten durch gesonderte
Verfügung des Dienstherrn übertragen (BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006, a.a.O., Rn. 11
bei juris).
Für Zuweisungsentscheidungen nach § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG bedeutet dies, dass
die Antragsgegnerin als Dienstherrin sicherstellen muss, dass die Antragstellerin von
dem Tochterunternehmen, dem sie zugewiesen wird, ihrem Amt entsprechend
beschäftigt wird. Eine amtsgemäße, der Rechtsstellung des Beamten gerecht werdende
Beschäftigung sicherstellen lässt sich nur dann, wenn die Zuweisungsverfügung selbst
hinreichend bestimmte Angaben enthält, denen sich ein Aufgabenkreis entnehmen
lässt, der einem abstrakt-funktionellen Amt gleichkommt. Dabei liegt es im Ermessen
des Dienstherrn, den Inhalt des abstrakt-funktionellen Amtes festzulegen (Urteil des
Senats vom 27. Januar 2010 - OVG 6 B 4.07 -, Rn. 15 bei juris, in Anknüpfung an BVerwG,
Urteil vom 22. Juni 2006, a.a.O., Rn. 12 bei juris). Auch daraus folgt zwingend, dass der
Inhalt des Aufgabenkreises vom Dienstherrn selbst festgelegt werden muss (so im
Ergebnis überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung vgl. u.a. OVG Münster,
Beschlüsse vom 16. März 2009 und 31. März 2010 - 1 B 1650/08 und 1 B 1556/09 -, ZTR
2009, S. 608 f. und juris; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 27. Januar 2009 und 28. Januar
2010 - 5 ME 427/08 und 5 ME 191/09 -, ZBR 2009, S. 279 ff. und DVBl. 2010, S 382 ff.;
VGH München, Urteil vom 28. Januar 2010 - 15 B 09.2622 -, DVBl. 2010, S. 593 ff.; OVG
Magdeburg, Beschluss vom 3. Februar 2009 - 1 L 151/08 -, DVBl. 2009, S. 468; a.A. VG
München, Beschluss vom 26. Februar 2010 - M 21 S 10.494 -, Bl. 188 ff. der Streitakte,
S. 12 ff. des Beschlussabdrucks).
Die Zuweisungsverfügung legt ein abstrakt-funktionelles Amt nicht hinreichend
bestimmt fest. Zunächst ist die Bezeichnung als „Service Center Agent“ für sich
genommen keine Festlegung eines abstrakt-funktionellen Aufgabenkreises. Mit dieser
Bezeichnung wird kein hinreichend definiertes Aufgabenfeld umschrieben, das einem
statusrechtlichen Amt oder einer einen bestimmten Aufgabenkreis umfassenden
Tätigkeit zugeordnet werden könnte. In diesem Zusammenhang weist das
Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss vom 16. März 2009, a.a.O., Rn. 20 bei juris)
zu Recht darauf hin, dass die Tätigkeit als Service Center Agent einen den speziellen
Bedürfnissen der modernen Telekommunikation (insbesondere in sog. Call -Centern)
angepassten Kreis von relativ neuen Diensten umfasst, die sich nicht bereits in einer
Weise verfestigt haben und objektivieren lassen, wie dies für andere Berufsbilder oder die
tradierten Aufgabenfelder der Beamten der Fall ist. Der Begriff „Service Center Agent“
ist für sich genommen letztlich so konturenlos, dass keine Rede davon sein kann, dass
er eine amtsgemäße Beschäftigung der Antragstellerin sicherstellt (vgl. auch OVG
Lüneburg, Beschluss vom 28. Januar 2010, a.a.O., Rn. 8 bei juris).
Nichts anderes gilt, wenn man den in dem Bescheid dargelegten Aufgabenkreis
ergänzend heranzieht. Dieser Aufgabenkreis ist wie folgt umschrieben:
„- Kundenanfragen und Auskünfte (z.B. Informationen zu Stammdatenänderungen,
Rückfragen zu bestehenden Aufträgen, Anfragen zu Rechnungen und Bestellungen) in
telefonischer und/oder schriftlicher Form bearbeiten bzw. erteilen gegebenenfalls
Folgeaktivitäten einleiten
- Kundenaufträge entgegennehmen und nach standardisierten Verfahren
abschließend bearbeiten
- Tarifumstellung
- Umzugsservice
- Kündigungen
- Neueinrichtungen von Telefonanschlüssen
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- Terminvereinbarungen mit Außendienst oder Vor-Ort-Service
- Erstellen und Versenden von Kundenschreiben
- Recherche zur Herstellung produktionsreifer Aufträge in den Kundensystemen
- Technische Anfragen (z.B. elektronische Medien/Internet, Rechnung Online) und
Störungsmeldungen aufnehmen, spezifizieren und ggf. abschließend bearbeiten
- Reklamationen und Beschwerden telefonisch oder schriftlich entgegennehmen,
prüfen und bearbeiten
- Fallweise Kulanzentscheidungen in begrenztem Umfang treffen und umsetzen
- Verkaufsberatung von Bestand- und Neukunden (z.B. Beratung zu neuen
Produkten, Tarifen, Serviceleistungen, Kundenrückgewinnung) durchführen
- Dokumentation der Aufträge in der Kundendatenbank pflegen
- Nachweise und Fehlerlisten erstellen und bearbeiten.“
Schon die bloße Fülle der einzelnen Aufgaben trägt erheblich zur Konturenlosigkeit der
Aufgabenbeschreibung bei. Insoweit liegt die Annahme nahe, dass es sich bei dieser
Beschreibung um eine Aufzählung (nahezu) sämtlicher Aufgaben handelt, die in einem
sog. Call-Center wahrgenommen werden und auch in einem nicht unerheblichen Umfang
einfache, dem Statusamt einer Fernmeldeobersekretärin nicht angemessene
Tätigkeiten umfassen. Es kann nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht davon
ausgegangen werden, dass die Antragstellerin sämtliche dieser Tätigkeiten ausüben
wird, so dass man die Gesamtheit der Aufgaben in den Blick nehmen könnte. Vielmehr
muss davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin nur mit einem Ausschnitt
dieser Tätigkeiten betraut werden wird. Welche Tätigkeiten das sein werden, entzieht sich
der Kenntnis der Antragsgegnerin, wie sie letztlich selbst bekennt, indem sie die
Antragstellerin darauf verweist, gegen die Vivento Customer Services GmbH im Wege
eines Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO vorzugehen, sollte sich die Tätigkeit als
amtsunangemessen herausstellen (Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 12. April 2010,
Bl. 178 f. der Streitakte). Zwar können einige der im Zuweisungsbescheid aufgeführten
Tätigkeiten durchaus anspruchsvoll und auch geeignet sein, dem statusrechtlichen Amt
der Antragstellerin gerecht zu werden. Das hat das Verwaltungsgericht München in dem
Beschluss vom 23. April 2009 - M 21 S 08.5623 - (DVBl. 2009, S. 1195 f., Rn. 39 ff. bei
juris) durchaus nachvollziehbar dargelegt. Damit ist aber nicht hinreichend sicher
gestellt, dass die Antragstellerin tatsächlich amtsgemäß beschäftigt werden wird.
Ebenso gut denkbar ist es, dass ihr ihrer Art und Zahl nach lediglich solche
Aufgabenbereiche zugewiesen werden, die schwerlich als amtsgemäß angesehen
werden können. Die Zuweisungsverfügung selbst enthält keinerlei Eingrenzungen oder
Angaben, die dies verhindern könnten. Gestützt wird diese Annahme weiter durch den
Umstand, dass die Antragsgegnerin dem Vorbringen der Antragstellerin nicht
entgegengetreten ist, wonach in den Call-Centern der Vivento Customer Services GmbH
auch Personal mit den dort anfallenden Aufgaben betraut wird, das über keinerlei
abgeschlossene Berufsausbildung verfügt. Verfehlt erscheint es in diesem
Zusammenhang weiter, die Antragstellerin auf ein Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO für
den Fall zu verweisen, dass die konkrete Beschäftigung bei der Vivento Customer
Services GmbH nicht amtsgemäß sein sollte. Dies wird der § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG
zugrundeliegenden rechtlichen Konstruktion nicht gerecht (OVG Lüneburg, Beschluss
vom 28. Januar 2010, a.a.O., Rn. 11 a.E. bei juris). Dieser Vortrag belegt zudem, dass die
Antragsgegnerin sich der ihr als Dienstherrin obliegenden Aufgaben nicht im
notwendigen Umfang im Klaren ist und diese dementsprechend nicht ausreichend
wahrnimmt. Die Festlegung des Aufgabenkreises bleibt offenbar vielmehr der Vivento
Customer Services GmbH vorbehalten.
Der Einwand der Antragsgegnerin, die beamtenrechtlichen Grundsätze ließen sich nicht
„1:1“ auf die Tätigkeit eines privatwirtschaftlich agierenden Unternehmens übertragen,
es bedürfe daher im Rahmen von Zuweisungsverfügungen keiner abstrakten
Funktionsbeschreibung, lässt die verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich
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Funktionsbeschreibung, lässt die verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich
festgelegten Vorgaben außer Acht und verkennt zudem, dass es nicht um die exakte
Übertragung beamtenrechtlicher Vorgaben und Begrifflichkeiten auf die
Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost geht, sondern um deren
sinngemäße Umsetzung. Dazu zählt es, dass die Antragsgegnerin als
Nachfolgeunternehmen ihre Dienstherreneigenschaft wahrnimmt, was wiederum aus
den dargelegten Gründen die Verpflichtung umfasst, selbst zu bestimmen, welchen
Aufgabenkreis die ihr zugewiesenen Beamten bei ihrer Tätigkeit wahrnehmen, um so die
Amtsgemäßheit der Tätigkeit sicherzustellen. Das übersieht auch das VG München in
dem von der Antragsgegnerin für ihre Position angeführten Beschluss vom 26. Februar
2010, a.a.O..
Soweit die Antragsgegnerin meint, etwas anderes folge aus dem Umstand, dass im
Gegensatz zur bisherigen Handhabung der Aufgabenkreis nicht mehr die Ämter der
Besoldungsgruppen A6 bis A9 umfasse, sondern nur noch die der Besoldungsgruppen
A7 bis A9, verkennt sie, dass es darauf nicht entscheidend ankommt. Denn sie ist damit
nicht ihrer verfassungsrechtlich verankerten Pflicht enthoben, einen Aufgabenkreis
hinreichend bestimmt festzulegen, der einem abstrakt-funktionellen Amt entspricht.
Darüber hinaus ist das Vorbringen insoweit aber auch inhaltlich nicht nachvollziehbar.
Die in der sog. Checkliste „Konzerninterne/Konzernexterne Zuweisung“ (Bl. 89 der
Streitakte) enthaltene Kurzbeschreibung der Aufgaben für das Anforderungsprofil B
betreffend die Besoldungsgruppen A6 und A7 (einfacher Dienst) sowie das
Anforderungsprofil B+ betreffend die Besoldungsgruppen A7 bis A9 (mittlerer Dienst),
die nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht mehr gelten soll, unterscheidet sich
nämlich nicht wesentlich von der in der streitigen Zuweisungsverfügung enthaltenen
Aufgabenbeschreibung, die nach dem Bekunden der Antragsgegnerin nur noch für die
Besoldungsgruppen A7 bis A9 gilt. Es hätte nachvollziehbarer Erläuterung bedurft,
weshalb die aufgezählten Tätigkeiten nunmehr für den einfachen Dienst nicht mehr in
Frage kommen sollen. Daran fehlt es.
Keiner Entscheidung bedarf vor dem dargelegten Hintergrund die Frage, ob der
Dienstherr mit der Zuweisungsverfügung nicht nur das abstrakt-funktionelle Amt,
sondern zugleich auch das konkret-funktionelle Amt - also den einem bestimmten
Dienstposten entsprechenden Aufgabenkreis - festlegen muss. Dahinstehen können
ferner die weiteren, zwischen den Beteiligten strittigen Fragen, ob der Antragstellerin
angesichts ihrer gesundheitlichen und familiären Situation der Arbeitsplatzwechsel
zumutbar ist und ob die sofortige Vollziehungsanordnung durch die Antragsgegnerin
ausreichend begründet worden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Der Senat hat den in einstweiligen
Rechtsschutzverfahren üblichen hälftigen Wert des Hauptsacheverfahrens zugrunde
gelegt. Anders als in Verfahren, in denen eine vorübergehende Zuweisung in Rede steht,
wird bei der hier streitgegenständlichen dauernden Zuweisung die Hauptsache nicht
faktisch vorweggenommen; die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung war daher auf die
Beschwerde der Antragstellerin entsprechend zu ändern.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung
mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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