Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 30.11.2016

fraktion, freies ermessen, mehrheit, anhörung

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 30.11.2016, PL 15 S 1080/16
Rechtswidrigkeit der Verteilung der Freistellungsstunden für Personalratsmitglieder
Leitsätze
Das Ermessen des Personalrats bei Freistellungsentscheidungen nach § 47b Abs. 1 LPVG a.F. = § 45 Abs. 1
LPVG n.F. wird durch das Willkürverbot begrenzt. Das Willkürverbot ist verletzt, wenn Freistellungen nicht
entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung, die Funktionsfähigkeit des Personalrats zu sichern,
sondern ohne hinreichende sachliche Gründe oder gar aus sachfremden Erwägungen gegen den Willen der
Betroffenen durch Mehrheitsbeschluss verteilt werden.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. April 2016
- PL 22 K 5801/14 - geändert. Es wird festgestellt, dass die Verteilung der Freistellungen der
Personalratsmitglieder wie vom weiteren Beteiligten zu 1 in seiner Sitzung vom 24.02.2015 vorgenommen
insoweit rechtswidrig war, als der Antragsteller zu 1 mit 27 Stunden und die Antragsteller zu 2 und 4 hierzu
mit jeweils einer Stunde weniger gegen ihren Willen freigestellt wurden.
Gründe
I.
1 Zwischen den Beteiligten ist (noch) streitig, ob der weitere Beteiligte zu 1 in seiner Sitzung vom
24.02.2015 die Freistellungen insoweit rechtmäßig vorgenommen hat, indem seine GEW-
Mehrheits“fraktion“ (anders als die Beteiligten spricht § 45 LPVG eigentlich von „Wahlvorschlägen“)
entgegen dem ausdrücklichen Willen der VBE-Minderheitenfraktion (Antragsteller zu 1-4) den dieser VBE-
Fraktion angehörigen Antragsteller zu 1 aufgrund seiner Vorstandsmitgliedschaft mit 27 Stunden und damit
voll freigestellt hat.
2 Bei der örtlichen Personalratswahl beim Staatlichen Schulamt Künzelsau im Bereich Grund-, Haupt-,
Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen sowie für Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren
am 19.05.2014 fielen von den 19 zu vergebenden Sitzen 14 auf die Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW) und 5 auf den Verband Bildung und Erziehung (VBE). In der konstituierenden Sitzung
vom 24.06.2014 wurden die zu vergebenden Freistellungsstunden im Umfang von sechs
Vollzeitbeschäftigten (6 x 28 = 168 Stunden) nicht im Verhältnis 14:19 (GEW 124 Stunden) und 5:19 (VBE
44 Stunden), sondern - mit der GEW-Abstimmungsmehrheit gegen die 5 Stimmen der VBE-Minderheit - im
Verhältnis 127 GEW : 41 VBE (davon 21 für den Antragsteller zu 1) verteilt. Da die überstimmte VBE-
Fraktion bzw. die Antragsteller hiermit nicht einverstanden waren, haben sie am 18.12.2014 beim
Verwaltungsgericht Stuttgart das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet und
beantragt, die am 04.07.2014 vorgenommene Verteilung der Freistellungen für rechtswidrig zu erklären.
3 In seiner Sitzung vom 24.02.2015 hat der weitere Beteiligte zu 1 die Freistellungen mit der GEW-Mehrheit
sodann nach Beratung durch seinen Prozessvertreter und ohne gerichtliche Anordnung neu geregelt und
der VBE-Fraktion nunmehr insgesamt 44 Freistellungsstunden zugestanden. Gegen den Willen der VBE-
Fraktion wurden dabei jedoch u.a. die Freistellungen der Antragsteller zu 2 und 4 um eine Stunde auf
jeweils vier Stunden reduziert, hingegen die des Antragstellers zu 1 von 21 auf 27 Stunden erhöht, sodass
er damit als voll freigestellt galt. Begründet wurde der Beschluss im Wesentlichen mit dem Argument, dass
alle Vorstandsmitglieder gleichberechtigt voll freizustellen seien. Die Antragsteller sahen hierin hingegen
„eine Retourkutsche der GEW“, weil diese „der VBE-Fraktion drei weitere Stunden zugestehen musste“.
4 Die Antragsteller änderten daraufhin ihren Antrag gegenüber dem Verwaltungsgericht dahingehend ab, dass
nunmehr festgestellt werden sollte, dass die am 24.02.2015 erfolgte Verteilung der Freistellungsstunden
hinsichtlich der Freistellung des Antragstellers zu 1 mit 27 Stunden rechtswidrig ist. Zur Begründung
führten sie insbesondere aus, dass den Wünschen eines Personalratsmitglieds nach bloßer Teilfreistellung
Rechnung zu tragen sei, wenn keine zwingenden Gründe für eine Vollfreistellung vorgebracht würden. Im
konkreten Fall würden solche Gründe fehlen, weil der Freistellungsbedarf für die Vorstandsarbeit willkürlich
von insgesamt 96 auf 100 Stunden angehoben worden sei, ohne entsprechende konkrete
Aufgabenzuweisung der Personalratsmitglieder. Der Antragsteller zu 1, der auch als Netzwerkbetreuer
seiner Schule engagiert sei, befürchte im Falle der Vollfreistellung „Draht und Kontakt zu seiner Dienststelle“
zu verlieren, auch deshalb, weil die Personalratsarbeit im Staatlichen Schulamt stattfinde und so die
Kolleginnen und Kollegen nicht mehr wahrnehmen könnten, dass seine Personalratsarbeit „in der Nähe
funktioniere“. Auch sehe er die Gefahr, durch die und nach Beendigung der Vollfreistellung nicht mehr auf
seinen alten Arbeitsplatz zurückkommen zu können, weil er hierauf keinen Rechtsanspruch besitze. Durch
solche Freistellungen gegen den erklärten Willen des Betroffenen könne dessen „Investitionsbereitschaft“
für die Personalratsarbeit zunichte gemacht werden.
5 Die weitere Beteiligte zu 2 schloss sich dem Teilfreistellungsantrag des Antragstellers zu 1 an, weil er „nur
so in seinem beruflichen Werdegang nicht benachteiligt“ werde „und ein enger Kontakt zur Schule und den
Problembereichen, die der Personalrat vertritt und bearbeitet, gewährleistet“ sei.
6 Der weitere Beteiligte zu 1 hielt hingegen schon die Antragsänderung mangels Sachdienlichkeit sowie den
Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnis für unzulässig. Der Antrag sei zudem unbegründet, weil die
Freistellungsentscheidung ausschließlich dem Personalrat obliege und er selbstverständlich auch gegen den
erklärten Willen freistellen könne. Dem Antragsteller zu 1 sei offenbar noch immer nicht deutlich geworden,
in welche Pflichtenstellung er als Vorstandsmitglied eingerückt sei. Er werde im Umfang von 27
Wochenstunden im Vorstand benötigt. Teilfreistellungen würden angesichts der gewachsenen Aufgabenfülle
nicht helfen. Der Antragsteller zu 1 müsse auch nicht um seine Karriere fürchten. Sein Vortrag, der enge
Kontakt zur Schule sei von eminent wichtiger Bedeutung, liege neben der Sache. Sein Hinweise, er werde
durch den angegriffenen Beschluss behindert und benachteiligt, sei „krass“. Gerade „absurd“ sei diese
Behauptung im Zusammenhang mit § 46 Abs. 1 LPVG.
7 Auf die Anhörung vom 26.04.2016 lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom selben Tag den Antrag
ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsänderung sachdienlich gewesen
und weiterhin ein Feststellungsinteresse gegeben sei. Der zulässige Antrag sei jedoch nicht begründet, weil
der Freistellungsbeschluss vom 24.02.2015 rechtmäßig sei, auch soweit der Antragsteller zu 1 gegen seinen
Willen mit 27 Stunden freigestellt worden sei. Der weitere Beteiligte zu 1 entscheide über die Freistellungen
nach eigenem, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarem Ermessen. Die gleichmäßige Vollfreistellung aller
Vorstandsmitglieder sei ermessensfehlerfrei. Ein solcher Beschluss sei nicht einmal dann rechtswidrig, wenn
er als sachlich ungerechtfertigt erscheinen würde, sondern erst dann, wenn er unter Verstoß gegen
zwingende Verfahrensvorschriften zustande gekommen sei oder gegen höherrangiges Recht verstoße, was
hier nicht der Fall sei. Die Freistellungen seien insbesondere zutreffend nach dem Verteilungsprogramm des §
45 LPVG und unter Berücksichtigung des Minderheitenschutzes erfolgt. § 45 Abs. 1 LPVG gehe erkennbar
von dem Grundsatz der Vollfreistellung aus. Wer sich in den Vorstand wählen lasse, auf den würden
erhebliche Pflichten und Aufgaben zukommen, sodass das Argument, den Kontakt zur Dienststelle halten zu
wollen, nicht greife. Auch § 46 Abs. 1 LPVG sei nicht verletzt, weil diese Vorschrift vor Benachteiligungen im
beruflichen Werdegang schützen wolle; sie bezwecke aber nicht den Schutz von Personalratsmitgliedern vor
der Personalratsarbeit. Gleiches gelte hinsichtlich § 6 Abs. 1 LPVG.
8 Gegen den ihnen am 06.05.2016 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 01.06.2016
Beschwerde eingelegt und diese am 06.07.2016 begründet. Sie machen geltend, ihr Antrag sei weiterhin
zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht lasse sich von falschen Prämissen leiten, wenn es meine, §
45 Abs. 1 LPVG gehe erkennbar vom Grundsatz der Vollfreistellung aus. Entscheidend seien insoweit
vielmehr die dem einzelnen Personalratsmitglied zugewiesenen Aufgaben. Ansonsten würde dies letztlich
bedeuten, dass alle nicht freigestellten Mitglieder die Personalratsarbeit nicht anstelle ihrer dienstlichen
Tätigkeit, sondern in der Freizeit erledigen müssten bzw. ohne Aufgabe und Funktion „Dekoration“ wären.
Auch im Rahmen des § 45 Abs. 1 LPVG gelte der Grundsatz, dass niemand zur Freistellung gezwungen
werden dürfe. Das Ermessen des Personalrats könne mithin erst nach der Bereitschaft zur Freistellung
ansetzen. Im vorliegenden Fall wäre die Personalratsarbeit durch eine Teilfreistellung des Antragstellers zu 1
in keiner Weise gefährdet gewesen. Mangels konkreter Aufgabenzuweisungen habe es für die
Freistellungserhöhung der Vorstandsarbeit auf insgesamt 100 Stunden keinen sachlichen Grund gegeben.
Auch der Minderheitenschutz gebiete es, Teilfreistellungswünsche zu berücksichtigen. Anderenfalls könne
die Mehrheitsfraktion auf diesem Wege Mitglieder der Gegenfraktion faktisch aus dem Personalrat
herausdrängen. Zudem spreche die gebotene Friedenspflicht und vertrauensvolle Zusammenarbeit für den
Rechtsstandpunkt der Antragsteller. Die Entscheidungsfreiheit des einzelnen Personalratsmitglieds sei
insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn der Personalrat räumlich nicht an der eigenen Dienststelle
selbst angesiedelt sei, sondern wie hier am Staatlichen Schulamt. Der Personalrat könne ein
Personalratsmitglied nicht zur „Alles-oder-Nichts-Entscheidung“ zwingen. Soweit Aufklärung möglich
gewesen sei, habe sich ergeben, dass in nahezu allen anderen Personalräten die Fraktionen nach ihren
Vorstellungen befragt und landesweit in der Regel deren Wünsche respektiert würden. Dies auch darum,
weil bei zwangsweiser Vollfreistellung für die restlichen Fraktionsmitglieder nur entsprechend geringere
Freistellungen übrig blieben, sodass die sinnvolle Aufgabenerledigung erschwert werde.
9 Die Antragsteller beantragen,
10 den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. April 2016 - PL 22 K 5801/14 - zu ändern und
festzustellen, dass die Verteilung der Freistellungen der Personalratsmitglieder wie vom weiteren
Beteiligten zu 1 in seiner Sitzung vom 24.02.2015 vorgenommen insoweit rechtswidrig war, als der
Antragsteller zu 1 mit 27 Stunden und die Antragsteller zu 2 und 4 hierzu mit jeweils einer Stunde
weniger gegen ihren Willen freigestellt wurden.
11 Die weitere Beteiligte zu 2 hat sich grundsätzlich dem Vorbringen der Antragsteller angeschlossen, jedoch
von einer Antragstellung abgesehen.
12 Der weitere Beteiligte zu 1 beantragt,
13 die Beschwerde zurückzuweisen.
14 Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und macht ergänzend geltend, jedenfalls heute sei der Antrag
mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig geworden, weil die Freistellungen am 05.07.2016 für das
Schuljahr 2016/17 nunmehr einstimmig neu geregelt worden seien. Einer der Antragsteller sei aus dem
Personalrat ausgeschieden. Der Antragsteller zu 1 sei freiwillig aus dem Vorstand ausgeschieden und
nunmehr nur noch mit vier Stunden freigestellt. Für ihn sei Frau Rektorin W. (mit 27 Freistellungsstunden)
in den Vorstand gewählt worden. Ohnehin sei der Antrag weiterhin unbegründet. Die Überlegungen der
Beschwerde, es sei Sache der Minderheitenfraktion, über das ihr zustehende Freistellungskontingent zu
verfügen, finde im Gesetz ebenso wenig eine Stütze wie der Gedanke, ein vollständig freigestelltes
Personalratsmitglied habe nach Beendigung der Freistellung Anspruch auf den „alten“ Arbeitsplatz; Beamte
hätten einen solchen Anspruch sowieso nicht.
15 Im Rahmen der Anhörung vor dem Senat führte der Antragsteller zu 1 u.a. aus, er sei in der Zeit nach der
Wahl gesundheitlich angeschlagen gewesen, habe deshalb verschiedentlich fehlen müssen und sei im
Zeitpunkt seiner Vollfreistellung im Krankenhaus gewesen. Vor der Beschlussfassung über seine
Vollfreistellung sei er nicht einmal hierzu angehört worden. Im Wesentlichen wegen der erzwungenen
Vollfreistellung sei er zwischenzeitlich aus dem Vorstand ausgeschieden. Die Vertreterin der GEW-Mehrheit
betonte im Rahmen der Anhörung insbesondere die Vielfalt der Aufgaben des Personalrates und erläuterte
ihre Auffassung, dass zur sachdienlichen Vorstandsarbeit eine Vollfreistellung erforderlich sei.
16 Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sachverhalts wird hierauf und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
II.
17 Die Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg.
18 Nach Löschung aus dem Rubrum des zum Schuljahr 2016/17 aus dem weiteren Beteiligten zu 1
ausgeschiedenen früheren Antragstellers K. mangels weiterer Beteiligtenfähigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom
04.03.2016 - PL 15 S 408/15 -, Juris Rn. 36) ist die Beschwerde der verbliebenen Antragsteller nach § 92
Abs. 2 LPVG in der nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts (vgl. BVerwG, Urteil vom
24.03.2010 - 4 CN 3.09 -, NVwZ 2010, 782; Senatsbeschluss vom 02.07.2015 - PL 15 S 2013/15 -; OVG
Bremen, Beschluss vom 18.11.2015 - 2 B 221/15 u.a. -, Juris) hier anzuwendenden Fassung der
Neubekanntmachung vom 12.03.2015 (GBl. S. 221 ) i.V.m. § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft, in der
nach § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG vorgeschriebenen Form und nach § 87 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1
ArbGG fristgerecht erhoben und begründet worden und auch sonst zulässig. Die Beschwerde ist auch
begründet. Der Antrag der Antragsteller ist trotz des Umstandes, dass die streitigen Freistellungen
inzwischen durch einstimmigen Beschluss des weiteren Beteiligten zu 1 vom 05.07.2016 neu geregelt
worden sind und der Antragsteller zu 1 freiwillig aus dessen Vorstand ausgeschieden ist, weiterhin zulässig
(1.) und auch begründet (2.).
19 1. Der Antrag ist nach § 92 Abs. 1 Nr. 3 LPVG zulässig. Nach dieser Vorschrift entscheiden die
Verwaltungsgerichte unter anderem über die Zuständigkeit und Geschäftsführung der
Personalvertretungen. Dieser Tatbestand erfasst auch Streitigkeiten über - wie hier -
personalvertretungsrechtliche Freistellungen (vgl. Leuze/Wörz/Bieler, Personalvertretungsrecht in Baden-
Württemberg, § 86 LPVG <1990> RdNrn. 18, 21).
20 Das notwendige Rechtsschutz- und Feststellungsinteresse besteht ungeachtet des Umstandes, dass sich der
den Streit auslösende Beschluss vom 24.02.2015 auf das Schuljahr 2015/16 bezog und dieses inzwischen
abgelaufen ist. Denn in personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren kann auch nach einer Erledigung
des „eigentlichen“ Streitfalls die dem Vorgang zu Grunde liegende Streitfrage noch der Klärung durch eine
gerichtliche Feststellung zugeführt werden, wenn sie künftige Sachverhalte betrifft, die in ihren Grundzügen
dem Sachverhalt des Anlass gebenden konkreten Vorgangs entsprechen und im Wesentlichen dieselben
Rechtsfragen aufwerfen. Ein solches Begehren hat der jeweilige Antragsteller spätestens mit seinem in der
letzten Tatsacheninstanz gestellten Antrag deutlich zu machen (BVerwG, Beschlüsse vom 29.01.1996 - 6 P
45.93 -, Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 69, und vom 23.03.1999 - 6 P 10.97 -, BVerwGE 108, 347;
Senatsbeschluss vom 20.01.2015 - PL 15 S 1102/14 -, ZfPR 2015, 39, m.w.N.). Ein Rechtsschutzinteresse
für ein vom konkreten Vorgang losgelöstes Begehren ist allerdings nur dann gegeben, wenn sich die streitige
und entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwischen denselben Verfahrensbeteiligten auch in künftigen
vergleichbaren personalvertretungsrechtlichen Verfahren mit einiger - mehr als nur geringfügiger -
Wahrscheinlichkeit erneut stellen wird (BVerwG, Beschluss vom 17.09.1996 - 6 P 5.94 -, ZfPR 1997, 9).
21 Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Aus Anlass des konkreten Falles stellt sich die
verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage, ob eine Verteilung der Freistellungen der Personalratsmitglieder wie
vom weiteren Beteiligten zu 1 in seiner Sitzung vom 24.02.2015 vorgenommen rechtswidrig ist. Die
Antragsteller haben noch immer ein darauf bezogenes schutzwürdiges Feststellungsinteresse. Denn der
weitere Beteiligte zu 1 hält an seiner dem Beschluss vom 24.02.2015 zugrunde liegenden Rechtsauffassung
auch über das Schuljahr 2015/16 hinaus fest, wie er bei der Anhörung betont hat, weshalb hier
vergleichbare Streitigkeiten über Freistellungen gegen den ausdrücklichen Willen der betroffenen
Personalratsmitglieder jederzeit wieder entstehen können.
22 2. Der Antrag ist auch begründet. Eine Verteilung der Freistellungen der Personalratsmitglieder wie vom
weiteren Beteiligten zu 1 in seiner Sitzung vom 24.02.2015 vorgenommen ist rechtswidrig.
23 a) Nach § 47b Abs. 1 LPVG a.F. = § 45 Abs. 1 LPVG n.F. sind die Mitglieder eines Personalrats mit - wie hier -
19 Mitgliedern auf Antrag des Personalrats im Umfang von sechs Vollzeitbeschäftigten freizustellen, wobei
entsprechende Teilfreistellungen zulässig sind. Werden Teilfreistellungen mehrerer Mitglieder vorgenommen,
ist in dem vorliegend betroffenen Bereich der Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen
sowie für Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren insoweit von einer durchschnittlichen
wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung von 28 Wochenstunden auszugehen (vgl. Nr. V.1 Satz 2 der
Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums „Anrechnungsstunden und Freistellungen für Lehrkräfte an
öffentlichen Schulen“ vom 06.06.2014 - Az.: 14-0301.620/1444 -, K.u.U. 2014, S. 96).
24 b) Wie die dem weiteren Beteiligten zu 1 damit insgesamt zur Verfügung stehenden 168 (28 x 6)
Freistellungsstunden auf seine Mitglieder verteilt werden, hat er selbst nach eigenem Ermessen zu
entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 29.09.1992 - 15 S 1685/91 -, PersV 1997, 507). Die grundsätzliche
Dispositionsfreiheit des Personalrats bei der Auswahl der dem Dienststellenleiter zur Freistellung zu
benennenden Personalratsmitglieder besteht allerdings zum einen nur in den Grenzen des § 47b Abs. 4
LPVG a.F. = § 45 Abs. 4 LPVG n.F. (vgl. Senatsbeschluss vom 29.09.1992, a.a.O., zum inhaltsgleichen § 47
Abs. 3 Satz 2 und 3 LPVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.12.1990 ). Hiernach
sind bei der Freistellung zunächst die von den Gruppenvertretern gewählten Vorstandsmitglieder, sodann
die übrigen Vorstandsmitglieder zu berücksichtigen (Satz 1). Bei weiteren Freistellungen sind die im
Personalrat vertretenen Wahlvorschläge nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu berücksichtigen;
dabei sind die nach Satz 1 freigestellten Vorstandsmitglieder anzurechnen (Satz 2). Dieses
Verteilungsprogramm dient auch dem Minderheitenschutz, weil es dem Personalrat gebietet, die
Freistellungsstunden unter den Mitgliedern der Personalvertretung im Verhältnis der auf die im Personalrat
vertretenen Wahlvorschläge entfallenden Sitze zu verteilen (vgl. Senatsbeschluss vom 04.03.2016 - PL 15 S
1235/15 -, Juris). Der angegriffene Beschluss des weiteren Beteiligten zu 1 vom 24.02.2015 hält diese
ermessensbeschränkenden gesetzlichen Vorgaben ein, nachdem er damit die insoweit mit Beschluss vom
04.07.2014 rechtswidrig zugunsten der GEW-Mehrheit nicht im gesetzlich vorgesehenen Verhältnis 14:19
(GEW) und 5:19 (VBE) vorgenommene ursprüngliche Verteilung der Freistellungsstunden korrigiert hat.
25 c) Die grundsätzliche Dispositionsfreiheit des Personalrats bei der Auswahl der dem Dienststellenleiter zur
Freistellung zu benennenden Personalratsmitglieder darf allerdings zum anderen nicht gegen zwingende
Verfahrensvorschriften verstoßen, wofür es im zu beurteilenden Fall keine Anhaltspunkte gibt, und muss
schließlich mit höherrangigem Recht im Einklang stehen. Daran fehlte es hier, insbesondere soweit der
Antragsteller zu 1 mit Beschluss vom 24.02.2015 entgegen seinem Willen durch Mehrheitsentscheid ohne
hinreichende sachliche Gründe vollfreigestellt worden war. Denn diese erzwungene Freistellung verstieß
gegen das aus dem Grundgesetz abgeleitete Willkürverbot.
26 aa) Das Verwaltungsgericht hat im Ansatz durchaus zutreffend ausgeführt, dass das dem weiteren
Beteiligten zu 1 zustehende Ermessen bei der Verteilung der Freistellungsstunden gerichtlich nur
beschränkt überprüfbar ist und nicht durch ein gerichtliches Ermessen ersetzt werden darf. Es kann hier
offen bleiben, ob das diesbezügliche Ermessen des Personalrats ein grundsätzlich „freies“ Ermessen ist oder
ein „rechtsgebundenes“, d.h. ob nach allgemeinen Prozessgrundsätzen gerichtlich überprüft werden kann,
ob die konkrete Ausübung des Ermessens rechtswidrig ist, weil dessen gesetzliche Grenzen überschritten
sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht worden ist (Rechtsgedanke aus § 114 Satz 1 VwGO). Eine gerichtliche Prüfung des Ermessens ist
jedenfalls dann zulässig und geboten, wenn - wie vorliegend - Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das
Willkürverbot gegeben sind. Das Willkürverbot findet seine Grundlage im Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs.
3 GG sowie grundrechtlich im Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992 - 2
BvF 1/88 -, BVerfGE 86, 148 <250 f.>; Beschluss vom 18. April 1996 - 1 BvR 1452/90 u.a. -, BVerfGE 94, 12
<34>) und bindet auch den Personalrat. Im konkreten Kontext wird das Willkürverbot verletzt, wenn
Freistellungen nicht entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung, die Funktionsfähigkeit des
Personalrats zu sichern, sondern ohne hinreichende sachliche Gründe oder gar aus sachfremden
Erwägungen gegen den Willen der Betroffenen durch Mehrheitsbeschluss verteilt werden.
27 bb) Der Antragsteller zu 1 hat überzeugend dargelegt, dass dies bezüglich seiner Vollfreistellung mit 27
Stunden durch den gegen seinen Willen getroffenen Mehrheitsbeschluss des weiteren Beteiligten zu 1 vom
24.02.2015 der Fall gewesen ist. Nachdem die Antragsteller die rechtswidrige Verteilung der
Freistellungsstunden im ersten Mehrheitsbeschluss vom 04.07.2014 mit Antrag vom 18.12.2014 gerichtlich
angegriffen hatten und der Prozessvertreter des weiteren Beteiligten zu 1 diesen auf die Rechtslage
hingewiesen hat, sah sich die GEW-Mehrheit gezwungen, die Freistellungen entsprechend dem Gesetz im
Verhältnis 14:19 (GEW) und 5:19 (VBE) neu zu verteilen und also der VBE-Fraktion drei weitere
Freistellungsstunden zuzugestehen. Diese Situation löste die GEW-Mehrheit dadurch, dass zwei
Antragstellern der VBE-Fraktion jeweils gegen ihren Willen eine Freistellungsstunde entzogen und der
Antragsteller zu 1 zwangsweise statt wie bisher mit 21 Wochenstunden mit 27 Wochenstunden im
Wesentlichen voll freigestellt wurde.
28 Nachvollziehbare sachliche Gründe - gerade auch vor dem Hintergrund der damaligen krankheitsbedingten
Fehlzeiten des Antragstellers zu 1 - konnte die GEW-Mehrheit hierfür nicht benennen und solche sind auch
nicht sonst ersichtlich. Damit liegt der Vorwurf der Antragsteller auf der Hand, hier habe „eine
Retourkutsche“ stattgefunden, mit anderen Worten, der Beschluss setze sachfremde Erwägungen um.
Nachdem zum damaligen Zeitpunkt offenbar keine konkrete Aufgabenzuweisung im Vorstand des weiteren
Beteiligten zu 1 erfolgt war und der Antragsteller zu 1 unbestritten vortrug, seiner Vorstandsarbeit mit den
bisherigen 21 Stunden im Wesentlichen voll nachgekommen zu sein sowie keine konkreten Fakten dafür
benannt werden konnten, dass die Funktionsfähigkeit des weiteren Beteiligten zu 1 bei Berücksichtigung
der Stundenverteilungswünsche der VBE-Fraktion irgendwie gefährdet gewesen wäre, geht der Senat von
einem Verstoß gegen das Willkürverbot aus. Die Argumente der GEW-Fraktion, die anderen
Vorstandsmitglieder hätten sich ebenfalls voll freistellen lassen und das Gesetz gehe insoweit vom
Grundsatz der Vollfreistellung aus, tragen hier nicht, weil die anderen Vorstandsmitglieder mit ihrer
Vollfreistellung einverstanden waren und der Antragsteller zu 1 ausgesprochen nachvollziehbare
personalvertretungsrechtliche Argumente für seine weitere Teilfreistellung benannt hat, die von der GEW-
Mehrheit im Rahmen der Ermessensentscheidung hätten entsprechend gewichtet werden müssen (besserer
Kontakt zur Dienststelle, gute Wahrnehmung der Personalratsarbeit vor Ort, bessere Aufgabenverteilung
innerhalb der VBE-Fraktion). Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Personalrats gehört es auch, die
personalvertretungsrechtliche Arbeit seiner Mitglieder nicht unnötig unattraktiv zu machen. Dass dies
insbesondere bei zwangsweiser Vollfreistellung der Fall sein kann, liegt auf der Hand und bedarf keiner
weiteren Begründung.
29 3. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil die
Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 92 Abs. 2 LPVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 und § 72 Abs. 2 Nr. 1
ArbGG).