Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 28.02.2017

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VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 28.2.2017, A 2 S 271/17
Beschwerdeausschluss gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts über die Festsetzung
des Gegenstandswerts in Asylverfahren
Leitsätze
Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG erstreckt sich in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz auch
nach Einführung von § 1 Abs. 3 RVG auf die Festsetzung des Gegenstandswerts als Nebenverfahren
(Fortführung VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.09.2011 - A 12 S 2451/11 -).
Tenor
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Gegenstandswertbeschluss des
Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. Januar 2017 - A 3 K 4940/16 - wird verworfen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Über die gemäß § 32 Abs. 2 RVG zulässigerweise im eigenen Namen erhobene Beschwerde entscheidet nach
Übertragung mit Beschluss vom 27.02.2017 gemäß § 33 Abs. 8 S. 2 RVG der Senat.
2 Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts über die Festsetzung des Gegenstandswerts
ist als unzulässig zu verwerfen. Denn bei dem zugrunde liegenden Verfahren handelte es sich um eine
Rechtsstreitigkeit nach dem Asylgesetz. Entscheidungen in derartigen Verfahren können nicht mit der
Beschwerde angefochten werden (§ 80 AsylG). Dieser Beschwerdeausschluss gilt auch für alle gerichtlichen
Entscheidungen in Nebenerfahren (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.09.2011 - A 12 S 2451/11 -juris;
BayVGH, Beschluss vom 22.05.2013 - 8 C 13.30078 - juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.11.1993 - A
16 S 2045/92 - juris; VG Frankfurt, Beschluss vom 18.12.1997 - 5 J 31686/97.A - AuAS 1998, 48; Funke-
Kaiser, in: GK-AsylG, § 80 RdNr. 10; Renner/Bergmann, AuslR, § 80 AsylG RdNr. 2; Hailbronner, AuslR, § 80
AsylG RdNr. 9).
3 Der vom Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf einen Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom
26.07.2016 (- OVG 3 K 40.16 - juris) vertretenen Rechtsauffassung, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 3 RVG
seit ihrer Einführung durch das 2. KostRMoG zum 01.08.2013 den „älteren“ Beschwerdeausschluss des § 80
AsylG verdränge, ist nicht zu folgen. Nach § 1 Abs. 3 RVG gehen die Vorschriften des RVG über die Erinnerung
und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden
Verfahrensvorschriften vor. Schon der Wortlaut spricht dafür, dass sich der Vorrang des RVG allein auf
Beschwerdevorschriften in den Verfahrensvorschriften der einzelnen Gerichtszweige – wie VwGO oder SGG
oder FGO – bezieht. Die vom Gesetzgeber mit § 1 Abs. 3 RVG beabsichtigte einheitliche Regelung unabhängig
vom Gerichtszweig gilt ohnehin nicht ausnahmslos. Soweit eine spezielle Regelung des RVG wegen einer
Erinnerung oder Beschwerde auf Vorschriften eines anderen Gesetzes verweist, bleibt es – abweichend von §
1 Abs. 3 RVG – bei der Anwendung dieser Verfahrensvorschriften (vgl. Hartung/Schons/Enders, RVG,
Kommentar, § 1 Rdnr. 153). Weit gewichtiger ist jedoch, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des
Asylverfahrensgesetzes zum 01.07.1992 in Abschnitt 9 des Gesetzes (§§ 74 – 83 c) weitgehende, von der
VwGO abweichende spezielle Regelungen für das gerichtliche Verfahren getroffen hat. Bei Einführung des §
80 AsylG (damals AsylVfG 1992), welcher trotz der weitreichenden Einschränkung des Rechtsschutzes bei
Eilverfahren zu unmittelbar drohenden Abschiebungen weder gegen Art. 19 Abs. 4 GG noch gegen das
allgemeine Rechtsstaatsprinzip verstößt, entsprach es dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, dass der
Rechtsmittelausschluss dieser Ausnahmevorschrift weit und umfassend zu verstehen ist und daher auch
sämtliche Nebenentscheidungen davon erfasst sein sollen (BT-Drs. 12/2062, S. 42). Dass sich an dem Willen
des Gesetzgebers, für Asylverfahren spezielle gerichtliche Vorschriften zu treffen und insbesondere
Rechtsmittel jeglicher Art zu beschränken, durch Einführung des § 1 Abs. 3 RVG etwas geändert haben sollte,
findet in den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs. 17/11471) keine Stütze. Dort heißt es zunächst (nur), dass
der vorgeschlagene neue Absatz der Klarstellung diene (S. 266). Ergänzend wird auf die Begründung zu
Artikel 1 § 1 Absatz 6 GNotKG-E verwiesen, wo es heißt, dass die gelegentlich auftretende Frage nach dem
Verhältnis der Verfahrensvorschriften des Kostenrechts zu den Verfahrensvorschriften der für das jeweilige
Verfahren geltenden Vorschriften dahingehend geklärt werden solle, dass die kostenrechtlichen Vorschriften
als die spezielleren Vorschriften vorgehen (S. 154). Ein Wille des Bundesgesetzgebers, dass durch Einführung
des § 1 Abs. 3 RVG die spezielle asylrechtliche Vorschrift des § 80 AsylG (damals AsylVfG 1992) verdrängt
werden solle, lässt sich den Gesetzesmaterialien ersichtlich nicht entnehmen.
4 An der somit im vorliegenden Fall fehlenden Statthaftigkeit der Beschwerde ändert der Umstand nichts, dass
das Verwaltungsgericht dem Beschluss vom 11.01.2017 - nach dem Vorstehenden fälschlicherweise - eine
Rechtsmittelbelehrung beigefügt hat, wonach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG der Vorschrift des § 80 AsylG vorgehe.
Denn ein durch das Gesetz nicht vorgesehenes Rechtsmittel kann auch durch richterliche Entscheidung nicht
zugelassen werden (BVerwG, Beschluss vom 06.12.1982 - 9 B 3520.82 - BVerwGE 66, 312; Urteil vom
28.02.1985 - 2 C 14.84 - BVerwGE 71, 73; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 03.06.2004 - 13 E 598/04.A -
juris; BayVGH, Beschluss vom 01.03.2010 - 20 CE 10.30057 - juris).
5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG. Das Verfahren über die Beschwerde
ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.
6 Der Beschluss ist unanfechtbar.