Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 11.06.2013

aufschiebende wirkung, beschleunigtes verfahren, legalität, beweisantrag

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 11.6.2013, A 11 S 1158/13
Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung iSv EGRL 115/2008 Art 3
Nr 4
Leitsätze
Die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylVfG ist auch unter
Berücksichtigung der vom EuGH im Urteil vom 30.05.2013 (C-534/11) aufgestellten
Grundsätze eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RFRL (Fortführung
der Senatsrechtsprechung im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 19.12.2012 -
11 S 2303/12 - InfAuslR 2013, 98). Dieses dürfte auch für Abschiebungsandrohungen
nach einer Ablehnung als offensichtlich unbegründet gelten.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9.April 2013 - A 6 K 199/13 - wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des zweiten
Rechtszugs wird abgelehnt.
Gründe
1 Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger den Zulassungsgrund
der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) sowie den
Verfahrensmangel eines Gehörsverstoßes (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138
Nr. 3 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.
2 1. Der Senat geht zugunsten des Klägers davon aus, dass eine im
Berufungsverfahren klärungsbedürftige Frage noch ausreichend dargelegt wurde.
Die formulierte Frage selbst ist allerdings völlig unverständlich. Aus der
Begründung entnimmt der Senat jedoch, dass der Kläger wohl geklärt wissen will,
ob die Abschiebungsandrohung eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3
Nr. 4 der „Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten“
(RFRL) ist und ob bereits die Rückkehrentscheidung vor der
Aufenthaltsbeendigung durch eine Behördenentscheidung zu befristen ist.
3 Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen bedarf es keiner Durchführung eines
Berufungsverfahrens. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass nach
nationalem Recht die Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG die
Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 RFRL darstellt (vgl. Urteil vom
10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris). Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen
(vgl. BT-Drucks 17/5470, S. 24). Für die Abschiebungsandrohung nach § 34
AsylVfG gilt nichts anderes. Dass die Abschiebungsandrohung mit der
Entscheidung über den Asylantrag verbunden ist (vgl. § 34 Abs. 2 AsylVfG), die
erst nach § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG die Illegalität des Aufenthalts herbeiführt,
beruht auf der ausdrücklichen Ermächtigung des Art. 6 Abs. 6 RFRL (vgl. auch
Senatsbeschluss vom 19.12.2012 - 11 S 2303/12 - InfAuslR 2013, 98; GK-
AufenthG § 59 Rdn. 266).
4 Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30.05.2013 (C-534/11, Arslan)
folgt nichts anderes. Zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 2 Abs. 1
RFRL (in Verbindung mit dem 9. Erwägungsgrund) dahingehend zu verstehen ist,
dass die Richtlinie auf einen Drittstaatsangehörigen, der um internationalen Schutz
nachgesucht hat, von der Antragstellung bis zum Erlass der erstinstanzlichen
Entscheidung über den Antrag oder gegebenenfalls bis zur Entscheidung über
einen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung nicht anzuwenden ist. Dieser
Entscheidung lag ein Verfahren zugrunde, in dem es um die Zulässigkeit der
Fortdauer einer vor der Asylantragstellung angeordneten Haft ging. Im Falle des
Klägers geht es hingegen um die Beurteilung einer Abschiebungsandrohung und
deren Vereinbarkeit mit der Richtlinie. In der vorliegenden Konstellation ergibt sich
jedoch kein Widerspruch zu der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.
Denn nach § 38 Abs. 1 AsylVfG (i.V.m. § 34 Abs. 1 AsylVfG) tritt die sog. innere
Wirksamkeit (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 43 Rdn. 166)
der Abschiebungsandrohung erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der
Entscheidung des Bundesamts ein, weshalb in jedem Fall die Durchführung eines
Rechtsmittelverfahrens während des noch legalen Aufenthalts gesichert ist. Dass
die Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung mit der die Legalität des
Aufenthalts beendenden Entscheidung verbunden werden darf, folgt, wie bereits
ausgeführt, aber aus Art. 6 Abs. 6 RFRL.
5 Keiner abschließenden Entscheidung bedarf die Frage, wie die Fallkonstellation zu
beurteilen ist, in der der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird.
Hier endet die Legalität des Aufenthalts allerdings gem. § 67 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1
AsylVfG mit der Zustellung der Abschiebungsandrohung mit der Folge, dass eine
Legalität des Aufenthalts nicht bis zur erstinstanzlichen Rechtsmittelentscheidung
fortdauert. § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG bestimmt lediglich, dass bis zur gerichtlichen
Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Abschiebung
nicht zulässig ist. Gleichwohl steht dies nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der
Rückführungsrichtlinie in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs. Denn
gerade für diese Fallkonstellation bestimmt Art. 23 Abs. 4 lit. b) der Richtlinie
2005/85/EG vom 01.12.2005 (VRL) i.V.m. mit deren Art. 28 Abs. 2 und 39 Abs. 3 lit.
b), dass die Mitgliedstaaten ein beschleunigtes Verfahren durchführen dürfen und
während eines Rechtsbehelfsverfahrens kein Recht auf Aufenthalt mehr
einräumen müssen, wobei auch der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung
entfalten muss; hiervon hat die Bundesrepublik durch § 36 AsylVfG auch
Gebrauch gemacht. Deshalb kann weder aus der Rückführungsrichtlinie noch aus
der Verfahrensrichtlinie ein Zwang zur weitergehenden Legalisierung abgeleitet
werden. Auch aus dem 9. Erwägungsgrund der Rückführungsrichtlinie folgt kein
uneingeschränktes Aufenthaltsrecht für sämtliche denkbare Fallkonstellationen bis
zur erstinstanzlichen Rechtsmittelentscheidung, was schon darin begründet ist,
dass dieser nur davon spricht, dass Drittstaatsangehörige so lange nicht als illegal
aufhältige Personen gelten „sollten“, es heißt gerade nicht, dass sie nicht als
solche gelten „dürfen“. Auch der Europäische Gerichtshof hat dies im Urteil vom
30.05.2013 nicht in dieser Allgemeinheit gesagt (vgl. Rdn. 45 ff.), jedenfalls keine
Begründung für eine derart einschränkungslose Sichtweise gegeben (vgl. Rdn.
49). Eine solche Sichtweise stünde auch in unüberbrückbarem Gegensatz zu der
den Mitgliedstaaten in Art. 39 Abs. 3 VRL eingeräumten Möglichkeit, Fälle
vorzusehen, in denen einerseits das nach Art. 7 Abs. 1 VRL bestehende Recht auf
Aufenthalt über den Zeitpunkt der ersten Behördenentscheidung hinaus verlängert
wird, andererseits dieses gerade zu unterlassen und kein weiteres
Aufenthaltsrecht einzuräumen und in diesem Fall auch keine aufschiebende
Wirkung vorzusehen. Im Übrigen kann ein Erwägungsgrund nicht dazu
herangezogen werden, um ausdrückliche Normierungen für unanwendbar zu
erklären, auch wenn er sich in einer „lex posterior“ findet. Zwar ist unbestritten,
dass einem unionsrechtlichen Rechtsakt vorangestellte Erwägungsgründe einen
integralen Bestandteil dieses Rechtsakts insgesamt darstellen. Sie sind jedoch
andererseits nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Rechtsnorm
selbst und haben insbesondere keine unmittelbare normative Wirkung derart, dass
sie Rechte und Pflichten zu begründen vermögen. Andernfalls wären die jeweiligen
normativen Aussagen unmittelbar dort platziert worden und nicht gewissermaßen
im Vorspann. Sie haben vielmehr die Funktion einer (gewissermaßen amtlichen)
Auslegungshilfe, allerdings nur sofern überhaupt Auslegungsbedarf besteht (vgl.
Borchardt, in: Lenz/Borchardt, EU-Vertrag, 6. Aufl., Art. 19 Rdn. 22; Funke-Kaiser,
InfAuslR 2008, 90; VG Stuttgart, Urteil vom 21.5.2007 - 4 K 2563/07 - juris). So wird
etwa in Ziff. 10 des „Gemeinsamen Leitfadens des Europäischen Parlaments, des
Rates und der Kommission“ zur Abfassung von Rechtstexten (unter http://eur-
lex.europa.eu/de/techleg/10.htm) ausgeführt, der Zweck von Erwägungsgründen
sei es, die wichtigsten Bestimmungen des verfügenden bzw. normierenden Teils in
knapper Form zu begründen, ohne deren Wortlaut wiederzugeben oder zu
paraphrasieren; sie dürften keine Bestimmungen mit normativem Gehalt und auch
keine politischen Willenskundgebungen enthalten. Sie stellen hiernach
insbesondere kein Mittel dar, um eindeutige Bestimmungen des unmittelbar
normierenden Teils des Rechtsakts weitgehend zu entwerten oder gar in ihr
Gegenteil zu verkehren. Der Europäische Gerichtshof hat dies anschaulich in der
Weise ausgedrückt: Zwar könnten Ausführungen in den Erwägungsgründen Licht
auf die Interpretation einer Norm werfen, sie könnten jedoch nicht selbst eine
solche Norm schaffen (vgl. Urteil vom 13.07.1989 - Rs. 215/88, Casa
Fleischhandel, Ziff. 31 - Slg. 1989, 2789).
6 Wollte man annehmen, dass der Europäische Gerichtshof dies mit Rücksicht auf
die apodiktische Antwort auf die erste Vorlagefrage anders gesehen hat, und das,
obwohl der 9. Erwägungsgrund nur im Sinne eines Programmsatzes von einem
„Sollen“ spricht, so würde dies nicht zu einer Unanwendbarkeit der
Rückführungsrichtlinie führen, vielmehr wäre § 67 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 AsylVfG
unionsrechtskonform dahingehend anzuwenden, dass die Aufenthaltsgestattung
erst erlischt, wenn die Frist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG abgelaufen ist und bis
dahin kein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt wurde bzw. im Falle der
rechtzeitigen Antragstellung die Aufenthaltsgestattung erst mit Eintritt der
Unanfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung erlischt und die
Abschiebungsandrohung erst zu dem jeweiligen Zeitpunkt innere Wirksamkeit
erlangt. Der Senat vermag dem Urteil des Europäischen Gerichthofs nicht zu
entnehmen, dass Unionsrecht zwingend fordern könnte, dass auch bei verfristeten
Rechtsbehelfen die Aufenthaltsgestattung bis zur Entscheidung über diesen
fortbestehen müsste. Andernfalls wäre zwar zunächst nach Ablauf der
Rechtsbehelfsfrist die Rückführungsrichtlinie grundsätzlich anzuwenden,
anschließend aber wiederum für einen gewissen Zeitraum nicht mehr. Dieses
könnte gerade bei erheblichen Verspätungen des Rechtsbehelfs zu erheblichen
Unsicherheiten hinsichtlich der Anwendbarkeit der Richtlinie führen, was der
Verfahrensklarheit und damit auch der Rechtssicherheit abträglich wäre. Dafür,
dass der Europäische Gerichtshof vor dem Hintergrund der normativen Vorgaben
des Art. 39 Abs. 3 lit. b) VRL ausschließlich den Rechtsbehelf im
Hauptsacheverfahren gemeint haben könnte, besteht kein ausreichender Anhalt,
wäre diese Sichtweise doch offenkundig mit dieser Vorgabe unvereinbar. Die
vorstehend beschriebene unionskonforme Auslegung ist geeignet, die
herkömmlichen nationalen Strukturen des Asylverfahrensrechts und die nationale
Verfahrensautonomie in weitestgehendem Umfang zu erhalten und das
unionsrecht in möglichst schonender Weise in das nationale Recht zu integrieren.
7 Im Übrigen trifft die Auffassung des Klägers nicht zu, dass bereits die
Rückkehrentscheidung zu befristen ist. Die Rückführungsrichtlinie unterscheidet
ausdrücklich zwischen der Rückkehrentscheidung (vgl. Art. 6 Abs. 1 RFRL) und
dem mit ihr nur „einhergehenden“ Einreiseverbot (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL).
Nur dieses ist einer Befristung zugänglich, wie sich unmissverständlich aus Art. 11
Abs. 2 RFRL ergibt und auch sachlich darin begründet ist, dass zum Zeitpunkt des
Erlasses der Rückkehrentscheidung nicht notwendigerweise auch feststeht, dass
überhaupt ein Einreiseverbot entstehen wird (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL).
Daher hat auch der Senat entschieden, dass erst spätestens (aber rechtzeitig) vor
einer Abschiebung eine Befristung von Amts wegen eine Befristung
auszusprechen ist und insoweit § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 5 AufenthG mit
Unionsrecht nicht zu vereinbaren sind (vgl. Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -
juris).
8 2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5
VwGO) zuzulassen.
9 a) Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, das
tatsächliche und rechtliche Vorbringen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen
und in seine Erwägungen einzubeziehen. Dabei ist grundsätzlich davon
auszugehen, dass das Gericht dieser Verpflichtung nachgekommen ist (BVerfG,
Beschluss vom 01.02.1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182; vom 25.03.1992 - 1
BvR 1430/88 - BVerfGE 85, 386; vom 19.05.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86,
133; Kammerbeschluss vom 17.04.2012 - 1 BvR 3071/10 - juris; vom 15.05.2012 -
1 BvR 1999/09 - juris). Es ist nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen des Klägers
in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Nur die wesentlichen der
Rechtsverteidigung und -verfolgung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen
in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Daher kann aus der fehlenden
Erörterung von Teilen des Vorbringens nicht ohne weiteres der Schluss gezogen
werden, diese seien gar nicht erwogen worden. Eine derartige Annahme ist
vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass
Tatsachen oder Tatsachenkomplexe übergangen wurden, deren
Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom
12.10.1988 - 1 BvR 818/88 - BVerfGE 79, 51).
10 Gemessen hieran trifft es nicht zu, dass das Verwaltungsgericht den
Hilfsbeweisantrag Ziffer 2 nicht zur Kenntnis genommen hat. Denn das
Verwaltungsgericht spricht auf S. 7 UA ausdrücklich von dem Zusammenhang mit
dem Tod des Vaters und der Tötung des Onkels, die im Hilfsbeweisantrag Ziffer 2
angesprochen waren.
11 b) Die in Bezug auf die Ablehnung der Hilfsbeweisanträge erhobene Gehörsrüge,
mit der die Unzulässigkeit deren Ablehnung gerügt wird, bleibt ohne Erfolg.
12 Zwar gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der jeweils
maßgeblichen gerichtlichen Verfahrensordnung die Berücksichtigung erheblicher
Beweisanträge (BVerfG, Beschluss vom 20.04.1982 - 1 BvR 1242/81 - BVerfGE
60, 247; vom 20.04.1982 - 1 BvR 1429/82 - BVerfGE 60, 250; vom 29.11.1983 - 1
BvR 1313/82 - BVerfGE 65, 305; vom 30.01.1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69,
141). Allerdings gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das
Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen
Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (BVerfG, Beschluss vom
09.02.1982 - 1 BvR 1379/80 - BVerfGE 60, 1; 305; vom 15.11.1982 - 1 BvR 585/80
- BVerfGE 62, 249 st. Rspr.). Die Nichtberücksichtigung eines von den
Fachgerichten als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt aber dann
gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet
(BVerfG, Beschluss vom 08.11.1978 - 1 BvR 158/78 - BVerfGE 50, 32; vom
20.04.1982 - 1 BvR 1429/82 - BVerfGE 60, 250; vom 29.11.1983 - 1 BvR 1313/82 -
BVerfGE 65, 305), mit anderen Worten, wenn die Ablehnung aus Gründen erfolgt
ist, aus denen ein Beweisantrag schlechthin nicht hätte abgelehnt werden dürfen
(vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.11.2006 - 2 BvR 194/05 - LKV 2007, 222,
das ausdrücklich vom Maßstab der objektiven Willkür ausgeht; vgl. auch
Kammerbeschluss vom 22.09.2009 - 1 BvR 3501/08 - juris).
13 Was die Hilfsbeweisanträge Ziffer 1 und 2 betrifft, ist deren Ablehnung nicht zu
beanstanden. Denn der Ablehnungsgrund der Unerheblichkeit der
Beweiserhebung ist allgemein anerkannt (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 86
Rdn. 33). Ob die vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung, das
Vorbringen sei im Rahmen des allein zu beurteilenden Streitgegenstands nach §
60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unerheblich, zutrifft, ist aber keine Frage der Verletzung
des rechtlichen Gehörs, sofern die hierfür gegebenen Gründe nicht ihrerseits
willkürlich sind.
14 In Bezug auf die Ablehnung des Hilfsbeweisantrags Ziffer 3 wird eine
Gehörsverletzung schon nicht ausreichend dargelegt. Die unter Beweis gestellte
Tatsache, „dass der Kläger aufgrund der vorläufigen ärztlichen Stellungnahme von
Frau Dr. F. vom 28.03.2013 an einer posttraumatischen Belastungsstörung und
damit an einer schweren psychischen Störung leidet, die hier im Bundesgebiet
behandlungsbedürftig ist, …, dass weiterhin der Kläger bei einer Rückkehr oder
Abschiebung nach Afghanistan schwer traumatisiert werden würde…“ wird durch
den Inhalt der Stellungnahme vom 28.03.2013 nicht getragen. Denn aus dieser
Stellungnahme ergibt sich allenfalls, dass der Kläger in seiner Kindheit schwer
belastende Erlebnisse gehabt habe und diese nicht ausreichend verarbeitet
worden seien, wobei erschwerend hinzukomme, dass der Kläger die aktuelle
Aufenthaltsunsicherheit als bedrohlich empfinde. Dies bedeutet jedoch noch nicht,
dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und auch im
Falle der Rückkehr retraumatisiert werden könnte. Bei diesem Ausgangspunkt
genügt das Vorbringen im Zulassungsantrag nicht, um die Begründung des
Verwaltungsgerichts, es liege eine unzulässige Ausforschung vor, als willkürlich
erscheinen zu lassen.
15 Der Senat lässt daher offen, ob der Kläger, indem er in der mündlichen
Verhandlung den Beweisantrag nur hilfsweise gestellt und sich damit bereits die
Möglichkeit verbaut hat, eine seiner Auffassung fehlerhafte Ablehnung noch in der
mündlichen Verhandlung zu rügen und auf eine Korrektur der Ablehnung zu
dringen, sei es, dass der Beweisantrag neu formuliert bzw. präzisiert wurde, sei es
auch nur, dass der abweichende Rechtsstandpunkt dem Gericht unterbreitet
wurde, um bei diesem ein Überdenken auszulösen, mit einer Gehörsrüge im
Rechtsmittelverfahren nicht mehr gehört werden kann (vgl. in diesem Sinn
BVerwG, Urteil vom 22.04.1986 - 9 C 318.85 - NVwZ 1986, 928; Beschluss vom
09.05.1996 - 9 B 254.96 - juris, vom 21.01.1997 - 8 B 2.97 - Buchholz 310 § 102
VwGO Nr. 21; vom 20.12.2011 - 7 B 43.11 - juris; OVG Bremen, Beschluss vom
13.12.2002 - 1 A 384/02 - juris; HessVGH, Beschluss vom 07.02.2001 - 6 ZU
695/99.A - AuAS 2001, 203; vom 17.01.2003 - 3 ZU 484/01.A - AuAS 2003, 69;
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.03.2012 - 12 A 35/12 - juris; OVG
Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.02.2002 - A 2 S 293/99 - juris; Schl-HolstOVG,
Beschluss vom 03.09.2003 - 3 LA 87/03 - AuAS 2004, 9; Bader u.a., VwGO, 5.
Aufl., § 138 Rdn. 32; vgl. auch ausdrücklich für die Verfassungsbeschwerde
BVerfG, Kammerbeschluss vom 05.02.2002 - 2 BvR 1399/01 - juris; anderer
Ansicht aber BVerwG, Beschluss vom 27.02.2001 - 1 B 206.00 - Buchholz 310 §
86 Abs. 2 VwGO Nr. 46; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.12.1993 - A 16 S
2147/93 - VBlBW 1994, 160; vom 20.10.2006 - A 9 S 1157/06 - InfAuslR 2007,
116, SächsOVG, Beschluss vom 26.5.2005 - 3 B 16/02.A - NVwZ-RR 2006, 741;
BayVGH, Beschluss vom 18.12.2003 - 9 ZB 03.31193 - AuAS 2004, 180;
Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 86 Rdn. 19; anderer Ansicht auch BVerfG,
Kammerbeschluss vom 22.09.2009 - 1 BvR 3501/08 - juris, ohne jedoch auf diese
allein einfach-rechtliche Fragestellung überhaupt einzugehen).
16 Der Senat kann auch offen lassen, ob ein sog. Hilfsbeweisantrag nicht ohnehin nur
eine Beweisanregung darstellt, die keine Gehörsrüge, sondern nur die
Aufklärungsrüge eröffnet (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 30.11.2004 - 1 B
48.04 - juris; anderer Ansicht aber etwa BVerwG, Beschluss vom 27.02.2001 - 1 B
206.00 -).
17 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylVfG.
18 Prozesskostenhilfe war wegen mangelnder Erfolgsaussichten nicht zu bewilligen
(vgl. § 166 VwGO, § 114 ZPO).
19 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.