Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 12.03.2015

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VGH Baden-Württemberg Urteil vom 12.3.2015, 9 S 809/13
Auslegung des Begriffs der dreijährigen Wartfrist im PSchG BW
Leitsätze
Das Ende der mit der Aufnahme des Unterrichts beginnenden dreijährigen Wartefirst
des § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG bestimmt sich gemäß § 1 Abs. 1, § 31 Abs. 1 LVwVfG
nach der allgemeinen Regelung des § 188 Abs. 2 Alternative 1 BGB.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.
März 2013 - 11 K 3009/12 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Klägerin nach § 17 PSchG gewährten
staatlichen Zuschusses.
2 Die Klägerin, eine gemeinnützige GmbH, betreibt private Bildungseinrichtungen.
Mit Bescheid vom 03.09.2008 genehmigte ihr das Regierungspräsidium Stuttgart
rückwirkend zum 01.09.2008 die Errichtung und den Betrieb eines privaten
Berufskollegs für Pharmazeutisch-technische Assistenten in Heilbronn. Mit
Bescheid vom 31.03.2010 wurde dem Berufskolleg die Eigenschaft einer
anerkannten Ersatzschule verliehen. Am 01.09.2008 wurde dort der Unterricht mit
der ersten Klasse aufgenommen.
3 Unter dem 28.10.2010 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten einen Zuschuss
aus Landesmitteln gemäß § 17 PSchG für das Kalenderjahr 2011 „(nach Ablauf
der Wartefrist)“. Daraufhin teilte der Beklagte unter dem 10.11.2010 mit, nach
Ablauf der dreijährigen Wartefrist gemäß § 17 Abs. 4 PSchG am 30.08.2011
könnten ab dem 01.09.2011 Landeszuschüsse gewährt werden.
4 Mit Schreiben vom 15.09.2011 führte die Klägerin aus, ihr Antrag sei so zu
verstehen, dass Finanzhilfe ab Schuljahresbeginn, d. h. ab 01.08.2011 beantragt
sei. Die Festlegung einer Förderung erst ab 01.09.2011 sei falsch. Nach Ablauf der
ersten drei Schuljahre könne nun eine Förderung erfolgen. Der erste Jahrgang
habe seine Ausbildung zum 31.07.2011 beendet.
5 Mit Bescheid vom 02.02.2011 gewährte der Beklagte zunächst eine
Abschlagszahlung für das Haushaltsjahr 2011 i.H.v. EUR 140.000,--. Nach Vorlage
der Schulstatistik wurde der Gesamtzuschuss 2011 mit Bescheid vom 13.08.2012
auf EUR 153.671,59 festgesetzt und unter Berücksichtigung der
Abschlagszahlung ein Auszahlungsbetrag i.H.v. EUR 13.671,59 angesetzt. Zur
Berechnung heißt es, der Förderbetrag je Schüler/Schülerin betrage im Jahr 2011
gemäß § 18 Abs. 2 PSchG EUR 5.011,03 für das Gesamtjahr bzw. EUR
417,59/monatlich. Unter Berücksichtigung einer Schülerzahl von 92 ergebe sich für
den förderungsfähigen Zeitraum 01.09.2011 - 31.12.2011 der genannte
Förderbetrag.
6 Am 03.09.2012 hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des
Regierungspräsidiums Stuttgart vom 13.08.2012 insoweit aufzuheben, als darin
lediglich ein Zuschuss i.H.v. EUR 153.671,59 festgesetzt ist, sowie den Beklagten
zu verpflichten, der Klägerin für das Jahr 2011 weitere Finanzhilfe gemäß § 17
PschG in Höhe von EUR 38.417,90 zu bewilligen.
7 Mit Urteil vom 11.03.2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die
Klägerin besitze für das Kalenderjahr 2011 keinen Förderungsanspruch, der auch
den Monat August einbeziehe. Die dreijährige Wartefrist nach § 17 Abs. 4 Satz 1
PSchG sei im August 2011 noch nicht abgelaufen gewesen, da die erstmalige
Aufnahme des Unterrichts erst Anfang September 2008 erfolgt sei. Die
Formulierung in § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG sei insoweit eindeutig. Der Gesetzgeber
habe sich im Interesse einer klar nachvollziehbaren Regelung mit dem Merkmal
„Aufnahme des Unterrichts" in § 17 Abs. 4 S. 1 PSchG für einen für jede Schule
bestimmbaren Fristbeginn entschieden, der keiner erweiternden Auslegung
zugänglich sei. Unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität sei dies
nicht zu beanstanden. Dass der Gesetzgeber auch andere Regelungen hätte
treffen können, sei unerheblich. Wartefristen in Bezug auf eine staatliche
Förderung hätten den Zweck, den Einsatz öffentlicher Mittel an einen
Erfolgsnachweis zu binden. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers umfasse
auch die Befugnis zu entscheiden, wann er diesen Nachweis als erbracht ansehe.
Der Klägerin sei einzuräumen, dass der Umstand, dass § 17 PSchG - und im
Übrigen auch § 18 PSchG - den Begriff des Schuljahres im Wesentlichen außer
Acht lasse, zwar erstaunen möge. Eine gesetzliche Regelung, die sich
entsprechend der haushaltsrechtlichen Übung primär am Kalenderjahr orientiere,
sei indes rechtlich zulässig. Der Klägerin sei auch zuzugestehen, dass unter
Berücksichtigung des dargestellten Zwecks einer solchen Wartefrist eine
Bestimmung, wonach die Wartefrist erfüllt sei, wenn die ersten drei Schuljahre
erfolgreich abgeschlossen worden seien, möglich gewesen wäre. Dass der
Gesetzgeber sich nicht für eine solche Regelung entschieden habe, müsse indes
hingenommen werden. Soweit die Klägerin rüge, sie habe das gesamte Schuljahr
lang Unterricht sichergestellt und das beklagte Land entsprechend entlastet,
komme auch dem keine Bedeutung zu. Es sei geradezu Kern der Regelung des §
17 Abs. 4 Satz 1 PSchG, dass ein Schulträger einer privaten Schule eine Zeit lang
Unterricht sicherstelle und das öffentliche Schulsystem in irgendeiner Form
entlaste, ohne hierfür in der Anfangsphase der Schule während der gesetzlichen
Wartezeit eine Förderung zu erhalten. Der Umstand, dass sich der Gesetzgeber
nicht dazu entschlossen habe, die Wartezeit nach § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG als
mit erfolgreichem Abschluss des dritten Schuljahres als erfüllt anzusehen, sei auch
nicht verfassungswidrig. Dass wegen der erst einen Monat später einsetzenden
Förderung einer neu gegründeten Privatschule eine Schulgründung in
verfassungswidriger Weise erschwert würde, sei nicht darstellbar.
8 Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung hat die Klägerin fristgerecht
eingelegt und begründet. Sie trägt im Wesentlichen vor:
9 Es bestehe ein Anspruch auf ungekürzte Förderung in Höhe von fünf Zwölfteln, d.
h. auf ein weiteres Zwölftel nach §§ 17, 18 PSchG i. V. m. Art. 7 Abs. 4 GG. Die
Wartefrist für die Privatschulförderung sei zum 01.08.2011 erfüllt gewesen. Die
vom Verwaltungsgericht vorgenommene Berechnung der Wartefrist aus
„Unterrichtsbeginn" und „Kalenderjahren" sei unrichtig: Es sei zwar zuzugeben,
dass der Wortlaut des § 17 Abs. 4 PSchG für den Fristbeginn auf die „Aufnahme
des Unterrichts" abstelle. Diese Regelung bezwecke jedoch lediglich, eine
Förderung ohne gleichzeitigen Betrieb der Schule verhindern, da zwischen der
Genehmigung und der Aufnahme des Unterrichts mehrere Monate liegen könnten.
Deshalb sehe § 7 PSchG vor, dass die Genehmigung erlösche, wenn die Schule
nicht binnen eines Jahres nach Genehmigung eröffnet werde.
10 Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Merkmal „Aufnahme des
Unterrichts" in § 17 Abs. 4 S. 1 PSchG keiner „erweiternden Auslegung"
zugänglich sei, sei unzutreffend. Die Sommerferien endeten jeweils erst im
September. Hierdurch beginne der Unterricht regelmäßig erst nach
Schuljahresbeginn, welcher nach § 26 SchG am 1. August erfolge. Es könne ihr
zudem nicht angelastet werden, dass die Ersatzschulgenehmigung erst zum
01.09.2008, d. h. nicht schon zum 01.08.2008 erteilt worden sei, da sie die
Genehmigung rechtzeitig beantragt gehabt habe. Erheblich sei lediglich, dass der
Unterricht nach den Sommerferien beginne und volle drei Schuljahre im üblichen
Unterrichtszeitraum unterrichtet werde. Der Gesetzeswortlaut des § 17 Abs. 4
PSchG - „Jahre" - sei der Auslegung zugänglich: „Jahre" könnten „Kalenderjahre"
oder „Unterrichtsjahre" sein. Nach Zweck und Entstehungsgeschichte diene die
Wartefrist der der Bindung des Einsatzes öffentlicher Mittel an einen
„Erfolgsnachweis". Ob eine Privatschule daher von den Schülern „angenommen
wird", zeige sich aber lediglich während der Unterrichtszeit innerhalb eines
Schuljahres. Entscheidend sei somit, ob über drei Schuljahre lang durchgehend
unterrichtet worden sei.
11 Gleiches ergebe sich aus einer „systematischen Auslegung" des § 17 Abs. 4 S. 1
PSchG. Dort sei einerseits von „Jahren", andererseits von der „Aufnahme des
Unterrichts" die Rede. Um zu einem widerspruchsfreien Auslegungsergebnis zu
gelangen, seien die drei Jahre in sachlichem Zusammenhang mit dem „Unterricht"
auszulegen. „Jahr" i. S. d. § 17 Abs. 1 S. 1 PSchG sei somit nicht das Kalender-,
sondern das „Schuljahr", da nur während des Schuljahres unterrichtet wird. Das
folge auch aus dem Zusammenhang mit dem materiellen (Privat)schulrecht, auf
dem das Förderrecht basiere. Dieses lege aber das Jahr abweichend vom
normalen Kalenderjahr als „Schuljahr" fest: Nach § 26 SchG beginne das Schuljahr
am 01.08. und ende am 31.07 des folgenden Kalenderjahres. Zu einer
einheitlichen Auslegung sei somit das Jahr i.S.d. § 17 Abs. 4 S. 1 PSchG somit i. S.
d. § 26 SchG als Schuljahr auszulegen. Auch der Unterricht im Sinne des § 17
Abs. 4 PSchG sei ein Begriff des Schulrechts und nach Sinn und Zweck mit dem
Schuljahr verknüpft.
12 Nach § 18 Abs. 1 PSchG würden Zuschüsse nach § 17 Abs. 1 PSchG für
diejenigen Schüler gewährt, die am Stichtag der amtlichen Schulstatistik die Schule
besuchten. Nach 18 Abs. 5 PSchG würden für die Festsetzung des jährlichen
Zuschusses nach § 17 Abs. 1 PSchG mit 7/12 der Beträge von §§ 18 Abs. 1, 2
PSchG die Schüler, welche am Stichtag der amtlichen Schulstatistik des Vorjahres
die Schule besucht hätten, und mit 5/12 der Beträge von §§ 18 Abs. 1, 2 PSchG
die Schüler, welche am Stichtag der amtlichen Schulstatistik des laufenden Jahres
die Schule besuchten, berücksichtigt. Die Förderung betrage somit in der Regel
12/12, zusammengesetzt aus 7/12 (Vorjahr) und 5/12 (laufendes Jahr). Etwas
anderes gelte im Falle der erstmaligen Förderung. Zum Stichtag der amtlichen
Schulstatistik 2010, am 20.10.2010, sei die Wartezeit noch nicht erfüllt gewesen.
Somit seien die Beträge für die Schüler in 2010 bei EUR 0,00 festzusetzen. Für
das laufende Jahr seien hingegen 5/12 festzusetzen: Zum Stichtag der amtlichen
Schulstatistik 2011, am 19.10.2011, seien 92 Schüler/innen in der PTA-Schule
angemeldet gewesen. Die weitere Kürzung auf 4/12 sei unrichtig gewesen. Es
werde vom Gesetz gerade keine weitere Untergliederung des jährlichen
Zuschusses in Bruchteile unterhalb der 5/12-Grenze vorgenommen. Der Wortlaut
des §§ 18 Abs. 1, 18 Abs. 5 Nr. 5 b) PSchG sei insoweit eindeutig. Die
Festsetzung von 4/12 stelle somit eine gesetzeswidrige Kürzung des Zuschusses
dar. Die auf der Auslegung als „Kalenderjahr“ beruhende zu geringe
Bezuschussung verstoße auch gegen die Privatschulfreiheit in Art. 7 Abs. 4 GG.
Der „Erfolgsnachweis" der Wartefrist beziehe sich nicht in erster Linie auf den
Beginn der Frist, sondern auf deren Ende. Ein „Erfolg" bestehe naturgemäß dann,
wenn die Wartefrist vollendet worden sei.
13 Die Klägerin beantragt,
14 das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. März 2013 - 11 K 3009/12 -
zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom
13.08.2012 insoweit aufzuheben, als darin lediglich ein Zuschuss i.H.v. EUR
153.671,59 festgesetzt ist, sowie den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin für
das Jahr 2011 weitere Finanzhilfe gemäß § 17 PschG in Höhe von EUR
38.417,86 zu bewilligen.
15 Der Beklagte beantragt,
16 die Berufung zurückzuweisen.
17 Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und bringt vor: Mit der
Formulierung „Aufnahme des Unterrichts" sei der Wortlaut des § 17 Abs. 4 PSchG
eindeutig von der Schuljahresregelung des § 26 SchG abgesetzt. Dem
Gesetzgeber sei dabei - insbesondere bei einer der zahlreichen Änderungen des
Privatschulgesetzes - die Regelung des Schulgesetzes bekannt und bewusst
gewesen. Hätte er hieran anknüpfen wollen, so hätte er dies zweifellos
entsprechend formuliert. Die in der ergänzenden Berufungsbegründung vom
27.06.2013 zitierten benachbarten Vorschriften sprächen gerade für eine bewusste
Entscheidung des Gesetzgebers zu Gunsten der „Unterrichtsaufnahme" als
maßgeblichen Zeitpunkt. Die Entscheidung des Gesetzgebers sei auch
sachgerecht. Wartefristen in Bezug auf eine staatliche Förderung hätten den
Zweck, den Einsatz öffentlicher Mittel an einen Erfolgsnachweis zu binden. Dieser
Erfolgsnachweis könne aber erst beginnen, wenn der „Unterricht aufgenommen"
worden sei. Mit dem Merkmal der „Aufnahme des Unterrichts" sei ein eindeutig für
jede Schule bestimmbarer Fristbeginn festgelegt worden, was zur
Verwaltungspraktikabilität beitrage. Diese Entscheidung des Gesetzgebers sei
auch nicht verfassungswidrig. Dass die „Unterrichtsaufnahme" auf Grund der
Sommerferien regelmäßig erst im September erfolge, werde der Klägerin weder
„vorgehalten", noch werde auf einen „Unterrichtsverzug" oder einen „Nachteil für
die Schüler" abgestellt. Auch werde der Klägerin nicht „angelastet", dass die
Ersatzschulgenehmigung etwa erst zum 01.09.2008 erfolgt sei. Das Datum des
Genehmigungsbescheids sei in diesem Zusammenhang allerdings völlig
unerheblich. Die Auslegung des Begriffs „Jahre" bestimme sich zunächst nach §
188 Abs. 2 BGB. Der „Erfolgsnachweis" beziehe sich damit in erster Linie auf den
Beginn der Frist, nicht auf deren Ende.
18 Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und des Beklagten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf
die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
19 Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch sonst
zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat
die Verpflichtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen
Anspruch gegen das beklagte Land auf höhere Förderung im Rechnungsjahr 2011
(§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart
vom 13.08.2012 ist insoweit nicht zu beanstanden.
20 Das beklagte Land hat der Klägerin eine Förderung des von ihr betriebenen
Berufskollegs - hier für Pharmazeutisch-technische Assistenten - im Förderjahr
2011 für einen förderfähigen Zeitraum vom 01.09.2011 bis 31.12.2011 (Monate
September bis Dezember) in Höhe von EUR 153.671,59 bewilligt und ausbezahlt.
Eine weitergehende Förderung schon für den Monat August steht der Klägerin
nicht zu.
21 Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes für die Schulen in freier Trägerschaft
(Privatschulgesetz - PSchG) in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur
Änderung des Privatschulgesetzes vom 29.07.2010 (GBl. S. 526) erhalten u.a. die
als Ersatzschulen genehmigten Berufskollegs auf Antrag Zuschüsse des Landes.
Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG werden solche Zuschüsse an genehmigte
Ersatzschulen aber erst drei Jahre nach Aufnahme des Unterrichts (Wartefrist)
gewährt.
22 Danach waren im August 2011 die Voraussetzungen eines Zuschussanspruchs
der Klägerin noch nicht erfüllt. Unstreitig erfolgte die Aufnahme des Unterrichts an
dem Berufskolleg erst Anfang September 2009. Damit war die dreijährige Wartefrist
des § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG im August 2011 noch nicht abgelaufen. Dies ergibt
sich aus Folgendem:
23 Mit dem Begriff „Jahre“ verwendet der Gesetzgeber in § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG
einen Rechtsbegriff, dessen Inhalt sich aus den allgemeinen Regeln zur
Fristbestimmung in den §§ 187 bis 193 BGB ergibt. Nach den § 1 Abs. 1, § 31 Abs.
1 LVwVfG gelten diese Regeln für die Berechnung von Fristen, soweit nicht
landesrechtliche Vorschriften inhaltsgleiche oder entgegenstehende
Bestimmungen enthalten.
24 Eine Jahresfrist, für deren Beginn ein in den Lauf eines Tages fallendes Ereignis
maßgebend ist (§ 187 Abs. 1 BGB), endet nach den allgemeinen Regeln des BGB
zur Fristbestimmung mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des
letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage
entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (§ 188 Abs. 2 Alternative 1
BGB). Da das für den Fristbeginn maßgebliche Ereignis, die Unterrichtsaufnahme,
an einem Tag Anfang September 2008 erfolgte, endete die Dreijahresfrist mithin
(erst) mit Ablauf des entsprechenden Tages im September 2011.
25 Das Privatschulgesetz enthält keine entgegenstehende Bestimmung im Sinne des
§ 1 Abs. 1 LVwVfG für die Berechnung der Dreijahresfrist des § 17 Abs. 4 Satz 1
PSchG. Insbesondere gebietet es kein von den allgemeinen
Fristbestimmungsregeln des BGB abweichendes Verständnis des Rechtsbegriffs
"Jahre" etwa im Sinne von „Schul-“ oder „Unterrichtsjahre“. Der Senat geht
aufgrund einer an Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck der
Norm orientierten Auslegung davon aus, dass der Gesetzgeber es für die
Berechnung der Wartefrist bei einer Anwendung der allgemeinen Regeln des BGB
belassen wollte.
26 § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG bestimmt den Beginn der Wartefrist mit der Anknüpfung
an den klar feststellbaren Zeitpunkt der Aufnahme des Unterrichts in eindeutiger
Weise. Dieser Zeitpunkt deckt sich ersichtlich nicht mit dem Beginn des
Schuljahres (1.8., vgl. § 26 Satz 1 SchG). Entsprechendes gilt für die Regelung der
Dauer der Frist. Durch die Verwendung des Begriffs „Jahre“, ohne diese im Sinne
schulrechtlicher Termini wie etwa „Schuljahre“ oder „Unterrichtsjahre“ zu
konkretisieren, hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er für die
Bemessung der Dauer der Wartefrist die allgemeinen Regeln für anwendbar hält.
Eine Verkürzung der Dauer der Wartefrist etwa auf die für drei Schuljahre
erforderliche Unterrichtszeit oder die Anknüpfung an das in § 26 Satz 1 SchG
definierte Schuljahr (Beginn: 1.8., Ende: 31.07. des folgenden Kalenderjahres), wie
es von der Klägerin geltend gemacht wird, hat im Gesetz keinen Niederschlag
gefunden. Gegen eine abweichende Auslegung spricht im Übrigen die
Verwendung des Partikels „erst“, mit dem die normative Aussage zur Dauer in dem
Sinne verstärkt wird, als eine Förderung nicht vor dem Ablauf von drei Jahren
erfolgen darf.
27 Auch die gesetzliche Systematik deutet darauf hin, dass der
Privatschulgesetzgeber bewusst eine Konkretisierung der Wartefrist im Sinne von
Schul- oder Unterrichtsjahren nicht vorgenommen hat. Denn in anderen rechtlichen
Zusammenhängen hat er die Begriffe des „Kalenderjahres“ und des „Schuljahrs“
ausdrücklich verwendet (vgl. etwa § 18a Abs. 11 PSchG). Dies steht auch der
Forderung der Klägerin entgegen, die „Jahre“ in § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG wegen
des sachlichen Zusammenhangs des Förderrechts mit dem materiellen
(Privat)Schulrecht einheitlich als Schuljahre im Sinne des § 26 SchG zu verstehen.
Hiergegen spricht zusätzlich, dass die Bestimmung des § 26 SchG für
Privatschulen überhaupt nicht gilt (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 SchG sowie Ebert, in:
Ebert u.a., Schulrecht Baden-Württemberg, 2013, § 26 SchG Rn. 2). Unabhängig
davon würde die Anwendung dieser Bestimmung mit dem Zweck des § 17 Abs. 4
Satz 1 PSchG kollidieren, eine für jede Privatschule gleichermaßen geltende
Wartefrist zu begründen. Denn wie sich aus § 26 Satz 2 SchG ergibt, kann das
Kultusministerium für einzelne Schularten oder Schultypen abweichende
Regelungen des „Schuljahrs“ treffen, was insbesondere im Bereich beruflicher
Schulen praktiziert wird (Ebert, a.a.O., § 26 SchG Rn. 1). Insoweit hätte eine
Auslegung im Sinne der Klägerin ggf. eine uneinheitliche Bemessung der
Wartefrist zur Folge. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf den Wortlaut der § 18
Abs. 1, § 18 Abs. 5 Nr. b) PSchG geltend macht, dass das Gesetz gerade keine
weitere Untergliederung des jährlichen Zuschusses in Bruchteile unterhalb der
5/12-Grenze vornehme, nimmt sie nicht hinreichend in den Blick, dass § 18 Abs. 5
PSchG lediglich der Berechnung des jährlichen Zuschusses dient und insoweit die
maßgeblichen Stichtage der - für die Schülerzahlen maßgeblichen - amtlichen
Schulstatistik bezeichnet. Eine Aussage darüber, ab wann die zeitlichen
Grundvoraussetzungen eines Förderanspruchs nach § 17 Abs. 4 PSchG gegeben
sind, kann dieser Norm nicht entnommen werden. Auch bezieht sie sich ersichtlich
auf den Fall, dass die Schule im gesamten Förderjahr Anspruch auf Förderung hat
(Förderung im Umfang von 12/12, zusammengesetzt aus 7/12 und 5/12
). Dazu, wie die - hier einschlägige - erstmalige Förderung
aussieht, verhält sich die Norm nicht.
28 Auch Sinn und Zweck der Wartefrist gebieten kein Verständnis im Sinne von
„Schul-“ oder „Unterrichtsjahren“. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts darf der Staat seine Finanzhilfe von einer hinreichend
soliden Existenzbasis der Ersatzschule abhängig machen, die der Gründung
Aussicht auf dauerhaften Bestand verleiht. Wartefristen sind deshalb mit der
staatlichen Schutz- und Förderpflicht grundsätzlich vereinbar. Sie haben den
Zweck, den Einsatz öffentlicher Mittel an einen Erfolgsnachweis zu binden
(ausführlich BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 682/88, 1 BvR 712/88 -,
BVerfGE 90, 107; Senatsbeschluss vom 04.02.2005 - 9 S 2742/03 -, juris). Das
Bundesverfassungsgericht hat allerdings ausdrücklich klargestellt, dass die
Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auch die Befugnis umfasst zu entscheiden,
wann er diesen Nachweis als erbracht ansieht (BVerfG, a.a.O.). Dabei darf er auch
berücksichtigen, dass öffentliche Mittel effektiv zu verwenden sind (BVerfG, a.a.O.).
Von seiner Gestaltungsfreiheit hat der baden-württembergische
Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht, indem er in § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG
den „Erfolgsnachweis“ allein von der Erfüllung der Wartefrist abhängig macht.
Rechtstechnisch gesehen handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion: Der
Nachweis, dass die Privatschule von Eltern und Schülern angenommen wird und
sie auf Dauer bestehen kann, gilt bei Erfüllung der Wartefrist als geführt. Eine
andere Art des Nachweises sieht das Gesetz nicht vor. Insbesondere erfolgt
grundsätzlich keine Prüfung, ob der Schulträger mit konkreten Tatsachen belegen
kann, dass die Schule dauerhaft Bestand haben wird. Anders als etwa im Fall einer
Vermutungsregelung steht dem Schulträger der Nachweis einer Bewährung etwa
vor Ablauf der Wartefrist nicht offen (zu einer derartigen Regelung im Sächsischen
Schulrecht vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 12.09.2007 - 2 B 150/07 -, juris). Indem das
Gesetz keine inhaltliche Prüfung des Erfolgs einer neu gegründeten Privatschule
vorsieht, sondern auch im Sinne der Verwaltungspraktikabilität vereinfachend allein
auf den Ablauf der Wartefrist abstellt, geht die Argumentation der Klägerin, die
Schule habe dadurch, dass über drei Schuljahre lang durchgehend unterrichtet
worden sei, gezeigt, dass sie sich bewährt habe, am Inhalt der gesetzlichen
Regelung vorbei. Im Übrigen belegt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift,
dass sich der Gesetzgeber bei der Regelung der Wartefrist auch vom Gebot einer
effizienten und sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln hat leiten lassen
(vgl. LT-Drucks. 10/2338, S. 15). Auch dies spricht gegen eine Interpretation, die
die Erfüllung der Wartefrist an die Prüfung des Nachweises koppelt, dass die
Schule sich bewährt hat.
29 Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Auslegung schließlich auch mit
verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Art.
7 Abs. 4 GG und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, vereinbar. Denn
angesichts der weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers greifen
Wartefristen nicht in ein vorgegebenes Recht des Schulträgers ein, sondern
konkretisieren die staatliche Förderpflicht (BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994,
a.a.O.). Zwar dürfen sie nicht dazu führen, dass private Schulen überhaupt nicht
mehr gegründet werden können. Wirken sie als Sperre für die Einrichtung neuer
Schulen, sind sie mit Art. 7 Abs. 4 GG unvereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom
09.03.1994 - 1 BvR 682/88, 1 BvR 712/88 -, BVerfGE 90, 107; Senatsbeschluss
vom 04.02.2005 - 9 S 2742/03 -, juris). Die im Vergleich zu Regelungen anderer
Länder moderate Wartefrist des § 17 Abs. 4 Satz 1 PSchG stellt eine solche
faktische Einrichtungssperre jedoch nicht dar. Sie lässt den Gründern eine
überschaubare und kalkulierbare Perspektive (so ausdrücklich zu § 17 Abs. 4 Satz
1 PSchG: BVerfG, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90,
128; Senatsbeschluss vom 04.02.2005 - 9 S 2742/03 -, juris). Vor diesem
Hintergrund kommt der hier streitigen Vorenthaltung des Zuschusses für einen
Zeitraum von lediglich einem Monat ersichtlich keine verfassungsrechtliche
Relevanz zu (ebenso BVerwG, Beschluss vom 04.08.1989, - 7 B113.89 -, juris, zu
einem Zeitraum von weniger als vier Monaten).
30 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gründe für die Zulassung
der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
31
Beschluss vom 12. März 2015
32 Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 38.417,86 festgesetzt (vgl. §
47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3 GKG).
33 Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3
GKG).