Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 29.06.2015

änderung der verhältnisse, treu und glauben, entlassung, beamtenverhältnis

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 29.6.2015, 9 S 280/14
Gestaltung des Beamtenverhältnisses durch Vereinbarung;
Bedingungsfeindlichkeit des Entlassungsantrages; Auswirkungen eines
Motivirrtums auf einen Vergleichsvertrag; Wegfall des Austauschverhältnisses
im Vergleichsvertrag; einseitiger Wegfall der Zahlungspflicht
Leitsätze
1. Das Beamtenverhältnis ist einer Gestaltung durch Vereinbarung nur insoweit
zugänglich, als dafür eine gesetzliche Grundlage besteht (im Anschluss an BVerwG,
Urteil vom 26.11.1992 - 2 C 11.92 -, BVerwGE 91, 200).
2. Der Entlassungsantrag des Beamten (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeamtStG, § 42
Abs. 2 LBG a.F., § 31 Abs. 3 LBG n.F.) ist grundsätzlich bedingungsfeindlich.
3. Bei der in § 5 Abs. 1 Satz 2 UKG festgelegten Verpflichtung des
Universitätsklinikums auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
handelt es sich um eine haushaltsrechtliche Norm. Ihr kommt keine unmittelbare
Auswirkung auf die zivilrechtliche Wirksamkeit von Verträgen und damit auch nicht der
Charakter eines Verbotsgesetzes zu (im Anschluss an BGH, Urteil vom 24.04.2014 -
VII ZR 164/13 -, BGHZ 201, 32-45).
4. Auch im Zusammenhang mit einem Vergleichsvertrag nach § 55 LVwVfG sind
Fehlvorstellungen über Begleitumstände der Streitbeilegung nur rechtserheblich,
wenn sie zur gemeinschaftlichen Vergleichsgrundlage erhoben worden sind. Bleibt
der Irrtum als Motivirrtum im Vorfeld der nicht in die Regelung einbezogenen
Umstände, ist er unerheblich.
5. Auch bei einem Vergleichsvertrag im Sinne des § 55 LVwVfG kommt der Wegfall
der Gegenleistungspflicht im Falle der nachträglichen Unmöglichkeit der
Leistungspflicht (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 275, 326 BGB) nur in
Betracht, wenn Leistungs- und Gegenleistungsanspruch im Gegenseitigkeitsverhältnis
stehen.
6. Zum nachträglichen Wegfall der Zahlungspflicht aus einem Vergleichsvertrag
gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 5.
Dezember 2013 - 1 K 2463/11 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Verurteilung des beklagten Universitätsklinikums zur
Erfüllung einer Zahlungsvereinbarung sowie die Feststellung einer
Schadensersatzverpflichtung.
2
Der Kläger schloss unter dem 15.09.1997 mit dem beigeladenen Land, vertreten
durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (im Folgenden:
Beigeladener), eine Berufungsvereinbarung, wonach er vorbehaltlich seiner
Ernennung eine Professur für Unfallchirurgie an der Universität Freiburg
übernehme. Die Professur beinhalte die Leitung der Abteilung Unfallchirurgie an
der Chirurgischen Universitätsklinik des beklagten Universitätsklinikums (im
Folgenden: Beklagter). Mit Urkunde vom 17.10.1997 wurde der Kläger unter
Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Universitätsprofessor der
Besoldungsgruppe C 4 ernannt.
3
Im Februar bzw. März 2000 erfuhren der Vorstand des Beklagten und der
Beigeladene erstmals von Vorwürfen gegen den Kläger wegen Fehlverhaltens
bei der Dienstausübung. Im September 2000 leitete der Beigeladene das
förmliche Disziplinarverfahren ein, welches anschließend im Hinblick auf eine
gegen den Kläger erhobene Anklage in einem strafgerichtlichen Verfahren
ausgesetzt wurde.
4
Mit Verfügung vom 24.10.2000 enthob der Beigeladene den Kläger vorläufig des
Dienstes wegen des Vorwurfs der schuldhaft fehlerhaften medizinischen
Behandlung mehrerer Patienten. Den dagegen gerichteten Aufhebungsantrag
wies das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 01.02.2002 (D 12 K
11/01) ab und beschloss, dass die Disziplinarmaßnahme aufrecht zu erhalten sei.
Die Beschwerde des Klägers wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 12.04.2002 (DL 17 S 6/02) zurückgewiesen.
5
Eine durch Verfügung des Beigeladenen vom 10.03.2001 angeordnete hälftige
Einbehaltung der Besoldungsbezüge des Klägers hob das Verwaltungsgericht
Freiburg mit Beschluss vom 05.07.2002 (D 12 K 1/02) auf. Die Prognose, dass
die Entfernung des Klägers aus dem Dienst hinreichend wahrscheinlich sei,
könne derzeit nicht getroffen werden. Die Beschwerde des Beigeladenen wies
der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 10.09.2002
(DL 17 S 16/02) zurück. Der Kläger erhielt seit Ende 2002 wieder seine vollen C
4-Bezüge.
6
Durch Verfügungen vom 10.03.2001, 02.02.2002 und 20.03.2003 wurde das
förmliche Disziplinarverfahren um weitere Vorwürfe fehlerhafter
Patientenbehandlung sowie um die Komplexe mangelnder Wahrnehmung der
Führungsverantwortung und Fälschung von OP-Berichten und OP-Protokollen
erweitert.
7
Mit Urteil vom 18.02.2003 (2 KLs 21 Js 20703/00 u.a. AK 22/00) verurteilte das
Landgericht Freiburg den Kläger zu einer Gesamtgeldstrafe von 270
Tagessätzen zu je 90,-- EUR (insgesamt 24.300,-- EUR) wegen vorsätzlicher
Körperverletzung in einem Fall sowie wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei
Fällen. Der Kläger wurde für schuldig befunden, in vier stationären
Behandlungsfällen im Zeitraum September 1998 bis September 1999
Behandlungs- und Aufklärungsfehler begangen zu haben. Im Übrigen wurde er
freigesprochen. Von der Verhängung eines Berufsverbots sah das Landgericht
ab. Mit Urteil vom 20.01.2004 (1 StR 319/03) verwarf der Bundesgerichtshof die
Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Klägers.
8
Der Beigeladene kündigte unter dem 04.02.2004 die Berufungsvereinbarung mit
dem Kläger, soweit diesem die Abteilungsleitung an der Chirurgischen
Universitätsklinik zugesagt worden war. Er begründete dies damit, dass der
Kläger die im Urteil des Landgerichts Freiburg festgestellten Straftatbestände im
Zusammenhang mit der Ausübung seiner Tätigkeit als Leiter der Abteilung
Unfallchirurgie verwirklicht habe und das Vertrauensverhältnis zu ihm hinsichtlich
der Abteilungsleitung dauerhaft gestört sei.
9
Durch einen am 03.02.2005 erlassenen Mahnbescheid des Amtsgerichts
Stuttgart machte der Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen den
Beigeladenen wegen Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn während des
strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Höhe von insgesamt 4,45 Mio. EUR
geltend. Nachdem der Beigeladene hiergegen Widerspruch eingelegt hatte,
wurde das Verfahren an das Landgericht Stuttgart abgegeben.
10 Mit Urteil vom 06.07.2006 (3 K 1362/04, juris) wies das Verwaltungsgericht
Freiburg die gegen die Teilkündigung der Berufungsvereinbarung erhobene
Klage des Klägers ab.
11 Ausweislich eines Vermerks vom 03.05.2006 war der Kaufmännische Direktor
des Beklagten durch die Schwägerin des Klägers in einer E-Mail darüber
informiert worden, dass ihre Schwester in Kanada das Scheidungsverfahren
betreibe. Sie habe in einem Telefonat am 02.05.2006 mitgeteilt, dass der Kläger
in Kanada einer Tätigkeit bei der Firma xxx xxx xxx xxx nachgehe, deren
Geschäft der Flugzeugmotorenbau sei, und dass er 25 % Anteile an dieser Firma
gekauft habe. Am 19.05.2006 fand ein Gespräch im Universitätsklinikum mit der
Schwägerin des Klägers und ihrem Lebensgefährten statt. Mit Schreiben vom
01.06.2006 bat der Beigeladene die Deutsche Botschaft in Ottawa/Kanada um
Amtshilfe. Die Botschaft leitete die Anfrage an das Generalkonsulat Vancouver
weiter. Dieses antwortete am 08. und 09.06.2006 negativ. Im August 2006
beauftragte der Beklagte Privatdetektive in Kanada damit, die Adresse des
Klägers herauszufinden und Nachweise für seine Arbeit bei xxx xxx zu gewinnen.
Am 27.09.2006 schickte die deutsch-kanadische Industrie- und Handelskammer
dem Beigeladenen den „Business-Report" über die Firma xxx xxx xxx in xxx. Dort
sei die „xxx xxx." als Teilhaber mit 25% erwähnt.
12 Am 08.08.2006 beantragte der Kläger im Verfahren 9 S 1848/06 die Zulassung
der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg. Mit Schreiben
vom 02.01.2007 regte der damalige Vorsitzende des 9. Senats des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg im Hinblick auf das noch
anhängige Disziplinarverfahren an, das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.
Der Kläger beantragte das Ruhen am 18.01.2007. Am 08.02.2007 ließ der
Beigeladene über seinen Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass das Ruhen
des Verfahrens nicht beantragt werde. Ergänzend weise man darauf hin, dass
Abfindungsverhandlungen mit dem Kläger liefen.
13 Mit Schreiben vom 17.10.2006 teilte der Beigeladene dem Kläger mit, ihm sei zur
Kenntnis gelangt, dass dieser entgegen den Erklärungen seiner Verteidiger aus
dem Jahr 2004 bei der Fa. xxx xxx xxx in xxx arbeite und dort einer
ungenehmigten Nebentätigkeit nachgehe. Man beabsichtige, das förmliche
Disziplinarverfahren um den Komplex „ungenehmigte Nebentätigkeit" zu
erweitern und den Kläger gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 4 LBG ohne Antrag aus dem
Beamtenverhältnis zu entlassen. Rechtsanwalt Dr. G. antwortete mit Schreiben
vom 28.11.2006 und bat um umfassende Akteneinsicht. Der Beigeladene
erwiderte unter dem 04.12.2006, die Ermittlungen seien noch nicht
abgeschlossen, die Akteneinsicht zum jetzigen Zeitpunkt gefährde den
Ermittlungszweck.
14 Schon seit Herbst 2005 führten die Beteiligten Gespräche mit dem Ziel, im
Vergleichswege alle Verfahren zu beenden. Ende Oktober 2007 lag ein
abgestimmter Vertragsentwurf vor. Am 13.06.2007 fand eine Besprechung
zwischen den Rechtsanwälten des Klägers sowie Vertretern des Beklagten und
des Beigeladenen statt. Dabei wurde über die Einzelheiten einer dreiseitigen
Vereinbarung Einvernehmen erzielt. Anfang November 2007 verweigerte der
Wissenschaftsminister (damals: Prof. Dr. F.) seine Zustimmung zur Vereinbarung
und entschied am 14.01.2008, das förmliche Disziplinarverfahren fortzusetzen.
15 Unter dem 11.01.2008 wurde für die Disziplinarakten beim Beigeladenen ein
Vermerk über ein dort am 10.01.2008 geführtes Telefonat mit Prof. Dr. B. gefertigt.
Darin ist festgehalten:
16
„Herr Prof. B. hat mir mitgeteilt, dass der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in
der Verwaltungsrechtssache F. gegen Land BW wegen Kündigung der
Berufungsvereinbarung (Leitungsfunktion) eine Mitteilung zum Sachstand
erbeten hat. Außerdem teilte er mit, dass die Kammer, die die Sache verhandelt,
einen neuen Vorsitzenden hat. Dieser sei bekannt dafür, dass er eine rigide
beamtenrechtliche Linie vertritt. In einem Gespräch mit Prof. B. habe dieser
angedeutet, dass er die Kündigung zum jetzigen Zeitpunkt für eine Umgehung
des Disziplinarrechts hält. Er wolle die Angelegenheit nun entscheiden. Prof. B.
befürchtet eine Niederlage des Landes. Es sei sehr ungewöhnlich, in welcher
Deutlichkeit sich der Vorsitzende ihm gegenüber geäußert habe. Prof. B. plädiert
für eine einvernehmliche Einigung und steht zu einem Gespräch mit Herrn
Minister zur Verfügung.“
17 Am 15.02.2008 ließ der Beigeladene im Berufungszulassungsverfahren vor dem
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mitteilen, der Wissenschaftsminister
habe entschieden, dass der zwischen den Beteiligten ausgehandelte Vertrag
nicht unterzeichnet werde und das während dieser Verhandlungen ausgesetzte
förmliche Disziplinarverfahren gegen den Kläger fortzusetzen sei. Nach
Rücksprache mit dem damaligen Berichterstatter beim Verwaltungsgerichtshof
beantrage er ebenfalls das Ruhen des Verfahrens. Am 28.04.2008 ließ der
Kläger mitteilen, dass Einverständnis mit der Anordnung des Ruhens des
Verfahrens bestehe. Mit Beschluss des Berichterstatters des Senats vom
29.04.2008 wurde daraufhin das Ruhen angeordnet.
18 Der Beklagte erhielt im April 2008 durch einen Anruf des Lebensgefährten der
Schwägerin des Klägers Kenntnis von möglichen Alkoholproblemen des Klägers.
Der Beklagte gab diese Information durch Schreiben vom 25.08.2008 an den
Beigeladenen weiter mit der Anregung zu überlegen, den Kläger amtsärztlich
untersuchen zu lassen im Hinblick auf eine etwaige Dienstunfähigkeit und eine
darauf gestützte Versetzung in den Ruhestand.
19 Unter dem 28.04.2008 hörte der Beigeladene den Kläger zur Absicht an, die
Suspendierung vom 24.10.2000 dahin abzuändern, dass diese nur auf das
Gebiet der Krankenversorgung beschränkt bleibe und der Kläger die
Dienstaufgaben in Forschung und Lehre an der Universität Freiburg wieder
wahrzunehmen habe. Der Kläger ließ hierzu unter dem 05.06.2008 mitteilen, eine
Teilsuspendierung komme nicht in Betracht. Auch die Universität Freiburg sprach
sich gegen Weiterbeschäftigung des Klägers aus und regte an, den Kläger nach
Deutschland zu bitten, um ihn einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
20 Der Beigeladene entgegnete hierauf unter dem 04.06.2008, bislang liege noch
kein belastbarer Sachverhalt vor, der geeignet sei, Zweifel an der Dienstfähigkeit
des Klägers abzuleiten.
21 Mit Datum 20.10.2008 legte der Untersuchungsführer (nach Anhörung von 43
Zeugen in der Zeit zwischen 13.07.2004 und 09.01.2006) seinen vorläufigen
Teilbericht im förmlichen Disziplinarverfahren gegen den Kläger vor. Dort heißt es
u.a.:
22
„Die umfangreich durchgeführten Ermittlungen zu den Vorwürfen in der dritten
Erweiterungsverfügung vom 20.10.2003 haben – nach ohnehin nur vorläufiger
Würdigung – nur in Einzelpunkten zu einem hinreichenden Verdacht für das
Vorliegen eines Dienstvergehens geführt. Hieraus muss zugunsten des
Beamten geschlussfolgert werden, dass er seine Tätigkeit – unter Zubilligung
eines einem Ärztlichen Direktor zukommenden Spielraumes – ganz
überwiegend beanstandungsfrei ausgeführt hat.
23
Legt man die vorläufig hinreichend sicher feststellbaren Dienstvergehen und die
Feststellungen aus dem Urteil des Landgerichts Freiburg vom 18.02.2003, die
grundsätzlich bindend sind (§ 19 Abs. 1 Satz 1 LDO), zugrunde, dürfte - nach
vorsichtiger Bewertung - eine Entfernung aus dem Dienst als
Disziplinarmaßnahme (§ 5 Abs. 1 5. Variante, § 11 LDO), d.h. die
disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme, jedenfalls sehr fraglich sein. …
24
Der Abschluss der Ermittlungen wird aller Voraussicht nach noch längere Zeit in
Anspruch nehmen. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass ein
Großteil der dem Beamten in der Einleitungsverfügung vom 11.09.2000, der
ersten Erweiterungsverfügung vom 10.03.2001 und der zweiten
Erweiterungsverfügung vom 02.02.2002 zur Last gelegten Dienstvergehen nicht
Gegenstand des beim Landgericht Freiburg ergangenen Urteils gewesen waren.
(…) Vor allem die zahlreichen weiteren Fälle, in denen dem Beamten ein
ärztliches Fehlverhalten zur Last gelegt wird, können nur unter Heranziehung
eines medizinischen Sachverständigen abschließend beurteilt werden. …
25
Angesichts der bisherigen Ermittlungsergebnisse und der ggf. noch
erforderlichen weiteren längeren Ermittlungen, deren Ausgang in hohem Maße
ungewiss ist, erscheint aus der Sicht des Untersuchungsführers eine
Verständigung zwischen dem Beamten und dem Land Baden-Württemberg
außerhalb des förmlichen Disziplinarverfahrens sinnvoll. (…)“
26 Auf der Grundlage des vorläufigen Teilberichts und dessen Empfehlung wurden
die Vergleichsverhandlungen wieder aufgenommen. Dies betreffend hatte der
Beigeladene unter dem 23.10.2008 einen umfangreichen Vermerk gefertigt, in
dem verschiedene Handlungsoptionen aufgezeigt wurden. Am Textrand der
Option, die unterbrochenen Vergleichsverhandlungen wieder aufzunehmen,
findet sich ein handschriftlich verfasstes „ja !“ Außerdem ist handschriftlich
vermerkt: „Verfahren läuft unverhältnismäßig lang - Ein Verbleib im Dienst ist
Schaden für UK u. exz. Uni FR - Deshalb aufgrund dieser gesicherten neuen
Erkenntnis (lange Dauer, Verbleiben im Dienst) Vergleich.“
27 Anlässlich einer Besprechung schlossen die drei Beteiligten am 20.02.2009 eine
Vereinbarung, deren Regelungsteil auszugsweise wie folgt lautet:
28
§1
Universitätsklinikum/Prof. F.
29
(1) Wenn und sobald die in § 2 Abs. 1 der vorliegenden Vereinbarung genannte
Entlassung von Prof. F. aus dem Beamtenverhältnis bestandskräftig ist, bezahlt
das Universitätsklinikum an Prof. F. für entgangene und künftig entgehende
Einkünfte aus Privatliquidation unverzüglich einen Betrag von 1,98 Millionen
EUR brutto. Hieraus zahlt das Universitätsklinikum XXX die anfallende
Lohnsteuer (unter Beachtung der Lohnsteuer-Anrufungsauskunft des
Finanzamtes XXX vom 01.08.2007). Der verbleibende Nettobetrag wird an Prof.
F. durch Überweisung auf das (…) eingerichtete Anwaltsanderkonto von
Rechtsanwalt XXX (…) ausbezahlt.
30
(2) …
31
(3) Mit dieser Vereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche zwischen dem
Universitätsklinikum und Prof. F. - soweit in dieser Vertragsurkunde nichts
anderes bestimmt ist - erledigt.
32
§2
Land Baden-Württemberg/Prof. F.
33
(1) Prof. F. verpflichtet sich, unverzüglich seine Entlassung aus dem
Beamtenverhältnis mit sofortiger Wirkung in gehöriger Form gemäß § 42 LBG zu
beantragen. Prof. F. verzichtet auf das Recht zur Erklärungsrücknahme (§ 42
Abs. 1 Satz 3 LBG).
34
Das Ministerium verpflichtet sich, beim Ministerpräsidenten des Landes Baden-
Württemberg unverzüglich die Entlassung von Prof. F. zu beantragen.
Rechtsanwalt XXX wird von Prof. F. unwiderruflich bevollmächtigt, für ihn die
Entlassungsurkunde in Empfang zu nehmen.
35
Prof. F. verzichtet nach dem Erhalt der Entlassungsurkunde ausdrücklich auf
Rechtsmittel gegen die Entlassungsentscheidung.
36
(2) Es besteht Einigkeit darüber, dass die Besoldungsansprüche von Prof. F. bis
zum Zeitpunkt der Entlassung fortbestehen.
37
(3) …
38
(4) Es besteht Einvernehmen darüber, dass das Ministerium verpflichtet ist, das
Disziplinarverfahren (vgl. Ziffer 2.1 der Präambel) unverzüglich nach der
Entlassung förmlich einzustellen (vgl. Artikel 26 Abs. 3 Satz 1 LDNOG in
Verbindung mit § 60 Abs. 1 Nr. 3 LDO).
39
(5) Das Ministerium und Prof. F. verpflichten sich wechselseitig, den beim VGH
Mannheim anhängigen Rechtsstreit (vgl. Ziffer 2.5 der Präambel)
übereinstimmend als in der Hauptsache für erledigt zu erklären, verbunden mit
einem beiderseitigen Verzicht auf eine Kostenentscheidung.
40
Eventuelle Gerichtskosten dieses verwaltungsgerichtlichen Streitverfahrens
(gemäß Ziffer 2.5 der Präambel) sind von den Parteien je zur Hälfte zu tragen.
41
Zu den außergerichtlichen Kosten wird auf § 3 Abs. 2 dieser Vertragsurkunde
verwiesen.
42
(6) Prof. F. verpflichtet sich, in der Mahnbescheidssache (vgl. Ziffer 2.6 der
Präambel) den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens unverzüglich
nach Erhalt der Zahlung gemäß § 1 dieser Vertragsurkunde zurückzunehmen (§
696 Abs. 4 ZPO).
43
…“
44 Unter dem 24.02.2009 beantragte der Kläger seine Entlassung aus dem
Beamtenverhältnis. Mit Schreiben vom 05.03.2009 leitete der Beigeladene den
Antrag an das Staatsministerium weiter mit der Bitte, dem Antrag zu entsprechen.
45 Am 06.03.2009 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen unter
Hinweis auf den außergerichtlichen Vergleich gegenüber dem
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den Rechtsstreit (im Verfahren
betreffend die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Freiburg vom 06.07.2006) in der Hauptsache für erledigt und verzichtete
gleichzeitig auf eine Kostenentscheidung des Gerichts. Mit Eingangsverfügung
vom 11.03.2009 teilte der damalige Vorsitzende des 9. Senats dem Kläger-
Bevollmächtigten mit, der Beklagte habe das ruhende Verfahren wieder
angerufen, welches nunmehr unter dem Aktenzeichen 9 S 603/09 weitergeführt
werde. Es werde bis zum 15.04.2009 um Mitteilung gebeten, ob der Anregung
des Beklagten folgend die Hauptsache für erledigt erklärt werde.
46 Nachdem der Beklagte bereits unter dem 25.02.2009 eine Presseinformation
über die Einigung mit dem Kläger herausgegeben hatte, regte sich zeitnah hierzu
Widerstand. Am 17.03.2009 ersuchte der Landtag auf Antrag der SPD-Fraktion
den Beigeladenen um Bericht zu neun Fragen sowie zur Aussetzung des
Vollzugs der getroffenen Vereinbarung (LT-Drs. 14/4185). Am 18.03.2009 bat
daraufhin der Beigeladene den Beklagten dringend, dass im Hinblick auf die
parlamentarische Initiative der SPD-Fraktion die Auszahlung der Abfindung
gegenwärtig unterbleibe. Am 19.03.2009 erging ein ähnlicher Antrag der Fraktion
der Grünen (LT-Drs. 14/4220).
47 Bereits am 13.03.2009 hatte der Ministerpräsident die Urkunde zur Entlassung
des Klägers aus dem Landesdienst mit Ablauf des Tages der Zustellung der
Urkunde unterzeichnet. Eine Aushändigung erfolgte zunächst noch nicht.
48 Am 19.03.2009 forderte der Bevollmächtigte des Klägers den Beigeladenen
telefonisch auf, die Entlassungsurkunde auszuhändigen. Die Aufforderung
wiederholte er mit Schreiben vom gleichen Tag. Eine vom Beigeladenen
eingeholte rechtsgutachtliche Stellungnahme vom 26.03.2009 (Rechtsanwälte
Prof. Dr. B. und Dr. W.) bestätigte die Rechtsgültigkeit der Vereinbarungen.
49 Mit Schreiben vom 06.04.2009 an den Beigeladenen erklärte der damalige
Prozessbevollmächtigte des Klägers, (vor dem Hintergrund der politischen
Situation) unter Hintanstellung größer Bedenken zu akzeptieren, dass der
Minister mit der Aushändigung der Entlassungsurkunde bis nach der nächsten
am 30.04.2009 stattfindenden Ausschusssitzung (des Landtags) zuwartet.
50 Am 15.04.2009 fertigte die Geschäftsstelle des 9. Senats des
Verwaltungsgerichtshofs im Berufungszulassungsverfahren einen Vermerk,
wonach der Prozessbevollmächtigte des Klägers angerufen und erklärt habe,
dass von Klägerseite aus noch keine Erklärung abgegeben werde.
51 Mit Beschluss vom 24.04.2009 (9 S 603/09, juris) lehnte der
Verwaltungsgerichtshof den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung
gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg ab. Zur Begründung wurde
ausgeführt, über den Zulassungsantrag sei nach Wiederanruf des Verfahrens
mangels Erledigungserklärung des Klägers nach Ablauf der ihm hierfür gesetzten
Frist zu entscheiden gewesen. Die mit dem Zulassungsantrag dargelegten
Gründe rechtfertigten den allein in Anspruch genommenen Zulassungsgrund der
ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils nicht. Die vom
Kläger gegen den Beschluss erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur
Entscheidung angenommen (Beschluss der 3. Kammer der Ersten Senats vom
21.02.2013 - 1 BvR 1508/09 -).
52 Unter dem 29.04.2009 wandte sich der Beigeladene an die Rechtsanwälte des
Klägers und führte aus, im Lichte des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs
vom 24.04.2009 sei der Vergleich in seiner bisherigen Form nicht mehr
vollziehbar und neu zu bewerten. Der Kläger werde aufgefordert, die
Verhandlungen wieder aufzunehmen; ferner werde er um Äußerung gebeten, ob
unter diesen Umständen der Antrag vom 24.02.2009 auf Entlassung aus dem
Beamtenverhältnis aufrechterhalten werde. Auf die Fortführung des
Disziplinarverfahrens sei hinzuweisen.
53 Der Kläger ließ hierauf unter dem 08.05.2009 antworten, er halte an dem
Vergleich fest.
54 In einem durch den Beigeladenen in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten vom
08.05.2009 gelangte Prof. Dr. B. zu dem Ergebnis, durch den unanfechtbaren
Beschluss vom 24.04.2009 sei es dem Kläger unmöglich geworden, den
Rechtsstreit durch eine Erledigungserklärung zu beenden. Da es sich hierbei um
eine synallagmatische Gegenleistung zur Zahlungspflicht des Beklagten
gehandelt habe, sei diese gemäß § 62 Satz 2 LVwVfG, § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB
entfallen.
55 Am 13.05.2009 übersandte die Rechtsabteilung des Beklagten dem
Beigeladenen per E-Mail ein am 12.05.2009 im Internet entdecktes
Scheidungsurteil des kanadischen Supreme Court of British Columbia vom
09.09.2008 in der Familiensache der Eheleute F.
56 In einem Schreiben vom 13.05.2009 führte der Beigeladene aus, im Lichte des
Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs bestehe keine Zahlungspflicht des
Beklagten und des Beigeladenen. Am 18.05.2009 wies der Beigeladene den
Beklagten an, die Vereinbarungen vom 20.02.2009 auf Dauer nicht zu vollziehen
und insbesondere eine Auszahlung der Abfindung auf Dauer zu unterlassen.
57 Mit Schreiben vom 22.05.2009 teilte der Kläger dem Beigeladenen mit, seinen
Entlassungsantrag aufrechtzuerhalten.
58 Am 12.06.2009 wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in seinem Büro
die Entlassungsurkunde ausgehändigt. Unter dem 17.06.2009 bestätigte der
Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber dem Beigeladenen den
Empfang der Entlassungsurkunde und erklärte zugleich, dass der Kläger auf
Rechtsmittel gegen die Entlassungsentscheidung verzichte. Ebenfalls am
17.06.2009 teilte er dies dem Beklagten mit und wies darauf hin, dass damit die
Abfindung zur Auszahlung fällig sei. Der Beklagte lehnte dies unter dem
19.06.2009 ab.
59 Mit jeweiligem Schreiben vom 06.07.2009 an den Prozessbevollmächtigten des
Klägers und an den Beigeladenen focht der Beklagte den am 20.02.2009
geschlossenen Vergleich unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten
an. Zur Begründung führte er aus, die Anfechtung stütze sich hierbei
insbesondere auf folgende, ihm erst jetzt bekannt gewordenen Umstände:
60
• „Wahrnehmung von Nebentätigkeiten durch Unternehmensbeteiligungen und -
gründungen“
61
• „(Verdacht auf) Alkoholprobleme/-Missbrauch.“
62 Zugleich lägen auch die Voraussetzungen für einen Rücktritt wegen Wegfalls der
Geschäftsgrundlage vor, der hiermit erklärt werde.
63 Mit Entscheidung vom 10.08.2009 stellte der Beigeladene das gegen den Kläger
mit Verfügung vom 11.09.2000 eingeleitete förmliche Disziplinarverfahren ein.
64 Bereits am 22.06.2009 hatte der Kläger beim Landgericht Stuttgart
Schadensersatzklage gegen den Beigeladenen erhoben wegen
Amtspflichtverletzung des Wissenschaftsministers im Zusammenhang mit der
Nichterfüllung der Vereinbarung vom 20.02.2009. Mit Beschluss vom 25.03.2011
erklärte das Landgericht Stuttgart den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten
für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Freiburg.
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers änderte das Oberlandesgericht
Stuttgart mit Beschluss vom 11.08.2011 die Entscheidung des Landgerichts ab
und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Stuttgart, bei welchem
die Akten am 02.09.2011 eingingen und wo das Verfahren unter dem
Aktenzeichen 1 K 3243/11 geführt wird.
65 Mit Beschluss vom 18.05.2012 erklärte sich das Verwaltungsgericht Stuttgart für
örtlich zuständig. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag setzte es das
Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem Verwaltungsgericht
Freiburg geführten Rechtsstreits gemäß § 94 VwGO aus. Die hiergegen vom
Kläger erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-
Württemberg mit Beschluss vom 16.10.2012 (4 S 1244/12) zurück.
66 Mit Urteil vom 15.05.2013 wies das Landgericht Karlsruhe (2 O 218/12) die
wegen behaupteter Rechtsbeugung der Richter des 9. Senats des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg erhobene Schadensersatzklage
des Klägers gegen den Beigeladenen ab. Die hiergegen vom Kläger erhobene
Berufung wies das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 05.11.2013 (12 U
82/13) zurück. Mit Beschluss vom 30.04.2015 wies der Bundesgerichtshof die
Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision zurück (III ZR
526/13).
67 Der Kläger hatte bereits am 09.12.2011 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage
gegen den Beklagten erhoben, mit der er Zahlung der in der Vereinbarung vom
20.02.2009 zugesagten 1,98 Mio. EUR sowie die Feststellung begehrt, dass der
Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet ist.
68 Mit Urteil vom 05.12.2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
Hinsichtlich des Klageantrags Ziff. 1 habe der Kläger, indem er nunmehr Zahlung
an seinen Prozessbevollmächtigten verlange, eine zulässige Klageänderung
vorgenommen. Einer Klagebefugnis stehe nicht der vom Kläger vorgelegte
Abtretungsvertrag vom 11.03.2009 entgegen, mit dem er u.a. seinen Anspruch
aus § 1 Abs. 1 der Hauptvereinbarung vom 20.02.2009 an seinen
Prozessbevollmächtigten abgetreten habe. Evidente Anhaltspunkte dafür, dass
dieses Rechtsgeschäft nichtig sein könnte, habe die Kammer nicht. Gehe man
von der Wirksamkeit der Abtretung aus, sei der Kläger ausnahmsweise nach den
Grundsätzen über die gewillkürte Prozessstandschaft befugt, ein fremdes Recht
im eigenen Namen geltend zu machen.
69 Der Klageantrag Ziff. 1 sei unbegründet. Darauf, ob die Sicherungsabtretung
nichtig und der Kläger aufgrund einer dann wirksamen teilweisen Pfändung und
Überweisung der eingeklagten Forderung möglicherweise nicht mehr im
gesamten Umfang aktivlegitimiert sei, komme es hier ebenfalls nicht an. Denn
dem Kläger habe gegen den Beklagten bereits dem Grunde nach kein
Zahlungsanspruch zugestanden.
70 Bei der Vereinbarung handele es sich angesichts ihres Gegenstands und Inhalts
um einen öffentlich-rechtlichen (verwaltungsrechtlichen) Vertrag gemäß §§ 1, 54
LVwVfG. Zwar gebe es kein Vertragsformverbot i.S.v. § 54 Satz 1 LVwVfG. Die in
§ 1 Abs. 1 der Vereinbarung statuierte Abfindung des Klägers für entgangene und
künftig entgehende Einkünfte aus Privatliquidation verstoße indessen gegen
zwingendes Recht.
71 Dem Beklagten sei es rechtlich verwehrt gewesen, den Kläger für seit November
2000 entgangene und in der Zukunft noch entgehende Einkünfte aus
Privatliquidation zu entschädigen. Der Kläger habe seit Zugang der vorläufigen
Dienstenthebungsverfügung vom 24.10.2000 keinen Anspruch mehr auf
amtsangemessene Beschäftigung gehabt, weshalb ihm auch das
Privatliquidationsrecht nicht mehr zugestanden habe. Er habe somit in der Zeit ab
November 2000 bis Juni 2009 zwar noch Beamtenstellung und Leitungsfunktion
innegehabt, aufgrund des umfassenden und rechtmäßigen dienstlichen
Tätigkeitsverbots jedoch keine Leistung mehr erbringen können und dürfen. Ihn
für eine rechtmäßig erzwungene Untätigkeit trotzdem zu entschädigen, bedeutete
ein evidentes und eklatantes Missverhältnis. Angesichts der in § 5 Abs. 1 Satz 2
UKG festgelegten Verpflichtung des Beklagten auf die Grundsätze der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit habe eine gleichwohl erfolgte
Abfindungsvereinbarung einen qualifizierten Verstoß gegen Haushalts- und
Wirtschaftsrecht dargestellt, der diese gemäß § 59 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 134
BGB nichtig gemacht habe.
72 Einen ebensolchen qualifizierten und zur Nichtigkeit einer Vereinbarung
führenden Verstoß gegen Haushalts- und Wirtschaftsrecht im vorgenannten
Sinne habe es schließlich dargestellt, den Kläger auch über das Ende der
Wirkungen der Suspendierung hinaus für in der weiteren Zukunft (jenseits des
17.06.2009) entgehende Privatliquidationseinnahmen abzufinden. Denn durch
die (Teil-)Kündigung vom 04.02.2004 der in der Berufungsvereinbarung vom
15.09.1997 zugesagten Leitungsfunktion habe der Kläger bereits seit Zugang
dieser Kündigung das Recht zur Ausübung der Chefarztposition und der daran
geknüpften Nebentätigkeit in Gestalt der Behandlung von Privatpatienten für
eigene Rechnung endgültig verloren. Diese Wirkungen dauerten auch nach
Erledigung der vorläufigen Suspendierung fort. Die Rechtmäßigkeit der
Kündigung sei in zwei Instanzen unanfechtbar bestätigt worden.
73 Das festgestellte Abfindungsverbot hätte nur in Anwendung des § 55 LVwVfG zu
einer gleichwohl wirksamen Leistungspflicht des Beklagten führen können. Lägen
die in dieser Vorschrift normierten besonderen Voraussetzungen vor, könne ein
Vergleichsvertrag Leistungspflichten selbst dann begründen, wenn der
Vergleichsinhalt der Gesetzeslage - wie hier - widerspreche.
74 Die Abfindungsregelung in § 1 Abs. 1 der Vereinbarung sei Bestandteil eines
Vergleichsvertrages. Die Voraussetzungen des § 55 LVwVfG für den Abschluss
des Vergleichsvertrages lägen indessen nicht vor, so dass dieser materiell
rechtswidrig sei. Die Beteiligten hätten das gegenseitige Nachgeben in Gestalt
von Antrags-Entlassung aus dem Beamtenverhältnis und Einstellung des
Disziplinarverfahrens sowie Abfindung für entgangene/künftig entgehende
Einnahmen aus Privatliquidation auf eine rechtliche und nicht auf eine
tatsächliche Ungewissheit zurückführen wollen. Denn der zur Kündigung der
Berufungsvereinbarung führende und zugleich für das Disziplinarverfahren
verwertbare Sachverhalt habe ebenso festgestanden wie die Rechtsposition des
Klägers, in die eingegriffen worden sei (Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG, ferner
besonders zugesagte Abteilungsleitung). Allseitige Zweifel hätten demgegenüber
nach dem bereits oben zur Einordnung als Vergleichsvertrag Dargelegten
darüber bestanden, ob die Kündigung der Leitungsposition gerichtlich
unanfechtbar bestätigt würde und ob bereits die rechtskräftig festgestellten
Straftaten des Klägers disziplinargerichtlich für eine Entfernung aus dem Dienst
genügten.
75 An der strengen Anforderungen unterliegenden Voraussetzung einer
Ungewissheit, die ein Nachgeben durch Abfindungszahlung gerechtfertigt hätte,
habe es im Februar 2009 jedoch gefehlt. In Ansehung der seit Ende Oktober
2000 bestehenden Wirkungen der vorläufigen Suspendierung könne von einer
berechtigten Unsicherheit darüber, ob dem Kläger in der Vergangenheit
möglicherweise Einkünfte aus Privatliquidation zugestanden hätten, keine Rede
sein. Eine verständige Würdigung habe es schließlich auch nicht zugelassen,
von einem rechtlich ungewissen Schicksal der Kündigung der Leitungsposition
auszugehen. An dieser Bewertung habe sich schließlich nichts durch das am
10.01.2008 geführte Telefonat zwischen Prof. B. und einem Mitglied des 9.
Senats beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg geändert. Der damit
materiell rechtswidrige Vergleichsvertrag sei ferner gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 3
LVwVfG unwirksam. Auch die weitere Nichtigkeitsvoraussetzung des § 59 Abs. 2
Nr. 3 LVwVfG, wonach ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur
wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 46 LVwVfG
rechtswidrig wäre, liege vor, da sich die Rechtswidrigkeit aus materiellen und
nicht lediglich formellen Gesichtspunkten ergebe. Eine Aufrechterhaltung der
nichtigen Abfindungsvereinbarung scheide aus.
76 Es sei ferner nicht treuwidrig (§ 62 Satz 2 LVwVfG i.V.m. § 242 BGB), dem Kläger
die Unwirksamkeit der Abfindungsvereinbarung entgegenzuhalten und ihn somit
um den Erfüllungsanspruch zu bringen. Zwar habe er seine Leistung erbracht,
indem er einen Entlassungsantrag gestellt habe, dem - nach Rücknahme- und
Rechtsmittelverzicht - unanfechtbar stattgegeben worden sei. Indessen habe der
Beigeladene in den Schreiben vom 29.04.2009 und vom 13.05.2009 dem Kläger
zweimal Gelegenheit gegeben, diesen Entlassungsantrag zurückzuziehen, ohne
ihn am in § 2 Abs. 1 Satz 2 der Vereinbarung erklärten Verzicht auf eine
Antragsrücknahme festzuhalten. Der Kläger sei der Verpflichtung, den
Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgerichtshof durch Abgabe einer
Erledigungserklärung zu beenden, nicht nachgekommen.
77 Da nach dem zuvor Dargelegten die Hauptforderung des Klägers nicht bestehe,
scheide auch die geltend gemachte Nebenforderung aus.
78 Der Klageantrag Ziff. 2 sei, da allein als Verzugsschadensersatzanspruch wegen
Nichterfüllung der Hauptforderung in Klageantrag Ziff. 1 denkbar, ebenfalls
unbegründet.
79 Gegen das ihm am zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.03.2014 die vom
Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese fristgerecht
begründet.
80 Die zulässigen Klagen seien entgegen dem Verwaltungsgericht auch begründet.
Anhaltspunkte dafür, dass die Sicherungsabtretung - auch nur teilweise - nichtig
und er aufgrund einer dann wirksamen teilweisen Pfändung und Überweisung der
eingeklagten Forderung möglicherweise nicht mehr im gesamten Umfang
aktivlegitimiert wäre, lägen nicht vor. Die zwischen ihm und Rechtsanwalt Dr. S.
vereinbarte Sicherungsabtretung sei nicht wegen anfänglicher Übersicherung
nichtig. Bedenken in berufsrechtlicher Hinsicht führten nicht über § 134 BGB zur
Nichtigkeit.
81 Ihm stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch dem Grunde nach zu. Die
Abfindungsregelung des § 1 Abs. 1 des Vertrags für entgangene und künftig
entgehende Einkünfte aus Privatliquidation sei nicht rechtswidrig und nichtig
gemäß § 59 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 134 BGB. Dem Beklagten sei es entgegen
dem Verwaltungsgericht nicht durch ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB rechtlich
verwehrt gewesen, ihn, den Kläger, für seit November 2000 entgangene und vor
allem für in der Zukunft noch entgehende Einkünfte aus Privatliquidation zu
entschädigen. Der Beklagte sei aus Rechtsgründen nicht gehindert gewesen, für
die Zeit vom 01.11.2000 bis zum Abschluss der Vereinbarung im Jahre 2009 und
bis zur (vereinbarten) Entlassung aus dem Beamtenverhältnis noch entgehende
Privatliquidation zu zahlen. Erst recht sei rechtlich nicht zu beanstanden
gewesen, wenn der Beklagte ihm für die Zeit nach dem Vergleichsabschluss eine
Entschädigung für den Verlust des Privatliquidationsrechts zugebilligt habe. Der
Verweis auf die (Teil-)Kündigung der Berufungsvereinbarung verkenne, dass die
Kündigung nicht auch das Erlöschen des Rechts auf Ausübung der
Nebentätigkeit der Privatliquidation zur Folge gehabt habe, zumal er
uneingeschränkt das Recht auf amtsangemessene Beschäftigung gehabt habe.
Der Hinweis, die Rechtmäßigkeit der Kündigung sei in zwei Instanzen
unanfechtbar bestätigt worden, überzeuge nicht.
82 Soweit das Verwaltungsgericht ein Missverhältnis von Leistung und
Gegenleistung behaupte, lasse es außer Acht, dass es sich bei der in Rede
stehenden Maßnahme der vorläufigen Amtsenthebung um eine Eilmaßnahme mit
nur beschränkter Rechtmäßigkeitsprüfung handele. Nach Auffassung des vom
Beigeladenen als Rechtsberater beigezogenen Rechtsanwalts Dr. W. reichten die
ihm im Strafverfahren nachgewiesenen Körperverletzungen in vier Fällen zum
Nachteil der von ihm behandelten Patienten bei weitem nicht aus, um ihn aus
dem Dienst zu entfernen. Diese Einschätzung sei voll und ganz bestätigt worden
durch den vom Untersuchungsführer auf Wunsch des Ministers erstellten
Zwischenbericht. Aufgrund der danach bestehenden Rechtslage hätte der
Minister seine Suspendierung zurücknehmen müssen. Auch sei evident
gewesen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts, das die Rechtmäßigkeit der
vom Minister ausgesprochenen Teilkündigung bestätigt hatte, nicht haltbar
gewesen sei.
83 Darüber hinaus habe sowohl das Verhalten des mit dem Antrag auf Zulassung
der Berufung befassten 9. Senates als auch des Beigeladenen und seines
Prozessbevollmächtigten, Prof. B., gezeigt, dass das Urteil des
Verwaltungsgerichts mehr als fragwürdig gewesen sei.
84 Nach dem Stand der Sach- und Rechtslage im Februar 2009 sei somit in hohem
Maße damit zu rechnen gewesen, dass er als Leiter der unfallchirurgischen
Abteilung an das Universitätsklinikum zurückkehren werde. In diesem Fall hätte
er Anspruch auf seine Privatliquidation gehabt. Dies seien im Schnitt pro Jahr
wenigstens 250.000,00 EUR gewesen. Da er im Mai 1961 geboren sei, hätte er
wenigstens 17 Jahre lang mit dieser Privatliquidationseinnahme rechnen können.
Das seien 4,75 Mio. EUR brutto. Da der Beklagte dies unbedingt habe verhindern
wollen, sei dieser bereit gewesen, 1,98 Mio. EUR brutto als Gegenleistung dafür
zu bezahlen, dass er auf sein Rückkehrrecht verzichtete. Dabei sei noch nicht
berücksichtigt, dass für die Zeit vor 2009 Schadensersatzansprüche im Raum
gestanden hätten, deren Grundlage das illoyale Verhalten des Beklagten ihm
gegenüber gewesen sei.
85 Unabhängig davon sei der streitgegenständliche Vertrag nicht nichtig gem. § 134
BGB. Ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB sei (nur) dann gegeben, wenn
das Rechtsgeschäft durch die in Frage stehende Rechtsnorm ausdrücklich oder
ihrem Sinn und Zwecke nach verboten werden solle. Nur qualifizierte (besondere)
Fälle der Rechtwidrigkeit führten zur Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen
Vertrages. Bei den an die öffentliche Hand gerichteten allgemeinen gesetzlichen
Geboten der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit handele es sich nicht um
Verbotsgesetze.
86 Der Vertrag mit der Vereinbarung sei aber auch nicht am Maßstab des § 59 Abs.
2 Nr. 3 i.V.m. § 55 LVwVfG rechtswidrig und nichtig.
87 Unstreitig sei die Abfindungsregelung in § 1 Abs. 1 der Vereinbarung Bestandteil
eines Vergleichsvertrages zwischen den Parteien. Aber auch die
Voraussetzungen des § 55 LVwVfG für den Abschluss des Vergleichsvertrages
hätten nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten tatsächlich wie
rechtlich vorgelegen. Das Urteil stütze sich - für alle Beteiligten überraschend - auf
die These, bei Abschluss des Vergleiches am 20.02.2009 habe „bei verständiger
Würdigung" keine Ungewissheit über die Rechtslage bestanden. Das
Verwaltungsgericht habe aber außer Acht gelassen, dass maßgeblicher
Zeitpunkt insoweit allein der des Vergleichsabschlusses gewesen sei, dass eine
„messerscharfe" Trennung zwischen „rechtlicher" und „tatsächlicher'
Ungewissheit nicht haltbar sei und dass von einem feststehenden Sachverhalt
allenfalls habe gesprochen werden können, soweit rechts- oder bestandskräftige
Entscheidungen vorgelegen hätten. Die Vertreter des Beklagten hätten nach
pflichtgemäßem Ermessen gehandelt, als sie die Ungewissheit in der Frage, ob
nun er zurückkehren werde auf die Position des Leiters der unfallchirurgischen
Abteilung des Klinikums, in Übereinstimmung mit der Aufsichtsbehörde den
Vergleich vom 20.02.2009 abgeschlossen hätten. Nach dem Stand der Sach-
und Rechtslage im Februar 2009 sei in hohem Maß damit zu rechnen gewesen,
dass er als Leiter der unfallchirurgischen Abteilung an das Universitätsklinikum
zurückkehren werde. In diesem Fall hätte er Anspruch auf seine Privatliquidation
gehabt. Dass der Vergleich auch hinsichtlich der vereinbarten Abfindungszahlung
pflichtgemäßem Ermessen entsprochen habe, ergebe sich aus der Tatsache,
dass das Finanzministerium dem Vergleich zugestimmt gehabt habe.
88 Nur vorsorglich und ergänzend sei anzuführen, dass es auch treuwidrig (§ 62
Satz 2 LVwVfG i.V.m. § 242 BGB) wäre, ihm die Unwirksamkeit der
Abfindungsvereinbarung entgegenzuhalten und ihn somit um den
Erfüllungsanspruch zu bringen. Denn er habe seine Leistung erbracht, indem er
einen Entlassungsantrag gestellt habe, dem - nach Rücknahme- und
Rechtsmittelverzicht - unanfechtbar stattgegeben worden sei.
89 An der Wirksamkeit des Vergleiches habe sich auch weder durch den Beschluss
des Verwaltungsgerichtshofs vom 24.04.2009 noch durch die vom Beklagten
erklärte Anfechtung etwas geändert. Die Unmöglichkeit der Leistung sei schon
deshalb nicht eingetreten, weil er insoweit gar keine „Leistung“ im rechtlichen
Sinne geschuldet habe, sondern ihm nur eine Obliegenheit auferlegt worden sei.
Auch bei Annahme einer Unmöglichkeit sei die Zahlungsverpflichtung nicht
gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfallen. Denn er habe gemäß § 326 Abs. 2
Satz 1 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung behalten. Dass er die
Erledigungserklärung bis zum 24.04.2009 nicht abgegeben gehabt habe, sei
nämlich darin begründet gewesen, dass Minister F. sich gegen Gesetz und
Vertrag geweigert habe, seiner Verpflichtung nachzukommen, ihm die
Entlassungsurkunde auszuhändigen. Unabhängig davon sei gemäß § 441 Abs.
3 BGB in entsprechender Anwendung (§ 326 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz BGB)
zu prüfen gewesen, ob der Beklagte infolge der Unmöglichkeit der Teilleistung -
keine Erledigung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Rechtsstreits
durch übereinstimmende Erledigungserklärung - weniger erhalten habe, als ihm
nach der getroffenen Vereinbarung zugestanden hätte. Dies sei offensichtlich
nicht der Fall. Auch ein - grundsätzlich subsidiärer - Wegfall der
Geschäftsgrundlage scheide aus. Der Beklagte habe im Ergebnis alles erreicht,
was er mit dem Vergleich vom 20.02.2009 habe erreichen wollen. Die Zahlung
der Abfindung für den Beklagten sei nicht unzumutbar geworden. Selbst wenn
man die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in die Gesamtbetrachtung
mit einbezöge, bliebe es bei dem Ergebnis. Zu dieser „Änderung“ der
Verhältnisse sei es nur deshalb gekommen, weil Minister F. ihm die
Entlassungsurkunde erst mit dreimonatiger Verspätung ausgehändigt habe. Die
vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten seien auch nicht durch eine
Anfechtung der in Rede stehenden Vereinbarung entfallen. Die Voraussetzungen
des § 123 BGB bzw. der §§ 119 ff. BGB lägen nicht vor. In den nahezu
dreieinhalb Jahren, die sich die Vergleichsverhandlungen hingezogen hätten, sei
von den Beteiligten kein Wort darüber verloren, was er, der Kläger, tue und in
welcher Verfassung er sich befinde. Für ihn und seine Vertreter sei aus dem
Verhalten des Beklagten und auch des Landes nicht der kleinste Hinweis darauf
zu entnehmen gewesen, dass die Fragen einer angeblich unerlaubten
Nebentätigkeit sowie seines Gesundheitszustandes für die Entscheidung des
Beklagten, den Vergleich abzuschließen, eine Rolle spielen könnten.
90 Der Kläger beantragt,
91
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 05.12.2013 - 1 K 2463/11 -
aufzuheben und
92
1. den Beklagten zu verurteilen, an Rechtsanwalt Dr. S., Freiburg, 1,98 Millionen
EUR zu bezahlen zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
18.06.2009, sowie
93
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu
ersetzen, der diesem dadurch entstanden ist und künftig entsteht, dass der
Beklagte den dem Kläger nach § 1 der zwischen den Parteien am 20.02.2009
getroffenen Vereinbarung geschuldeten Abfindungsbetrag von 1,98 Millionen
EUR nicht spätestens am 18.06.2009 auszahlte.
94 Der Beklagte beantragt,
95
die Berufung zurückzuweisen.
96 Dem Kläger fehle - zumindest teilweise - die Aktivlegitimation. Nach einem dem
Beklagten zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des
Amtsgerichts Memmingen zugunsten der geschiedenen Ehefrau des Klägers
könne diese vom Kläger Unterhaltsrückstand und laufenden Unterhalt
beanspruchen. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers sollte die Abtretung der
Klagforderung an Rechtsanwalt Dr. S. nicht dazu dienen, eine Forderung von
Rechtsanwalt Dr. S. an den Kläger zu sichern, sondern Ansprüche des
Bankhauses M. zu befriedigen. Dieser Zweck rechtfertige die Abtretung nicht.
Warum zur Sicherung der Kreditforderung des Bankhauses M. eine Abtretung an
Rechtsanwalt Dr. S. erfolgt sei, bleibe unerfindlich. Trotz mehrfacher Aufforderung
durch den Beklagten sei der Kläger seiner prozessualen Obliegenheit nicht
nachgekommen, die angebliche Forderung von Dr. S. nach Grund und Höhe
mitzuteilen und zu bezeichnen. Der Senat müsse aufklären, ob und in welcher
Höhe eine Forderung von Dr. S. gegen den Kläger bestanden habe. Dies sei
sowohl im Hinblick auf eine mögliche anfängliche Übersicherung als auch im
Hinblick auf eine naheliegende Gläubigergefährdung geboten. Außerdem
verstoße die Abtretung gegen § 43a Abs. 1 BRAO. Dr. S. habe ein eigenes
wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, weshalb seine
Unabhängigkeit und die Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben gefährdet
gewesen seien.
97 Auch bei anfänglicher Wirksamkeit der Vereinbarung vom 20.02.2009 sei der
Klageantrag Ziff. 1 unbegründet.
98 Der Kläger habe seine Verpflichtung aus § 2 Abs. 5 der Vereinbarung vom
20.02.2009, nämlich den beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
anhängigen Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, nicht erfüllt.
Der Verwaltungsgerichtshof habe deshalb den Antrag auf Zulassung der
Berufung zurückgewiesen. Dadurch sei die Erfüllung von § 2 Abs. 5 der
Vereinbarung vom 20.02.2009 rechtlich unmöglich geworden. Nach § 275 Abs. 1
BGB sei der Anspruch des Landes Baden-Württemberg auf Leistung, nämlich auf
Abgabe der Erledigungserklärung, ausgeschlossen, soweit diese für den
Schuldner oder für jedermann unmöglich sei. Dieser Fall liege hier vor. Die
Zahlungspflicht des Beklagten einerseits und die Pflicht des Klägers, den
Rechtsstreit mit dem Land in der Hauptsache für erledigt zu erklären andererseits,
stünden in einer synallagmatischen Verknüpfung i.S.v. § 326 BGB. Die
„Zerlegung" der Vereinbarung vom 20.02.2009 in zwei Vereinbarungen
widerspreche dem Inhalt dieser Vereinbarung. Dass es sich um eine
Gesamtregelung handele, die alle Leistungen in ein synallagmatisches Verhältnis
zueinander stelle, ergebe sich auch aus dem Wortlaut der Vereinbarung. Die
Zahlungsverpflichtung des Universitätsklinikums sei somit untrennbar verknüpft
mit der Beendigung des Beamtenverhältnisses zwischen dem Kläger und dem
Land Baden-Württemberg. Der Vortrag des Klägers zu § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB
sei falsch. Ca. drei Wochen vor dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom
24.04.2009 sei der Kläger damit einverstanden gewesen, dass die Aushändigung
der Entlassungsurkunde bis nach der nächsten, am 30.04.2009 anstehenden
Sitzung des zuständigen Landtagsausschusses zurückgestellt werde. Damit sei
seinem Vorwurf, Minister F. habe gegen Gesetz und Vertrag die
Entlassungsurkunde nicht ausgehändigt, die Grundlage entzogen. Aus Ziff. 3 der
Präambel sowie aus § 1 Abs. 3 und § 2 Abs. 8 des Vergleiches ergebe sich, dass
weder der Beklagte noch das Land Baden-Württemberg ohne den Vorteil der
Beendigung aller Auseinandersetzungen ohne gerichtliche Entscheidung
nachgegeben hätten. Der Kläger sei deshalb verpflichtet gewesen, sofort nach
Abschluss der Vereinbarung vom 20.02.2009 beim Verwaltungsgerichtshof die
Hauptsache für erledigt zu erklären. Er habe kein Leistungsverweigerungsrecht
bis zur Bestandskraft der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gehabt.
Außerdem sei der Kläger nicht berechtigt gewesen, die Erledigungserklärung
gemäß § 2 Abs. 5 des Vergleichsvertrags vom 20.02.2009 mit der Begründung
zu verweigern, die Entlassungsurkunde sei ihm noch nicht ausgehändigt worden.
99 Ginge man davon aus, dass die Leistungspflicht des Beklagten aus § 1 Abs. 1
der Vereinbarung nicht nach § 326 Abs. 1 BGB entfallen sei, wäre sie wegen
Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 60 Abs. 1 VwVfG entfallen. Das zentrale
Ziel der Vertragsparteien habe darin bestanden, alle anhängigen Verfahren ohne
gerichtliche Entscheidung durch einen außergerichtlichen Vergleich zu beenden
und damit alle gegenseitigen Ansprüche zwischen dem Universitätsklinikum und
dem Kläger bzw. dem Land Baden-Württemberg und dem Kläger zu erledigen.
Diese Erwartung der Vertragsparteien sei nicht eingetreten, da der Kläger seine
vertragliche Verpflichtung, die Hauptsache in dem beim Verwaltungsgerichtshof
anhängigen Verfahren über die Kündigung der Berufungsvereinbarung für
erledigt zu erklären, nicht erfüllt habe. Deshalb habe der Verwaltungsgerichtshof
durch Beschluss vom 24.04.2009 in der Sache entschieden. Darin liege eine so
wesentliche Änderung der für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebenden
Umstände, dass dem Beklagten und dem Land Baden-Württemberg das
Festhalten an der Vereinbarung vom 20.02.2009 nicht zuzumuten sei.
100 Unabhängig davon wäre die Klage unbegründet, da die Vereinbarung sowohl
vom Beklagten als auch vom Land Baden-Württemberg mit Schreiben vom
06.07.2009 wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten worden sei.
Sowohl der Beklagte als auch das Land Baden-Württemberg hätten den
Vergleich insgesamt angefochten. Es handele sich um einen dreiseitigen Vertrag,
dessen Regelungen untrennbar miteinander verflochten seien. Der Kläger habe
den Beklagten und den Beigeladenen durch unrichtige Erklärungen, keine
Nebentätigkeiten auszuüben, getäuscht. Jedenfalls sei der Kläger im Hinblick auf
seine früheren Erklärungen, keine Nebentätigkeit auszuüben, bei Abschluss der
Vereinbarung am 20.02.2009 verpflichtet gewesen zu offenbaren, dass er eine
Nebentätigkeit ausgeübt habe. Aus dem Urteil des Obersten Gerichts von British
Columbia vom 09.09.2008 (2008 BCSC 1222) in der Sache F. gegen F. hätten
sich Hinweise auf Nebentätigkeiten des Klägers in der Form von
Unternehmensgründungen und -beteiligungen ergeben. Hierbei handele nicht um
eine genehmigungsfreie Verwaltung eigenen Vermögens, sondern um eine
darüber hinausgehende gewerbliche/unternehmerische Tätigkeit. Entscheidend
sei, dass der Kläger zur Vermögensverwaltung zwei Gesellschaften gegründet
habe, die Grundstücke und erhebliche Anteile in anderen Unternehmen,
insbesondere einen 25%-Anteil an „xxx" hielten. Der Kläger sei der einzige
Gesellschafter, Vorstand und Geschäftsführer der beiden von ihm beherrschten
Unternehmen, die auf die Erwirtschaftung von Gewinn ausgelegt seien. Hätte der
Kläger wahrheitsgemäß mitgeteilt, dass er Nebeneinkünfte erzielt und
Nebentätigkeiten ausübt, wäre dies bei der Ermittlung der Höhe der Zahlung nach
§ 1 Abs. 1 der Vereinbarung vom 20.02.2009 berücksichtigt worden. Hätte der
Beklagte die Nebentätigkeit des Klägers und die ihm daraus zufließenden
Einkünfte gekannt, hätte er die in § 1 Abs. 1 der Vereinbarung vom 20.02.2009
vorgesehene Zahlung nicht vereinbart. Gleichermaßen hätte das Land Baden-
Württemberg bei Kenntnis dieser Tatsachen die Vereinbarung nicht
abgeschlossen. Die Angaben der Ex-Schwägerin des Klägers im Mai 2006 hätten
zu keiner ausreichenden und verlässlichen Tatsachenkenntnis geführt, die die
Anfechtungsfrist des § 124 BGB in Gang gesetzt habe.
101 Darüber hinaus seien der Beklagte und der Beigeladene bei Abschluss der
Vereinbarung am 20.02.2009 von einem dienstfähigen Arzt ausgegangen, der im
Rahmen des anhängigen Disziplinarverfahrens nicht hätte aus dem Dienst
entfernt werden können und der bei Unwirksamkeit der Kündigung der
Berufungsvereinbarung erhebliche Einkünfte aus Privatliquidationen erzielt hätte.
Das Alkoholproblem des Klägers sei eine verkehrswesentliche Eigenschaft im
Sinne des § 119 Abs. 2 BGB. Das Universitätsklinikum und das Land hätten sich
im Irrtum über diese Eigenschaft befunden, als sie die Vereinbarung vom
20.02.2009 abschlossen hätten. Die Zahlung einer Abfindung von ca. 2 Mio. EUR
für entgangene Einnahmen aus Privatliquidation setze auch nach der objektiven
Verkehrsauffassung einen gesunden und leistungsfähigen Chefarzt voraus, der
seine verantwortungsvolle Chefarztposition wie auch seine Führungsposition
gegenüber den Mitarbeitern ohne Einschränkung durch Alkoholprobleme
wahrnehmen könne.
102 Auch im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren sei die Alkoholproblematik
des Klägers eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2
BGB. Hätten der Beklagte und das Land von der Alkoholproblematik des Klägers
gewusst, hätten sie die Vereinbarung vom 20.02.2009 nicht, jedenfalls nicht mit
dem dort festgelegten Inhalt, abgeschlossen, und zwar weder im Hinblick auf das
Rechtsverhältnis des Klägers zum Universitätsklinikum noch im Hinblick auf das
Rechtsverhältnis des Klägers zum Land Baden-Württemberg.
103 Zwar habe das Universitätsklinikum durch einen Anruf von Herrn Prof. Dr. K. im
April 2008 Kenntnis von möglichen Alkoholproblemen des Klägers erhalten,
belastbare Informationen hätten der Beklagte und das Land aber erstmals durch
das Scheidungsurteil des Obersten Gerichts von British Columbia vom
09.09.2008 erhalten. Dass weder der Beklagte noch das Land Baden-
Württemberg bei Kenntnis der Nebentätigkeit des Klägers und bei Kenntnis seiner
Alkoholproblematik den Vergleich vom 20.02.2009 mit dem dort vereinbarten
Inhalt abgeschlossen hätten, sei im Schriftsatz vom 22.05.2014 vorgetragen und
unter Beweis gestellt worden.
104 Da die Hauptforderung nicht bestehe, sei auch kein Zinsanspruch gegeben.
Selbst wenn die Hauptforderung bestünde, wäre der geltend gemachte
Zinsanspruch nicht begründet. Gemäß § 1 Abs. 1 der Vereinbarung vom
20.02.2009 sei der Betrag von 1,98 Mio. EUR fällig geworden, „wenn und sobald
die in § 2 Abs. 1 der vorliegenden Vereinbarung genannte Entlassung von Prof.
F. aus dem Beamtenverhältnis bestandskräftig ist". Die Entlassung aus dem
Beamtenverhältnis sei erst mit Ablauf des 12.07.2009 bestandskräftig geworden.
Eine Mahnung des Klägers nach Eintritt der Fälligkeit, die gemäß § 286 Abs. 1
BGB zum Verzug führte, sei nicht erfolgt. Wenn die Forderung bestünde, hätte
der Kläger allenfalls einen Anspruch auf Prozesszinsen.
105 Der Kläger trage zur Begründung seines Feststellungsantrages vor, er habe die
Zahlung aus der Vereinbarung vom 20.02.2009 zur Ablösung eines Darlehens
beim Bankhaus M. verwenden wollen, für das monatlich 7,75% Zinsen anfielen.
Am Vortrag der Kreditaufnahme bestünden Zweifel. Gehe man von der
Wirksamkeit der behaupteten Abtretung aus, wäre der Kläger zudem am
18.06.2009 gar nicht in der Lage gewesen, mit dem Betrag aus dem Vergleich
vom 20.02.2009 das Darlehen bei dem Bankhaus M. zurückzuführen. Es fehle
deshalb an der Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem
behaupteten Schaden. Schließlich könne der Kläger nicht sowohl 5% Zinsen
über dem jeweiligen Basiszinssatz als auch die vom Bankhaus M. in Rechnung
gestellten Zinsen als Verzugsschaden verlangen.
106 Der Beigeladene beantragt,
107 die Berufung zurückzuweisen.
108 Zur Begründung schließt er sich den Ausführungen des Beklagten an. Die
Darstellung des Sachverhalts in der Berufungsbegründung bedürfe teilweise der
Richtigstellung bzw. Ergänzung.
109 Dem Senat liegen vor: 2 Ordner Verfahrensakten des Beklagten, die
Disziplinarakten des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (21
Bände), die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart zum ausgesetzten
Verfahren 1 K 3243/11 (Schadensersatz u.a., 4 Hefte), die Akten des
Verwaltungsgerichts Freiburg zu den Verfahren 1 K 2463/11 (Zahlung aus einer
Vereinbarung, 2 Hefte), 1 K 2/04 (Berufungsvereinbarung, 1 Heft) und 1 K
2043/01 (Nutzungsentgelt, 1 Heft mit 1 Beiheft), die Akten der Disziplinarkammer
des Verwaltungsgerichts Freiburg zu den Verfahren 12 K 11/01 (vorläufige
Dienstenthebung, 1 Heft), 12 K 1/02 (Einbehaltung der Besoldungsbezüge, 1
Heft) und DL 10 K 1644/09 (Einstellung des förmlichen Disziplinarverfahrens und
Kostenentscheidung, 1 Heft mit 4 Beiheften und einem Leitzordner Anlagen zum
Schriftsatz des Beklagten-Vertreters vom 18.02.2010) sowie die VGH-Akten zum
Verfahren auf Zulassung der Berufung 9 S 1848/06 und 9 S 603/09
(Berufungsvereinbarung, 2 Hefte) und zum Beschwerdeverfahren 4 S 1244/12 (1
Heft). Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten
des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
110 Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 01.07.2015 hat dem Senat keine
Veranlassung gegeben, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 104
Abs. 3 Satz 2 VwGO).
111 Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber
unbegründet. Die Klage ist mit beiden Klageanträgen zwar zulässig (im
Folgenden unter A.), sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg (im Folgenden unter
B.). Der Kläger kann auf der Grundlage der Vereinbarung vom 20.02.2009 vom
Beklagten nicht die Zahlung von 1,98 Mio EUR verlangen. Auch der
Feststellungsantrag hat keinen Erfolg.
112 A. Die Zulässigkeit der Klagebegehren begegnet keinen durchgreifenden
Bedenken.
113 I. Den Klageantrag Nr. 1 hat der Kläger in erster Instanz dahingehend modifiziert,
dass Zahlung nicht mehr an ihn selbst, sondern an seinen damaligen
Prozessbevollmächtigten erfolgen soll. Die darin liegende Klageänderung ist vom
Verwaltungsgericht zu Recht als sachdienlich und deshalb zulässig behandelt
worden (§ 91 Abs. 1 VwGO).
114 Die geänderte Zahlungsklage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und
auch sonst zulässig. Insbesondere kann dem Kläger die Klagebefugnis
(entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO) nicht abgesprochen werden. Etwas anderes
ergibt sich nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Abtretungsvertrag vom
11.03.2009, mit dem er u.a. seinen Anspruch aus § 1 Abs. 1 der Vereinbarung
vom 20.02.2009 an seinen damaligen Prozessbevollmächtigten (Rechtsanwalt
Dr. S.) abgetreten hat. Insoweit ist von Klägerseite vorgetragen worden,
Rechtsanwalt Dr. S. habe wegen seiner engen Verbindung zum Kläger für diesen
eine Bürgschaft übernommen zur Sicherung der Ansprüche des Bankhauses M.
wegen eines dort vom Kläger aufgenommenen Kredits in Höhe von 1,0 Mio. EUR.
Die Abtretung der mit der Klage geltend gemachten Forderung diene der
Sicherung der insoweit Rechtsanwalt Dr. S. zustehenden Ansprüche aus dem
Bürgschaftsvertrag. In dem vom Kläger im Verfahren 1 K 3243/11 vorgelegten
Kreditvertrag zwischen dem Bankhaus M. und dem Kläger wird unter dem Punkt
„Sicherheiten“ auf eine „Selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von
1.000.000,00 EUR von Herrn Dr. P. S.“ Bezug genommen (Anlage K 17 zum
Schriftsatz des Kläger-Vertreters vom 13.02.2012, AS 813). Anders als der
Beklagte sieht der Senat bei dieser Sachlage zu einer weiteren Aufklärung von
Art und Inhalt der Ansprüche von Rechtsanwalt Dr. S. gegen den Kläger keinen
hinreichenden Anlass.
115 Greifbare Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Sicherungsabtretung sind nicht
erkennbar.
116 Die Sicherungsabtretung ist zunächst nicht wegen einer ursprünglichen
Übersicherung gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.
117 Eine ursprüngliche Übersicherung liegt vor, wenn bereits bei Vertragsschluss
gewiss ist, dass im noch ungewissen Verwertungsfall ein auffälliges
Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der
gesicherten Forderung bestehen wird, wobei sich das Missverhältnis nur anhand
der Besonderheiten des Einzelfalls in tatrichterlicher Verantwortung ermitteln lässt
(vgl. BGH, Urteil vom 12.03.1998 - IX ZR 74/95 -, NJW 1998, 2047
;
Armbrüster,
in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 138 Rn. 101). Als
Orientierungsgröße wird eine Übersicherung von 200 bis 300 % vorgeschlagen
(Roth, in: Münchener Kommentar, a.a.O., § 398 Rn. 132 mit Fn. 432; Ellenberger,
in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 138 Rn. 97). Die ursprüngliche Übersicherung
lässt das Geschäft (erst) als sittenwidrig erscheinen, wenn es im Zeitpunkt seines
Abschlusses nach seinem - aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund
und Zweck zu entnehmenden - Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht
vereinbar ist. Die Übersicherung muss insbesondere auf einer verwerflichen
Gesinnung des Sicherungsnehmers beruhen. Davon kann ausgegangen
werden, wenn der Sicherungsnehmer aus eigensüchtigen Gründen eine
Rücksichtslosigkeit gegenüber den berechtigten Belangen des
Sicherungsgebers an den Tag legt, die nach sittlichen Maßstäben unerträglich ist
(BGH, Urteil vom 12.03.1998, a.a.O., mwN; vgl. auch Roth, a.a.O., § 398 Rn. 130;
von Varel, JuS 2004, 192, 195).
118 An diesem Maßstab gemessen bietet der Sachverhalt weder verlässliche
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses noch für eine
dem Kläger vorzuwerfende subjektive Verwerflichkeit.
119 Auch eine Sittenwidrigkeit der Sicherungsabtretung wegen Schädigung der
geschiedenen Ehefrau unter dem Gesichtspunkt der Gläubigergefährdung lässt
sich nicht feststellen.
120 Bei Rechtshandlungen, deren Inhalt und Zweck im Wesentlichen darin besteht,
die Gläubiger zu benachteiligen, regeln die Sondervorschriften der Insolvenz-
bzw. Gläubigeranfechtung grundsätzlich abschließend, unter welchen
Voraussetzungen die Gläubiger geschützt werden. Die allgemeine Vorschrift des
§ 138 Abs. 1 BGB kommt daneben nur zur Anwendung, wenn das
Rechtsgeschäft besondere, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende
Umstände aufweist, etwa wenn die Gläubigergefährdung mit einer
Täuschungsabsicht oder einem Schädigungsvorsatz einhergeht. Diese
Umstände müssen - wie alle für § 138 BGB erheblichen Merkmale - im Zeitpunkt
des Abschlusses des Sicherungsgeschäfts gegeben sein (vgl. BGH, Urteil vom
19.03.1998 - IX ZR 22/97 -, BGHZ 138, 291).
121 Dass diese Voraussetzungen hier vorgelegen haben, kann der Senat nicht
feststellen. Im Übrigen sprechen insbesondere die im Scheidungsurteil des
Supreme Court of British Columbia vom 09.09.2008 getroffenen Feststellungen
zu den Vermögensverhältnissen des Klägers, auch wenn diese in erheblichem
Umfang auf Schätzungen beruhen, dafür, dass der Kläger über weiteres
verwertbares Vermögen, insbesondere Liegenschaften verfügt. Es ist nicht
ersichtlich, dass sich ein etwaiger Zugriff der geschiedenen Ehefrau des Klägers
nicht auch darauf hätte erstrecken können.
122 Die Sicherungsabtretung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches
Verbot gemäß § 134 BGB nichtig. Zwar behauptet der Beklagte, mit der
Sicherungsabtretung sei gegen die Vorschrift des § 43a Abs. 1 BRAO verstoßen
worden, wonach der Rechtsanwalt keine Bindungen eingehen darf, die seine
berufliche Unabhängigkeit gefährden. Unabhängig davon, ob der damalige
Rechtsanwalt des Klägers insoweit seine beruflichen Pflichten verletzt hat, ist
nicht ersichtlich, dass dies die Nichtigkeit der Sicherungsabtretung gemäß § 134
BGB nach sich gezogen hätte. Der Senat kann nicht feststellen, dass der Zweck
des Gesetzes die Nichtigkeit verlangt (vgl. dazu Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl.
2014, § 43a Rn. 6 ff.). Der Annahme einer derart weit gehenden Sanktion steht
vor allem die Unbestimmtheit des Tatbestandes der Gefährdung der beruflichen
Unabhängigkeit entgegen. Es ist anerkannt, dass § 43a Abs. 1 BRAO - auch im
Hinblick auf das Verhältnis zum Mandanten - kein absolutes Bindungsverbot
enthält, sondern im Gegenteil das Eingehen vielfältiger Bindungen und
Verpflichtungen für die anwaltliche Tätigkeit unumgänglich ist (vgl. Böhnlein, in:
Feurich/Weinland, BRAO, 8. Aufl. 2012, § 43a BRAO Rn. 6; Henssler/Prütting,
a.a.O., § 43a Rn. 7, 26 ff.). Vor diesem Hintergrund spricht gegen die Annahme,
dass sich die Regelung bereits gegen die privatrechtliche Wirksamkeit der
Vereinbarung selbst richtet, dass ein Verbot, vertragliche Bindungen einzugehen,
zwangsläufig verfassungsrechtliche Fragen unter dem Gesichtspunkt des Art. 12
Abs. 1 GG aufwirft (vgl. Henssler/Prütting, a.a.O., § 43a Rn. 9; zum Verbot
anwaltlicher Erfolgshonorare vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.12.2006 - 1 BvR
2576/04 -, BVerfGE 117, 163-202) und dass bei Vorliegen des - jeweils anhand
der Besonderheiten des Einzelfalls zu prüfenden - Gefährdungstatbestands
gemäß §§ 113 ff. BRAO berufsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten bestehen und
im Übrigen auch Straftatbestände - namentlich § 263 StGB im Fall des
Prozessbetruges - verwirklicht sein können.
123 Ausgehend von der Wirksamkeit der Sicherungsabtretung als sog. stiller Zession
hat das Verwaltungsgericht den Kläger für befugt gehalten, nach den
Grundsätzen über die gewillkürte Prozessstandschaft die Klagforderung und
damit ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen und - nach
Offenlegung - Zahlung an seinen Prozessbevollmächtigten zu verlangen. Dies
vermag der Senat jedenfalls mit Blick auf die im vorliegenden Fall gegebene
Interessenlage nicht zu beanstanden (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, §
62 Rn. 18 ff., 20 f.; vgl. auch Roth, a.a.O., § 398 Rn. 53; OVG Hamburg,
Beschluss vom 20.01.1994 - Bs III 420/93 -, NVwZ-RR 1994, 587; a.A.
Wahle/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Bier, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 34;
Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Vorb § 40 Rn. 25). Denn es geht hier um
die Geltendmachung eines reinen Zahlungsanspruchs auf der Grundlage eines
öffentlich-rechtlichen Vertrags, bei dem es sich ersichtlich nicht um einen
höchstpersönlichen Anspruch handelt (zu dieser Einschränkung vgl. BVerwG,
Urteil vom 11.02.1981 - 6 P 20.80 -, BVerwGE 61, 340). Der Kläger besitzt auch
ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse, weil mit dem vorliegenden Verfahren
geklärt wird, ob die als Sicherheit abgetretene Forderung besteht und der mit der
Sicherungsabtretung verfolgte Sicherungszweck erreicht werden kann (vgl. BGH,
Urteil vom 24.10.1985 - VII ZR 337/84 -, BGHZ 96, 151; Roth, a.a.O., § 398, Rn.
53; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 28.03.1995 - 10 S 1052/93 -, NVwZ-RR 1995,
639).
124 Sollte die Abtretung nichtig sein, ergäbe sich die Klagebefugnis des Klägers
aufgrund des dann bei ihm verbliebenen eigenen Rechts.
125 Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen
den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem
Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum
Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika
bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im
Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also
insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11 UKG (vgl. LT-
Drucks. 12/1740, S. 33; Senatsurteil vom 02.08.2012 - 9 S 2752/11 -, juris; VGH
Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
126 II. Auch die Zulässigkeit des Klageantrags Nr. 2 begegnet keinen Bedenken. Die
Voraussetzungen für die Erhebung einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1
VwGO sind erfüllt. Insbesondere sind hier Ansprüche aus dem zwischen den
Beteiligten auf der Grundlage der Vereinbarung vom 20.02.2009 bestehenden
öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis streitig. Dass die Subsidiarität der
Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) ihrer Zulässigkeit entgegensteht, weil der
Kläger sein Begehren auch im Wege der - allgemeinen - Leistungsklage geltend
machen könnte, kann der Senat nicht feststellen. Denn ein Kläger kann nur dann
auf die Möglichkeit der Leistungsklage verwiesen werden, wenn der ihm dadurch
gewährte Rechtsschutz in Reichweite und Effektivität der Feststellungsklage
mindestens gleichwertig ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 25.04.1996 - 3 C 8.95 -,
juris, und vom 18.07.1969 - BVerwG 7 C 56.68 - BVerwGE 32, 333, 335;
Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rn. 29). Das ist nicht der Fall, wenn - wie im
vorliegenden Fall - eine Leistungsklage bei einem sich entwickelnden Schaden
nur zu einem Teil beziffert werden könnte und das Bestehen eines Anspruchs nur
dem Grunde nach festgestellt werden soll (vgl. nur Kopp/Schenke, a.a.O.).
127 B. Beide Klagebegehren bleiben in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger kann vom
Beklagten weder die Zahlung von 1,98 Mio. EUR noch die Feststellung
verlangen, dass dieser zum Ersatz des durch die nicht spätestens am 18.06.2009
erfolgte Auszahlung der Abfindung entstandenen Schadens verpflichtet ist.
128 I. Der Klageantrag Nr. 1 ist unbegründet. Dies müsste selbst dann gelten, wenn
die Sicherungsabtretung an den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers
unwirksam wäre und dem Kläger wegen die Klageforderung erfassenden
Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zugunsten seiner geschiedenen
Ehefrau teilweise die Aktivlegitimation fehlte. Denn auch wenn der geltend
gemachte Zahlungsanspruch auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 der Vereinbarung
vom 20.02.2009 wirksam entstanden wäre (dazu unter 1), wäre er jedenfalls
weggefallen (dazu 2).
129 1. Der Senat geht im Grundsatz davon aus, dass der Zahlungsanspruch wirksam
entstanden ist. Vorbehaltlich von Zweifeln, die eine Verletzung des
Vertragsformverbots betreffen (dazu c), begegnet die Wirksamkeit der
Vereinbarung vom 20.02.2009 keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
130 Bei der Vereinbarung handelt es sich um einen subordinationsrechtlichen
öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 54 Satz 1 und 2 LVwVfG in der
Ausgestaltung des Vergleichsvertrags nach § 55 LVwVfG. Dies hat das
Verwaltungsgericht ausführlich und überzeugend begründet
(Entscheidungsabdruck S. 19 - 27). Der Senat verweist auf diese Begründung
und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 130b
Satz 2 VwGO).
131 a) Durchgreifende Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der
Vereinbarung sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
132 b) Die Vereinbarung vom 20.02.2009 ist nicht deshalb materiell rechtswidrig und
gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG unwirksam, weil die tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 55 LVwVfG nicht vorlagen.
133 Nach dieser Bestimmung kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54
Satz 2, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der
Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt
wird (Vergleich), geschlossen werden, wenn die Behörde den Abschluss des
Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen für
zweckmäßig hält.
134 Anders als das Verwaltungsgericht hat der Senat keine Zweifel daran, dass im
maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung am 20.02.2009 bei
verständiger Würdigung die für einen Vergleichsvertrag erforderliche tatsächliche
oder rechtliche Ungewissheit bei den Beteiligten vorhanden war.
135 Eine Ungewissheit in tatsächlicher Hinsicht liegt vor, wenn Tatsachen unbekannt
und die Ergebnisse weiterer Tatsachenermittlungen ungewiss sind und der
Aufklärungsaufwand sich als unverhältnismäßig darstellt (vgl. Bonk/Neumann, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 55 Rn. 37; Kopp/Ramsauer,
VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 55 Rn. 16). Eine relevante Ungewissheit über die
Rechtslage ist gegeben, wenn die Anwendung und/oder Auslegung der
entscheidungserheblichen oder (möglicherweise) entscheidungserheblichen
Rechtsnormen zweifelhaft ist und eine eindeutige höchstrichterliche
Rechtsprechung dazu noch fehlt (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 55 Rn. 16a) oder
divergierende Urteile vorliegen (Bonk/Neumann, a.a.O., § 55 Rn. 38). Eine
derartige Ungewissheit kann auf Seiten der Behörde in der Regel nur
angenommen werden, wenn sie nach einem objektiven Maßstab auch bei
Beachtung der durchschnittlich erwartbaren Sach- und Fachkenntnis unter
Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden oder in zumutbarer Weise
erreichbaren Rechtsberatung besteht (Bonk/Neumann, a.a.O., § 55 Rn. 34;
Brüning/Bosesky, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz , VwVfG, 1. Aufl. 2014,
§ 55 Rn. 38 f.). Dabei müssen sämtliche Beteiligten den Vertrag in dem
Bewusstsein schließen, eine Ungewissheit aus der Welt zu schaffen
(Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 55 Rn. 15; Brüning/Bosesky, a.a.O., § 55 Rn. 39).
136 Im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung am 20.02.2009
bestanden klare Anhaltspunkte für eine erhebliche tatsächliche und rechtliche
Ungewissheit der Vertragspartner. Diese bezog sich darauf, ob die Teil-
Kündigung der Berufungsvereinbarung im weiteren gerichtlichen Verfahren
Bestand haben würde mit der Folge des Ausschlusses der Rückkehr des Klägers
in die Leitungsfunktion und ob im Disziplinarverfahren seine Entfernung aus dem
Dienst erreicht werden würde mit der Folge des Ausschlusses der Rückkehr in
jegliche dienstliche Tätigkeit. Dies gilt auch bei Anlegung eines strengen
Maßstabs, wobei der Senat dem Umstand Bedeutung beimisst, dass sich
insbesondere der Beigeladene in erheblichem Umfang externer Rechtsberatung
durch renommierte Rechtsanwaltskanzleien bedient hat.
137 Die Vereinbarung vom 20.02.2009 selbst enthält deutliche Hinweise für eine bei
allen Beteiligten bestehende und der Vereinbarung zugrunde liegende
Ungewissheit über den Ausgang des die Teil-Kündigung betreffenden
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und des Disziplinarverfahrens. Diese lassen
sich vor allem der Darstellung der „Vorgeschichte“ in der Präambel der
Vereinbarung entnehmen. Hervorzuheben ist zunächst die unter (2.5) erfolgte
Bezugnahme auf das Schreiben des ehemaligen Vorsitzenden des 9. Senats des
Verwaltungsgerichtshofs vom 02.01.2007 im Berufungszulassungsverfahren 9 S
1848/06 wegen der Teil-Kündigung der Berufungsvereinbarung, mit dem dieser
angeregt hatte, das - nach Vorliegen von Antragsbegründung und -erwiderung an
sich entscheidungsreife - Verfahren bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens
ruhen zu lassen. Herauszustellen ist ferner der unter (3) erfolgte Hinweis darauf,
dass „nach Vorlage des Teilberichts des Untersuchungsführers im
Disziplinarverfahren vom 20.10.2008 die zu diesem Zeitpunkt ruhenden
Vergleichsgespräche wieder aufgenommen“ worden seien und die Vereinbarung
„vor diesem Hintergrund“ getroffen werde. In dem Teilbericht, der nach Anhörung
von 43 Zeugen gefertigt worden war, heißt es u.a., „bei Zugrundelegung der
vorläufig hinreichend sicher feststellbaren Dienstvergehen und der Feststellungen
aus dem Urteil des Landgerichts Freiburg vom 18.02.2003, die grundsätzlich
bindend sind (§ 19 Abs. 1 Satz 1 LDO), dürfte eine Entfernung aus dem Dienst
als Disziplinarmaßnahme, d.h. die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme,
jedenfalls sehr fraglich sein.…Bei realistischer Betrachtung dürften… bis zu einem
rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens angesichts der außergewöhnlichen
Komplexität und der teilweise schwierigen Beweisproblematik voraussichtlich
noch einige Jahre benötigt werden. Angesichts der bisherigen
Ermittlungsergebnisse und der ggf. noch erforderlichen weiteren längeren
Ermittlungen, deren Ausgang in hohem Maße ungewiss sei, erscheine aus der
Sicht des Untersuchungsführers eine Verständigung zwischen dem Beamten und
dem Land Baden-Württemberg außerhalb des förmlichen Disziplinarverfahrens
sinnvoll.“ Dem entspricht ein Aktenvermerk des Beigeladenen vom 23.10.2008,
wo die Entscheidung für die Handlungsoption Vergleich explizit mit der
unverhältnismäßig langen Dauer des Disziplinarverfahrens und der „gesicherten
neuen Erkenntnis“ begründet wird, dass der Kläger voraussichtlich im Dienst
verbleiben werde (vgl. auch die entsprechende Äußerung von Minister Prof. Dr. F.
in der Sitzung des Landtags vom 18.03.2015, LT-Protokolle 14. WP, 62. Sitzung,
S. 4430).
138 Die in der Vereinbarung selbst erfolgte Bezugnahme auf diese Gesichtspunkte
lässt erkennen, dass Beklagter und Beigeladener jedenfalls bei Abschluss der
Vereinbarung die Verhängung der Höchstmaßnahme im Disziplinarverfahren für
sehr zweifelhaft halten mussten. Darüber hinaus wird deutlich, dass sie -
jedenfalls zu diesem Zeitpunkt - dem Ausgang des Disziplinarverfahrens
erhebliche, wenn nicht maßgebliche Bedeutung für das gerichtliche Verfahren
betreffend die Rechtmäßigkeit der Teil-Kündigung zuerkannten. Letzteres wird
nahegelegt auch durch den Vermerk des Beigeladenen über ein am 10.01.2008
geführtes Telefonat zwischen Professor Dr. B. und VRaVGH a.D. S., dem
damaligen Vorsitzenden des 9. Senats des Verwaltungsgerichtshofs. Dort heißt
es, dass Letzterer angedeutet habe, dass er die „Kündigung zum jetzigen
Zeitpunkt für eine Umgehung des Disziplinarrechts halte und die Angelegenheit
nun entscheiden wolle“, dass Prof. Dr. B. eine Niederlage des Landes befürchte
und er es für sehr ungewöhnlich halte, in welcher Deutlichkeit sich der
Vorsitzende ihm gegenüber geäußert habe. Prof. Dr. B. habe für eine
einvernehmliche Einigung plädiert und stehe zu einem Gespräch mit Herrn
Minister zur Verfügung. Der Senat hat keinen Zweifel, dass der Vermerk den
tatsächlichen Inhalt des Telefonats im Kern zutreffend wiedergibt. Auch die
Beteiligten haben insoweit keine Bedenken erhoben. Vor dem Hintergrund dieses
Vermerks sowie der auf den ehemaligen Senatsvorsitzenden zurückgehenden
Anregung, das Verfahren 9 S 1848/06 mit Blick auf das Disziplinarverfahren
ruhen zu lassen (vgl. auch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des
Beigeladenen vom 13.02.2008, wonach dieser nach Rücksprache mit dem
Berichterstatter ebenfalls das Ruhen des Verfahrens beantrage) musste der
Beigeladene und Beklagte im dortigen Verfahren bei verständiger Würdigung
damit rechnen, dass der Senat die Teil-Kündigung möglicherweise schon allein
wegen einer damit verbundenen Umgehung des Disziplinarrechts für rechtswidrig
halten bzw. jedenfalls dem Ausgang des Disziplinarverfahrens präjudizielle
Bedeutung für die Frage der Rechtmäßigkeit der Teil-Kündigung der
Berufungsvereinbarung beimessen würde, ggf. in dem Sinne, dass sich diese nur
im Falle einer Verhängung der Höchstmaßnahme im Disziplinarverfahren würde
aufrechterhalten lassen.
139 Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sich angesichts der „Signale“ des Senats
und des Untersuchungsführers im Disziplinarverfahren insoweit an der
Bewusstseinslage der Beteiligten bis zum Abschluss der Vereinbarung etwas
Nennenswertes geändert haben könnte, sind nicht ersichtlich. Die gegenteilige
Einschätzung des Verwaltungsgerichts (S. 30 des Entscheidungsabdrucks)
erscheint in weitem Umfang spekulativ. Dessen Erwägung, dass „der spätere
VGH-Beschluss vom 24.04.2009 zur Problematik der ´Umgehung des
Disziplinarrechts` sogar eine deutlich gegenteilige Auffassung enthält“, ist schon
wegen des für die Beurteilung der Ungewissheit maßgeblichen Zeitpunkts
(20.02.2009) nicht geeignet, die erstinstanzliche Beurteilung zu stützen.
140 Zusätzlich sprach für das Bestehen einer rechtlichen Ungewissheit, dass die Teil-
Kündigung der Berufungsvereinbarung im Hinblick auf die besondere
Rechtsstellung von Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der
Hochschulmedizin komplexe rechtliche Fragen des Beamten-, Hochschul- und
Verfassungsrechts aufwarf, deren Beantwortung auf der Grundlage der
damaligen Rechtsprechung nicht ohne Weiteres prognostiziert werden konnte.
So stellte sich in beamtenverfassungsrechtlicher Hinsicht das Problem, ob bzw.
inwieweit der durch die Teil-Kündigung der Berufungsvereinbarung bewirkte
Entzug des dem Kläger übertragenen Aufgabenbereichs in der
Krankenversorgung seinen Anspruch verletzte, amtsgemäß, d.h. entsprechend
seinem übertragenen Amt im statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinne
beschäftigt zu werden. An einer eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung
hierzu fehlte es. Insoweit hatte der 4. Senat des erkennenden Gerichtshofs in
einem Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 - ausgeführt, dass die
Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung zu den dem Kläger
gemäß § 53 Abs. 1 LHG übertragenen Aufgaben gehört, einen wesentlichen
Bestandteil des übertragenen Amts als Universitätsprofessor im statusrechtlichen
und abstrakt-funktionellen Sinne bilde, zu deren Entzug ein Universitätsklinikum
nicht befugt sei (VBlBW 2004, 429; vgl. auch VG Freiburg, Urteil vom 29.06.2009
- 1 K 1011/09 -). Auf der Grundlage dieser Entscheidung sind beispielsweise
auch die Rechtsberater des Beklagten in einer gutachterlichen Stellungnahme
vom 17.03.2008 zu dem Ergebnis gekommen, dass „eine Teilsuspendierung des
Klägers lediglich im Hinblick auf Aufgaben der Krankenversorgung“ rechtlich
ausgeschlossen sei (DA Bd. 19). Insoweit lag die Frage auf der Hand, welche
amtsangemessene Tätigkeit der Beklagte dem Kläger in der Krankenversorgung
noch hätte ermöglichen können, gerade auch im Blick darauf, dass diesem in der
Berufungsvereinbarung ausdrücklich eine Leitungsfunktion zugesagt war.
141 Höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt war die weitere Frage, ob mit der Teil-
Kündigung der Berufungsvereinbarung nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger
Weise in das Statusamt der Klägers als Hochschullehrer und damit dessen Recht
aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingegriffen worden war. Da sich die
Krankenbehandlung und die Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie
die akademische Lehre im medizinischen Bereich überschneiden, können
Forschungsvorhaben von Professoren und die Durchführung ihrer
Lehrveranstaltungen auch dadurch beeinflusst werden, in welcher Weise der
Krankenversorgungsbetrieb organisiert ist, welche Patienten ihnen zugewiesen
werden und welche Arbeitsbedingungen sie in der Klinik antreffen. Deshalb
bedarf es eines angemessenen Ausgleichs zwischen dem Grundrecht der
Hochschullehrer auf Wissenschaftsfreiheit und den im Bereich der
Krankenversorgung im Übrigen zu schützenden verfassungsrechtlichen
Positionen, vor allem dem Grundrecht der Patienten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG,
wobei eine Beeinträchtigung der aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG herzuleitenden
Rechte der Hochschullehrer so weit wie möglich auszuschließen ist (vgl. BVerfG,
Beschlüsse vom 08.04.1981 - 1 BvR 608/79 -, BVerfGE 57, 70, 98; und vom
11.11.2002 - 1 BvR 2145/01, 1 BvR 2146/01, 1 BvR 2175/01, 1 BvR 2176/01 -,
NVwZ 2003, 600). Eine solche Beeinträchtigung läge jedenfalls dann vor, wenn
dem Kläger durch den Entzug des bisherigen Aufgabenbereichs nicht mehr in
ausreichender Weise der Zugang zur Patienten ermöglicht wird, um diese für eine
Mitwirkung an seinen Lehrveranstaltungen gewinnen, Assistenten ausbilden und
seine klinische Qualifikation aufrecht erhalten zu können (BVerfG, a.a.O.). Trotz
dieser Ansätze dürfte es jedenfalls an hinreichend klaren höchstrichterlichen
Maßstäben für die konkrete Grenzziehung gefehlt haben, ab wann dem an einem
Universitätsklinikum beschäftigten Hochschulprofessor infolge des Entzugs von
Aufgaben in der Krankenversorgung das diesem zustehende Recht auf eigene,
weisungsfreie Forschung und Lehre in verfassungsrechtlich relevanter Weise
beeinträchtigt wird (vgl. auch Leuze, MedR 2010, 47, 48).
142 Dabei kann nicht eingewandt werden, diese Fragen hätten sich bereits wegen der
Beschränkung der Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofs im
Zulassungsverfahren (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht gestellt.
Denn jedenfalls aus der Sicht der Beteiligten erscheint die Annahme nicht
ausgeschlossen, der Antragsbegründung des Klägers vom 08.09.2006 könne
unter dem Gesichtspunkt der dort geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch die Rüge
entnommen werden, der Entzug der Leitungsfunktion verstoße gegen
Grundrechte des Klägers aus Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 5 Abs. 3 GG.
143 Nach alledem war es zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung
insbesondere in hohem Maße ungewiss, ob der Kläger dauerhaft von der
Abteilungsleitung hätte ferngehalten und damit der Erwerb von Ansprüchen aus
Privatliquidation hätte verhindert werden können.
144 Auch die übrigen Voraussetzungen eines Vergleichsvertrags lagen vor. Die
Ungewissheit der Beteiligten über die Wirksamkeit der Teil-Kündigung und den
Ausgang des Disziplinarverfahrens sollte durch gegenseitiges Nachgeben der
Beteiligten beseitigt werden (zu diesem Zusammenhang Brüning/Bosesky,
a.a.O., § 55 Rn. 49). Dieses bestand darin, dass sie mit Blick auf die Unsicherheit,
ob der Kläger in leitender oder in sonstiger Funktion an das Klinikum
zurückkehren würde, jeweils von dem für sie in den Verfahren günstigstenfalls
erreichbaren Ergebnis abrückten. Demgemäß verpflichtete sich der Beklagte in §
1 Abs. 1 der Vereinbarung, dem Kläger eine Abfindung für entgangene und
künftig entgehende Einkünfte aus Privatliquidation zu zahlen. Im Gegenzug dazu
verpflichteten sich der Kläger und der Beigeladene in § 2 Abs. 1 dazu, die
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu beantragen bzw. zu vollziehen mit der
zwingenden Folge der Einstellung des Disziplinarverfahrens. Diese
Hauptverpflichtungen dienten mithin der Bewältigung der offenen Fragen einer
Rückkehr des Klägers in die Leitungsfunktion (einschließlich der damit
verbundenen finanziellen Folgen in Bezug auf die Einnahmen aus
Privatliquidation) bzw. der umfassenden Beendigung des Rechtsverhältnisses zu
diesem. Begleitend verpflichteten sich die Beteiligten, eine Erledigung aller
offenen Verfahren herbeizuführen.
145 Dass der Beklagte und der Beigeladene beim Abschluss des Vergleichs von dem
ihnen insoweit eingeräumten Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hätten,
lässt sich nicht feststellen. § 55 LVwVfG dient der Verfahrensökonomie, dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und zugleich dem Beschleunigungsgebot
(Bonk/Neumann, a.a.O., § 55 Rn. 2; Brüning/Bosesky, a.a.O., § 55 Rn. 6). In
Anbetracht der außerordentlich langen Dauer des - bereits im Jahr 2000
eingeleiteten - Disziplinarverfahrens, des Umstands, dass dem Kläger trotz der
vorläufigen Dienstenthebung nach wie vor seine Bezüge gezahlt werden
mussten, und mit Blick auf die zahlreichen weiteren offenen Verfahren sowie die
voraussichtlichen Kosten und den Zeitaufwand für deren vollständige und
abschließende Klärung sind Ermessensfehler nicht ersichtlich.
146 c) Allerdings kann nach § 54 Satz 1 LVwVfG ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nur
geschlossen werden, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Ob bzw.
inwieweit dieses Vertragsformverbot gilt, hängt von den Gestaltungsspielräumen
des jeweiligen Fachrechts ab (vgl. Bonk/Neumann, a.a.O., § 54 Rn. 12).
147 Die die Vereinbarung vom 20.02.2009 prägenden Pflichten umfassen die Stellung
des Antrags auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis (§ 2 Abs. 1), die
Beendigung des Disziplinarverfahrens (§ 2 Abs. 4) und die Abfindung für
entgangene/entgehende Einnahmen aus dem an die ärztliche Leitungsfunktion
des Klägers bei dem Beklagten gebundenen Privatliquidationsrecht (§ 1 Abs. 1).
Damit betreffen sie das Gebiet des öffentlichen Dienstrechts. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beamtenrecht (vgl.
BVerwG, Urteil vom 26.11.1992 - 2 C 11.92 -, BVerwGE 91, 200; Beschluss vom
25.01.2011 - 2 B 73.10 -, juris) entspricht es dessen Wesen und Eigenart (Art. 33
Abs. 5 GG), dass der Gesetzgeber für die Regelung des Beamtenverhältnisses
und die Verteilung der Rechte und Pflichten allein zuständig und verantwortlich
ist; der einzelne Beamte hat keine eigenen rechtlichen Möglichkeiten, auf die
nähere Ausgestaltung seines Rechtsverhältnisses einzuwirken. Das gilt ebenso
zu Lasten wie zugunsten des Beamten. Somit ist die gesetzliche Regelung der
Beamtenpflichten zwar gegebenenfalls einer Konkretisierung durch
Verwaltungsakt oder innerdienstliche Weisung des Dienstherrn zugänglich, aber
in dem Sinne zwingend und abschließend, dass weder durch Vereinbarung noch
durch einseitige Erklärung des Dienstherrn oder des Beamten die gesetzlichen
Pflichten abbedungen, in ihrem Inhalt verändert oder gesetzlich nicht
vorgesehene Pflichten begründet werden können. Das Beamtenverhältnis ist
daher einer Gestaltung durch Vereinbarung nur insoweit zugänglich, als dafür
eine gesetzliche Grundlage besteht. Das gilt nicht zuletzt für die Regelung der
finanziellen Pflichten und Rechte, deren sich der Gesetzgeber selbst besonders
eingehend und grundsätzlich abschließend angenommen hat. Die
ausdrücklichen gesetzlichen Verbote des Verzichts auf die gesetzlich
zustehende Besoldung und Versorgung einerseits und ihrer Erhöhung durch
Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche andererseits (§ 2 Abs. 2, 3
BBesG, § 3 Abs. 2, 3 BeamtVG) sind besonders hervorgehobene Ausprägungen
dieses Grundsatzes (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1992, a.a.O., sowie
Beschluss vom 25.01.2011, a.a.O.). Ausgehend hiervon spricht in Bezug auf die
Frage der Vertragsform im Bereich des Beamtenrechts vieles für die Geltung
eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. Bonk/Neumann, a.a.O., § 54 Rn. 129;
a.A. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 54 Rn. 53: Verbot nur, soweit „Kernbereiche des
Beamtenrechts“ betroffen).
148 Ob der Vereinbarung vom 20.02.2009 wegen ihrer dienstrechtlichen Bezüge
bereits das Verbot der Vertragsform gemäß § 54 Satz 1 LVwVfG entgegenstand,
kann jedenfalls nicht ohne Weiteres verneint werden. Beispielsweise hat das
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die Zahlung einer Abfindung im
Falle der Stellung eines Antrags auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand für
unzulässig gehalten (Urteil vom 02.08.2001 - 1 A 3262/99 -, juris). Ob ein
entscheidender Unterschied darin zu sehen ist, dass hier die Abfindung nicht
direkt vom Dienstherrn, sondern vom beklagten Klinikum als selbständigem
Rechtsträger gezahlt werden sollte und zwar speziell für entgangene Einnahmen
aus Privatliquidation und nicht als Ersatz für Besoldungs- oder
Versorgungsansprüche, erscheint allerdings diskussionswürdig. Unabhängig
davon ist zu bedenken, dass der Entlassungsantrag des Beamten (vgl. § 23 Abs.
1 Satz 1 Nr. 4 BeamtStG, § 42 Abs. 2 LBG a.F., § 31 Abs. 3 LBG n.F.), zu dessen
Stellung sich der Kläger in § 2 Abs. 1 der Vereinbarung verpflichtet hat,
grundsätzlich bedingungsfeindlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.01.1985 - 2 C
12.84 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 05.12.2011 - 1 A 1729/09 -, juris;
Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: April 2015, § 33 BBG Rn. 8;
Weiß/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: September 2014, § 23
BeamtstG Rn. 46). Nach § 1 Abs. 1 der Vereinbarung ist der Anspruch des
Klägers auf Abfindung direkt verknüpft („wenn und sobald“) mit der Entlassung
nach § 2 Abs. 1 und damit mit dem danach zu stellenden Antrag. Vor diesem
Hintergrund kann an der „Bedingtheit“ des Entlassungsantrags kaum ein Zweifel
bestehen.
149 Allerdings wird es für möglich gehalten, dass jedenfalls im Rahmen eines
Vergleichsvertrags im Sinne des § 55 LVwVfG Vereinbarungen auch auf dem
Gebiet des Rechts des öffentlichen Dienstes in weitergehendem Umfang zulässig
sein können (so Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 54 Rn. 53). Denn für diesen ist
anerkannt, dass Leistungspflichten wirksam auch dann begründet werden
können, wenn der Vergleichsinhalt der Gesetzeslage (teilweise) widerspricht (vgl.
BVerwG, Urteile vom 01.12.1989 - BVerwG 8 C 17.87 -, BVerwGE 84, 157, 165,
Rn. 29 in juris, m.w.N., und vom 14.11.1975 - IV C 84.73 -, BVerwGE 49, 359).
Diese mit einem wirksamen Vergleichsvertrag einhergehende „gesteigerte
Unempfindlichkeit gegenüber Gesetzesverletzungen“ unter den speziellen und
atypischen Vergleichsvoraussetzungen machen die praktische Bedeutung des
Vergleichsvertrags aus (vgl. Bonk/Neumann, a.a.O., § 55 Rn. 6). Ob sich danach
auch die rechtliche Zulässigkeit der gegenständlichen Verpflichtungen aus der
Vereinbarung ergibt, bedarf indes mit Blick auf die nachstehenden Ausführungen
keiner abschließenden Klärung.
150 d) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die in § 1 Abs. 1 der Vereinbarung
enthaltene Abfindungsvereinbarung sei schon nichtig gemäß § 59 Abs. 1
LVwVfG in Verbindung mit § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches
Verbot. Angesichts der in § 5 Abs. 1 Satz 2 UKG festgelegten Verpflichtung des
Beklagten auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit stelle die
Abfindungsvereinbarung mit dem Kläger einen qualifizierten Verstoß gegen
Haushalts- und Wirtschaftsrecht dar. Dem folgt der Senat bereits im Ansatz nicht.
151 Bei verwaltungsrechtlichen Verträgen führt nicht jeder Rechtsverstoß, sondern
nur ein qualifizierter Fall der Rechtswidrigkeit zur Nichtigkeit. Das ergibt sich aus
der in § 59 LVwVfG getroffenen differenzierenden Regelung. Die „inhaltliche
Unzulässigkeit“ eines verwaltungsrechtlichen Vertrages führt zu dessen
Nichtigkeit, wenn sie sich als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB)
darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.03.1995 - 8 C 32.93 -, BVerwGE 98, 58;
Bonk/Neumann, a.a.O., § 59 Rn. 50, 54).
152 Ein solches gesetzliches Verbot, das § 1 Abs. 1 der Vereinbarung der Beteiligten
vom 20.02.2009 entgegenstehen könnte, ist § 5 Abs. 1 Satz 2 UKG nicht zu
entnehmen. Die Vorschrift verweist auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit und damit auf Begriffe des Haushaltsrechts (vgl. § 7 LHO; vgl.
Sandberger, Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg, 2013, § 5 UKG Rn.
2). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, sind
Bestimmungen des Haushaltsrechts indes grundsätzlich keine Verbotsgesetze
im Sinne des § 134 Abs. 1 BGB. In seinem Urteil vom 24.04.2014 - VII ZR 164/13
-, BGHZ 201, 32-45, führt der Bundesgerichtshof aus:
153 Vorschriften über die Aufstellung des Haushaltsplans sind keine Verbotsgesetze
im Sinne des § 134 BGB (vgl. BAGE 46, 394, 399 f.; OLG Dresden, Urteil vom 5.
Januar 1998 - 17 U 1652/97, juris Rn. 41; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., §
134 Rn. 18). Einer Gesetzesvorschrift kommt der Charakter eines
Verbotsgesetzes nur zu, wenn das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluss
des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche
Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg (vgl. BGH, Urteil
vom 22. Dezember 2000 - VII ZR 310/99, BGHZ 146, 250, 257 f.; Urteil vom 22.
Oktober 1998 - VII ZR 99/97, BGHZ 139, 387, 391 f. m.w.N.). Der jährlich
aufzustellende Haushaltsplan dient nach § 2 LHO RP der Feststellung und
Deckung des Finanzbedarfs, der zur Erfüllung der Aufgaben des Landes im
Bewilligungszeitraum voraussichtlich notwendig ist. Der Haushaltsplan ist
Grundlage für die Haushalts- und Wirtschaftsführung. § 3 LHO RP stellt klar,
dass der Haushaltsplan die Verwaltung lediglich ermächtigt, Ausgaben zu leisten
und Verpflichtungen einzugehen. Durch den Haushaltsplan werden Ansprüche
oder Verbindlichkeiten weder begründet noch aufgehoben. Vorschriften über die
Aufstellung des Haushaltsplans enthalten danach für die öffentliche Verwaltung
lediglich intern verbindliche Vorgaben für das Verwaltungshandeln. Durch die
Haushaltsordnung wird die öffentliche Hand verpflichtet, bei der Aufstellung und
Ausführung des Haushaltsplanes die in der Haushaltsordnung festgelegten
Grundsätze zu beachten (vgl. BAGE 46, 394, 399). Eine Außenwirkung kommt
derartigen haushaltsrechtlichen Normen nur im Rahmen der sogenannten
Selbstbindung der Verwaltung zu, indem sie das Ermessen der letztlich für die
Mittelverteilung bestimmten Stellen regeln (vgl. BVerwGE 126, 33 Rn. 52;
BVerwGE 104, 220, 223 m.w.N.).
154 Auch bei § 5 Abs. 1 Satz 2 UKG handelt es sich um eine haushaltsrechtliche
Norm, die ausschließlich das haushaltsrechtliche Innenverhältnis des
Universitätsklinikums regelt und nur dieses und ggf. die zuständigen
Aufsichtsbehörden verpflichtet (vgl. auch § 3 Abs. 2 LHO). Ihr kommt keine
unmittelbare Auswirkung auf die zivilrechtliche Wirksamkeit von Verträgen und
damit auch nicht der Charakter eines Verbotsgesetzes zu.
155 Dies gilt zusätzlich aus einem weiteren Grunde. Die Frage, ob ein verbotswidriges
Rechtsgeschäft nach § 134 BGB nichtig ist, richtet sich nach dem Sinn und
Zweck der jeweiligen Vorschrift. Ein wichtiges Kriterium ist dabei, ob sich das
Verbot gegen beide Vertragspartner oder nur gegen einen von ihnen richtet. Im
letzteren Fall ist der Vertrag in der Regel gültig. Die in Rede stehenden
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit richten sich einseitig an die
öffentlichen Träger, nicht jedoch an den Kläger. Dass hier ein Ausnahmefall
vorliegt, in dem sich die Unwirksamkeit auch aus einer einseitigen
Gesetzesübertretung ergeben kann, weil der Zweck der Vorschrift anders nicht zu
erreichen ist und die getroffene Regelung nicht hingenommen werden darf, kann
nicht festgestellt werden (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
12.12.1996 - 8 S 1725/96 -, NVwZ 1998, 652).
156 Allerdings können Rechtsgeschäfte mit einer Körperschaft des öffentlichen
Rechts, die das öffentliche Haushaltsrecht missachten, im Einzelfall sittenwidrig
und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn sie in krassem
Widerspruch zum Gemeinwohl stehen und der Verstoß gegen
haushaltsrechtliche Vorschriften beiden Seiten subjektiv zurechenbar ist (vgl.
BGH, Urteil vom 24.04.2014, a.a.O. m.w.N.). Gemeinwohlschädlich sind Verträge
mit der öffentlichen Hand, die diese unter besonders grober - und von der
Gegenseite erkannter - Verletzung des Grundsatzes der Sparsamkeit und
Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung des öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers
schließt (vgl. jurisPK-BGB Band 1, 7. Auflage 2014, § 134 BGB Rn. 153).
Konkrete Umstände, die im vorliegenden Fall insoweit die Sittenwidrigkeit der
Abfindungsvereinbarung begründen können, sind indes nicht vorgetragen
worden und auch nicht ersichtlich.
157 e) Der Vergleichsvertrag ist nicht nach § 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §
779 BGB unwirksam. Das wäre nur der Fall, wenn der nach seinem Inhalt als
feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entsprach und
der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein
würde. Sachverhalt in diesem Sinne ist derjenige, der sich außerhalb des Streits
oder der Ungewissheit befand und den beide Teile als feste Grundlage des
Vergleichs betrachtet haben (Bonk/Neumann, a.a.O., § Rn. 54).
158 Ausgehend hiervon sind die Darlegungen des Beklagten zum Irrtum hinsichtlich
der Ausübung von Nebentätigkeiten durch den Kläger bzw. zu dessen
alkoholbedingter Dienstunfähigkeit nicht geeignet, die Voraussetzungen des §
779 BGB schlüssig aufzuzeigen. Denn wie unten noch auszuführen sein wird,
lässt sich nicht feststellen, dass die Beteiligten zum Zeitpunkt des Abschlusses
der Vereinbarung gemeinsam fest davon ausgingen, dass der Kläger keine
Nebentätigkeit ausübt und keine Alkoholproblematik aufweist. Vielmehr lässt sich
den Akten klar entnehmen, dass bereits im Vorfeld des Vergleichs hinsichtlich
beider Sachkomplexe Verdachtsmomente vorlagen und Ermittlungen angestellt,
aber nicht weiterverfolgt wurden.
159 Insgesamt ist somit - vorbehaltlich von Zweifeln unter dem Gesichtspunkt des
Vertragsformverbots - von der Wirksamkeit der Vereinbarung und damit auch der
Zahlungsverpflichtung nach § 1 Abs. 1 auszugehen.
160 2. Der Abfindungsanspruch aus § 1 Abs. 1 der Vereinbarung ist (nachträglich)
weggefallen.
161 a) Die Vereinbarung ist allerdings nicht durch Anfechtung gemäß § 62 Satz 2
LVwVfG in Verbindung mit §§ 119, 123 BGB rückwirkend (§ 142 Abs. 1 BGB)
unwirksam geworden.
162 aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt der Anfechtungsgrund gemäß §
119 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 BGB nicht vor.
163 Es kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beklagte bzw.
der Beigeladene in Bezug auf die Alkoholproblematik des Klägers und etwaige
Auswirkungen auf seine Dienstfähigkeit als Leiter der Unfallchirurgie bei
Abschluss der Vereinbarung in einem rechtlich relevanten Irrtum über eine
verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB befanden.
Denn ausweislich der Akten hatte es bereits im Vorfeld des Abschlusses der
Vereinbarung deutliche Hinweise auf eine Alkoholproblematik des Klägers
gegeben. Anregungen des Beklagten und der Universität F., den Kläger deshalb
amtsärztlich untersuchen zu lassen im Hinblick auf eine etwaige
Dienstunfähigkeit und eine darauf gestützte Versetzung in den Ruhestand,
wurden indes explizit nicht weiterverfolgt. In einem Schreiben vom 04.06.2008
hatte der Beigeladene ausgeführt, bislang liege noch kein belastbarer
Sachverhalt vor, der geeignet sei, Zweifel an der Dienstfähigkeit des Klägers
abzuleiten. Sollte sich bei Dienstantritt ein entsprechender Sachverhalt ergeben,
werde die Einleitung einer amtsärztlichen Untersuchung angeregt (DA, Bd. 19).
Bei dieser Sachlage mussten sowohl der Beklagte wie der Beigeladene jedenfalls
davon ausgehen, dass die Frage der Alkoholproblematik und einer etwaig darauf
beruhenden Dienstunfähigkeit ungeklärt ist. Diese Unklarheit wurde seitens des
Beklagten und des Beigeladenen bei Abschluss der Vereinbarung
hingenommen, sodass ein konkreter Irrtum über das Vorhandensein der
Dienstfähigkeit des Klägers weder vorliegen noch für den Abschluss der
Vereinbarung kausal werden konnte.
164 Im Übrigen sind Fehlvorstellungen über Begleitumstände der Streitbeilegung nur
rechtserheblich, wenn sie zur gemeinschaftlichen Vergleichsgrundlage erhoben
worden sind. Bleibt der Irrtum als Motivirrtum im Vorfeld der nicht in die Regelung
einbezogenen Umstände, ist er wie sonst im Vertragsrecht unerheblich
(Habersack, in: Münchener Kommentar, a.a.O., § 779 Rn. 60, 62; Hk-
VerwR/Fehling, 3. Aufl. 2013, § 55 Rn. 39; vgl. auch BayVGH, Urteil vom
21.12.1999 - 20 N 96.2625, 20 B 96.2509 -, NVwZ 2000, 1310)
165 So liegt der Fall hier. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass die
Frage der Alkoholproblematik bzw. der Dienstfähigkeit weder im Vorfeld noch bei
Abschluss der Vereinbarung eine Rolle gespielt hätte. Auch sind weder der
Präambel noch dem Text der Vereinbarung selbst Anhaltspunkte dafür zu
entnehmen.
166 Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auf der Grundlage der
Feststellungen im Urteil des Supreme Court of British Columbia vom 09.09.2008
zur Alkoholproblematik des Klägers nicht ohne Weiteres vom Vorliegen einer die
Zurruhesetzung des Klägers rechtfertigenden Dienstunfähigkeit ausgegangen
werden könnte. Insoweit wird auf die Ausführungen in dem bereits oben
erwähnten Schreiben des Beigeladenen vom 04.06.2008 an die Universität F.
Bezug genommen.
167 bb) Nach § 123 Abs. 1 BGB kann, wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch
arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, die
Erklärung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB). Auch dieser auf den Vergleichsvertrag
nach § 55 LVwVfG grundsätzlich anwendbare Anfechtungsgrund ist nicht
gegeben. Auch insoweit fehlt es bereits an einem - durch eine
Täuschungshandlung oder ein entsprechendes Unterlassen des Klägers
veranlassten - Irrtum des Beklagten bzw. des Beigeladenen. Denn die Frage der
Nebentätigkeit und der zusätzlichen Einkünfte des Klägers war Gegenstand
umfangreicher Ermittlungen des Beigeladenen, in deren Zuge bereits im Jahre
2006 ein Privatdetektiv eingeschaltet und die Deutsche Botschaft in Ottawa um
Amtshilfe ersucht worden war. Trotz konkreter Anhaltspunkte für in Kanada
bestehende Unternehmensgründungen und -beteiligungen des Klägers wurden
diese Hinweise nach dem Jahr 2006 nicht weiterverfolgt. Das Vorhaben, das
Disziplinarverfahren auf diese Gegenstände auszuweiten, wurde nicht umgesetzt.
Bei dieser Sachlage konnten sich der Beklagte bzw. der Beigeladene im
Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung diesbezüglich ungeachtet der
Erklärungen des Klägers weder in einem konkreten Irrtum befinden noch konnten
diese Erklärungen kausal für den Abschluss oder den Inhalt der Vereinbarung
werden. Unabhängig davon beruhte eine etwaige - weder in der Vereinbarung
noch sonst im Zusammenhang mit den Vergleichsverhandlungen zum Ausdruck
gekommene - einseitige Erwartung, der Kläger würde keiner Nebentätigkeit
nachgehen und daraus keine Einnahmen erzielen, auf einem unbeachtlichen
Motivirrtum.
168 b) Entgegen der Auffassung des Beklagten beruht der Wegfall des
Abfindungsanspruchs auch nicht auf den Regeln der nachträglichen
Unmöglichkeit, die auf den vorliegenden Vergleichsvertrag Anwendung finden (§
62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 275, 326 BGB; vgl. Bonk/Neumann,
a.a.O., § 62 Rn. 34a).
169 Nach § 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit § 326 Abs. 1 BGB entfällt der
Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3
nicht zu leisten braucht. Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung
ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich
ist.
170 Der Beklagte macht geltend, seine Gegenleistungs- bzw. Zahlungspflicht aus § 1
Abs. 1 der Vereinbarung sei entfallen, weil dem Kläger die Erfüllung der ihm
obliegenden Verpflichtung aus § 2 Nr. 5 der Vereinbarung (übereinstimmende
Erledigungserklärung im Zulassungsverfahren 9 S 1848/06, Verzicht auf die
Kostenentscheidung) infolge der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs
unmöglich geworden ist. Dem folgt der Senat nicht.
171 Der Wegfall der Gegenleistungspflicht im Falle der nachträglichen Unmöglichkeit
der Leistungspflicht kommt nur in Betracht, wenn Leistungs- und
Gegenleistungsanspruch im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen (vgl. Grüneberg,
in: Palandt, a.a.O., § 326 Rn. 2; Einf. v § 320 Rn. 17). Bei nicht synallagmatisch
verknüpften Pflichten kommen die genannten Vorschriften nicht zur Anwendung.
Das Gegenseitigkeitsverhältnis erstreckt sich auf alle Hauptleistungspflichten,
dagegen grundsätzlich nicht auf Nebenleistungs- und Schutzpflichten. Ob
vertragliche vereinbarte Leistungen im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, ist
durch Auslegung zu ermitteln. Maßgeblich ist insoweit der Parteiwille, ob die
Leistung um der Gegenleistung willen vereinbart wurde (vgl. Palandt, a.a.O., v §
320 Rn. 17).
172 Wie oben bereits aufgezeigt wurde, bestanden die Hauptverpflichtungen der
Beteiligten in der Pflicht des Beklagten zur Zahlung der Abfindung gemäß § 1
Abs. 1 (für entgangene und künftig entgehende Einkünfte aus Privatliquidation)
sowie in der Pflicht des Klägers und des Beigeladenen in § 2 Abs. 1, die
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu beantragen bzw. zu vollziehen (mit
der zwingenden Folge der Einstellung des Disziplinarverfahrens). Im Hinblick auf
diese Hauptverpflichtungen ist davon auszugehen, dass diese in gegenseitiger
Abhängigkeit voneinander stehen sollten. Hierfür spricht insbesondere, dass der -
systematisch das Verhältnis Beklagter - Kläger betreffende - § 1 Abs. 1 explizit
auf die „in § 2 Abs. 1 der vorliegenden Vereinbarung genannte Entlassung von
Prof. F. aus dem Beamtenverhältnis“ Bezug nimmt, obwohl § 2 Abs. 1 nach der
Systematik der Vereinbarung das Verhältnis Beigeladener - Kläger betrifft. Eine
solche „übergreifende“ Bezugnahme erfolgt in keiner anderen Regelung der
Vereinbarung. Mit dem Zugeständnis der Abfindung an den Kläger sollte
ersichtlich der für den Beklagten und den Beigeladenen gleichermaßen
bestehende Vorteil abgegolten werden, mit der Entlassung des Klägers aus dem
Beamtenverhältnis relativ zeitnah Gewissheit darüber zu haben, dass er weder in
leitender noch in anderer Funktion an das Klinikum zurückkehrt. Nach der
Systematik der Vereinbarung ist der Antrag gemäß § 2 Abs. 1 allein deshalb zu
stellen, weil der Kläger nach seiner bestandskräftigen Entlassung Anspruch auf
Auszahlung von 1,98 Mio. EUR gemäß § 1 Abs. 1 hat (zu dieser Wertung vgl.
auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.08.2011 - 4 W 51/11 - sowie VGH Baden-
Württemberg, Beschluss vom 16.10.2012 - 4 S 1244/12 -). Dem entspricht im
Übrigen die Formulierung in der Zusatzvereinbarung vom 20.02.2009 unter 1.,
wonach die (Haupt-)Vereinbarung vorsieht, dass die Rechtsbeziehungen
zwischen dem Kläger und dem Universitätsklinikum Freiburg gegen Zahlung
einer Abfindung beendet werden und dass der Kläger aus dem
Beamtenverhältnis beim Land Baden-Württemberg ausscheidet.
173 An dieser synallagmatischen Verknüpfung mit dem Zahlungsanspruch aus § 1
Abs. 1 der Vereinbarung nimmt die in § 2 Abs. 5 geregelte Verpflichtung des
Klägers nicht teil. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung verpflichten sich der
Beigeladene und der Kläger wechselseitig (Hervorhebung nur hier), den beim
VGH Mannheim anhängigen Rechtstreit (vgl. Ziffer 2.5 der Präambel:
Zulassungsverfahren betreffend die Kündigung der Berufungsvereinbarung)
übereinstimmend als in der Hauptsache für erledigt zu erklären, verbunden mit
einem beiderseitigen Verzicht auf eine Kostenerstattung. Dass diese
Verpflichtung in unmittelbarem Gegenseitigkeitsverhältnis zu dem gemäß § 1
Abs. 1 gegen den Beklagten gerichteten Abfindungsanspruch des Klägers steht,
ergibt sich nicht. Ebenso wie weitere Verpflichtungen in der Vereinbarung, zur
Erledigung zwischen den Beteiligten noch schwebender anhängiger Verfahren
beizutragen, handelt es sich auch bei der Verpflichtung aus § 2 Abs. 5 der
Vereinbarung lediglich um eine Nebenleistungspflicht, die nicht mit den oben
dargestellten Hauptverpflichtungen verknüpft ist, sondern letztlich nur deren
Umsetzung bzw. Abwicklung dient. Dass dieser Verpflichtung eine eigenständige,
den Hauptleistungspflichten gleichwertige Bedeutung nicht zukommt, folgt auch
daraus, dass nach vollständiger Erfüllung der Hauptleistungsverpflichtung zur
Stellung des Antrags auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis und
anschließender Beendigung des Beamtenverhältnisses auch im Verfahren des
Klägers auf Zulassung der Berufung wegen Kündigung der
Berufungsvereinbarung Erledigung eintreten würde. Demgemäß hat das
Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 21.02.2013 - 1 BvR
1509/09 - ausgeführt, mit der - letztlich erfolgten - Entlassung des Klägers sei die
streitige Berufungsvereinbarung gegenstandslos geworden. Dies belegt, dass es
auch unabhängig von der Erfüllung der in § 2 Abs. 5 der Vereinbarung geregelten
Verpflichtung allein auf der Basis der Hauptleistungspflichten zu einer
Beendigung dieses Verfahrens ohne gerichtliche Sachentscheidung gekommen
wäre.
174 c) Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Abfindung ist aber gemäß § 60
Abs. 1 Satz 1 LVwVfG entfallen.
175 Hiernach kann eine Vertragspartei, wenn sich die Verhältnisse, die für die
Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des
Vertrags so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten
an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, eine
Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder,
sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten
ist, den Vertrag kündigen.
176 Diese Vorschrift ist auch auf den hier vorliegenden öffentlich-rechtlichen Vertrag
in der Ausgestaltung des Vergleichsvertrags anwendbar (BVerwG, Urteil vom
18.07.2012 - 8 C 4.11 -, BVerwGE 143, 335).
177 Die Verhältnisse, die für die in § 1 der Vereinbarung getroffene Regelung
maßgebend gewesen sind, haben sich seit deren Abschluss am 20.02.2009 so
wesentlich geändert, dass dem Beklagten das Festhalten an dieser Regelung
nicht zuzumuten ist.
178 Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1
VwVfG setzt voraus, dass nach Vertragsschluss tatsächliche Umstände oder
rechtliche Bedingungen weggefallen sind, die die Vertragspartner zwar nicht zum
Vertragsinhalt gemacht haben, deren Bestand sie jedoch als gemeinsame
Grundlage des Vertrags angenommen haben. Vertragsgrundlage sind die bei
Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der
Vertragsparteien oder die für den Vertragspartner erkennbaren und von ihm nicht
beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein
oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der
Vertragsparteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH, Urteil vom 24.03.2010 - VIII
ZR 160/09 -, NJW 2010, 1663, Rn. 17). Wesentlich ist eine Änderung der
Verhältnisse daher nur, wenn die Vertragsparteien bei Kenntnis dieser Änderung
den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten.
Schließlich müssen die Folgen der nachträglichen Änderung den Risikorahmen
überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat,
weshalb ihm das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht
zumutbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2012, a.a.O.).
179 aa) Zentrales gemeinsames Ziel der Beteiligten bei Abschluss der Vereinbarung
vom 20.02.2009 war es, eine vergleichsweise Erledigung sämtlicher zwischen
den Beteiligten schwebenden Verfahren ohne gerichtliche Sachentscheidung
herbeizuführen. Dieses Ziel ist nicht zum unmittelbaren Gegenstand vertraglicher
Verpflichtungen und damit zum Vertragsinhalt geworden. Gleichwohl ergibt eine
Auslegung der Vereinbarung vom 20.02.2009 wie der sonstigen von den
Beteiligten in diesem Zusammenhang abgegebenen Erklärungen, dass dieses
Ziel gemeinsame und wesentliche Grundlage der Vereinbarung war. Ausdruck
findet dies insbesondere in Art. 3 der Präambel der Vereinbarung, wonach seit
Herbst 2005 Gespräche zwischen den Beteiligten geführt worden seien „mit dem
Ziel, eine vergleichsweise Beendigung aller Verfahren herbeizuführen“, wobei
diese Verfahren in den vorstehenden Ausführungen zur Vorgeschichte im
Einzelnen Erwähnung finden. Den Faktoren, die für die bei den Beteiligten
bestehende Ungewissheit über den Ausgang insbesondere des
Berufungszulassungsverfahrens betreffend die Teil-Kündigung der
Berufungsvereinbarung (vgl. insbesondere Absatz 2.5 der Präambel sowie
bereits oben) ursächlich waren, entsprach eine das konkrete Maß des
gegenseitigen Gebens und Nehmens bestimmende Risikoverteilung zwischen
den Beteiligten. Diese von den Beteiligten gemeinsam vorausgesetzte
Risikoverteilung hätte im Falle einer gerichtlichen Sachentscheidung ihre Basis
verloren. Demgemäß gingen die Beteiligten bei Abschluss der Vereinbarung
insbesondere auch davon aus, dass es zu einer Beendigung des beim
Verwaltungsgerichthof ruhenden Zulassungsverfahrens kommt, ohne dass dieser
Möglichkeit hat, sich in einer Sachentscheidung zur Frage zu äußern, ob die Teil-
Kündigung der Berufungsvereinbarung Bestand haben würde oder nicht.
180 bb) Mit dem Beschluss des Senats vom 24.04.2009, mit dem der Antrag des
Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Freiburg vom 06.07.2006 - 3 K 1362/04 - abgelehnt wurde, ist eine Änderung der
gemeinsamen Vertragsgrundlage eingetreten. Nunmehr lag eine
Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vor, die dazu führte, dass das
die Rechtmäßigkeit der Teil-Kündigung bestätigende Urteil des
Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwuchs. Diese Änderung war so wesentlich,
dass die Beteiligten die Vereinbarung bei Kenntnis der Änderung nicht oder
jedenfalls nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätten. Denn mit der
Entscheidung hat sich die dem Vergleich zugrunde liegende Risikoverteilung
grundlegend verändert. Hätte die Wirksamkeit der Kündigung bereits zum
Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung rechtskräftig festgestanden, hätte
für den Beklagten keine Veranlassung bestanden, dem Kläger eine Abfindung für
entgangene und künftig entgehende Einkünfte aus Privatliquidation zu zahlen.
Insoweit liegt nahe, dass der Beklagte, wäre er tatsächlich von dem Risiko einer
Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof ausgegangen, für diesen
Fall auf einem Widerrufs- oder Rücktrittsrecht hinsichtlich des
Abfindungsanspruchs bestanden hätte. Ein anderes Vertragsverhalten wäre ihm
als öffentlich-rechtlichem Rechtsträger auch gar nicht möglich gewesen.
181 cc) Dem Beklagten ist das unveränderte Festhalten an der Verpflichtung zur
Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1,98 Mio. EUR gemäß § 1 der
Vereinbarung infolge der dargelegten wesentlichen Änderung der Verhältnisse
nicht mehr zuzumuten.
182 Für eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG genügt nicht,
dass sich für eine Vertragspartei das normale Vertragsrisiko realisiert. Es reicht
ferner nicht aus, dass eine Vertragspartei nach ihrer gegenwärtigen
Interessenlage in den Vertragsschluss vernünftigerweise jetzt nicht mehr
einwilligen würde. Vielmehr muss nach dem Regelungszusammenhang sowie
nach dem Zweck der Vorschrift die Änderung der für den Vertragsinhalt
maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu schwerwiegenden,
bei Vertragsschluss nicht absehbaren Nachteilen für die Vertragspartei geführt
haben, denen die Vertragspartner billigerweise Rechnung getragen hätten, wenn
sie die Entwicklung vorhergesehen hätten. Die Folgen der nachträglichen
Änderung müssen also den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner
nach Treu und Glauben hinzunehmen hat. Dabei ist nicht auf das subjektive
Empfinden der Vertragspartei abzustellen, sondern ein objektiver Maßstab
zugrunde zu legen. Anderenfalls hätte es eine Vertragspartei entgegen dem - für
die Gewährleistung von Rechtssicherheit unverzichtbaren - Grundsatz „pacta
sunt servanda“ in der Hand, über die Eigendefinition der Unzumutbarkeit die
Notwendigkeit einer Vertragsanpassung weitgehend selbst zu bestimmen (vgl.
zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 18.07.2012, a.a.O., m.w.N.).
183 Die rechtliche Würdigung, ob sich aus der wesentlichen Änderung der
gemeinsam vorausgesetzten Grundlagen des Vertrages unzumutbare
Folgewirkungen für eine Vertragspartei ergeben, ist auf der Grundlage aller
maßgebenden Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Das Festhalten an dem
unveränderten ursprünglichen Vertragsinhalt ist jedenfalls dann unzumutbar,
wenn - bei Annahme der Gleichwertigkeit der gegenseitig versprochenen
Leistungen bei Vertragsschluss - durch die nachträgliche tatsächliche
Entwicklung oder eine nachträgliche Rechtsänderung ein eklatantes
Missverhältnis zwischen ihnen entstanden ist. Denn bei gegenseitigen Verträgen
ist in der Regel die Vorstellung von der Gleichwertigkeit von Leistung und
Gegenleistung Geschäftsgrundlage. Die Ausgleichsfunktion der beiderseitigen
Leistungen muss im Hinblick auf § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG so stark gestört sein,
dass es dem benachteiligten Vertragspartner nach Treu und Glauben unmöglich
wird, in der bisherigen vertraglichen Regelung seine Interessen auch nur
annähernd noch gewahrt zu sehen (BVerwG, Urteil vom 18.07.2012, a.a.O.).
184 So liegt es hier. Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs wurde die bei
Vertragsschluss noch bestehende Ungewissheit über den Ausgang des
Verfahrens auf Zulassung der Berufung und damit über die Frage der
Rechtmäßigkeit der Teil-Kündigung beseitigt. Nunmehr stand rechtskräftig fest,
dass der Kläger keine Berechtigung hatte, in die Abteilungsleitung
zurückzukehren, und hatte sich somit das bei dem Beklagten insoweit
bestehende Unterliegens-Risiko aufgelöst. Allein dieses Risiko hatte es indes
gerechtfertigt, dem Kläger in § 1 der Vereinbarung eine Abfindung für entgangene
und künftig entgehende Einkünfte aus Privatliquidation zu gewähren. Diese
Rechtfertigung war nachträglich entfallen. Damit war der Risikorahmen
überschritten, den der Beklagte nach Treu und Glauben hinzunehmen hatte.
Gleichzeitig bestand aufgrund der Änderung der gemeinsamen
Vertragsgrundlage ein eklatantes Missverhältnis zwischen den gegenseitig
versprochenen Leistungen, da der Beklagte dem Kläger eine hohe Abfindung
hätte zahlen müssen, obwohl rechtskräftig feststand, dass die Teil-Kündigung
des Klägers rechtens war und ihm somit aus seinem Rechtsverhältnis zum
Beklagten Ansprüche auf entgangene und künftig entgehende Einkünfte aus
Privatliquidation nicht zustanden.
185 Dafür, dass durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der
Risikorahmen zu Lasten des Beklagten überschritten wurde, spricht auch die
besondere Stellung des Beklagten als öffentlich-rechtlicher Rechtsträger. Mit Blick
auf die ihm auferlegten haushaltsrechtlichen Bindungen etwa im Hinblick auf die
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 2 UKG; vgl.
bereits oben) ließ sich eine dem Kläger gewährte Abfindung für entgangene und
künftig entgehende Einkünfte aus Privatliquidation sachlich und rechtlich nur
legitimieren, wenn im Zusammenhang damit ein ernst zu nehmendes, wenn nicht
gravierendes Verfahrensrisiko bestand, dass die Teil-Kündigung nicht rechtens
ist und der Kläger als Abteilungsleiter an das Klinikum zurückkehren würde mit
der Möglichkeit, Einnahmen aus Privatliquidation zu erzielen. Diesem
Gesichtspunkt kommt Gewicht auch deshalb zu, weil die Reaktion des Beklagten,
des Beigeladenen und der Universität F. auf die insbesondere wegen
Behandlungsfehlern gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe von Anfang an von
einer kritischen Öffentlichkeit, einer intensiven Berichterstattung in den örtlichen
und überörtlichen Medien sowie zusätzlich einer Diskussion im
parlamentarischen Raum begleitet worden war (vgl. die Anfrage der
Abgeordneten S. vom 09.11.2004, LTDrucks 13/3735). Entsprechendes galt für
die späteren Vergleichsverhandlungen. Dabei wurde u.a. der Vorwurf erhoben, im
Rahmen des Vergleichs würden der Beklagte bzw. der Beigeladene mittels
Verschwendung öffentlicher Mittel bzw. auf Kosten des Steuerzahlers versuchen,
sich des Klägers zu entledigen. Umso mehr musste bei Abschluss der
Vereinbarung allen Beteiligten klar sein, dass die Gewährung einer Abfindung in
Höhe von ca. 2 Mio. EUR an den wegen Behandlungsfehlern strafrechtlich
verurteilten Kläger im Falle des Vorliegens einer Entscheidung des
Verwaltungsgerichtshofs, die die Rechtmäßigkeit der Teil-Kündigung letztlich
bestätigt, weder rechtlich noch politisch verantwortbar war.
186 Vor diesem Hintergrund geht der Einwand des Klägers fehl, dem Beklagten sei es
ausschließlich darum gegangen, ihn als Chefarzt loszuwerden, der Ausgang des
Berufungszulassungsverfahrens sei für ihn gleichgültig gewesen. Der Kläger
nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass die Einräumung einer Abfindung für
entgangene und künftig entgehende Einkünfte aus Privatliquidation nach Sinn
und Zweck der Vereinbarung in eindeutigem Zusammenhang mit der
Ungewissheit über den Ausgang das Berufungszulassungsverfahren stand.
187 Mit der Behauptung, dass es zu der Änderung der Verhältnisse nur deshalb
gekommen sei, weil der Beigeladene unter dem öffentlichen Druck „kalte Füße“
bekommen und dem Kläger die Entlassungsurkunde erst mit dreimonatiger
Verspätung ausgehändigt habe, legt der Kläger nicht schlüssig dar, dass die
Änderung dem Risikobereich des Beklagten bzw. des Beigeladenen
zuzurechnen ist. Dieser Vortrag entspricht bereits nicht den tatsächlichen
Abläufen. Danach erklärte der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen am
06.03.2009 gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den
Rechtsstreit (im Verfahren betreffend die Zulassung der Berufung gegen das
Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 06.07.2006) in der Hauptsache für
erledigt und verzichtete gleichzeitig auf eine Kostenentscheidung des Gerichts.
Mit Eingangsverfügung vom 11.03.2009 teilte der Vorsitzende des 9. Senats dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, der Beklagte habe das ruhende
Verfahren wieder angerufen und es werde bis zum 15.04.2009 um Mitteilung
gebeten, ob der Anregung des Beklagten folgend die Hauptsache für erledigt
erklärt werde. Nach einem Aktenvermerk der Geschäftsstelle des 9. Senats des
Verwaltungsgerichtshofs vom 15.04.2009 teilte der Prozessbevollmächtigte des
Klägers telefonisch mit, dass von Klägerseite aus noch keine Erklärung
abgegeben werde. Weder telefonisch noch schriftlich wurden die Gründe hierfür
dargelegt bzw. wurde um Verlängerung der Frist gebeten. Daraufhin lehnte der
Senat mit Beschluss vom 24.04.2009 den Zulassungsantrag ab. Mit Blick darauf,
dass der Kläger nach § 2 Abs. 5 der Vereinbarung verpflichtet war, den
Rechtsstreit als in der Hauptsache für erledigt zu erklären und sich aus der
Vereinbarung keine verbindlich vorgegebene zeitliche Reihenfolge ergibt,
wonach er berechtigt war, die Abgabe dieser Erklärung von der vorherigen
Aushändigung der Entlassungsurkunde abhängig zu machen, vermag der Senat
nicht zu erkennen, dass die Tatsache der Entscheidung des
Verwaltungsgerichtshofs dem Verantwortungsbereich des Beklagten
zuzurechnen ist. Dies gilt im Übrigen auch in Ansehung dessen, dass der
Bevollmächtigte des Klägers mit an den Beigeladenen gerichtetem Schreiben
vom 06.04.2009, also einige Zeit vor dem Beschluss des
Verwaltungsgerichtshofs vom 24.04.2009, sein Einverständnis erklärt hatte, dass
die Aushändigung der Entlassungsurkunde bis nach der nächsten, am
30.04.2009 anstehenden Sitzung des zuständigen Landtagsausschusses
zurückgestellt wird.
188 Zu keiner anderen Beurteilung führt der Einwand des Klägers, es verstoße gegen
Treu und Glauben, ihm die ausgehandelte Abfindung vorzuenthalten, nachdem
er vereinbarungsgemäß seine Leistung erbracht habe, indem er aus dem
Beamtenverhältnis ausgeschieden sei. Denn die Entlassung des Klägers aus
dem Beamtenverhältnis beruhte nicht mehr auf der Vereinbarung vom
20.02.2009. Mit Schreiben vom 13.05.2009 hatte der Beigeladene dem
Klägervertreter mitgeteilt, dass der Kläger seiner Pflicht, den Rechtsstreit durch
Abgabe einer Erledigungserklärung zu beenden, nicht nachgekommen sei. Die
Erfüllung dieser Pflicht sei aufgrund der Entscheidung des
Verwaltungsgerichtshofs unmöglich geworden, weshalb die gesamte
Vereinbarung hinfällig und die Zahlungsverpflichtung des Beklagten entfallen sei.
Der Kläger wurde um Mitteilung gebeten, ob er unabhängig vom Vergleich an
seinem Antrag auf Entlassung festhalte. Somit war für den Kläger eindeutig
erkennbar, dass der Beigeladene wie der Beklagte ihn an seiner Verpflichtung
aus § 2 Abs. 1 der Vereinbarung nicht mehr festhalten und ihm - trotz des gemäß
§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Vereinbarung erklärten Verzichts auf eine
Antragsrücknahme - Gelegenheit zur Rücknahme des gestellten Antrags geben
wollten. Daraufhin erhielt der Kläger seinen Antrag auf Entlassung ausdrücklich
aufrecht und lehnte eine Rücknahme des Antrags explizit ab (Schreiben vom
22.05.2009). Vor diesem Hintergrund hatte die Entlassung des Klägers aus dem
Beamtenverhältnis - für alle Beteiligten ersichtlich - ihren Grund in einem erneuten
Willensentschluss des Klägers und nicht mehr in der Vereinbarung vom
20.02.2009. Fehlt geht insoweit der Einwand des Klägers, ihm sei es unzumutbar
gewesen, von der Vereinbarung Abstand zu nehmen, da der „Rückzieher des
Ministeriums“ rein politisch motiviert gewesen sei. Er verliert hierbei aus dem
Blick, dass es maßgeblich die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom
24.04.2009 war, die den Beklagten und den Beigeladenen dazu veranlasst
haben, sich von der Vereinbarung zu lösen.
189 dd) Liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG vor, so kann die
Vertragspartei primär nur eine Anpassung des Vertrags an die geänderten
Verhältnisse verlangen (vgl. Bonk/Neumann, a.a.O., § 60 Rn. 22, 25b). Indes ist
nicht ersichtlich, dass die in dem Abfindungsanspruch liegende offensichtliche
Äquivalenzstörung durch eine Anpassung der Vereinbarung (etwa durch bloße
Reduzierung der Abfindung) hätte beseitigt werden können bzw. dies dem
Beklagten zumutbar gewesen wäre. Bei dieser Sachlage war der Beklagte zur
Kündigung der Vereinbarung befugt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG).
190 ee) Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG bedarf die Kündigung der Schriftform,
soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Diese
Vorgabe wurde eingehalten (zum Erfordernis der Schriftform der Kündigung vgl.
BVerwG, Urteil vom 26.01.1995 - 3 C 21.93 -, BVerwGE 97, 331). Mit Schreiben
des Beklagten vom 19.06.2009 lehnte dieser die Auszahlung der
Vergleichssumme ab. Mit Schreiben vom 06.07.2009 an den
Prozessbevollmächtigten des Klägers und an den Beigeladenen focht der
Beklagte den am 20.02.2009 geschlossenen Vergleich unter allen in Betracht
kommenden Gesichtspunkten an und führte aus, zugleich lägen auch die
Voraussetzungen für einen Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor,
der hiermit erklärt werde. Danach geht der Senat davon aus, dass die
Vereinbarung vom 20.02.2009 und damit insbesondere die Regelung des § 1 im
Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG formgerecht gekündigt worden ist. Das
Fehlen einer Begründung ist unschädlich (vgl. Bonk/Neumann, a.a.O., § 60 Rn.
32).
191 Nach alledem ist die Zahlungspflicht des Beklagten gemäß § 60 Abs. 1 LVwVfG
erloschen.
192 II. Auch der Feststellungsantrag (Klagantrag Nr. 2) ist unbegründet.
193 Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des
Verzögerungsschadens kommt allein § 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§
280 Abs. 2, 286 BGB in Betracht. Voraussetzung ist danach, dass sich der
Beklagte mit der Pflicht zur Zahlung der Abfindung in einem bestimmten Zeitraum
im Verzug befand. Daran fehlte es jedoch.
194 Wie dargelegt hat der Beklagte die Vereinbarung vom 20.02.2009 mit dem
Schreiben vom 06.07.2009 wirksam gekündigt. Von einer ausdrücklichen
Regelung der Rechtsfolgen einer wirksamen Kündigung in § 60 LVwVfG hat der
Gesetzgeber bewusst abgesehen, weil es vom jeweiligen Einzelfall abhängig
sein sollte, wie sich die Entwicklung des gekündigten öffentlich-rechtlichen
Vertrags zu gestalten habe (vgl. BT-Drs. 7/910, S. 82; Bonk/Neumann, a.a.O., §
60 Rn. 25d). Grundsätzlich lässt die Kündigung den Bestand des Vertrags für die
Vergangenheit unberührt und beendet das Vertragsverhältnis nur für die Zukunft
(Bonk/Neumann, a.a.O.).
195 Danach hat die unter dem 06.07.2009 erfolgte Kündigung der Vereinbarung mit
der Bekanntgabe ex nunc zu deren Beendigung und damit auch zum Erlöschen
des Abfindungsanspruchs geführt. Demgemäß konnte sich der Beklagte allenfalls
ab der - für die Fälligkeit des Abfindungsanspruchs maßgeblichen - Bestandskraft
der Entlassung bis zur Bekanntgabe der Kündigung an den Kläger im Verzug
befinden. Doch auch in diesem - kurzen - Zeitraum lagen die
Verzugsvoraussetzungen nicht vor. Denn jedenfalls hatte der Beklagte den
Grund für das Unterbleiben der Leistung in diesem Zeitraum nicht zu vertreten im
Sinne des § 62 Satz 2 LVwVfG, § 286 Abs. 4 BGB. Denn dieser Grund bestand
maßgeblich in dem Wegfall der Geschäftsgrundlage infolge des Beschlusses
vom 24.04.2009. Bereits mit an den Kläger gerichtetem Schreiben vom
29.04.2009 hatte der Beigeladene deutlich gemacht, dass der Vergleich seiner
Auffassung nach „im Lichte des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom
24.04.2009“ nicht mehr vollziehbar sei. Auch war ein im Auftrag des
Beigeladenen erstelltes Rechtsgutachten vom 08.05.2009 zu dem Ergebnis
gelangt, die Zahlungspflicht sei entfallen. Am 18.05.2009 hatte der Beigeladene
den Beklagten angewiesen, die Vereinbarungen vom 20.02.2009 auf Dauer nicht
zu vollziehen und insbesondere eine Auszahlung der Abfindung auf Dauer zu
unterlassen. Nach alledem fiel der Grund für das Unterlassen der Auszahlung der
Abfindung jedenfalls nicht in den Risikobereich des Beklagten. Im Übrigen
erfolgte die Kündigung nach § 60 LVwVfG noch in hinreichendem zeitlichen
Zusammenhang mit dem den Wegfall der Geschäftsgrundlage bewirkenden
Ereignis.
196 Unabhängig davon würde es jedenfalls an einer Kausalität der geltend
gemachten Säumnis des Beklagten und der behaupteten, in dem weiteren Anfall
von Zinsen aus dem Darlehensvertrag mit dem Bankhaus M. liegenden Schaden
fehlen. Denn der Kläger hatte die Klagforderung bereits mit Abtretungsvertrag
vom 11.03.2009 an Rechtsanwalt Dr. S. abgetreten. Deshalb wäre er bei
Fälligwerden der Abfindungsanspruchs bereits nicht mehr befugt und in der Lage
gewesen, das Darlehen beim Bankhaus M. mit dem Betrag aus § 1 Abs. 1 der
Vereinbarung zurückzuführen.
197 C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es
entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen dem
Kläger aufzuerlegen, da der Beigeladene durch seine Antragstellung das
Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO auf sich genommen hat.
198 Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht
vor.
199
Beschluss
vom 29. Juni 2015
200 Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.985.000,00 EUR festgesetzt.
Dabei waren der Wert des Klagantrags Nr. 1 mit 1.980.000,00 EUR (vgl. § 47
Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3 GKG) und der Wert des Klagantrags Nr. 2 mit dem
Auffangwert (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG) anzusetzen und beide Werte
zusammenzurechnen (vgl. § 39 Abs. 1 GKG).
201 Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3
GKG).