Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 20.02.2017

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VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 20.2.2017, 6 S 916/16
Untersagung der Vermittlung von Sportwetten in einer Gaststätte, in der alkoholische
Getränke ausgeschenkt werden oder Geldspielgeräte aufgestellt sind
Leitsätze
Das in § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c) LGlüG enthaltene Trennungsgebot stellt eine monopolunabhängige materiell-
rechtliche Anforderung an die Vermittlung von Sportwetten dar, die auch unabhängig von einem
Erlaubnisverfahren Geltung beansprucht und auf deren Verletzung eine glücksspielrechtliche
Untersagungsverfügung gestützt werden kann.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 06. April
2016 - 5 K 650/16 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1 Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist unbegründet.
Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten
Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben
keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und dem Antrag des Antragstellers auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums
Karlsruhe vom 29.01.2016, mit der ihm untersagt wurde, in der Gaststätte „...“, ... in ... Sportwetten zu
vermitteln oder derartige Tätigkeiten zu unterstützen, ihm aufgegeben wurde, die zur Vermittlung von
Sportwetten vorgehaltenen Geräte dauerhaft aus der Gaststätte zu entfernen (Ziff. 1) und die untersagten
Tätigkeiten unverzüglich und dauerhaft einzustellen sowie dies dem Regierungspräsidium Karlsruhe
schriftlich mitzuteilen (Ziff. 2) und für den Fall, dass er den genannten Verpflichtungen nicht binnen zwei
Wochen nach Zustellung der Verfügung nachkomme, ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- EUR angedroht
wurde (Ziff. 3), stattzugeben.
2 Das Verwaltungsgericht, das auf die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers abgestellt hat, ist davon
ausgegangen, dass die auf § 9 Abs. 1 GlüStV (in der Fassung des Art. 1 des Ersten Staatsvertrages zur
Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15.12.2011, GBl. 2012, S. 385 ff.)
gestützte Untersagungsverfügung voraussichtlich rechtmäßig sei, weil der Antragsteller unter Verstoß
gegen § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c) LGlüG, an dessen Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Unionsrecht keine
Zweifel bestünden, Sportwetten in einer Gaststätte vermittele, in der alkoholische Getränke ausgeschenkt
würden und überdies Geldspielgeräte aufgestellt seien. Auf die Frage, ob die Untersagung mit dem bloßen
Fehlen einer Erlaubnis begründet werden könne und wie im Hinblick auf die ausstehende
Konzessionsvergabe zu verfahren sei, komme es nicht an, da das Regierungspräsidium die Untersagung
gerade nicht hierauf gestützt habe.
3 Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Antragstellers ohne Erfolg.
4 Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die auf § 9 Abs. 1 GlüStV gestützte
Untersagungsverfügung aller Voraussicht nach rechtmäßig ist. Nach der Rechtsprechung des Senats, die das
Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss im Wesentlichen wörtlich wiedergegeben hat, kann eine
glücksspielrechtliche Untersagungsverfügung darauf gestützt werden, dass die Vermittlung von
Sportwetten, für die eine Erlaubnis nicht vorliegt, nicht erlaubnisfähig ist, weil sie in einer Gaststätte
erfolgt, in der - wie im Fall des Antragstellers - alkoholische Getränke ausgeschenkt werden oder
Geldspielgeräte aufgestellt sind (vgl. grundlegend den Beschluss des Senats vom 22.04.2014 - 6 S 215/14 -,
NVwZ-RR 2014, 640). Das Trennungsgebot als materiell-rechtliche Voraussetzung der Sportwettvermittlung
findet seine Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c) LGlüG. Diese Vorschrift beruht in ihrer
derzeitigen Fassung vom 01.12.2015 (GBl. S. 1033) auf der genannten Rechtsprechung des Senats zu der
bis zum 04.12.2015 geltenden Vorgängernorm § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Var. 4 LGlüG. Zu dieser hat der
Senat im Einzelnen dargelegt, dass das Trennungsgebot bei verfassungs- und unionsrechtskonformer
Auslegung sowohl mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG als auch mit Art. 56 AEUV sowie sonstigem
Unionsrecht vereinbar ist (vgl. den Beschluss des Senats vom 22.04.2014, a.a.O.). Hieran hält der Senat
auch in Bezug auf den nunmehr geltenden § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c) LGlüG, mit dem der Gesetzgeber der
zuvor notwendigen verfassungskonformen Auslegung dahingehend, dass das Trennungsgebot nur für
Gaststätten gilt, in denen alkoholische Getränke ausgeschenkt werden oder Geldspielgeräte aufgestellt sind,
Rechnung getragen hat (vgl. LT-Drucks. 15/7443, S. 15), fest.
5 Die hiergegen gerichteten Einwände des Antragstellers greifen nicht durch. Soweit er insbesondere geltend
macht, es bestehe nach wie vor keine Möglichkeit, eine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten zu
erhalten, ist ihm entgegenzuhalten, dass - worauf bereits das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat
- die streitgegenständliche Verfügung gerade nicht auf die formelle Illegalität wegen Fehlens der
erforderlichen Erlaubnis gestützt ist. So heißt es darin ausdrücklich, dass unerheblich sei, ob es sich „um
erlaubte oder unerlaubte Sportwetten“ handele (II. 3. Absatz der Verfügung), und dass die Verfügung für die
genannte Örtlichkeit nur solange gelte, als dort eine Gaststätte mit Alkoholausschank und/oder
Geldspielgeräten betrieben werde (II. letzter Absatz der Verfügung). Der Untersagungstatbestand wird
damit allein mit dem Verstoß gegen das Trennungsgebot des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c) LGlüG begründet.
Dieses gilt unabhängig davon, ob die Wettvermittlungsstelle im Übrigen erlaubnisfähig ist oder nicht, und
müsste auch bei einer Erteilung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, § 20 Abs. 1 Satz 1 LGlüG an den
Antragsteller von ihm beachtet werden. Einer Durchsetzung des Trennungsgebots des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr.
5 c) LGlüG im Wege der Untersagungsverfügung steht, entgegen der Ansicht des Antragstellers, daher auch
nicht entgegen, dass dessen Einhaltung dem Wortlaut nach als Voraussetzung für die Erteilung einer
Erlaubnis für eine Wettvermittlungsstelle normiert ist. Mit § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c) LGlüG hat der
Gesetzgeber auf Grundlage von § 28 Satz 2 GlüStV materiell-rechtliche Anforderungen an die Vermittlung
von Sportwetten aufgestellt, die unabhängig von einem Erlaubnisverfahren Geltung beanspruchen und auch
im Lichte der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit nicht zu beanstanden sind. Anders als der
Antragsteller meint, folgt aus einer etwaigen Unionsrechtswidrigkeit der Erlaubnispflichtigkeit in ihrer
derzeitigen Gestalt nicht gleichsam die Unionsrechtswidrigkeit weiterer materiell-rechtlicher Anforderungen,
die - wie das Trennungsgebot - unabhängig von einem möglicherweise faktisch fortbestehenden
Sportwettenmonopol an die Sportwettvermittlung gestellt werden.
6 Auch unter Heranziehung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 04.02.2016 in der Rechtssache
Ince (- C-336/14 -, NVwZ 2016, 369) ergibt sich, entgegen der Ansicht des Antragstellers, kein anderes
Ergebnis. Die Entscheidung erging im Rahmen von Strafverfahren, in denen Frau Ince zur Last gelegt
wurde, Sportwetten ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis vermittelt zu haben. Der Europäische
Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass Art. 56 AEUV die Strafverfolgungsbehörden daran hindert, die ohne
Erlaubnis erfolgte Wettvermittlung zu ahnden, wenn ein privater Wirtschaftsteilnehmer theoretisch eine
Erlaubnis für die Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten erhalten könnte, die Kenntnis von dem
Verfahren zur Erteilung einer solchen Erlaubnis aber nicht sichergestellt ist und ein unionsrechtswidriges
staatliches Sportwettenmonopol daher faktisch fortbesteht. Die in dem Urteil getroffenen Aussagen stellen
damit zwar die Unionsrechtmäßigkeit der Erlaubnispflichtigkeit der Sportwettvermittlung in seiner
derzeitigen Durchführung in Frage, berühren jedoch das Trennungsgebot des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c)
LGlüG nicht. Die Untersagungsverfügung ist vorliegend allein darauf gestützt, dass die Art und Weise der
Vermittlungstätigkeit aus monopolunabhängigen Gründen sowie losgelöst von ihrer Erlaubnispflichtigkeit
materiell-rechtlich nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Hierzu trifft das genannte Urteil in der
Rechtssache Ince keine Aussage.
7 Der Verweis des Antragstellers auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.06.2016 (- 8 C 5.15 -,
ZfWG 2016, 433) sowie auf die jüngere Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen
(Beschlüsse vom 09.06.2016 - 4 B 860/15 -, NWVBl 2016, 459 und - 4 B 1437/15 -, ZfWG 2016, 371)
verhilft seiner Argumentation ebenso wenig zum Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem
Urteil vom 15.06.2016 (a.a.O.) der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der
Rechtssache Ince (a.a.O.), die einen strafrechtlichen Hintergrund hatte, angeschlossen und festgestellt, dass
das bloße Fehlen einer Erlaubnis auch keine verwaltungsrechtliche Untersagung der Wettvermittlung
begründen kann, wenn das für Private bis zur Anwendung einer glücksspielrechtlichen Neuregelung
eingeführte Erlaubnisverfahren nicht transparent und diskriminierungsfrei ausgestaltet worden ist und
deshalb faktisch weiterhin ein staatliches Sportwettenmonopol besteht. Eine Aussage dahingehend, dass
eine Untersagung der Sportwettvermittlung nicht auf die materiell-rechtliche Unzulässigkeit der
Vermittlungstätigkeit aus monopolunabhängigen Gründen gestützt werden kann, ist hingegen auch diesem
Urteil nicht zu entnehmen. Gleiches gilt für die vom Antragsteller in Bezug genommenen Beschlüsse des
Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen. Im Gegenteil geht das Oberverwaltungsgericht darin sogar
ausdrücklich von der Zulässigkeit einer Untersagungsverfügung aus monopolunabhängigen Gründen aus.
Dass es sich bei dem Trennungsgebot des § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c) LGlüG um eine monopolbezogene
Anforderung an die Sportwettvermittlung handelte, ist nicht ersichtlich (so auch OVG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 07.10.2016 - 4 B 177/16 -, ZfWG 2016, 462 zu einem vergleichbaren Trennungsgebot; vgl.
zudem OVG Niedersachsen, Beschluss vom 02.12.2016 - 11 ME 219/16 -, GewArch 2017, 80) und wurde
auch vom Antragsteller nicht substantiiert dargetan. Auch dem von ihm zitierten Beschluss des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 06.05.2015 (- 10 Cs 14.2669 -, juris) kann der Senat den vom Antragsteller
gewünschten Gehalt nicht entnehmen. Ihm lag eine in entscheidenden Punkten von der Situation des
Antragstellers abweichende Fallgestaltung zugrunde.
8 Die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung folgt, entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht
aus einem strukturellen Vollzugsdefizit in Bezug auf die rechtlichen Anforderungen an die Vermittlung von
Sportwetten. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar dargelegt, dass konsequent gegen ihm
bekanntwerdende Wettvermittlungsstellen vorgegangen werde, die die materiell-rechtlichen
monopolunabhängigen Anforderungen an die Vermittlungstätigkeit aus § 20 Abs. 1 Satz 2 LGlüG nicht
erfüllen. Dies entspricht in tatsächlicher Hinsicht auch der Beobachtung des Senats und wurde vom
Antragsteller insoweit nicht substantiiert in Frage gestellt. In rechtlicher Hinsicht beruht diese
Differenzierung im Vollzug auf sachlichen Gründen und ist daher nicht zu beanstanden.
9 Schließlich kann der Senat auch dem Vortrag des Antragstellers, es fehle bereits die Zuständigkeit des
Regierungspräsidiums Karlsruhe für den Erlass der vorliegenden Untersagungsverfügung, nicht folgen. Aus
der bundesweiten Zuständigkeit des Landes Hessen für die Konzessionsvergabe an Veranstalter von
Sportwetten folgt nicht zugleich die Unzuständigkeit der nach Landesrecht zuständigen Behörden für die
Untersagung der unerlaubten Vermittlung von Sportwetten wegen des Verstoßes gegen materiell-rechtliche
Anforderungen. Bei dem Trennungsgebot nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 c) LGlüG handelt es sich überdies um
eine auf Grundlage von § 28 Satz 2 GlüStV aufgestellte weitergehende Anforderung nach Landesrecht,
deren Durchsetzung den baden-württembergischen Behörden obliegt. Dass der hessischen
Konzessionsbehörde - wie der Antragsteller meint - nach § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV eine umfassende
Zuständigkeit zur Glücksspielaufsicht für das gesamte Bundesgebiet zukäme, kann der Senat nicht
erkennen.
10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
11 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5
des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
12 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).