Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 13.03.2017

ladenöffnung, satzung, erlass, veranstaltung

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 13.3.2017, 6 S 309/17
Leitsätze
Ob § 8 Abs. 1 LadÖG mit Blick auf die in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV verankerten
Schutzpflichten und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 125, 39) einer
weitergehenden verfassungskonformen Einschränkung bedarf (vgl. zu § 14 LadSchlG BVerwGE 153, 183),
erscheint zweifelhaft und ist im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu
klären (Weiterführung der Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 26.10.2016 - 6 S 2041/16 -, juris).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
1 Der Senat entscheidet über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO in
der Besetzung von drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 erster Halbsatz VwGO); die Besetzungsregelung in § 4
AGVwGO ist auf Entscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht anwendbar (VGH Baden-Württemberg,
Beschluss vom 15.12.2008 - GRS 1/08 -, ESVGH 59, 154).
2 Der Antrag, mit dem die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung die Außervollzugsetzung
des § 1 der Satzung der Antragsgegnerin über das Offenhalten von Verkaufsstellen vom 07.12.2016 bis zu
einer Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache (6 S 357/16) begehrt, ist nach § 47
Abs. 6 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig (I.). Er ist jedoch nicht begründet (II.).
I.
3 Die Statthaftigkeit des Antrags ergibt sich aus § 47 Abs. 6 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO,
§ 4 AGVwGO. Danach entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auch außerhalb des Anwendungsbereichs des
§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von - wie hier - im Rang unter dem Landesgesetz stehenden
Rechtsvorschriften. Er kann in diesem Zusammenhang auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen,
wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
4 Die Antragstellerin ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Im Hinblick auf ihr Vorbringen, die
Voraussetzungen für den Erlass der streitgegenständlichen Satzung lägen nicht vor, kann sie die Verletzung
ihres durch die Sonn- und Feiertagsruhe des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 der Weimarer
Reichsverfassung (WRV) sowie des Art. 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV) verstärkten
Rechts auf eine effektive Wahrnehmung der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG
geltend machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015 - 8 CN 2.14 -, BVerwGE 153, 183; Thüringer OVG,
Beschluss vom 20.04.2016 - 3 EN 222/16 -, GewArch 2016, 345 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 26.03.2015 - 1 S 19.15 -, LKV 2015, 274; kritisch: Leisner, NVwZ 2014, 921; Schunder,
NVwZ 2016, 694).
II.
5 Der Antrag ist aber nicht begründet.
6 Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen,
wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Nach
neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR
2015, 381 und vom 16.09.2015 - 4 VR 2.15 -, juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom
09.08.2016 - 5 S 437/16 -, juris m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung - jeweils zu
Bebauungsplänen) sind Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO zunächst die
Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in
der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der
streitgegenständlichen Satzung oder Rechtsvorschrift zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine
einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im
Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers,
betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf
die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung
unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist
über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Gegenüberzustellen sind dabei die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge,
der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte
einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für
den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen
dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz
offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist.
7 Hieran gemessen bleibt der Antrag der Antragstellerin ohne Erfolg. Die Erfolgsaussichten des
Normenkontrollantrags lassen sich im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht
hinreichend zugunsten der Antragstellerin absehen (1.). Im Rahmen der somit erforderlichen
Folgenabwägung kann der Senat überdies nicht erkennen, dass die von der Antragstellerin geltend
gemachten und für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Belange gegenüber den
gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist daher
nicht im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten (2.).
8 1. Mit der in Rede stehenden Satzung hat die Antragsgegnerin gestützt auf § 4 Abs. 1 GemO die Zeit und
den räumlichen Bereich des Offenhaltens von Verkaufsstellen an zwei Sonntagen im Jahr 2017 bestimmt.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 8 LadÖG. Nach § 8 Abs. 1 LadÖG dürfen abweichend von § 3 Abs. 2 Nr. 1
LadÖG, nach dem Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden an Sonn- und Feiertagen
geschlossen sein müssen, Verkaufsstellen aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen
Veranstaltungen an jährlich höchstens drei Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Gemäß § 8 Abs. 2 LadÖG
kann die Offenhaltung von Verkaufsstellen auf bestimmte Bezirke und Handelszweige beschränkt werden.
Sie darf fünf zusammenhängende Stunden nicht überschreiten, muss spätestens um 18.00 Uhr enden und
soll außerhalb der Zeit des Hauptgottesdienstes liegen. § 8 Abs. 3 LadÖG bestimmt, dass die
Adventssonntage, die Feiertage im Dezember sowie der Oster- und Pfingstsonntag nicht freigegeben werden
dürfen.
9 Diese einfachgesetzlichen Voraussetzungen erfüllt die mit der Satzung der Antragsgegnerin erfolgte
Freigabe der beiden Sonntage 02.04.2017 und 15.10.2017 zur Ladenöffnung ohne weiteres. Das
Offenhalten ist ausdrücklich auf die Zeit von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr und damit auf fünf Stunden
beschränkt. Auch die maximale Anzahl der Sonn- und Feiertage wird ersichtlich nicht überschritten. Die
Freigabe erfolgt zudem ausweislich der Satzung sowie der zugrundeliegenden Beschlussvorlage des
Gemeinderats (VORL.NR. 432/16) aus Anlass der Saisoneröffnung beziehungsweise des Saisonabschlusses
der „Oldtimer-Sternfahrt“, bei denen auf dem Außengelände des Einkaufszentrums ... jeweils ca. 800
historische Fahrzeuge vorgestellt und ausgestellt werden sowie - nach substantiierten Angaben der
Antragsgegnerin - mehrere weitere hundert historische Fahrzeuge ohne Anmeldung zusammenkommen und
von interessierten Besuchern besichtigt werden. Hierbei handelt es sich um „ähnliche Veranstaltungen“ im
Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 LadÖG, anlässlich derer verkaufsoffene Sonntage grundsätzlich ermöglicht
werden können.
10 Fraglich und im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären ist
indes, ob die Satzung auch einer Prüfung anhand der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Sonn-
und Feiertagsschutz aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV standhält. Nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.) zum in Bayern noch anwendbaren
bundesrechtlichen § 14 LadSchlG, der im Wesentlichen mit den Regelungen des baden-württembergischen §
8 LadÖG übereinstimmt, allerdings das Offenhalten an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen
ermöglicht, ist die Vorschrift zu den verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen verfassungskonform dahingehend
einschränkend auszulegen, dass die Tatbestandsvoraussetzung „aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten,
Messen oder ähnlichen Veranstaltungen“ nur dann erfüllt ist, wenn die öffentliche Wirkung solcher
traditionell auch an Sonn- und Feiertagen stattfindenden Veranstaltungen gegenüber der typisch
werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund steht; die Ladenöffnung muss mithin nach
den gesamten Umständen als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung erscheinen. Dies könne - so
das Bundesverwaltungsgericht für den in seiner Entscheidung zu Grunde liegenden Frühjahrsmarkt - in der
Regel nur dann angenommen werden, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt werde,
weil nur insoweit ihr Bezug zum Marktgeschehen erkennbar bleibe, wobei die Ausstrahlungswirkung des
Marktes wegen seines Umfangs oder seiner besonderen Attraktivität zu berücksichtigen sei. Darüber hinaus
bleibe die werktägliche Prägung der Ladenöffnung nur dann im Hintergrund, wenn nach einer
anzustellenden Prognose der Besucherstrom, den der Markt für sich genommen auslöse, die Zahl der
Besucher übersteige, die allein wegen einer Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Zur Abschätzung der
jeweiligen Besucherströme könne beispielsweise auf Befragungen zurückgegriffen werden. Die gemeindliche
Prognose unterliege zwar nur eingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Das Gericht habe jedoch
zu prüfen, ob die bei Erlass der die Freigabe der Ladenöffnung regelnden Vorschrift vorgenommene Prognose
schlüssig und vertretbar sei (BVerwG, Urteil vom 11.11.2015, a.a.O.).
11 Der Senat hegt nach derzeitigem Erkenntnisstand Zweifel daran, ob diese vom Bundesverwaltungsgericht
vorgenommene vergleichsweise enge „verfassungskonforme“ Auslegung tatsächlich erforderlich ist und den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 01.12.2009 (- 1 BvR 2857/07, 1 BvR
2858/07 -, BVerfGE 125, 39) entspricht (zu den diesbezüglichen Zweifeln des Senats vgl. bereits den
Beschluss vom 26.10.2016 - 6 S 2041/16 -, juris). Das Bundesverfassungsgericht fordert darin mit Blick auf
Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV lediglich ein Schutzkonzept mit einem Mindestschutzniveau
für die Sonn- und Feiertage und die Einhaltung eines Regel-/Ausnahmeverhältnisses, wobei für die
ausnahmsweise sonntägliche Ladenöffnung ein öffentliches Interesse von gewissem Gewicht sprechen
müsse, das über das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse auf Seiten der Verkaufsstelleninhaber und das
alltägliche „Shopping-Interesse“ auf Kundenseite hinausgehe. Demgegenüber verlangt das
Bundesverwaltungsgericht mit der von ihm vorgenommenen „weitergehenden“ verfassungskonformen
Einschränkung des Anwendungsbereichs der Ladenöffnungsregelungen an Sonntagen eine Verknüpfung
einer anderen Veranstaltung mit der Ladenöffnung in Gestalt einer (überwiegenden)
Gleichwertigkeitsprognose. Es erscheint dem Senat zweifelhaft, ob diese weitere Einschränkung im Urteil
des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich angelegt und zur Wahrung der in Art. 140 GG in Verbindung mit
Art. 139 WRV verankerten Schutzpflichten verfassungsrechtlich geboten ist, zumal die Aussagekraft von
Prognosen der Besucherströme aufgrund der auf der Hand liegenden Wechselbezüglichkeit von
Veranstaltung und Sonntagsöffnung begrenzt erscheint und es die Zielrichtung des Schutzkonzepts
konterkarieren könnte, wenn einerseits ein gewichtiges öffentliches Interesse für die sonntägliche
Ladenöffnung gefordert wird, diese aber andererseits keinen erheblichen Besucherstrom anziehen dürfte.
Zwar darf sich die anlassgebende Veranstaltung sicherlich nicht als bloßer Vorwand für eine Ladenöffnung
darstellen oder gegenüber dem Sonntagsverkauf in den Hintergrund gedrängt werden. Die vom
Bundesverwaltungsgericht geforderten Einschränkungen scheinen jedoch deutlich über die
verfassungsrechtlich gebotene Beibehaltung eines Mindestschutzniveaus für die Sonn- und Feiertage und die
Einhaltung eines Regel-/Ausnahmeverhältnisses hinauszugehen.
12 Unabhängig davon, dass eine Klärung derartiger schwieriger Sach- und Rechtsfragen verfassungsrechtlicher
Art im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht erfolgen kann, erscheinen die
Erfolgsaussichten der Normenkontrolle auch unter Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht
aufgestellten Maßstäbe als offen. Die dem Satzungsbeschluss zugrundeliegende Beschlussvorlage des
Gemeinderats enthält jedenfalls ein Mindestmaß an Angaben zu den vom Gemeinderat erwarteten
Besucherzahlen. Da die „Oldtimer-Sternfahrten“ verbunden mit sonntäglicher Ladenöffnung bereits viele
Male stattgefunden haben, ist nicht zu beanstanden, dass der Satzungsgeber dabei auf die Erfahrungen aus
den vergangenen Jahren sowie auf die Angaben des Betreibers des ... zu den dortigen Besucherzahlen
zurückgreift. Danach seien von den bei den letzten Veranstaltungen jeweils verzeichneten 20.000 bis
25.000 Besuchern des ... ca. 70 Prozent - und damit die deutliche Mehrheit - speziell zur Besichtigung der
Oldtimer-Fahrzeuge angereist. Ob sich dieser durch die anlassgebende Veranstaltung angezogene
Besucheranteil nach der Einschätzung der Antragsgegnerin auch auf die weiteren von der Möglichkeit der
Sonntagsöffnung erfassten Verkaufsstellen (... etc.) bezieht, bleibt indes unklar. Die Klärung der Frage, ob
nach alledem von einer schlüssigen Prognose seitens des Satzungsgebers ausgegangen werden kann, muss
dem Hauptsacheverfahren überlassen bleiben.
13 Auch ob sich darüber hinaus die angegriffene Satzung bereits - wie die Antragstellerin meint - deshalb als
vollständig oder teilweise rechtswidrig erweist, weil deren räumlicher Anwendungsbereich nicht allein auf
das ..., auf dessen Parkflächen die Oldtimer-Veranstaltungen stattfinden sollen und das einen Großteil der
weiteren Infrastruktur zur Verfügung stellt, beschränkt wurde, kann mit den dem Senat im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht hinreichend sicher bewertet
werden. Dies betrifft vor allem die Frage, ob die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.11.2015
(a.a.O.) insoweit für einen (ortsfesten) Markt aufgestellten Erfordernisse in gleicher Weise auch für die hier
in Rede stehenden „Oldtimer-Sternfahrten“ gelten, deren Veranstaltungsgebiet naturgemäß flexibler und
weiträumiger als das eines Marktes sein kann. Insoweit bedürfte beispielsweise genauerer Betrachtung,
inwieweit sich die zur Veranstaltung gehörenden An- und Abfahrten der Oldtimer auf die in der Umgebung
des ... befindlichen Verkaufsstellen auswirken sowie ob aufgrund der Inanspruchnahme der
Außenbereichsflächen des ... durch die Oldtimer ein Ausweichen der Besucher auf die Parkflächen der
weiteren Verkaufsstellen zu erwarten ist, so dass diese zwangsläufig in den Veranstaltungsbereich
einbezogen würden.
14 2. Nach der im Hinblick auf die offenen Erfolgsaussichten erforderlichen Folgenabwägung kann der Senat ein
deutliches Überwiegen der von der Antragstellerin geltend gemachten Belange gegenüber den von der
Antragsgegnerin vorgetragenen gegenläufigen Interessen nicht feststellen. Der Senat vermag daher derzeit
auf Grund des Vorbringens der Beteiligten nicht zu erkennen, dass der Satzungsvollzug Nachteile
befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder
der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO
unaufschiebbar ist.
15 Dabei berücksichtigt der Senat durchaus, dass grundsätzlich allein erwerbswirtschaftliche Interessen der
Geschäftsinhaber sowie das alltägliche „Shopping-Interesse“ potenzieller Kunden nicht ausreichen, um eine
Ausnahme von der im Grundgesetz verankerten sonn- und feiertäglichen Ruhe zu begründen. Auch stellt er
in Rechnung, dass sich mit dem Ablauf des nahenden 02.04.2017 und der Durchführung des verkaufsoffenen
Sonntags an diesem Tag die damit verbundenen tatsächlichen Konsequenzen nicht mehr ungeschehen
machen ließen und damit der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe an diesem
Tag zumindest tangiert wäre. Auch im Hinblick auf den 15.10.2017 könnten durch Zeitablauf vollendete
Tatsachen eintreten, wenn bis dahin eine rechtskräftige Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der
Hauptsache nicht vorliegt. Allerdings betrifft dies lediglich zwei vereinzelte, zeitlich beschränkte Ereignisse,
so dass dadurch eine dauerhafte Infragestellung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes der Sonn- und
Feiertage nicht zu erwarten ist. Hinsichtlich der verfassungsrechtlich geforderten Sicherung eines
Mindestniveaus des Sonn- und Feiertagsschutzes ist überdies zu beachten, dass der baden-
württembergische Gesetzgeber in § 8 LadÖG bereits eine nur sehr niedrige Höchstzahl freigabefähiger
Sonn- und Feiertage (drei) mit zudem geringer Stundenzahl (jeweils fünf) ermöglicht und davon noch die
Adventssonntage, die Feiertage im Dezember sowie den Oster- und Pfingstsonntag ausnimmt (vgl. dagegen
die Fallgestaltung in BVerfG, Urteil vom 01.12.2009, a.a.O., der eine deutlich höhere Anzahl freigegebener
Tage zugrunde lag; vgl. zum Ganzen bereits den Senatsbeschluss vom 26.10.2016, a.a.O.). Die
Antragstellerin kann zudem die von ihr geltend gemachte Rechtswidrigkeit der sonntäglichen Ladenöffnung
anlässlich der „Oldtimer-Sternfahrten“ im Hauptsacheverfahren auch dann weiter verfolgen, wenn die in der
Satzung aufgeführten Tage verstrichen sind, da nichts dafür ersichtlich ist, dass die seit 2004 stattfindende
Veranstaltung zukünftig nicht mehr durchgeführt oder mit einem Sonntagsverkauf verknüpft werden soll
(vgl. zum Sachentscheidungsinteresse für ein Normenkontrollverfahren trotz Erledigung der zur Prüfung
gestellten Norm: BVerwG, Urteil vom 29.06.2001 - 6 CN 1.01 -, NVwZ-RR 2002, 152 und Urteil vom
11.11.2015, a.a.O.), und damit eine präjudizielle Entscheidung für künftige Sonntagsöffnungen aus diesem
Anlass erreichen.
16 Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Veranstaltung der „Oldtimer-Sternfahrten“ nach dem substantiierten
Vortrag der Antragsgegnerin wesentlich von finanziellen Beiträgen sowie der Nutzung der Infrastruktur -
beispielsweise der sanitären Anlagen, der Gastronomie und der Parkplätze - des ... abhängt. Ein Wegfall der
in der Satzung vorgesehenen verkaufsoffenen Sonntage ließe daher die Nichtdurchführbarkeit der
Veranstaltungen befürchten. Jedenfalls im Hinblick auf den 02.04.2017 ist überdies - ohne dass es darauf
noch entscheidend ankäme - davon auszugehen, dass die Verkaufsstelleninhaber aufgrund eines in die
Bestimmung des verkaufsoffenen Sonntags gesetzten Vertrauens bereits vor Stellung des vorliegenden
Antrags durch die Antragstellerin Dispositionen getroffen haben, die bei einer Außervollzugsetzung der
Satzung vergeblich aufgewendet wären (vgl. BVerfG, Urteil vom 01.12.2009, a.a.O., nach dem die Regelung
zur Öffnung von Verkaufsstellen an allen vier Adventssonntagen trotz Feststellung ihrer
Verfassungswidrigkeit für das Jahr 2009 noch anwendbar blieb). So hat die Antragsgegnerin unter
Bezugnahme auf nachvollziehbare Angaben der Betreiberin des ... insoweit ausgeführt, dass der
Werbegemeinschaft des ... bereits Kosten in Höhe von ca. 66.500 EUR für Werbemaßnahmen entstanden
seien.
17 Demgegenüber ist für den Senat ein relevanter Nachteil für die Antragstellerin, der den Erlass einer
einstweiligen Anordnung unaufschiebbar macht, nicht erkennbar. Der Sonn- und Feiertagsschutz gemäß Art.
140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV und Art. 3 LV dient zwar auch einer effektiven Wahrnehmung der
Vereinigungsfreiheit der Antragstellerin gemäß Art. 9 Abs. 3 GG. Die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen
ist für die Rahmenbedingungen des Wirkens der Gewerkschaften bedeutsam und wirkt sich auf die
Möglichkeiten zur Abhaltung von Versammlungen oder ähnlichen Veranstaltungen der Gewerkschaft aus.
Die Sonntagsöffnung kann zur Folge haben, dass Mitglieder der Antragstellerin an diesen Tagen an der
Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen gehindert sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2015,
a.a.O.). Jedoch gewährleistet das Grundgesetz weder nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts noch der des Bundesverwaltungsgerichts insoweit ausnahmslosen Schutz. Die
Herausnahme von zwei über das Jahr verteilten Sonntagen aus der allgemeinen Arbeitsruhe stellt weder
den grundsätzlichen Schutz von Sonn- und Feiertagen in Frage, noch erscheint dies als eine Umkehrung des
Regel-/Ausnahmeverhältnisses oder als ein unzumutbarer Eingriff in die Rechte der Antragstellerin
beziehungsweise der von ihr vertretenen Mitglieder. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass
die Öffnungszeiten lediglich fünf Stunden betragen und der Geltungsbereich der Satzung nur einen Teil des
Gemeindegebiets erfasst, so dass der Tag einem normalen Werktag ersichtlich nicht gleichkommt. An alledem
ändert im Ergebnis auch der erstmals mit Schriftsatz vom 24.02.2017 mitgeteilte Umstand nichts, dass die
Antragstellerin am 02.04.2017 in ... und ... gewerkschaftliche Informationsveranstaltungen durchführt und
für den 15.10.2017 eine Protestkundgebung auf dem Gemeindegebiet der Antragsgegnerin plant.
18 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
19 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da die
Hauptsache wegen des Zeitablaufs voraussichtlich - jedenfalls in Bezug auf die Ladenöffnung am 02.04.2017
- vorweggenommen wird, sieht der Senat in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 58) von einer weiteren Reduzierung des Streitwerts für
das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ab.
20 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.