Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 21.02.2017

satzung, ersetzung, öffentlich, genehmigungsverfahren

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 21.2.2017, 3 S 1748/14
Leitsätze
1. Rechtsbehelfe gegen die Ersetzung des Einvernehmens der Gemeinde können gemäß § 44a VwGO nur
gleichzeitig mit den gegen die Baugenehmigung zulässigen Rechtsbehelfen eingelegt werden.
2. Die Baurechtsbehörde ist nicht befugt, das durch § 52 Abs. 2 LBO eingeschränkte Prüfungsprogramm im
vereinfachten Genehmigungsverfahren auf dort nicht genannte Vorschriften zu erweitern. Die
Bauaufsichtsbehörde ist allerdings nicht gehindert, dem Bauherrn zeitgleich mit der Baugenehmigung Hinweise
zur Vereinbarkeit seines Vorhabens mit in § 52 Abs. 2 LBO nicht genannten Vorschriften zu geben oder gestützt
auf § 47 LBO ergänzende Anordnungen zur Ausführung des Vorhabens zu treffen.
3. Auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gilt ferner der allgemeine Grundsatz, dass eine Behörde
einen Baugenehmigungsantrag ohne Rücksicht auf die jeweiligen Genehmigungsvoraussetzungen wegen des
Fehlens eines Sachbescheidungsinteresses ablehnen darf, wenn der Antragsteller aus Gründen, die jenseits des
Verfahrensgegenstands liegen, von der beantragten Baugenehmigung keinen Gebrauch machen darf.
4. Örtliche Bauvorschriften dürfen den gesetzlichen Regelungen nicht widersprechen und müssen sich innerhalb
der mit diesen Regelungen verbundenen Ziele bewegen. Eine örtliche Bauvorschrift, mit der das generelle, d.h.
nicht von einer verunstaltenden Wirkung im Einzelfall abhängige Verbot von (großflächigen) Werbeanlagen über
die in § 11 Abs. 4 LBO genannten Gebiete auf Dorfgebiete und Gemengelagen ausgedehnt wird, ist deshalb
nichtig.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17. Juli 2014 - 6 K 321/13 -
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die klagende Gemeinde wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die
Errichtung einer großflächigen Werbetafel.
2
Die Beigeladene möchte auf dem im Ortsteil Iznang der Klägerin gelegenen Grundstück Flst. Nr. ... (... Str.
...) eine 2,80 m x 3,80 m große, unbeleuchtete Werbetafel errichten. Das Grundstück ist mit einem
Wohnhaus sowie einer im vorderen Teil des Grundstücks stehenden Scheune bebaut. Die geplante
Werbetafel soll an der - der ... Straße (Ortsdurchfahrt der L 192) zugewandten - Giebelseite der Scheune
angebracht werden.
3
Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich einer am 24.4.1997 vom Gemeinderat der Klägerin
beschlossenen und am 6.6.1997 ortsüblich bekanntgemachten „Satzung über Örtliche Bauvorschriften“, die
u.a. folgende Bestimmungen enthält:
4
§ 1 Werbeanlagen
5
(1) Zur Vermeidung von Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs und des Dorfbildes wird im Gebiet der
Gesamtgemeinde Moos bestimmt, daß Werbeanlagen jeglicher Art nur an der Stätte der Leistung, d.h. auf
dem Grundstück erstellt und unterhalten werden dürfen, auf dem die Leistung angeboten wird. Dies gilt
nicht in Gewerbe- (GE) und Mischgebieten (MI) oder in Sondergebieten gem. §11 Abs. 3 der
Baunutzungsverordnung vom 23.1.1990 (BGBl. l S. 132). Auch in solchen Gebieten ist aber an
klassifizierten Straßen aus Gründen der Verkehrssicherheit die Werbung auf die Stätte der Leistung
beschränkt.
6
(2) Ausnahmen hiervon können auf Antrag gestattet werden, wenn die Aufstellung an anderer Stelle zur
Unterstützung des Fremdenverkehrs erforderlich oder geboten ist
7
(3) Werbeanlagen sollen sich in Größe und Gestaltung in die Umgebung einfügen.
8
§ 2 Stellplätze
9
§ 3 Geltungsbereich
10 Diese Satzung gilt hinsichtlich der Festsetzungen in § 1 (Werbeanlagen) für alle Grundstücke der Gemeinde
Moos und hinsichtlich § 2 innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) und der
Geltungsbereiche der Bebauungspläne der Gemeinde Moos.
11 Die Beigeladene beantragte am 29.4.2011, ihr Vorhaben im vereinfachten Verfahren zu genehmigen. Der
Bauausschuss des Gemeinderats der Klägerin beschloss am 12.5.2011, das Einvernehmen zu dem Vorhaben
wegen eines Verstoßes gegen die geltenden örtlichen Bauvorschriften zu versagen. Das Landratsamt
Konstanz als zuständige untere Baurechtsbehörde wies die Klägerin mit Schreiben vom 12.7.2011 darauf
hin, dass es erwäge, das von ihr versagte Einvernehmen zu ersetzen, da es den in der Satzung der Klägerin
enthaltenen generellen Ausschluss von Fremdwerbung für unwirksam halte, und gab der Klägerin
Gelegenheit zur Stellungnahme und erneuten Entscheidung. Der Bauausschuss beschloss in seiner Sitzung
vom 28.7.2011, an der Verweigerung des Einvernehmens festzuhalten.
12 Mit Bescheid vom 15.11.2011 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung
und ersetzte zugleich das Einvernehmen der Klägerin. Zur Begründung führte es aus, das Bauvorhaben
liege im unbeplanten Innenbereich und sei deshalb gemäß § 34 BauGB planungsrechtlich zulässig, wenn es
sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut
werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Das sei hier der Fall. Die Einhaltung der
örtlichen Bauvorschriften der Klägerin sei im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen,
weshalb die Beigeladene einen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung habe. Obgleich die Einhaltung
örtlicher Bauvorschriften nicht zum Prüfungsinhalt des vereinfachten Verfahrens zähle, müssten Vorhaben
gleichwohl den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen, was hier hilfsweise geprüft worden und nach
Auffassung des Landratsamts der Fall sei. § 1 der Satzung der Klägerin verstoße gegen Art. 14 GG. Selbst
unter Annahme der Anwendbarkeit der Satzung wäre aufgrund der geschilderten Sachlage eine Befreiung
nach § 56 Abs. 5 Nr. 2 LBO denkbar, was jedoch im vereinfachten Verfahren ebenfalls nicht Gegenstand der
Prüfung sei. Die geplante Werbeanlage könne somit auch nach Erteilung der Baugenehmigung nicht unter
Hinweis auf die örtlichen Bauvorschriften unterbunden werden.
13 Der gegen den Bescheid eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde vom Regierungspräsidium Freiburg mit
Widerspruchsbescheid vom 29.1.2013 zurückgewiesen.
14 Die Klägerin hat am 28.2.2013 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem Antrag, den
Bescheid des Landratsamts vom 15.11.2011 und den Widerspruchsbescheid vom 29.1.2013 aufzuheben und
das beklagte Land zu verpflichten, den Abbruch der auf dem Grundstück Flst. Nr. ... der Gemarkung Moos-
lznang errichteten Plakatwerbetafel anzuordnen. Zur Begründung hat sie vorgebracht: Die materiellen
Anforderungen des Baurechts gälten in vollem Umfang auch für Vorhaben im vereinfachten Verfahren. Die
Baurechtsbehörde dürfe deshalb bei positiver Kenntnis von Verstößen gegen nicht zum Prüfprogramm des
vereinfachten Verfahrens gehörende Vorschriften nicht einfach untätig bleiben. Das Landratsamt hätte
deshalb den Verstoß gegen ihre Satzung nicht ignorieren dürfen. Es hätte vielmehr das versagte
Einvernehmen des Gemeinderats „stützen“ und den gestellten Bauantrag wegen fehlenden
Sachbescheidungsinteresse ablehnen müssen, da der Bauherr kein schutzwürdiges Interesse an der
Genehmigung habe, wenn klar sei, dass er es nicht legal verwirklichen könne. Die Satzung beachte die
Anforderungen der Rechtsprechung, da in § 1 Abs. 1 vorgesehen sei, dass Werbeanlagen lediglich dort nur
an der Stätte der Leistung zulässig seien, wo es sich nicht um Gewerbe- und Mischgebiete oder um
Sondergebiete handele. Für diese Gebiete habe sie sehr wohl erkannt, dass die Festsetzung eines generellen
Verbots von Werbeanlagen mit Ausnahme von solchen an der Stätte der Leistung unzulässig wäre. Anders
verhalte es sich aber bei Dorfgebieten.
15 Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt.
16 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.7.2014 abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt: Die gegen den Bescheid des Landratsamts vom 15.11.2011 gerichtete Anfechtungsklage sei
zulässig. Dabei könne dahinstehen, ob die Anfechtung statthafthafterweise die Baugenehmigung und
Ersetzung des Einvernehmens betreffe oder ob sich der Rechtsschutz nur gegen die Baugenehmigung zu
richten habe. Denn Widerspruch und Klage richteten sich von vornherein gegen den Bescheid vom
15.11.2011, in dem die Ersetzung des Einvernehmens und die Erteilung der Baugenehmigung zeitgleich
erfolgt seien, sodass eine untrennbare Einheit vorliege. Die Anfechtungsklage sei jedoch unbegründet, da die
Baugenehmigung nicht die Rechte der Klägerin verletze. Die von ihr erlassene Satzung über örtliche
Bauvorschriften gehöre nicht zum gemäß § 52 Abs. 2 bis 8 LBO eingeschränkten Prüfprogramm des
vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens. Die Auffassung der Klägerin, ihr verweigertes Einvernehmen
habe durch die Behörden „gestützt“ und die Baugenehmigung aufgrund Verstoßes der Werbeanlage gegen §
1 OBVS bereits wegen fehlendem Sachbescheidungsinteresse versagt werden müssen, sei mit der klaren
Regelung in § 52 Abs. 2 und 3 LBO nicht vereinbar. Die Behörde könne sich zwar auf ein fehlendes
Sachbescheidungsinteresse berufen, damit sei jedoch keine subjektiv-rechtliche Rechtsposition der Gemeinde
verbunden. Das von der Klägerin verweigerte Einvernehmen sei zu Recht ersetzt worden. Das Landratsamt
habe die in § 54 Abs. 4 Satz 1 LBO vorgeschriebenen Verfahrensschritte beachtet. Die Baugenehmigung mit
der hierdurch bewirkten Ersetzung des Einvernehmens verletze auch nicht materielle Rechte der Klägerin.
Die geplante Werbetafel füge sich nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren
Umgebung ein. Dabei könne dahinstehen, ob es sich - was zwischen den Beteiligten umstritten sei - bei der
Umgebung um ein faktisches Dorfgebiet oder ein diffus bebautes Gebiet handele. Denn im erstgenannten
Fall sei die als eigenständige gewerbliche Hauptnutzung zu beurteilende Werbeanlage, da nicht wesentlich
störend, der Art nach allgemein zulässig, während sie sich bei diffuser Bebauung aufgrund des Umstands,
dass in der näheren Umgebung unstreitig gewerbliche Nutzung vorhanden sei, der Art nach dort einfüge.
Auch am Vorliegen der weiteren Zulässigkeitsmerkmale nach § 34 Abs. 1 BauGB (Einfügen nach Bauweise
und Grundstücksfläche, die überbaut werden soll; Rücksichtnahme auf unmittelbare Nachbarschaft;
gesicherte Erschließung; Wahrung der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse; keine
Beeinträchtigung des Ortsbilds) bestünden keine Zweifel. Das Ortsbild müsse, um schützenswert zu sein
und die Baufreiheit des Eigentümers einschränken zu können, eine gewisse Eigenheit haben, die dem Ort
oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleihe. Hierfür sei vorliegend nichts
ersichtlich. Der von der Klägerin angeführte Dorfbildcharakter allein genüge nicht.
17 Die Verpflichtungsklage sei ebenfalls zulässig. Insbesondere sei die Klägerin auch insoweit klagebefugt. Ein
Anspruch der Klägerin auf bauordnungsrechtliches Einschreiten oder - als Minus - auf ermessenfehlerfreie
Neubescheidung ergebe sich im Rahmen des hier als Rechtsgrundlage einschlägigen § 65 LBO allerdings
nicht aus dieser Norm selbst, sondern nur aus der Verletzung drittschützender Normen, zu denen die
Errichtung des Vorhabens in Widerspruch stehe. Im Fall einer - wie hier - ausschließlich geltend gemachten
Missachtung örtlicher Bauvorschriften bestehe deshalb eine Klagebefugnis (nur) dann, wenn deren Erlass zu
den Selbstverwaltungsangelegenheiten gehöre. Die Kammer erachte die Klagebefugnis danach für gegeben,
da die hier maßgeblichen örtlichen Bauvorschriften zum eigenen Wirkungskreis bzw.
Selbstverwaltungsrecht der Klägerin gehörten. Dafür sprächen die in § 74 Abs. 1 LBO 1995 bzw. LBO 2010
als Rechtfertigungsgrund normierten Baugestaltungs- und Erhaltungsabsichten, die nur aufgrund der
jeweiligen örtlichen Besonderheiten einer Gemeinde konkretisiert werden könnten.
18 Die Verpflichtungsklage sei jedoch ebenfalls unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass
das beklagte Land der Beigeladenen die Beseitigung der Werbeanlage aufgebe oder zumindest - unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - erneut hierüber entscheide, da die Werbeanlage bereits
tatbestandlich nicht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehe. Die von der Klägerin
erlassenen örtlichen Bauvorschriften stünden dem Vorhaben der Beigeladenen nicht entgegen. Denn § 1
OBVS, der die Zulässigkeit von Werbeanlagen der Fremdwerbung einschränke, sei von der Ermächtigung des
§ 74 Abs. 1 Nr. 2 LBO 1995 nicht gedeckt, da sich Baugestaltungssatzungen danach räumlich auf bestimmte
bebaute oder unbebaute Gemeindegebietsteile beschränken müssten und nicht für das ganze
Gemeindegebiet erlassen werden dürften. Die Klägerin habe indessen die Gestaltungsvorschrift über
Werbeanlagen gemäß § 3 OBVS auf alle Grundstücke des Gemeindegebiets erstreckt. Ausweislich der
Begründung sei der Gemeinderat davon ausgegangen, dass alle vier Ortsteile der Klägerin „teilweise
vorbildhaft“ vom dörflichen Charakter geprägt seien. Aus der eigenen Feststellung der Klägerin, wonach
(nur) teilweise Vorbildhaftigkeit bestehe, ergebe sich das Fehlen einer die Eigenart des gesamten
Gemeindegebiets ausmachenden Homogenität, die ausnahmsweise dessen vollständige Erfassung zulassen
würden. Die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 OBVS, die Werbeanlagen mit Fremdwerbung in Gewerbe- und
Mischgebieten sowie Sondergebieten zulasse, sei darüber hinaus unbestimmt und auch deshalb unwirksam.
Soweit sie nämlich neben rechtlich festgesetzten auch faktische Gewerbe- und Mischgebiete betreffe,
bestehe keine hinreichende Klarheit über die Zulässigkeit einer Anlage der Fremdwerbung.
19 Soweit § 1 OBVS ausweislich der Satzungsbegründung auch die Vermeidung von Beeinträchtigungen des
Straßenverkehrs bezwecke, fehle es ebenfalls an einer Ermächtigung durch § 74 Abs. 1 LBO 1995, da
Gründe des Verkehrs nur Regelungen über Stellplätze und Garagen erlaubten.
20 Gegen das Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin. Zu deren
Begründung macht die Klägerin geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei § 1 OBVS von
der Ermächtigung des § 74 Abs. 1 Nr. 2 LBO gedeckt. Denn die Umgebung des Baugrundstücks sei aufgrund
der vorhandenen Nutzungen einem Dorfgebiet, nicht aber einem Mischgebiet zuzuordnen. Neben der
Wohnnutzung gebe es dort landwirtschaftliche Betriebe, nicht störende Gewerbebetriebe sowie der
Versorgung der Bewohner des Gebietes dienende Handwerksbetriebe. Das Landratsamt sei zu Unrecht der
Auffassung, es habe im vereinfachten Verfahren gemäß § 52 LBO keinerlei Pflichten, die Zulässigkeit der
streitgegenständlichen Plakatwerbetafel anhand der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen. Die
materiellen Anforderungen des Baurechts gälten gemäß § 52 Abs. 3 LBO in vollem Umfang auch für
Vorhaben im vereinfachten Verfahren. Das Landratsamt hätte deshalb den Verstoß gegen die örtlichen
Bauvorschriften nicht ignorieren, sondern das versagte Einvernehmen des Gemeinderats stützen müssen
und den gestellten Bauantrag wegen fehlendem Sachbescheidungsinteresse ablehnen müssen.
21 Die Klägerin beantragt
22 das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17.7.2014 - 6 K 321/13 - zu ändern, den Bescheid des
Landratsamts Konstanz vom 15.11.2011 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg
vom 29.1.2013 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, den Abbruch der auf dem Grundstück
Flst. Nr. ... der Gemarkung Moos-lznang errichteten Plakatwerbetafel anzuordnen.
23 Das beklagte Land beantragt,
24 die Berufung zurückzuweisen
25 Es verteidigt das angefochtene Urteil.
26 Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
27 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf
die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
28 Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 125 Abs. 1,
101 Abs. 2 VwGO).
29 Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid des
Landratsamts vom 15.11.2011 nicht in ihren Rechten verletzt, da die mit diesem Bescheid im vereinfachten
Genehmigungsverfahren erteilte Genehmigung keine Aussage über die Vereinbarkeit des Vorhabens der
Beigeladenen mit den von der Klägerin als verletzt angesehenen örtlichen Bauvorschriften trifft. Die
Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Landratsamt wegen des von der Klägerin
angenommenen Verstoßes gegen ihre örtlichen Bauvorschriften die Beseitigung der von der Beigeladenen
errichteten Plakatwerbetafel anordnet, da § 1 Abs. 1 der Satzung der Klägerin jedenfalls insoweit nichtig ist,
als die Vorschrift ein generelles Verbot von großflächigen Werbeanlagen in Dorfgebieten und Gemengelagen
enthält. Das Verwaltungsgericht hat die beiden Klageanträge somit zu Recht abgewiesen.
I.
30 Die gegen den Bescheid des Landratsamts vom 15.11.2011 gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig, aber
unbegründet.
31 1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Die Ermächtigung zur
Ersetzung des Einvernehmens in § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB und § 54 Abs. 4 LBO lässt die materielle
Rechtsposition der Gemeinde unangetastet. Die Gemeinde muss deshalb die Möglichkeit haben, die
Ersetzungsentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Dies kann jedoch nur im Rahmen
eines von ihr gegen die Baugenehmigung eingelegten Rechtsbehelfs (Widerspruch oder Klage) geschehen.
Die Rechtmäßigkeit der unter Ersetzung des Einvernehmens erteilten Baugenehmigung hängt von der
Rechtmäßigkeit der Ersetzungsentscheidung ab. Die Ersetzung des Einvernehmens ist daher im Rahmen
einer Klage der Gemeinde gegen die Baugenehmigung inzident auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
32 Eine Klage der Gemeinde gegen die Ersetzungsentscheidung als solche scheiterte dagegen an § 44a VwGO,
da diese Entscheidung im Verhältnis zu dem eigentlichen Rechtsschutzziel der Gemeinde, die Verwirklichung
des Vorhabens zu verhindern, als eine bloße Verfahrenshandlung zu qualifizieren ist, die nur im
Zusammenhang mit der eigentlichen Sachentscheidung überprüft werden kann (Kopp/Schenke, VwGO, 22.
Aufl., § 44a Rn. 6; Möstl, § 44 a VwGO und der Rechtsschutz gegen die Ersetzung des gemeindlichen
Einvernehmens, BayVBl 2003, 225; Klinger, Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36
Abs. 2 S. 3 BauGB, Art. 74 BayBO 1998, BayVBl. 2002, 481, 484; Budroweit, Die Mitwirkung der Gemeinde
bei baurechtlichen Entscheidungen, 2003, S. 296; Sauter, LBO für Baden-Württemberg, § 54 Rn. 49). Dies
gilt unabhängig davon, ob diese Entscheidung als gesonderter Verwaltungsakt gegenüber der Gemeinde
oder - wie hier - in einem Akt zusammen mit der Baugenehmigung getroffen wird. Abweichend von der hier
vertretenen Ansicht wird allerdings verschiedentlich angenommen, dass die Gemeinde sowohl gegen die
Ersetzungsentscheidung als auch gegen die Baugenehmigung klagen könne bzw. sogar müsse, um zu
verhindern, dass eine dieser Entscheidungen bestandskräftig wird (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/
Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 36 Rn 43; Horn, Das gemeindliche Einvernehmen unter städtebaulicher
Aufsicht, NVwZ 2002, 406, 415; Dippel, Alte und neue Anwendungsprobleme der §§ 36, 38 BauGB, NVwZ
1999, 921, 925; Lasotta, Das Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 BauGB, S. 214). Diese Auffassung hat
jedoch nicht nur § 44a VwGO gegen sich, sondern widerspricht auch dem Zweck des § 36 Abs. 2 Satz 3
BauGB sowie des § 54 Abs. 4 LBO, die beide auf Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens gerichtet
sind. Eine selbständige Anfechtbarkeit der Ersetzungsentscheidung liefe dem zuwider (Budroweit, a.a.O., S.
296).
33 2. Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat, kann die Klage jedoch in der Sache
keinen Erfolg haben. Die Klägerin wird durch die angefochtene Baugenehmigung nicht in ihren Rechten
verletzt, da die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilte Genehmigung keine Aussage über die
Vereinbarkeit des Vorhabens mit den von der Klägerin als verletzt angesehenen örtlichen Bauvorschriften
trifft.
34 a) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin gemäß § 74 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 LBO 1995
erlassene Satzung über örtliche Bauvorschriften (OBVS) gehöre nicht zu dem gemäß § 52 Abs. 2 bis 8 LBO
eingeschränkten Prüfungsprogramm des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens. Darauf, ob das
Vorhaben der Beigeladenen gegen die Satzung verstoße, komme es daher im Rahmen der Anfechtungsklage
nicht an. Gegen diese Auffassung bestehen keine Bedenken.
35 Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen
Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen.
Welche Vorschriften dies sind, ergibt sich aus § 58 Abs. 1 Satz 2 LBO, wonach alle öffentlich-rechtlichen
Vorschriften zu prüfen sind, die Anforderungen an das Bauvorhaben enthalten und über deren Einhaltung
nicht eine andere Behörde in einem gesonderten Verfahren durch Verwaltungsakt entscheidet. Die im
normalen Baugenehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung enthält daher nicht nur die Baufreigabe,
sondern auch die umfassende Feststellung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens einschließlich der ihm
zugedachten Nutzung mit den genannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften (vgl. BVerwG, Urt. v.
17.10.1989 - 1 C 18.87 - BVerwGE 84, 11; Beschl. v. 14.6.2011 - 4 B 3.11 - BauR 2011, 1642; VGH Bad.-
Württ., Urt. v. 29.9.2015 - 3 S 741/15 - BauR 2016, 84).
36 Die im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung hat dagegen nur einen
eingeschränkten Regelungsinhalt. Nach § 52 Abs. 2 LBO prüft die Baurechtsbehörde im vereinfachten
Baugenehmigungsverfahren - 1.-die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der
baulichen Anlagen nach den §§ 14 und 29 bis 38 BauGB, - 2. - die Übereinstimmung mit den §§ 5 bis 7 LBO
(Nr. 2) und - 3. - andere öffentlich-rechtliche Vorschriften außerhalb dieses Gesetzes und außerhalb von
Vorschriften auf Grund dieses Gesetzes, soweit in diesen Anforderungen an eine Baugenehmigung gestellt
werden (Buchst. a) oder soweit es sich um Vorhaben im Außenbereich handelt, im Umfang des § 58 Abs. 1
Satz 2 LBO (Buchst. b). Die in diesem Verfahren erteilte Baugenehmigung hat daher nur einen
eingeschränkten Regelungsinhalt, der sich auf die genannten Vorschriften beschränkt (VGH Bad.-Württ.,
Beschl. v. 16.2.2015 - 3 S 2167/15 - juris).
37 Die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften ist somit - mit Ausnahme der
Abstandsflächenbestimmungen - im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen. Die von
einer Gemeinde gemäß § 74 LBO 1995 erlassenen örtlichen Bauvorschriften machen davon keine
Ausnahme. Ein etwaiger Verstoß des Vorhabens der Beigeladenen gegen die Satzung der Klägerin kann
daher nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung führen.
38 b) Widerspricht das Vorhaben nicht den im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfenden
Vorschriften, so hat der Bauherr nach der Regelung in § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO einen Anspruch auf Erteilung
der Baugenehmigung. Die Baurechtsbehörde ist deshalb nicht befugt, das ihr gesetzlich vorgegebene
Prüfungsprogramm auf in § 52 Abs. 2 LBO nicht genannte Vorschriften zu erweitern und damit die
gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten
Genehmigungsverfahren zu verändern (Sauter, LBO für Baden-Württemberg, § 52 Rn. 22; ebenso OVG
Hamburg, Urt. v. 30.3.2011 - 2 Bf 374/06 - NVwZ-RR 2011, 59;BayVGH, Urt. v. 16.7.2002 - 2 B 01.1644 -
BRS 65 Nr. 149 zu den vergleichbaren Vorschriften des dortigen Landesrechts). Die klarstellende Regelung
in § 52 Abs. 3 LBO, wonach Bauvorhaben im vereinfachten Genehmigungsverfahren auch insoweit den
öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen müssen, als § 52 Abs. 3 LBO keine Prüfung vorsieht, ändert
daran nichts.
39 Die Baurechtsbehörde ist allerdings nicht gehindert, dem Bauherrn zeitgleich mit der Baugenehmigung
Hinweise zur Vereinbarkeit seines Vorhabens mit in § 52 Abs. 2 LBO nicht genannten Vorschriften zu geben
oder gestützt auf § 47 LBO ergänzende Anordnungen zur Ausführung des Vorhabens zu treffen (vgl. Sauter,
a.a.O., Rn. 242; OVG Hamburg, Urt. v. 30.3.2011, a.a.O.). Auch im vereinfachten
Baugenehmigungsverfahren gilt ferner der allgemeine Grundsatz, dass eine Behörde einen Antrag ohne
Rücksicht auf die jeweiligen Genehmigungsvoraussetzungen wegen des Fehlens eines
Sachbescheidungsinteresses ablehnen darf, wenn der Antragsteller aus Gründen, die jenseits des
Verfahrensgegenstands liegen, von der beantragten Baugenehmigung keinen Gebrauch machen darf. Das
gilt unabhängig davon, ob sich diese Gründe aus dem öffentlichen Recht oder aus dem Zivilrecht ergeben.
Erforderlich ist jedoch, dass es sich um ein Hindernis handelt, das sich „schlechthin“ nicht ausräumen lässt
(BVerwG, Urt. v. 24.10.1980 - 4 C 3.78 -BVerwGE 61, 128; Beschl. v. 20.7.1993 - 4 B 110.93 - NVwZ 1994,
482). Die Baurechtsbehörde kann dementsprechend auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die
Erteilung der beantragten Baugenehmigung wegen des Fehlens eines Sachbescheidungsinteresses versagen,
wenn das Bauvorhaben im Widerspruch zu Anforderungen steht, die nicht Gegenstand des eingeschränkten
Prüfungsprogramms sind, und dieser Widerspruch nicht behoben werden kann. Das entspricht, soweit
ersichtlich, der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. u.a. OVG Sachsen, Urt.
v. 9.11.2015 - 1 A 317/14 - SächsVBl 2016, 148; HessVGH, Beschl. v. 1.10.2010 - 4 A 1907/10.Z - BauR
2011, 993; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.10.2008 - 8 A 10942/08 - BauR 2009, 799; Sauter, a.a.O., Rn.
27).
40 Die Klägerin hat vor diesem Hintergrund im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht, dass das
Landratsamt verpflichtet gewesen sei, das von ihr verweigerte Einvernehmen zu „stützen“ und die
Baugenehmigung aufgrund eines Verstoßes der Werbeanlage gegen § 1 OBVS wegen fehlendem
Sachbescheidungsinteresse zu versagen. Dem ist das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht nicht gefolgt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Baugenehmigungsbehörde zwar berechtigt,
die Erteilung einer Baugenehmigung, die für den Antragsteller ersichtlich nutzlos ist, ohne sachliche Prüfung
des Antrags zu versagen. Sie ist dazu aber nicht verpflichtet. Eine solche Verpflichtung besteht erst recht
nicht gegenüber Dritten. Eine (verfahrens-) fehlerhafte Handhabung der der Baugenehmigungsbehörde
insoweit zustehenden Befugnisse kann einen Dritten deswegen nicht in seinen subjektiven Rechten
verletzen (BVerwG, Beschl. v. 28.2.1990 - 4 B 32.90 -NVwZ 1990, 655; Urt. v. 26.3.1976 - 4 C 7.74 -
BVerwGE 50, 282).
41 c) Ob die angefochtene Baugenehmigung die Klägerin in ihren Rechten verletzt, hängt danach davon ab, ob
das Landratsamt das gemäß § 36 BauGB erforderliche Einvernehmen der Klägerin zu Recht ersetzt hat. Das
ist wiederum davon abhängig, ob die Klägerin ihr Einvernehmen zu Recht oder zu Unrecht verweigert hat.
Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB darf die Gemeinde ihr Einvernehmen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34
und 35 BauGB ergebenden Gründen verweigern. Die Gemeinde hat somit ausschließlich zu beurteilen, ob
das Vorhaben in Anwendung der genannten Vorschriften zulässig ist oder nicht. Die Ersetzung des
Einvernehmens der Klägerin ist nach diesem Maßstab zu Recht erfolgt, da das Vorhaben der Beigeladenen
auf dem im unbeplanten Innenbereich gelegenen Baugrundstück § 34 BauGB nicht widerspricht. Darüber
besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.
42 aa) Das Verwaltungsgericht hat die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Eigenart der
näheren Umgebung des Grundstücks einem faktischen Dorfgebiet oder einer Gemengelage entspricht, offen
gelassen, da das Vorhaben in beiden Fällen in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung zulässig sei. Dagegen
bestehen ebenfalls keine Bedenken. Sollte die Eigenart der näheren Umgebung einem Dorfgebiet
entsprechen, richtete sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach der Art der baulichen
Nutzung gemäß § 34 Abs. 2 BauGB allein danach, ob es nach § 5 BauNVO in einem Dorfgebiet allgemein
oder jedenfalls ausnahmsweise zulässig wäre. Das ist ohne weiteres zu bejahen, da eine Werbetafel als das
Wohnen nicht wesentlich störende gewerbliche Nutzung in einem Dorfgebiet allgemein zulässig ist.
43 Sollte die Eigenart der näheren Umgebung dagegen weder einem Dorfgebiet noch einem anderen in der
Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiet entsprechen, bestimmte sich die planungsrechtliche
Zulässigkeit des Vorhabens auch nach der Art der baulichen Nutzung danach, ob sich das Vorhaben in die
Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Das ist ebenfalls ohne weiteres zu bejahen. Etwas anderes wird
auch von der Klägerin nicht behauptet.
44 bb) Die Zulässigkeit eines Vorhabens im unbeplanten Innenbereich ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2
BauGB weiter davon abhängig, dass das Ortsbild nicht beeinträchtigt wird.
45 Ob eine Beeinträchtigung des Ortsbilds vorliegt, bestimmt sich danach, ob das Vorhaben das ästhetische
Empfinden eines für Fragen der Ortsbildgestaltung aufgeschlossenen Betrachters verletzt (BVerwG, Urt. v.
11.5.2000 - 4 C 14.98 - NVwZ 2000, 1169; Urt. v. 18.2.1983 - 4 C 18.81 - BVerwGE 67, 23). Das hängt
wesentlich von der Schutzwürdigkeit des Ortsbilds ab. Eine solche Schutzwürdigkeit erlangt ein Ortsbild
nicht schon dadurch, dass es durch eine gewisse Einheitlichkeit oder Gleichartigkeit der Bebauung oder
einzelner Elemente der Bebauung geprägt ist. Das Ortsbild muss vielmehr eine „gewisse Wertigkeit für die
Allgemeinheit“ besitzen (BVerwG, Urt. v. 11.5.2000 - 4 C 14.98 - NVwZ 2000, 1169; OVG Sachsen, Urt. v.
28.1.2015 - 1 A 448/11 -juris). Das Verwaltungsgericht hat im Anschluss daran angenommen, der von der
Klägerin angeführte Dorfbildcharakter allein genüge nicht, um eine Beeinträchtigung des Ortsbilds bejahen
zu können. Das wird von der Klägerin ebenfalls nicht angegriffen und ist auch sonst nicht zu beanstanden.
II.
46 Die Klage hat auch mit dem auf die Verpflichtung des beklagten Landes zum Erlass einer
Beseitigungsanordnung gerichteten zweiten Klageantrag keinen Erfolg.
47 1. Der zweite Klageantrag ist ebenfalls zulässig. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, ist
die Klägerin insbesondere auch insoweit klagebefugt.
48 Zur Planungshoheit gehört in erster Linie das Recht der Gemeinden, in eigener Verantwortung Bauleitpläne
aufzustellen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Dieses Recht umfasst auch einen Abwehranspruch gegen
Baumaßnahmen, die den in einem solchen Plan getroffenen planerischen Festsetzungen widersprechen
(BVerwG, Urt. v. 11.2.1993 - 4 C 25.91 - BVerwGE 92, 66). Ein Anspruch der Klägerin auf behördliches
Einschreiten gegen die bereits errichtete Werbetafel oder eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber
erscheint hiervon ausgehend möglich, auch wenn die Klägerin im vorliegenden Fall keinen Verstoß gegen
einen von ihr erlassenen Bebauungsplan, sondern einen Verstoß gegen eine örtliche Bauvorschriften
enthaltene Satzung geltend macht. Der Erlass örtlicher Bauvorschriften, mit denen die Gemeinde die § 74
Abs. 1 LBO genannten Zwecke verfolgt, ist in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht ebenfalls dem
durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Selbstverwaltungsbereich der Gemeinden zuzurechnen.
49 2. Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass das
Landratsamt wegen des von ihr angenommenen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 ihrer Satzung die Beseitigung
der von der Beigeladenen errichteten Werbetafel anordnet, da diese Vorschrift jedenfalls insoweit nichtig ist,
als sie ein generelles Verbot von großflächigen Werbeanlagen in Dorfgebieten und Gemengelagen enthält.
Die entweder in einem Dorfgebiet oder in einer Gemengelage gelegene Werbetafel verstößt somit entgegen
der Ansicht der Klägerin nicht gegen die von ihr erlassene Satzung.
50 a) Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts ist § 1 OBVS zu unbestimmt. Soweit sie nämlich neben rechtlich
festgesetzten auch faktische Gewerbegebiete und Mischgebiete betreffe, bestehe keine hinreichende
Klarheit über die Zulässigkeit einer Anlage der Fremdwerbung, da in faktischen Gewerbe- und Mischgebieten
keine förmliche Abgrenzung des Baugebiets erfolge, sondern die Gebietseinordnung in Abhängigkeit von der
Eigenart der näheren Umgebung zu treffen sei.
51 Das ist unhaltbar. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 OBVS gilt das sich aus Abs. 1 Satz 1 ergebende Verbot von
Werbeanlagen mit Fremdwerbung nicht in Gewerbe- und Mischgebieten sowie in Sondergebieten gemäß §
11 Abs. 3 BauNVO. Das schließt außer festgesetzten auch faktische Gewerbegebiete und Mischgebiete ein
und nötigt damit dazu, im Einzelfall die Frage zu beantworten, ob die Eigenart der näheren Umgebung
einem solchen Gebiet entspricht. Die damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten sind jedoch
keineswegs unüberwindbar und vermögen deshalb einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche
Bestimmtheitsgebot nicht zu begründen. Wollte man dies anders sehen, wäre auch die Regelung in § 34
Abs. 2 BauGB, nach der sich in Fällen, in denen die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der
Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebieten entspricht, die Zulässigkeit eines Vorhabens innerhalb
eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach der Art der baulichen Nutzung allein danach bestimmt, ob
es in dem betreffenden Baugebiet allgemein zulässig ist, unwirksam. Das wird, soweit ersichtlich, von
niemandem geltend gemacht. Dementsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht angenommen,
dass der räumliche Geltungsbereich einer Baumschutzsatzung mit der Formulierung „innerhalb der im
Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereichs der Bebauungspläne“ hinreichend bestimmt
umschrieben werde (BVerwG, Urt. v. 16.6.1994 - 4 C 2.94 - BVerwGE 96, 110).
52 b) Das Verwaltungsgericht hält § 1 Abs. 1 OBVS außerdem deshalb für nichtig, weil die dort getroffene
Regelung von der Ermächtigung des § 74 Abs. 1 Nr. 2 LBO nicht gedeckt werde, da sie sich auf alle
Grundstücke des Gemeindegebiets erstrecke, statt sich auf bestimmte Gebietsteile zu beschränken.
53 Daran ist richtig, dass die § 74 Abs. 1 LBO genannten Gestaltungsvorschriften - im Unterschied zu den unter
§ 74 Abs. 2 LBO aufgeführten Regelungen -nur für bestimmte bebaute oder unbebaute Teile des
Gemeindegebiets erlassen werden dürfen. Regelungen, die für das ganze Gemeindegebiet gelten sollen,
etwa mit dem Ziel, die Werbung in der Gemeinde generell zurückzudrängen, sind damit ausgeschlossen (vgl.
OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26.3.2003 - 7 A 1002/01 - BauR 2004, 73; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v.
22.9.1988 - 1 A 82/86 - BRS 48 Nr. 111). Ob § 1 OBVS unter diesem Aspekt beanstandet werden kann, ist
gleichwohl fraglich, da sich der Geltungsbereich der Regelung entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts
nicht auf das gesamte Gemeindegebiet erstreckt, sondern sich der Sache nach auf Grundstücke beschränkt,
die sich in allgemeinen Wohngebieten, reinen Wohngebieten, Dorfgebieten und Gemengelagen befinden.
54 c) Die Frage kann jedoch dahin stehen, da § 1 Abs. 1 OBVS unabhängig davon jedenfalls insoweit nichtig ist,
als die Vorschrift ein generelles Verbot von großflächigen Werbeanlagen in Dorfgebieten und Gemengelagen
enthält.
55 Örtliche Bauvorschriften sind nach § 74 Abs. 1 LBO nur „im Rahmen dieses Gesetzes“ zulässig. Der
Gesetzgeber bringt damit die - an sich selbstverständliche - Einschränkung zum Ausdruck, dass örtliche
Bauvorschriften den gesetzlichen Regelungen nicht widersprechen und sich innerhalb der mit diesen
Regelungen verbundenen Ziele bewegen müssen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.8.1982 - 5 S 858/82 - VBlBW
1982, 179). Im vorliegenden Fall ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Landesbauordnung in §
11 Abs. 4 eine mit § 1 OBVS vergleichbare Regelung enthält, nach der in reinen Wohngebieten, allgemeinen
Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten nur für Anschläge bestimmte Werbeanlagen sowie Werbeanlagen
an der Stätte der Leistung zulässig sind. Werbeanlagen der Fremdwerbung sind danach in diesen
vorwiegend dem Wohnen dienenden Gebieten generell - und damit unabhängig von einer durch sie
verursachten verunstaltenden Wirkung des Straßen-, Orts- oder Landschaftsbilds im Einzelfall -
ausgeschlossen, da der Gesetzgeber sie in diesen Gebieten als grundsätzlich wesensfremd erachtet (vgl. die
Begründung für die Neufassung des § 11 Abs. 4 durch die LBO 1995, LT-Drs. 11/5337, S. 86). Dorfgebiete
rechnet der Landesgesetzgeber - im Unterschied zu der früheren Rechtslage - nicht zu den in diesem Sinn
geschützten Gebieten, da nach der geltenden Rechtslage in einem Dorfgebiet auch nicht wesentlich
störende Gewerbebetriebe zulässig seien und es sich deshalb nicht (mehr) um einen Gebietstypus handele,
dem Werbeanlagen im allgemeinen wesensfremd seien (LT-Drs. 11/5337, S. 86). Diese gesetzgeberische
Wertung schließt eine Ausweitung der Regelung durch eine auf § 74 Abs. 1 LBO gestützte örtliche
Bauvorschrift auf von der Regelung nicht erfasste Gebiete aus (ebenso: Schlotterbeck, in:
Schlotterbeck/Hager/Busch/Gammerl, LBO für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 11 Rn. 27).
56 Indem § 1 Abs. 1 OBVS das generelle, d.h. nicht von einer verunstaltenden Wirkung im Einzelfall abhängige
Verbot von (großflächigen) Werbeanlagen über die in § 11 Abs. 4 LBO genannten Gebiete auf Dorfgebiete
und Gemengelagen ausdehnt, steht er mithin im Widerspruch zu dieser Vorschrift. Die Satzungsregelung
wird damit insoweit nicht von § 74 Abs. 1 LBO gedeckt mit der Folge, dass sie jedenfalls insoweit nichtig ist.
57 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht keine
Veranlassung, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese im
Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt und damit kein Prozessrisiko auf sich genommen haben.
58 Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
59
Beschluss
60 Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 2 und 52
Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.1.2.3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
61 Der Beschluss ist unanfechtbar.