Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 16.04.2008

VGH Baden-Württemberg: bebauungsplan, grünfläche, grundstück, wohnhaus, gemeinderat, ablauf der frist, gartenbau, friedhof, bisherige nutzung, kindergarten

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 16.4.2008, 3 S 1771/07
Ausweisung der Freilandfläche eines Gartenbaubetriebs als private Grünfläche
Leitsätze
1. Die Ausweisung der Freilandfläche eines Gartenbaubetriebs als private Grünfläche mit der Zweckbestimmung Gartenbau ist jedenfalls dann nicht
mehr von § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB gedeckt, wenn die Fläche bis zu höchstens 50 % mit Gewächshäusern überbaut werden darf.
2. Eine Vereinbarung zwischen der Gemeinde und einem Bauantragsteller als Vorbedingung für die Erteilung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1
BauGB (hier: Verzicht auf bestimmte Nutzungen wegen künftiger Planvorstellungen) ist nichtig, wenn das Einvernehmen uneingeschränkt (hier nach
§ 34 Abs. 1 BauGB) erteilt werden müsste.
3. Zur Festsetzung eines Sondergebiets für betriebsbezogenes Wohnen neben einem Sondergebiet Gartenbau, um beide Betriebsteile zusammen
zu halten, wenn das Wohnhaus für unbeschränktes Wohnen genehmigt ist und Bestandsschutz genießt.
Tenor
Der Bebauungsplan „Erweiterung Bebauungsplan Breit-Eich“ der Gemeinde Ötigheim vom 02.08.2005 wird für unwirksam erklärt, soweit er sich auf
die Grundstücke Flurstücke Nrn. 6589/1 und 6638/1 des Antragstellers bezieht.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan „Erweiterung Bebauungsplan Breit-Eich“ der Antragsgegnerin vom 02.08.2005
(Satzungsbeschluss). Er ist Eigentümer der im Westen des Plangebiets liegenden und aneinander grenzenden Grundstücke Flst.-Nrn. 6589/1
und 6638/1. Auf dem Grundstück Flst.-Nr. 6589/1 (... ...) befinden sich die Betriebsgebäude der Erwerbsgärtnerei des Antragstellers, die 1985
genehmigt wurde. Das Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 wurde im Zuge von Grundstückstauschgeschäften des Antragstellers mit der Antragsgegnerin
und privaten Grundstückszukäufen im Jahre 1998 gebildet. In der nordwestlichen Ecke dieses Grundstücks errichtete der Antragsteller aufgrund
einer Baugenehmigung von 2001 ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen (... ...), in dem er mit seiner Familie lebt. Die Zufahrt soll danach, durch
Baulast gesichert, von der ... aus über einen 3 m breiten, auf dem Betriebsgrundstück angelegten Weg erfolgen. Der Gemeinderat der
Antragsgegnerin, bei der der Bauantrag am 21.06.2001 eingereicht worden war, hatte in der Sitzung vom 24.07.2001 gegen das Wohnhaus
keine grundsätzlichen Einwendungen erhoben, eine Entscheidung über das Einvernehmen aber im Hinblick auf zu klärende Fragen (Zuordnung
zum Gartenbaubetrieb) zurückgestellt. Am 20.09.2001 schlossen die Antragsgegnerin mit dem Antragsteller und seiner Ehefrau eine
Vereinbarung. Darin übernahmen letztere die Verpflichtung, das Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 nur mit einem Zweifamilien-Wohnhaus zu bebauen
und die Restfläche künftig ausschließlich der Erwerbsgärtnerei zu überlassen; eine „weitere Verringerung des Grundstück“ für Wohnbauzwecke
wurde „für alle Fälle“ ausgeschlossen (§ 2). Ferner verpflichteten sich die Eheleute ..., das Betriebsgrundstück Flst.-Nr. 6589/1 auch künftig nur
„zur Erwerbsgärtnerei in Verbindung mit Blumengeschäft und Gewächshäusern“ zu nutzen und jegliche Wohnbebauung auszuschließen sowie
dazu, die übernommenen Verpflichtungen durch Grunddienstbarkeit zu sichern, was bis heute nicht erfolgte. Im Hinblick auf diese Vereinbarung
hatte der Gemeinderat mit Beschluss vom 17.09.2001 sein „endgültiges Einvernehmen“ zu dem Wohnbauvorhaben erteilt.
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Das Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 ist im Übrigen unbebaut und wird gartenbaulich als Freilandfläche (Anbau von Koniferen und Schnittblumen)
genutzt Östlich der Grundstücke des Antragstellers liegt der Friedhof von Ötigheim (Grundstück Flst.-Nr. 6598), der im Osten und Süden von als
Park angelegten Grünflächen (Grundstücke Flst.-Nrn. 8225 und 8199) sowie im Norden vom Friedhofsparkplatz (Grundstück Flst.-Nr. 6599/1)
umgeben ist. Südlich des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 liegt - jenseits der Neuen Friedhofstraße - der 1998 erbaute örtliche Kindergarten.
Westlich des Plangebiets schließen Hausgärten und dahinter Wohnbebauung an (Bebauungsplan „Breit-Eich“, Festsetzung: WA). Auch südlich
und nördlich des Plangebiets erstrecken sich überplante Wohngebiete (Bebauungsplan „Steinäcker I“, Festsetzung: WR und WA, sowie
Bebauungsplan „Steinäcker II“, Festsetzung: WA). Zwischen dem Friedhof und der Erwerbsgärtnerei verläuft ein Fuß- und Radweg.
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Das bisher nicht überplante Plangebiet umfasst die eben beschriebenen Flächen einschließlich eines im Westen anschließenden
Hausgartenstreifens. Es grenzt im Norden an die ..., seinen östlichen Abschluss bildet die ..., die noch Bestandteil des Plangebiets ist. Der
Bebauungsplan setzt das Friedhofsgelände als öffentliche Grünfläche (ÖG 1) und den Bereich der Einsegnungshalle und Kapelle als
Gemeinbedarfsfläche fest. Auch die parkähnlich angelegten Flächen im Osten und Süden des Friedhofs werden als öffentliche Grünflächen (ÖG
2 „Nutzung Parkanlage“) ausgewiesen. Auf dem Grundstück Flst.-Nr. 6599/1 südlich der ... wird der bestehende Parkplatz nebst Verkehrsgrün
festgeschrieben. Für das Betriebsgrundstück Flst.-Nr. 6589/1 des Antragstellers setzt der Bebauungsplan ein Sondergebiet (SO 1) mit der
besonderen Zweckbestimmung „Sondergebiet Gartenbaubetrieb, Handel mit Pflanzen, Blumen und ähnlichen Produkten“ fest. Zulässig sind nur
bauliche Anlagen, Einrichtungen und Nutzungen, die dieser Zweckbestimmung dienen (Verkaufsräume, Gewächshäuser etc.). Weiterhin sind
jegliche Wohnnutzungen ausgeschlossen. Die überbaubare Grundstücksfläche wird durch ein großes, parallel zu den Grundstücksgrenzen
verlaufendes Baufenster festgelegt. Zum Maß der baulichen Nutzung werden eine maximale Grundfläche, Firsthöhe und Wandhöhe angeordnet.
Die Grundfläche darf bis zum Höchstwert von 0,6 überschritten werden. Die mit dem Wohnhaus des Antragstellers bebaute Teilfläche des
Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 wird ebenfalls als Sondergebiet (SO 2) ausgewiesen und ebenfalls mit Baugrenzen und Vorgaben zum
Nutzungsmaß versehen. Im SO 2 ist nur Wohnnutzung für Betriebsinhaber und Betriebsleiter sowie für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen
zulässig; diese Nutzung muss dem Gartenbaubetrieb zugeordnet sein (so Textteil). Zulässig sind maximal zwei Wohnungen. Der übrige Bereich
des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 wird als private Grünfläche (PG 2) ausgewiesen. Nach dem Textteil ist auf dieser Fläche Gartenbau zugelassen.
Als bauliche Anlagen sind nur Gewächshäuser mit einer maximalen Firsthöhe von 4,0 m zulässig. Die private Grünfläche Gartenbau darf zu
höchstens 50 % mit Gewächshäusern überbaut werden.
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Auf dem Kindergartengrundstück (Flst.-Nr. 6640) setzt der Bebauungsplan eine Gemeinbedarfsfläche „Kindergarten“ mit einem geräumigen
Baufenster fest. Die im Westen angrenzenden jeweils zu Wohngrundstücken gehörenden Hausgartenflächen werden ebenfalls als private
Grünflächen (PG 1, Hausgarten) ausgewiesen. Ferner werden durch örtliche Bauvorschriften die äußere Gestaltung der baulichen Anlagen
sowie die Gestaltung der Freiflächen auf den Baugrundstücken geregelt.
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Zweck des Bebauungsplans ist es nach der Begründung, die bestehende städtebauliche Freiraumsituation um den Friedhof zu sichern und im
Zusammenhang mit einer geordneten Bebauung festzuschreiben. Weitere Bebauung außer den vorhandenen bestandsgeschützten Gebäuden
soll, auch im Hinblick auf die Abstände nach dem Bestattungsgesetz, nicht zulässig sein. Die Erwerbsgärtnerei und der Kindergarten sollen
ausnahmsweise aus wirtschaftlichen Gründen bzw. aus Gründen der gemeindlichen Vorsorge die Möglichkeit erhalten, sich angemessen weiter
zu entwickeln. Erweiterungen des Gartenbaubetriebs sollen möglich, flächenmäßig aber begrenzt sein. Ansonsten soll die bestehende
Pufferzone zum angrenzenden Wohngebiet „Breit-Eich“ planerisch verfestigt werden. Das Wohnhaus auf dem Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 sei
ausnahmsweise auf Wunsch der Eigentümer für betriebliches Wohnen im Vorgriff auf den Bebauungsplan genehmigt worden.
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Im Flächennutzungsplan der Verwaltungsgemeinschaft Rastatt, zweite Änderung, von 1997 werden der Friedhof und die westlich angrenzende
Fläche als Grünfläche dargestellt; in der aktuellen dritten Änderung von 2006 sind die Darstellungen nachträglich an die Festsetzungen im
Bebauungsplan angepasst.
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Am 06.11.2001 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans. Die frühzeitige Bürgerbeteiligung fand
u.a. in Form einer Informationsveranstaltung am 10.02.2003, die Beteiligten der Träger öffentlicher Belange fand vom 12.02. bis 13.03.2003 statt.
Dabei machte die IHK Karlsruhe Bedenken hinsichtlich des Sondergebiets geltend, dessen Nutzungen zu eng an den bestehenden
Gärtnereibetrieb angebunden seien. Auch der Antragsteller erhob Einwendungen bezüglich der Einschränkung seines Eigentums und fehlender
wirtschaftlicher Entwicklungsmöglichkeiten. Am 20.01.2004 billigte der Gemeinderat einen geänderten Planentwurf und beschloss dessen
öffentliche Auslegung, die nach erfolgter öffentlicher Bekanntmachung vom 15.03. bis einschließlich 13.04.2004 im Rathaus der Antragsgegnerin
erfolgte. Auf Wunsch des Antragstellers wurden die Baufenster und die Grundfläche auf dem Betriebsgrundstück vergrößert. Die IHK Karlsruhe
wiederholte ihre Bedenken und auch der Antragsteller erhob wiederum Einwendungen. Am 26.04.2005 billigte der Gemeinderat den Planentwurf
und beschloss die erneute Offenlage und Anhörung der berührten Träger öffentlicher Belange. Der Beschluss wurde ortsüblich bekannt gemacht
und der Entwurf vom 09.05. bis einschließlich 10.06.2005 öffentlich ausgelegt. Die IHK hielt trotz Zugeständnissen ihre Forderung nach breiteren
Nutzungsmöglichkeiten im SO 1 und ihre Kritik an der Nutzungsbeschränkung in SO 2 aufrecht. Der Antragsteller wiederholte und vertiefte seine
bisherigen Einwendungen. Er machte zusammengefasst geltend, der Bebauungsplan greife erheblich in sein Grundeigentum ein mit dem Ziel,
ihm letztlich die Existenzgrundlage zu entziehen. Die geplanten Festsetzungen ließen eine Intensivierung der Nutzung nicht zu. Auf dem
Betriebsgrundstück sei im Wesentlichen nur der bisherige Bestand zulässig. Auf dem Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 sei eine Nutzung mit
Gewächshäusern zu nur 50 % und in den zulässigen Maßen unzureichend. Die Grünfläche könne nach einer Betriebsaufgabe praktisch nicht
mehr genutzt werden. Die Beschränkung der Wohnnutzung im SO 2 sei weder angezeigt noch erforderlich. Er habe hierfür unter
Verfahrensbeteiligung der Antragsgegnerin eine Baugenehmigung ohne jegliche Nutzungsbeschränkung für das Wohnhaus erhalten. Es sei
unzutreffend, dass ihm die Genehmigung im Vorgriff auf den Bebauungsplan und auf seinen Wunsch erteilt worden sei. Die Genehmigung sei
unabhängig vom Plan auf § 34 BauGB gestützt worden. Ohne den Bebauungsplan wäre auch eine Wohnbebauung entlang des genehmigten
Wohnhauses, wie sie in der Umgebung üblich sei, zulässig gewesen. Diese Bebauungsmöglichkeit solle mit ausreichenden Abständen zum
Friedhof erhalten bleiben.
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Am 02.08.2005 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin über die Bedenken und Anregungen, wobei er auch ausführlich zu den
einzelnen Einwendungen des Antragstellers Stellung bezog (Bl. 389 ff.). Anschließend beschloss der Gemeinderat den Bebauungsplan und die
örtlichen Bauvorschriften als Satzung. Der Beschluss wurde mit dem Inhalt des § 10 Abs. 3 BauGB am 25.08.2005 ortsüblich im
Gemeindeanzeiger Ötigheim sowie durch Anschlag bekannt gemacht, den Einwendern wurde das Prüfergebnis jeweils mitgeteilt.
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Am 31.07.2007 hat der Antragsteller ein Normenkontrollverfahren eingeleitet. Er wiederholt und vertieft im Wesentlichen seine Einwendungen im
Bebauungsplanverfahren. Das Verfahren sei von unsachlichen emotionalen Momenten mitgeprägt worden. Die Vereinbarung vom 20.09.2001
habe er nur unter Druck unterschreiben. Der Bürgermeister habe seinerzeit als Alternative in Aussicht gestellt, dass er dann 150.000,-- DM für die
Aufstellung eines Bebauungsplans bezahlen müsse. Nach Abschluss der Vereinbarung habe ihm der Bürgermeister noch weitere Entwürfe
übersandt, die er jedoch nicht unterschrieben habe. Wahres Motiv des Bebauungsplans sei es, seinen Betrieb zum Umzug in den Außenbereich
zu veranlassen. Mittlere Gärtnereien seiner Größenordnung könnten sich ohne Expansionsmöglichkeiten und Rentabilitätssteigerungen
wirtschaftlich nicht mehr halten. Hierfür reichten die im Bebauungsplan eröffneten Erweiterungsmöglichkeiten nicht aus. Die auf der Grünfläche
nur zulässigen kleinen Gewächshäuser mit 4,0 m Höhe auf 50 % der Fläche genügten nicht. Der Bebauungsplan trage auch dem Umstand einer
sinnvollen Nutzung nach späterer Betriebsaufgabe nicht Rechnung. Es werde jede andere Nutzung als diejenige als Gartenbaubetrieb verboten
und die Wohnfläche werde zwingend der Erwerbsgärtnerei zugeordnet. Unter diesen Umständen könne er später seine Grundstücke
wirtschaftlich nicht sinnvoll verwerten und müsse sein Familienheim aufgeben.
10 Der Antragsteller beantragt,
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den Bebauungsplan „Erweiterung Bebauungsplan Breit-Eich“ der Antragsgegnerin vom 02.08.2005 für unwirksam zu erklären.
12 Die Antragsgegnerin beantragt,
13
den Antrag abzuweisen.
14 Sie führt zusammengefasst aus: Der Antragsteller könne Fehler in der Begründung wegen Ablaufs der hierfür maßgeblichen Jahres-Frist der §§
214 Abs. 1 Nr. 3, 215 Abs. 2 Nr. 1 BauGB 1998 nicht mehr rügen. Im Übrigen sei der Bebauungsplan frei von Abwägungsfehlern. Der
Gemeinderat habe sich ausweislich der Unterlagen ausführlich mit allen Einwendungen des Antragstellers auseinandergesetzt und diese mit
den für die Planung sprechenden öffentlichen Belangen sachgerecht abgewogen. Das städtebauliche Konzept bestehe darin, in einem gewissen
Umkreis um den Friedhof keine Wohnbebauung, sondern nur öffentliche Anlagen (Kindergarten) bzw. „symbiotische“ Nutzungen wie die
Gärtnerei zuzulassen. Der Antragsteller habe die Grünfläche beim Tausch 1998 als „landwirtschaftliche Fläche“ erworben. Es sei konsequent
und notwendig, dem Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 keine 100%-ige Ausnutzbarkeit zuzuerkennen. Im SO 1 sei neben dem Gartenbaubetrieb eine
beachtliche gewerbliche Palette möglich und die Anlagen könnten auch beträchtlich erweitert werden. Zudem dürften auf der Grünfläche auch
Gewächshäuser in beachtlichem Umfang errichtet und die maximale GFZ in der Umgebung dürfe dabei sogar überschritten werden. Von einer
Existenzgefährdung durch die Planfestsetzungen beim Antragsteller könne nach alledem keine Rede sein. Mit der Beschränkung des SO 1 auf
Gartenbaubetriebe wolle man sicherstellen, dass auf dem Betriebsgrundstück keine nicht „friedhofsverträglichen“ Nutzungen aufgenommen
würden. Auch das SO 2 sei fehlerfrei festgesetzt worden. Das Wohnhaus des Antragstellers genieße Bestandsschutz, weil es als Wohnhaus
genehmigt worden sei. Der Bestandsschutz entfalle erst bei einer Nutzungsänderung oder bei erheblichen baulichen Veränderungen. Die
Antragsgegnerin hätte demnach auch das gesamte Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 als private Grünfläche ausweisen können. Die Festsetzung einer
Wohnbebauung im SO 2 belasse dem Antragsteller die Möglichkeit, sein Wohnhaus später zusammen mit dem Betrieb zu veräußern. Die
Ausweisung der privaten Grünfläche auf dem überwiegenden Teil des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 (PG 2) sei ebenfalls abwägungsfehlerfrei. Die
bisherige Nutzung als Freilandfläche werde festgeschrieben und dem währende des Verfahrens geäußerten Wunsch des Antragstellers,
Gewächshäuser bauen zu dürfen, sei entsprochen worden. Die Höhenbegrenzung der Gewächshäuser auf 4,0 m Firsthöhe diene dazu „die
Schaffung eines zusammenhängenden Gebiets ohne Bebauung weitestgehend zu erhalten“ und zugleich der wirtschaftlichen Existenz des
Antragstellers Raum zu geben. Die Gewächshäuser wirkten luftig und seien durchlässig. Dem Antragsteller sei bei einem Ausnutzungsanteil von
50 % - und damit einer „Grundflächenzahl“ von 0,5 - mehr zugestanden worden, als es die BauNVO vorsehe. Ein Gewächshausensemble in der
im Bebauungsplan zugelassenen Größenordnung könne „nicht mehr als untergeordnete Nebenanlage angesehen werden“. Das Grundstück
Flst.-Nr. 6638/1 sei bisher als Außenbereichsgrundstück nach § 35 BauGB zu beurteilen gewesen. Ein Bebauungszusammenhang nach
Nordosten fehle, das Friedhofsgelände stelle mangels optisch wahrnehmbarer und gewichtiger baulicher Anlagen keine „Bebauung“ i.S.v. § 34
Abs. 1 BauGB dar, die Friedhofskapelle sei nicht gebietsprägend. Die Bebauung ende damit westlich des Grundstücks mit den letzten Gebäuden
im Plangebiet „Breit-Eich“. Der Wohnbereich des Grundstücks habe trotz Bestandskraft der Baugenehmigung überplant werden dürfen. Die
Vereinbarung vom 20.09.2001 habe den Gemeinderat beeinflusst; dieser habe auf diese Vereinbarung vertraut, ihr Zustandekommen sei
maßgeblich für die Erteilung des Einvernehmens gewesen.
15 Wegen weiterer Einzelheiten nimmt der Senat auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Verfahrensakte
der Antragsgegnerin (1 Band) und die Baugenehmigungsakten (2 Bände) der Stadt Rastatt sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten und das
Ergebnis der mündlichen Verhandlung Bezug.
Entscheidungsgründe
A.
16 Der Antrag des Antragstellers ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO
erforderlichen Voraussetzungen sind erfüllt:
I.
17 Der Antragsteller hat seinen Antrag noch innerhalb der vorgeschriebenen Frist gestellt. Maßgeblich ist hierbei nach § 195 Abs. 7 VwGO die Frist
des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis Ende 2006 geltenden Fassung, da der Bebauungsplan vor dem 01.01.2007 bekannt gemacht worden ist.
Die Antragsfrist betrug nach dem BauGB 1998 zwei Jahre ab Bekanntgabe der Satzung. Da der Bebauungsplan vorliegend am 25.08.2005 im
Gemeindeanzeiger Ötigheim bekannt gemacht wurde und der Normenkontrollantrag am 31.07.2007 bei Gericht einging, ist die Frist gewahrt.
II.
18 Der Antragsteller ist auch antragsbefugt. Er kann geltend machen, durch den Bebauungsplan in seinen Rechten verletzt zu werden. Der
Antragsteller ist Eigentümer von zwei Grundstücken im Plangebiet. Der Bebauungsplan bestimmt mithin unmittelbar Inhalt und Schranken der
Nutzung seines Grundeigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG. Der Antragsteller wendet sich auch gegen Festsetzungen im Bebauungsplan, die
unmittelbar seine Grundstücke betreffen. Er beanstandet, dass die Nutzung des Betriebsgrundstücks Flst.-Nr. 6589/1 nach Art der baulichen
Nutzung auf ein Sondergebiet für Gartenbaubetriebe, Handel mit Pflanzen, Blumen u.ä. Produkte (SO 1) beschränkt wird und sonstige
Nutzungen, insbesondere Wohnnutzung, ausgeschlossen sind. Ferner greift der Antragsteller die ebenfalls eingeschränkte Nutzbarkeit des
Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 als lediglich private Grünfläche mit zu geringen Gewächshausgrößen und nur zum „betrieblichen Wohnen“ (SO 2)
an und rügt den Entzug bisher bestehender Bebauungsmöglichkeiten. Der Antragsteller trägt damit substantiiert Tatsachen vor, die es möglich
erscheinen lassen, dass er durch die Einschränkung der Bebaubarkeit seiner Grundstücke in seinem Grundeigentum verletzt ist (st. Rechtspr.,
vgl. etwa BVerwG, NK-Urteil vom 10.03.1998 - 4 CN 6.97 -, NVwZ 1998, 732) und eine solche Rechtsverletzung ist auch tatsächlich gegeben
(dazu nachfolgend B.).
III.
19 Schließlich kann dem Antragsteller das erforderliche Rechtsschutzinteresse auch insoweit nicht abgesprochen werden, als er den
Bebauungsplan in seinem gesamten räumlichen Geltungsbereich angreift. Zwar ist der Bebauungsplan hinsichtlich der Festsetzungen für die
Grundstücke des Antragstellers von den Festsetzungen für das übrige Plangebiet abtrennbar, weil letztere auch für sich betrachtet noch
städtebaulich sinnvoll sind und vom Gemeinderat im Zweifel auch isoliert in gleicher Weise so beschlossen worden wären, was dazu führt, dass
der Bebauungsplan nur für teilweise unwirksam zu erklären ist (dazu unten, zur Teilnichtigkeit vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22.01.2008 - 4 B
5.08 -, juris und vom 29.03.1993 - 4 NB 10.91 -, NVwZ 1994, 271 f.). Dieser Umstand der Teilbarkeit des Bebauungsplans „Erweiterung Breit-
Eich“ macht den Normenkontrollantrag aber nicht teilweise unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es vielmehr, dass ein
Antragsteller substantiiert geltend machen kann, durch den Bebauungsplan insgesamt in seinen Rechten verletzt zu werden. Er muss darüber
hinaus nicht auch noch darlegen, inwieweit sich die geltend gemachten Rechtsfehler nur partiell auf den Plan auswirken. Damit würden die
Anforderungen überspannt. Das Rechtsschutzinteresse entfällt ausnahmsweise nur dann, wenn ein Antragsteller ihn sachlich oder räumlich nicht
berührende Regelungen eines Bebauungsplans mit einbezieht, obwohl sich diese schon aufgrund vorläufiger Prüfung offensichtlich und damit
auch für ihn erkennbar als abtrennbare und selbständig lebensfähige Teile unter dem Dach eines einheitlichen Bebauungsplans darstellen (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 04.06.1991 - 4 NB 35.89 -, NVwZ 1992, 373). Von einer derart offensichtlichen Eigenständigkeit der Festsetzungen für
die Grundstücke des Antragstellers einerseits und der Festsetzungen für den Friedhof und dessen Umfeld andererseits kann hier aber nicht
ausgegangen werden. Denn die Regelungen für beide Planbereiche waren zumindest teilweise durch das gemeinsame Planziel verklammert,
die bestehenden Freiräume und „friedhofskonformen“ Nutzungsstrukturen zu erhalten und abzusichern.
B.
20 Der Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
21 Gegen die Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanverfahrens sind rechtserhebliche Bedenken nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich.
22 Der Senat geht ferner davon aus, dass der Bebauungsplan jedenfalls nicht in beachtlicher Weise gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2
Satz 1 BauGB verstößt. Zwar weichen die Festsetzungen im westlichen Plangebiet (Sondergebiet SO 2 und Gemeinbedarfsfläche für den
Kindergarten) teilweise von den Darstellungen des beim Satzungsbeschluss geltenden Flächennutzungsplans der Verwaltungsgemeinschaft
Rastatt (2. Änderung) von 1997 ab, der hier eine Grünfläche vorsieht. Diese Abweichung beeinträchtigt aber inhaltlich, vor allem aber räumlich
noch nicht die sich aus dem Flächennutzungsplan für das gesamte Gemeindegebiet ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung und
beeinflusst die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans nach § 214 Abs. 2 Nr. 3 BauGB damit nicht (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom
23.09.2002 - 5 S 2687/00 -, BauR 2003, 1001; BVerwG, Urteil vom 26.01.1999 - 4 CN 6.98 -, juris).
23 Des weiteren erscheint der Bebauungsplan unter Zurückstellung von Rechtszweifeln auch nach dem nur groben Maßstab des § 1 Abs. 3 BauGB
noch erforderlich, da der Plangeber mit ihm städtebaulich ableitbare Ziele verfolgt (Freihaltung des Friedhofsumfeldes, Beschränkung der
gewerblichen Nutzung sowie Ausschluss zusätzlicher Wohnbebauung aus Gründen der Ortsbilderhaltung und des Schutzes der Totenruhe,
Absicherung des Kindergartens für die sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung; Festlegung der Parkplätze für Friedhofsbesucher, Anlegung von
Längsparkplätzen und Haltebuchten an der ... aus Gründen des Verkehrs, Erhalt der Parkanlagen und Grünflächen zwecks
Landschaftsschutzes), wobei das Ziel einer Koppelung von Gartenbaubetrieb mit dem „betriebsbezogenen“ Wohnen auf dem Grundstück Flst.-
Nr. 6638/1 wegen des Bestandsschutzes der Baugenehmigung vom 30.10.2001 allerdings nur sehr eingeschränkt zu realisieren ist (dazu noch
unten).
24 Einer abschließenden Klärung dieser Fragen bedarf es jedoch nicht. Denn für die Festsetzung der privaten Grünfläche (PG 2) auf dem
Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 fehlt es an einer Rechtsgrundlage (dazu I.). Diese Festsetzung beruht ferner, ebenso wie die Einschränkung des
Sondergebiets SO 2 auf nur „betriebsbezogenes“ Wohnen, auf Abwägungsfehlern (dazu II.), die zur Unwirksamkeit auch der Reglungen für das
Betriebsgrundstück Flst.-Nr. 6589/1 führen, die Regelungen für das übrige Plangebiet aber unberührt lassen (dazu III.).
I.
25 Die als private Grünfläche „Gartenbau“ (PG 2) ausgewiesene Fläche auf dem Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 des Antragstellers ist nicht durch § 9
Abs. 1 Nr. 15 BauGB als Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Da die Antragsgegnerin ihr gesamtes Grünflächenkonzept (PG 1 und PG 2) nur auf §
9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB gestützt hat, erkennbar also durchweg „Grünflächen“ und nicht etwa sonstige Freihalteflächen festsetzen wollte, ist es dem
Senat verwehrt, eine Parallelprüfung anhand alternativ denkbare Rechtsgrundlagen vorzunehmen (etwa: § 9 Abs. 1 Nr. 10, Nr. 18 a oder Nr. 25
BauGB). Dies würde die Absichten des Gemeinderats verfälschen, der „Überlagerungen“ bzw. „Doppelungen“ mit anderen
Ermächtigungsnormen und deren Zielen ersichtlich nicht gewollt hat (zur Möglichkeit solcher „sich überlagernder“ Festsetzungen vgl. OVG NRW,
Urteil vom 17.12.1998 - 10a D 186/96.NE -, BRS 60 Nr. 21; BVerwG, Beschluss vom 24.04.1991 - 4 NB 24.90 -, NVwZ 1991, 877 ff; zur
Ausweisung einer privaten Grünanlage mit gleichzeitigem Bauverbot nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB vgl. auch VGH Bad.-Württ., NK-Urteil vom
24.11.1993 - 3 S 1631/91 -, VGHBW-Ls 1994, Beil. 4, B 10).
26 1. Bei Festsetzung einer Grünfläche muss außer der Bestimmung ihrer Privat- oder Gemeinnützigkeit eine Entscheidung über die
Zweckbestimmung getroffen werden. Der Verwendungszweck ist dabei im Regelfall bereits im Einzelnen anzugeben (vgl.
Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 57; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Bd. 1, § 9 Rdnr. 127 f). Hierbei ist der Begriff
„Grünfläche“ lediglich als Oberbegriff zu verstehen. Dieser reicht für eine Konkretisierung nur insoweit aus, als er die Anlage, Unterhaltung und
„zweckfreie“ Nutzung einer lediglich begrünten Fläche gestattet. Ist eine Anlage (auch) mit anderer Zweckbestimmung geplant, so muss diese
Zweckbestimmung, also der spezielle Nutzungszweck, konkret bezeichnet werden (BVerwG, Urteil vom 16.02.1973 - 4 C 66.69 -, NJW 1973, 588;
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 9 Rdnr. 128). Der spezielle Nutzungszweck darf sodann die Grenzen der Nutzungsart „Grünfläche“ nicht
überschreiten. „Grünflächen“ sind nur solche Flächen, die grundsätzlich frei von Bebauung, insbesondere mit geschlossenen Gebäuden, sind
und die durch naturbelassene oder angelegte, mit Pflanzen bewachsene oder zumindest dem Aufenthalt im Freien dienende Flächen geprägt
werden (so zutreffend Sächs. OVG, Beschluss vom 05.03.2002 - 1 D 18/00 -, Sächs.VBl. 2002, 245 ff. m.w.N.). Aus dieser Umschreibung folgt,
dass bauliche Anlagen und sonstige Einrichtungen, die der Zweckbestimmung der jeweiligen Grünfläche dienen, zwar nicht völlig
ausgeschlossen sind. Sie dürfen bei einer Gesamtbetrachtung jedoch nur von untergeordneter Bedeutung sein. Festsetzungen, die eine
Bebauung ermöglichen, welche den Charakter einer Grünfläche maßgeblich prägt und damit verfälscht, scheiden damit aus (so zutreffend auch
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 9 Rdnr. 124). Für das Verhältnis der Hauptnutzung (freigehaltene Grünfläche) zu den erlaubten baulichen
Anlagen kann dabei auf die Abgrenzungskriterien des § 14 Abs. 1 BauNVO zurückgegriffen werden. Die baulichen Anlagen dürfen den Rang
„untergeordneter Nebenanlagen“ nicht überschreiten, d.h. sie müssen der Grünflächennutzung räumlich und funktional zu- und untergeordnet
sein (zu diesen Kriterien vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 14 Rdnr. 3 m.w.N.). In diesem Zusammenhang muss auch stets geprüft
werden, ob der Plangeber in Wirklichkeit nicht eine andere Regelungsmaterie aus dem Katalog des § 9 Abs. 1 BauGB „im Gewand“ einer
Grünflächenplanung umsetzen will. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB ermächtigt nämlich nicht zur Festsetzung teilweise „begrünter“ Flächen, die im
Schwerpunkt jedoch einen anderen Zweck verfolgen (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 9 Rdnr. 122). Insbesondere ist dabei die Abgrenzung
zwischen einer Grünfläche und einem „begrünten“ Sondergebiet in den Blick zu nehmen.
27 2. Gemessen daran sind die Festsetzungen zu der privaten Grünfläche PG 2 auf dem Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 des Antragstellers mit § 9 Abs.
1 Nr. 15 BauGB nicht vereinbar.
28 a) Zwar dürften die Festsetzungen hinreichend bestimmt sein. Als besondere Zweckbestimmung (spezieller Nutzungszweck) ist die Nutzung
„Gartenbau“ angegeben (vgl. Einschrieb im Plan sowie Überschrift in 1.1.2 des Textteils). Im Textteil heißt es ergänzend, dass „Gartenbau
zugelassen“ ist. Damit wird klargestellt, dass das Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 wie bisher als eine dem Betrieb des Antragstellers dienende
Freilandfläche zum Anpflanzen von Zier- und Nutzpflanzen genutzt werden darf. Insoweit dürfte es sich wohl noch um eine - weil von baulichen
Anlagen freie und durchgehend bepflanzte - „Grünfläche“ handeln. Der Umstand, dass es sich um keine „wertfreie“ auf optisch-landschaftliche
Reize ausgerichtete Fläche, sondern um eine der Gewinnerzielung dienende „Begrünung“ handelt, dürfte für die hier gebotene objektiv-
städtebauliche Bewertung nicht entscheidend sein; dies zeigt auch die Erwähnung von Zeltplätzen im Beispielskatalog des § 9 Abs. 1 Nr. 15
BauGB, die sowohl gemeinnützig als auch gewerblich geführt werden können (in diesem Sinne auch BayVGH, NK-Urteil vom 04.05.1998 - 15 N
96.2535 -, juris).
29 b) Einer abschließenden Beurteilung, welche Rechtsqualität eine in den Betrieb integrierte Freilandfläche ohne weitere Nutzungsmöglichkeiten
hätte, bedarf es indessen nicht. Denn der Bebauungsplan lässt es zu, dass die gesamte „private Grünfläche Gartenbau zu max. 50 % mit
Gewächshäusern überbaut werden darf“. Nach dem Plan dürfen damit Gewächshäuser an beliebiger Stelle und in unterschiedlicher Größe,
wenn auch nur mit einer Firsthöhe bis zu 4 m, errichtet werden und diese Gebäude (zum Begriff vgl. § 2 Abs. 2 LBO) dürfen den als Grünfläche
festgesetzten Teil des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 (PG 2) bis zur Hälfte überdecken. Die hälftige Überbauungsmöglichkeit dürfte sich, ohne dass
dies letztlich ausschlaggebend ist, auf die Gesamtfläche des Grundstücks beziehen („große“ Ausnutzbarkeit). Hätte der Satzungsgeber nur auf
die tatsächlich bebaubare - kleinere - Fläche als Berechnungsgrundlage abstellen wollen (etwa: Abzug des 10 m - Freihaltestreifens nach § 8
Abs. 1 BestattG, „kleine“ Ausnutzbarkeit), hätte diese Einschränkung im Text zum Ausdruck kommen müssen. Damit lässt es der Bebauungsplan
wohl zu, dass auf dem ca. 3.060 qm großen Grünflächenareal Gewächshäuser mit einer Grundfläche bis zu ca. 1.530 qm erstellt werden dürfen.
Dies bedeutet, dass das Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 bei Ausnutzung aller Möglichkeiten sehr dicht bebaut werden kann. Von einer nach dem
räumlich-optischen Erscheinungsbild nur unwesentlichen oder gar untergeordneten Bebauung kann bei dieser Größenordnung und Dichte nicht
mehr die Rede sein. Auch bei der nur „kleinen“ Ausnutzbarkeit würden die Gewächshäuser den Umfang von gegenüber der Hauptnutzung
„Grünfläche“ untergeordneten Nebenanlagen bei weitem überschreiten. Dies räumt auch die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung ein. Für
das quantitativ prägende Gewicht der zugelassenen Bebauung mit Gewächshäusern spricht ferner, dass damit (Grundflächenzahl von 0,5)
verdichteter gebaut werden darf als es die BauNVO für die umgebenden Wohngebiete vorsieht. Die gebotene optisch-räumliche Unterordnung
der Gewächshäuser wird auch nicht dadurch hergestellt, dass diese im First „nur“ 4 m hoch sein dürfen und nicht gemauert, sondern aus
durchsichtigem Glas gefertigt sind. Es sind und bleiben oberirdische, raumgreifende Anlagen, die sich auch dann gegenüber den grünen
Freiflächen optisch und funktional in den Vordergrund drängen. Zwar „passen“ die Gewächshäuser funktional zur Zweckbestimmung
„Gartenbau“. Bei der hier zulässigen Massierung gewinnt aber eine andere Zweckbestimmung die Oberhand. Entstehen wird in Wirklichkeit
keine „Grünfläche Gartenbau“ (mehr), sondern stattdessen ein „begrüntes“ Sondergebiet für Gewächshäuser und Freilandflächen. Dieses
überschreitet die Bandbreite des § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB jedoch deutlich und könnte nur auf Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 11
Abs. 1 BauNVO festgesetzt werden (zur Wandlung einer Grünfläche in eine als Sondergebiet zu qualifizierende „grüne“ gewerbliche
Ausstellungsfläche vgl. auch Niedersächs. OVG, Urteil vom 30.10.1986 - 6 C 20/85 -, BRS 46 Nr. 23). Mit den in einem Sondergebiet verfügbaren
rechtlichen Instrumentarien könnten die von der Antragsgegnerin mit der „Grünfläche“ verbundenen Planziele auch sachgerecht und differenziert
umgesetzt werden; die Lage und Dichte der Bebauung mit Gewächshäusern ließe sich differenziert über Regelungen zum Maß (GRZ,
Grundfläche) und zur überbaubaren Grundstücksfläche (Baufenster) regeln.
II.
30 Bei der Festsetzung der privaten Grünfläche PG 2 und des Sondergebiets SO 2 (betriebsbezogenes Wohnen “Gartenbau“) auf dem Grundstück
Flst.-Nr. 6638/1 sind der Antragsgegnerin zudem in mehrfacher Hinsicht Abwägungsfehler unterlaufen. Der Bebauungsplan verstößt insofern
gegen § 1 Abs. 6 BauGB 1998 (= § 1 Abs. 7 BauGB n.F.). Danach sind bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die einschlägigen öffentlichen
und privaten Belange gerecht gegeneinander und untereinander abzuwägen. Die gerichtliche Kontrolle dieser von der Gemeinde
vorzunehmenden Abwägung hat sich nach ständiger Rechtsprechung (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 05.07.1974 - 4 C 50.72 -, BVerwGE 45,
309) auf die Prüfung zu beschränken, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat (kein Abwägungsausfall, keine fehlende
Abwägungsbereitschaft), ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge eingestellt werden musste (kein
Abwägungsdefizit), ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist (keine tatsächliche oder
rechtliche Fehlbeurteilung) und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange in einer Weise
vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht (keine Abwägungsdisproportionalität).
Hat die Gemeinde diese Anforderungen beachtet, wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der Abwägung der
verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl.
BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 - 4 C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 und vom 05.07.1974, a.a.O.). Die genannten Anforderungen beziehen sich
sowohl auf den Abwägungsvorgang als auch auf das Abwägungsergebnis. Dabei ist gem. § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB auf die Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan abzustellen.
31 Diesen Anforderungen wird der Bebauungsplan schon im Abwägungsvorgang nicht gerecht. Der Gemeinderat der Antragsgegnerin hat die
Ausgangslage bei Festsetzung der privaten Grünfläche und bei der Beschränkung im SO 2 auf (nur) betriebsbezogenes Wohnen in mehrfacher
Hinsicht rechtlich unzutreffend und infolgedessen auch unvollständig beurteilt.
32 1. Der Gemeinderat der Antragsgegnerin ist davon ausgegangen, das Wohnhaus auf dem Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 sei ausnahmsweise „auf
besonderen Wunsch“ der Grundstückseigentümer bzw. als „besonderes Zugeständnis“ an diese und „im Vorgriff auf diesen Bebauungsplan“
genehmigt worden (Begründung S. 4; Stellungnahme zu Bedenken und Anregungen S. 2). Dieser auch vom Antragsteller gerügte Ansatz ist nicht
zutreffend. Tatsächlich war die Baugenehmigung vom 30.10.2001 für das Wohnhaus völlig unabhängig vom späteren Bebauungsplan. Sie war
mit diesem weder verfahrens- noch materiellrechtlich verknüpft. Die Voraussetzungen einer „vorgezogenen“ Baugenehmigung nach § 33 BauGB
lagen nicht vor. Weder war die formelle Planreife nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erreicht noch hatten die Bauherrn eine den Planvorstellungen
entsprechende eingeschränkte „betriebliche“ Nutzung anerkannt (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB). Die Baugenehmigung wurde von der Stadt Rastatt
vielmehr unabhängig vom späteren Bebauungsplan „nach § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch“ erteilt, weil sie zu Recht von einer Innenbereichslage des
Baugrundstücks (Nordwestecke des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1) ausging. Ausweislich der vorliegenden Pläne und Fotos haben dieses
Baugrundstück und (jedenfalls) der sich nach Süden anschließende vordere Teil des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 teil am
Bebauungszusammenhang mit der vorhandenen Bebauung im Norden (Betriebsgebäude der Gärtnerei) und im Westen (Wohnhäuser des
Plangebiets „Breit-Eich“); der Bebauungszusammenhang endet hier nicht mit den jeweils letzten Gebäuden dieser Bestandsbebauung. Nach
Süden hin ist das Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 noch in den Bebauungszusammenhang mit dem Kindergartengebäude Grundstücks Flst.-Nr.
6638/1 eingebettet. Dieses 1998 genehmigte Gebäude prägt in seinen Dimensionen und seiner Lage den Bereich zwischen dem westlich
anschließenden Wohngebiet „Breit-Eich“ und dem südlich angrenzenden Wohngebiet „Steinäcker I“ maßgeblich. Diese Prägung strahlt nach
Norden aus und schlägt eine Brücke über die Neue Friedhofsstraße hinweg in Richtung Gartenbetrieb und Wohnhaus des Antragstellers. Die in
der Flucht zwischen Kindergarten und Wohnhaus des Antragstellers liegenden Freiflächen von ca. 50 m Breite ( = 2 bis 3 Bauplätze) stellten sich
bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans als Baulücken dar, auf denen Wohnbebauung zulässig war. Auch die Erschließung war gesichert
(Neue Friedhofstraße einerseits, durch Baulast gesicherter Weg über das Betriebsgrundstück des Antragstellers andererseits) oder hätte
gesichert werden können. Davon sind auch die Baugenehmigungsbehörde und wohl auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe in einem
Abgabenrechtsstreit zwischen den Eheleuten ... und der Antragsgegnerin (3 K 3020/03) ausgegangen, wie der am 07.04.2005 geschlossene
Vergleich zeigt (vgl. Bl. 94/95 der Baugenehmigungsakten). Auch die Verwaltung der Antragsgegnerin ist von der Innenbereichsqualität des
Baugrundstücks und von der Zulässigkeit von Wohnbebauung ausgegangen (vgl. Vorlage TOP 1, 2 für die Sitzung des Bau- und
Planungsausschusses am 17.07.2001). Auf sich beruhen kann die Frage, ob das Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 zusätzlich auch von Osten her am
Bebauungszusammenhang mit dem Baugebiet „Steinäcker II“ teilhat oder ob der dazwischen liegende Friedhof mangels städtebaulich relevanter
„Bebauung“ für einen solchen Brückenschlag ungeeignet ist (so teilweise die Rechtsprechung zu Friedhöfen in - hier nicht gegebener -
Ortsrandlage, vgl. etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.12.2004 - 1 A 11591/04 -, BauR 2005, 586 ff.).
33 Nach all dem hatte der Antragsteller, da sich das Wohnhaus nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren
Grundstücksfläche in die Umgebungsbebauung einfügte, seinerzeit einen Anspruch auf uneingeschränkte Genehmigung des Wohnhauses im
heutigen SO 2 nach § 34 Abs. 1 BauGB. So sah es auch die Stadt Rastatt und hat demgemäß von einer Nutzungsbeschränkung auf nur
„betriebsbezogenes“ Wohnen abgesehen. Eine derartige Beschränkung ist nur in Gebieten zulässig oder geboten, die prägende Merkmale eines
Gewerbe- oder Industriegebiets aufweisen (vgl. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1 und 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO). Die Baugenehmigung vom 30.10.2001 beruhte
daher nicht auf „Zugeständnissen“ an den Antragsteller, sondern musste nach § 58 Abs. 1 LBO kraft Gesetzes erteilt werden. Darüber hinaus
besaßen zumindest die südlich an das SO 2 anschließenden Teilflächen des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 bis zum Inkrafttreten des
Bebauungsplans Baulandqualität. Beide Umstände, die der Antragsteller im Verfahren auch geltend gemacht hat, hat der Gemeinderat verkannt.
Er hat mithin die Ausgangslage für das Sondergebietskonzept falsch eingeschätzt und die Folgen der Grünflächenausweisung für das
Grundeigentum des Antragstellers (Entzug von Bauland) nicht mit dem gebührenden Gewicht in die Abwägung eingestellt.
34 2. Der Gemeinderat durfte die nachteiligen Auswirkungen des Bebauungsplans auf die Bebaubarkeit des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 auch nicht
etwa deswegen aus der Abwägung ausblenden, weil sich die Eheleute ... in der Vereinbarung vom 20.09.2001 u.a. verpflichtet hatten, dieses
Grundstück nur mit einem - dem später genehmigten - Wohnhaus zu bebauen und jegliche „weitere Verringerung des Grundstücks zum Zwecke
der Wohnbebauung“ auszuschließen.
35 a) Es ist bereits fraglich, ob die Antragsgegnerin diese Vereinbarung seinerzeit selbst als verbindlich ansah und sie durchsetzen wollte. Denn
zum Einen hat sie bis heute nicht auf Sicherung der Zusagen der Eheleute ... durch Grunddienstbarkeit gedrängt und zum Anderen hat der
Bürgermeister in der Folgezeit im Zuge von Nachverhandlungen den Eheleuten ... zwei teilweise geänderte Vertragsentwürfe angeboten (vgl. die
vom Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vorgelegen Unterlagen).
36 b) Jedenfalls ist die Vereinbarung vom 20.09.2001 jedoch nach § 59 Abs. 1 Nr. 4 LVwVfG nichtig. Diese Vorschrift ist anwendbar, da es sich bei
der Vereinbarung vom 20.09.2001 nach ihrem Inhalt - unabhängig von den subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien - um einen öffentlich-
rechtlichen Vertrag handelte. Die Vereinbarung bezog sich auf Gegenstände, die in Normen des öffentlichen Rechts geregelt sind. Sie stand in
unmittelbarem Zusammenhang mit dem nach § 36 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB für die Erteilung der Baugenehmigung des Wohnhauses
erforderlichen gemeindlichen Einvernehmens. Dies ergibt sich aus dem zeitlichen Ablauf und der Behandlung der Vereinbarung im Gemeinderat
der Antragsgegnerin. Der Gemeinderat hatte in der Sitzung am 24.07.2001 zunächst zwar sein grundsätzliches Einverständnis zu dem
beantragten Wohnhausneubau erklärt. Er stellte eine endgültige Entscheidung aber zurück, um gegen den Bauantrag aufgekommene Bedenken
von Gemeinderatsmitgliedern mit dem Antragsteller zu klären (vgl. Sitzungsprotokoll, S.15 f.). Nachdem in den folgenden Wochen der Inhalt der
„Vereinbarung über die künftige Gesamtnutzung des Grundstücks für die Erwerbsgärtnerei und für Wohnbauzwecke“ festgelegt war, stimmte der
Gemeinderat in der Sitzung am 17.09.2001 dem Wohnbauvorhaben endgültig zu (vgl. Sitzungsprotokoll).
37 Die Vereinbarung vom 20.09.2001 mit ihrem am 17.09.2001 feststehenden Inhalt war aus Sicht der Antragsgegnerin mithin eine Gegenleistung,
jedenfalls aber eine „Bedingung“ für die Erteilung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB. Die in §§ 2 und 3 übernommenen
Verpflichtungen der Eheleute ... wurden vom Gemeinderat mit anderen Worten für erforderlich und gerechtfertigt gehalten, um einer positiven
Einvernehmenserteilung entgegenstehende Hindernisse auszuräumen (zu einem solchen Vertrag im Rahmen des § 36 BauGB vgl. auch
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 54 Rn. 34). Diese öffentlichrechtliche „causa“ der Vereinbarung (zu diesem Begriff siehe auch
Kopp/Ramsauer, a.a.O.) war auch den Eheleuten ... bewusst und ist damit gemeinsame Vertragsgrundlage geworden. Die Vereinbarung vom
20.09.2001 ist damit als öffentlich-rechtlicher Austauschvertrag nach §§ 54 Satz 1, 56 LVwVfG zu qualifizieren. Die „Leistung“ der
Antragsgegnerin bestand darin, den Weg für die Erteilung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB frei zu machen, als „Gegenleistung“
verpflichteten sich die Eheleute ..., das Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 nur mit dem zu genehmigende Wohnhaus zu bebauen und es im Übrigen
unter Verzicht auf weitere Wohnbebauung nur erwerbsgärtnerisch zu nutzen (§ 2). Auch bezüglich der Nutzung des Betriebsgrundstücks Flst.-Nr.
6589/1 gingen die Eheleute ... erhebliche Verpflichtungen ein, indem sie sich bereit erklärten, es im Wesentlichen nur im bisherigen Umfang
gewerblich zu verwenden und von jeglicher Wohnbebauung abzusehen (§ 3).
38 c) Mit diesem Inhalt hat die Vereinbarung keinen rechtlichen Bestand. Sie ist nach § 59 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG nichtig, weil sich die
Antragsgegnerin eine nach § 56 LVwVfG unzulässige Gegenleistung hat zusagen lassen. Vieles spricht dafür, dass die den Eheleuten ...
abverlangten erheblichen Nutzungseinschränkungen beider Grundstücke schon nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG unzulässig waren, weil sie den
Umständen gemäß Unangemessenes verlangten und - jedenfalls bezüglich der Verzichtsregelungen für das Betriebsgrundstück Flst.-Nr. 6589/1
- in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Zustimmung zum Wohnhaus auf dem Nachbargrundstück standen. Jedenfalls erfüllten die von
den Eheleuten ... als „Gegenleistung“ verlangten Nutzungsverzichte aber die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 LVwVfG. Denn auf die Erteilung
des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB hatten die Bauherrn, wie dargelegt, einen uneingeschränkten Anspruch. Der
Gemeinderat hätte daher sein Einvernehmen auch ohne Vorbedingungen erteilen müssen. Die Mitwirkung der Gemeinde im
Baugenehmigungsverfahren nach § 36 Abs. 1 BauGB beruht zwar auf der kommunalen Planungshoheit. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der
Gemeinde dabei ein Ermessen oder eine sonstige Entscheidungsfreiheit zusteht, wie § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB ausdrücklich klarstellt.
Insbesondere ist es der Gemeinde, was die Antragsgegnerin hier wohl verkannt hat, verwehrt, ihr Einvernehmen deswegen zu versagen oder
von Änderungen eines Vorhabens abhängig zu mache, weil dieses ihren Planungsvorstellungen nicht entspricht (vgl. dazu etwa BVerwG,
Beschluss vom 17.06.2003 - 4 B 14.03 -, ZfBR 2003, 695; Roeser in Berliner Komm. zum BauGB, § 36 Rn. 13; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB,
9. Aufl. § 36 Rn 12 m.w.N.).
39 3. Die Vereinbarung vom 20.09.2001 war darüber hinaus auch aus einem zweiten (zusätzlichen) Grund für das Einvernehmen der Gemeinde
rechtlich bedeutungslos. Dies ergibt sich aus der Fiktionsvorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB, wonach das gemeindliche Einvernehmen als
erteilt gilt, wenn es nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Bauantrags bei der Gemeinde verweigert wird. Vorliegend wurde der
Bauantrag am 21.06.2001 entsprechend dem nach § 52 LBO im Land Baden-Württemberg vorgeschriebenen Verfahren bei der Gemeinde
eingereicht. An diesem Tag begann die Einvernehmensfrist zu laufen und endete nach § 31 LVwVfG i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am
21.08.2001. Bis zu diesem Tag war der Baurechtsbehörde, der Stadt Rastatt, keine Erklärung der Antragsgegnerin zugegangen, dass das
Einvernehmen versagt werde. Eine Erklärung dieses Inhalts hat der Bürgermeister der Antragsgegnerin erst unter dem 01.10.2001 (Eingang am
02.10.2001) - und damit verspätet - abgegeben, wobei anzumerken ist, dass diese Erklärung der innergemeindlichen Beschlusslage
widersprach, da der Gemeinderat, wie dargelegt, bereits in seiner Sitzung am 27.09. 2001 einstimmig sein Einvernehmen erklärt hatte.
40 Für den Ablauf der Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB unerheblich ist, ob die bei der Gemeinde eingereichten Bauvorlagen von
Anfang an vollständig waren, was wohl zu verneinen ist (vgl. Schreiben der Stadt Rastatt an den Antragsteller vom 03.07.2001, Bl. 30 der
Baugenehmigungsakte). Zwar will der Gesetzgeber mit dem Einvernehmenserfordernis in § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB den Gemeinden eine
Entscheidung auf der Grundlage planungsrechtlich vollständiger Antragsunterlagen ermöglichen. Die Gemeinde hat jedoch die Obliegenheit, im
Rahmen der ihr durch das Landesrecht eröffneten Möglichkeiten innerhalb der zweimonatigen Einvernehmensfrist gegenüber dem Bauherrn
oder der Baurechtsbehörde auf die Vervollständigung des Bauantrags hinzuwirken. Kommt sie dieser Mitwirkungslast nicht nach, gilt ihr
Einvernehmen auch bei Unvollständigkeit der Bauvorlagen nach Ablauf der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB als erteilt (zu all dem -
auf der Grundlage baden-württembergischen Landesrechts - BVerwG, Urteil vom 16.09.2004 - 4 C 7.03 -, NVwZ 2005, 213 ff.; anders noch VGH
Bad.-Württ. im zugrunde liegenden Urteil vom 07.02.2003 - 8 S 2563/02 -, ESVGH 53, 190 f. = BauR 2003, 625 ff. ). Eine derartige
Unvollständigkeitsrüge hat die Antragsgegnerin während der Zweimonatsfrist aber weder gegenüber dem Antragsteller noch gegenüber der
Baugenehmigungsbehörde erhoben. Sie muss sich daher an dem am 21.08.2001 erfolgten Fristablauf festhalten lassen. Sollte die Erklärung des
Bürgermeisters vom 01.10.2001 als Widerruf des fiktiven Einvernehmens zu verstehen sein, wäre sie mit diesem Inhalt unwirksam. Eine
nachträgliche Beseitigung der Rechtswirkungen der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB durch Widerruf, Rücknahme oder Anfechtung ist aus
Gründen der Rechtssicherheit ausgeschlossen (vgl. dazu bereits BVerwG, Urteil vom 12.12.1996 - 4 C 24.95 -, NVwZ 1997, 900 f.; OVG
Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.03.2002 - 1 M 6/02 -, NVwZ-RR 2002, 821 ff.).
41 4. Daraus, dass das Wohnhaus auf dem Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 in seiner genehmigten Nutzung zum „allgemeinen“ Wohnen sowohl
formellen als auch materiellen Bestandsschutz genießt, ergeben sich nachteilige Folgen für die Umsetzung des Planziels, dieses Wohnhaus
rechtlich und wirtschaftlich mit dem Gartenbaubetrieb zu verknüpfen. Auch mit diesem Umstand hat der Gemeinderat der Antragsgegnerin sich
bei der Abwägung nicht hinreichend auseinandergesetzt. Der Bestandsschutz dürfte noch auf längere Zeit fortbestehen, Anhaltspunkte für seine
Beendigung (hierfür wäre ein Austausch der schutzwürdigen Bausubstanz - Identitätswechsel - oder die Aufgabe der bisherigen Nutzung
erforderlich, vgl. im einzelnen Sauter, LBO, § 65 Rn.14a -14e) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies bedeutet nicht nur, dass der
Antragsteller mit seiner Familie auch bei einer Betriebsaufgabe oder -verpachtung im Wohnhaus verbleiben, sondern dieses jederzeit auch an
dritte Personen zur Wohnnutzung verkaufen könnte, die mit dem Betrieb in keinerlei Beziehung stehen. Denn der Bestandsschutz ist nicht
personengebunden, sondern steht als ein aus dem Eigentum fließendes Recht dem jeweiligen Eigentümer, also auch dem Rechtsnachfolger, zu
(Sauter a.a.O., Rn. 14e); gleichermaßen gehen die Rechte aus der Baugenehmigung nach § 58 Abs. 2 LBO auf den Rechtsnachfolger über.
Damit kann der angestrebte Verbund von Betrieb und Wohnhaus jedenfalls auf längere Zeit nicht gewährleistet werden.
III.
42 Die dargestellten Fehler im Abwägungsvorgang (Verkennung der uneingeschränkten Zulässigkeit des Wohnhauses nach § 34 Abs. 1 BauGB
und der Baulandqualität der übrigen vorderen Flächen des Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1, Nichtberücksichtigung bzw. Fehleinschätzung der
Rechtslage beim Einvernehmen, unzureichende Auseinandersetzung mit den Folgen des umfassenden Bestandsschutzes der Baugenehmigung
für die Verwirklichung der Planziele) sind auch nach § 214 Abs. 3 BauGB erheblich. Sie sind sowohl offensichtlich als auch in ihrer Gesamtheit
für das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Der Senat hat keinen Zweifel an der konkreten Möglichkeit dass der Gemeinderat bei
Vermeidung der rechtlichen Fehleinschätzungen und voller Berücksichtigung der privaten Eigentumsbelange des Antragstellers sowie in
Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Grünflächenfestsetzung eine andere, dem Antragsteller potenziell günstigere Entscheidung für das SO 1 auf
dem Betriebsgrundstück Flst.-Nr. 6589/1, für das SO 2 und die Frei(land)fläche auf dem Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 und bezüglich der
Verknüpfung beider Grundstücke getroffen oder dass er von einer Überplanung dieser Grundstücke möglicherweise überhaupt abgesehen hätte.
43 Darauf, ob die einschränkenden Festsetzungen auf den Grundstücken des Antragstellers sich (auf dem Hintergrund der oben dargelegten
rechtlichen Ausgangslage) im Ergebnis aufrecht erhalten ließen, ob sie insbesondere verhältnismäßig wären, kommt es für die Entscheidung des
Rechtsstreits nicht mehr an. Der Senat bemerkt gleichwohl, dass insoweit erhebliche Zweifel bestehen. Insbesondere dürfte das Planziel, den
Bereich um den Friedhof im bisherigen Umfang von Bebauung freizuhalten, es schwerlich rechtfertigen, dem Antragsteller die Bebauung des
Grundstücks Flst.-Nr. 6638/1 in der Flucht seines Wohnhauses vorzuenthalten. Denn auch wenn das Grundstück Flst.-Nr. 6638/1 „in erster Reihe“
bebaut wäre, wäre im Rücken der Bebauung noch ein Geländestreifen von ca. 25 m Tiefe frei, was in etwa der Tiefe der übrigen (öffentlichen)
Grünflächen auf der Süd- und Ostseite entspricht und immerhin noch das Zweieinhalbfache des Mindestabstands nach § 8 Abs. 1 BestattG von
10 m ausmacht. Zudem ist das „Freihaltekonzept“ auf der Westseite des Friedhofs durch das Gebäude des Kindergartens bereits deutlich
relativiert.
44 Die Unwirksamkeit der Festsetzungen für die Grundstücke des Antragstellers führt nicht auch zur Nichtigkeit der Festsetzungen des
Bebauungsplans auf den übrigen, im Wesentlichen im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden und öffentlichen bzw. Gemeinbedarfszwecken
gewidmeten Grundstücken. Diese Regelungen sind vom Plankonzept für den Gartenbaubetrieb und für das Wohnhaus des Antragstellers klar
abtrennbar und ergeben auch ohne diese Regelungen eine für sich sinnvolle städtebauliche Ordnung (Absicherung der öffentlichen Grünflächen
und Gemeinbedarfsanlagen, Erhalt des Parkplatzes, zeitgemäße Verschmälerung der ... mit gleichzeitiger Schaffung von Längsparkplätzen).
Auch das Ziel, die Gartenflächen im äußersten Westen des Plangebiets als Grünflächen (PG 1) zu erhalten, hat selbstständigen Bestand. Nach
dem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen - und von den Vertretern der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung
bestätigten - Willen hätte der Gemeinderat im Zweifel den Bebauungsplan für diese „Restgebiete“ mit gleichem Inhalt beschlossen (zu diesen
Voraussetzungen der Teilnichtigkeit vgl. zuletzt etwa BVerwG, Beschluss vom 22.01.2008 - 4 B 5.08 -, juris).
C.
45 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Aus den bereits oben bei Behandlung des Rechtsschutzinteresses genannten Gründen
besteht keine Veranlassung, dem Antragsteller im Hinblick auf die nur teilweise Plannichtigkeit einen Teil der Kosten aufzuerlegen, da er im
kostenrechtlichen Sinn nicht „unterlegen“ ist.
46 Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
47
Beschluss
48 Der Streitwert des Verfahrens wird gemäß §§ 52 Abs. 1 GKG endgültig auf 20.000,-- EUR festgesetzt (je Grundstück 10.000,-- EUR).
49 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.