Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 05.01.2010

VGH Baden-Württemberg: datum, zustellung, beweiskraft, klagefrist, behörde, urkunde, handschriftlich, rechtsberatung, name, original

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 5.1.2010, 12 S 14/10
Zum Vermerk des Zustellers auf dem Umschlag eines zuzustellenden Schriftstücks
Leitsätze
Für den Vermerk des Zustellers auf dem Umschlag eines zuzustellenden Schriftstücks genügt es, wenn sein Inhalt sich aus dem gegebenen
Zusammenhang für jeden ohne besondere Sorgfaltsanstrengungen ergibt.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 03. Dezember
2009 - 7 K 2329/09 - wird zurückgewiesen.
Gründe
1 Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers keine
Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 166 VwGO bietet, weil die am 18.6.2009 erhobene Klage unzulässig ist.
Die einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 und 2 VwGO ist mit dem 16.6.2009, einem Dienstag, abgelaufen. Das räumt zunächst auch die
Beschwerdebegründung ein, indem sie ausführt, dass der Widerspruchsbescheid vom 7.5.2009 „unstreitig“ dem Prozessbevollmächtigten des
Klägers ausweislich der bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde am 16.5.2009 zugestellt wurde. Sie meint jedoch, die Klagefrist habe
erst am 18.6.2009 geendet, weil der Vermerk der Zustellerin auf dem (gelben) Umschlag, in dem sich der Widerspruchsbescheid befand,
unleserlich gewesen sei. Deutlich erkennbar gewesen seien lediglich der Monat und das Jahr sowie der Name des Postboten. Das trifft so aber
nicht zu.
2 Vielmehr ist trotz des Umstandes, dass der Zustellungsvermerk auf dem Umschlag, den der Kläger im Original mit Schriftsatz vom 5.8.2009
vorgelegt hat, durch den Eingangsstempel der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten teilweise überdeckt wird, eindeutig eine „6“ als
Tagesangabe zu erkennen. Unklar kann allenfalls sein, ob davor eine weitere Ziffer von der Zustellerin handschriftlich eingetragen wurde, weil
sich genau an dieser Stelle das Kürzel „Kenntnisn“ des Kanzleistempels befindet. Schemenhaft ist immerhin aber ein Strich zu erkennen, der eine
„1“ andeutet. Dass es sich tatsächlich um eine „1“ handelt und das vollständige Datum deshalb „16.5.2009“ lautet, ergibt sich aber ohne jeden
Zweifel aus den ins Auge springenden Umständen. Denn auf den „06.5.2009“ kann das Datum nicht lauten, weil der Widerspruchsbescheid vom
7.5.2009 stammt. Ebenso ausgeschlossen ist der 26.5.2009, weil der Eingangsstempel der Kanzlei das Datum 18.5.2009 trägt. Der Vermerk der
Zustellerin gibt damit das Datum der Zustellung in Übereinstimmung mit der Postzustellungsurkunde in hinreichend erkennbarer Weise wieder.
Keinesfalls zutreffen kann dagegen die Annahme des Klägers, der Vermerk datiere auf den 18.5.2009.
3 Der Hinweis der Beschwerdebegründung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.12.1982 (- 5 C 98.80 - NJW 1983, 1076) geht fehl.
Denn in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall enthielt die Postzustellurkunde, der die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde
zukommt (vgl. die §§ 182 Abs. 1 Satz 2, 418 ZPO), keine eindeutige Eintragung über den Tag der Zustellung. Der Vermerk des Zustellers auf dem
Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks nach § 180 Satz 3 ZPO hat dagegen keine vergleichbare Beweiskraft, an ihn können deshalb nicht
dieselben Eindeutigkeitsanforderungen gestellt werden wie an eine Postzustellungsurkunde. Bei ihm genügt es, wenn sein Inhalt sich aus dem
gegebenen Zusammenhang für jeden ohne besondere Sorgfaltsanstrengungen ergibt. Dies ist vorliegend der Fall (s. o.). Im Übrigen ist der
vorwurfsvolle Hinweis in der Beschwerdebegründung, dass es Aufgabe des Beklagten sei, für eine ordnungsgemäße Zustellung zu sorgen, nicht
nachvollziehbar. Denn die Behörde hat alles für eine ordnungsgemäße Zustellung Erforderliche getan. Wenn für die Prozessbevollmächtigten des
Klägers Unklarheit herrschte, so ist dies ausschließlich darauf zurückzuführen, dass mit dem Eingangsstempel ihrer Kanzlei der
Zustellungsvermerk teilweise überdeckt wurde. Es oblag deshalb - wie das Verwaltungsgericht zutreffend bemerkt - diesen, eventuell bestehende
Zweifel zu beseitigen.
4 Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO); die Kosten des Beschwerdeverfahrens
werden nicht erstattet (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO).
5 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).