Urteil des OLG Zweibrücken vom 17.02.2011

OLG Zweibrücken: anhörung des kindes, elterliche sorge, form, kindeswohl, wein, quelle, jugendamt, eltern, datum

OLG
Zweibrücken
17.02.2011
6 WF 11/11
6 UF 14/11
Beschluss vom 17. Februar 2011
Aktenzeichen:
6 UF 14/11; 6 WF 11/11
1 F 385/10
Amtsgericht- Familiengericht -
Neustadt an der Weinstraße
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In der Familiensache
betreffend die Regelung der elterlichen Sorge für das Kind
A…-S… E…
an der weiter beteiligt sind:
1. der Vater A…
K…
Antragsgegner und Beschwerdeführer,
2. die Mutter C…
E…
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte : Rechtsanwältin M… M…, …, …,
3. das
Jugendamt der Stadtverwaltung N…
hier: Beschwerde
hat der 6. Zivilsenat – Familiensenat – des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Burger, die Richterin am Oberlandesgericht
Euskirchen und den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach
auf die Beschwerde des Vaters des Kindes und Antragsgegners vom
29. Dezember 2010, beim Amtsgericht eingegangen am 30. Dezember 2010,
gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Neustadt an der Weinstraße vom 8. Dezember
2010, dem Beschwerdeführer zugestellt am 21. Dezember 2010,
ohne mündliche Verhandlung am 17. Februar 2011
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird an das
Amtsgericht - Familiengericht – Neustadt an der Weinstraße zurückverwiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf
1.500 €.
5. Hinsichtlich der Beschwerde des Antragsgegners gegen die Festsetzung des
Verfahrenswertes in der angefochtenen Entscheidung ist eine Entscheidung des Beschwerdegerichts
nicht veranlasst. Das Beschwerdeverfahren ist insoweit gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe:
Das Amtsgericht - Familiengericht – Neustadt an der Weinstraße hat durch den angefochtenen Beschluss
die elterliche Sorge für das Kind A…-S… E… auf die Mutter allein übertragen, nachdem diese das
beantragt und der Vater dem Antrag zugestimmt hatte (§ 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Mit seiner form- und
fristgerecht eingelegten Beschwerde hat der Vater seine Zustimmung zur Übertragung der elterlichen
Sorge zurückgezogen.
Das zulässige Rechtsmittel führt zu einem vorläufigen Erfolg.
Der vom Antragsgegner erklärte Rückzug seiner Zustimmung zur Übertragung der Alleinsorge auf den
anderen Elternteil ist wirksam. Nach allgemeiner Auffassung kann die Erklärung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1
BGB auch noch im Beschwerdeverfahren nach §§ 58 ff. FamFG widerrufen werden (vgl. MK-BGB
§ 1671 Rn. 63; Schwab FamRZ 1998, 457, 461; s.a. BGH DAVorm 2000, 704), weil es sich auch hier um
eine Tatsacheninstanz handelt und das Verfahren - anders als bei der Rechtsbeschwerde (§ 72 FamFG) -
nicht auf die Prüfung von Rechtsfehlern beschränkt ist.
Der Senat hält es für angebracht, die nun erforderlich gewordene Prüfung, ob die von der Mutter des
Kindes begehrte Alleinsorge dem Kindeswohl am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB), dem
Familiengericht als der sachnäheren Instanz zu übertragen. Nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG darf eine solche
Aufhebung und Zurückverweisung vorgenommen werden, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges in
der Sache noch nicht entschieden hat. Gemeint sind hier zwar in erster Linie die Fälle, in denen das
Erstgericht einen gestellten Antrag für unzulässig hält oder die eigene Zuständigkeit verneint (vgl.
Bork/Jacoby/Schwab, FamFG § 69 Rn. 19). Aber auch der vorliegende Sachverhalt ist nicht anders zu
beurteilen, denn nach der in 1. Instanz gegebenen Situation war das Familiengericht grundsätzlich ohne
Richtigkeitskontrolle, Auswahlermessen oder Prüfung der Motive der Eltern an deren übereinstimmenden
Willen gebunden; es war lediglich die Einleitung eines Verfahrens nach § 1666 BGB zu erwägen (zum
Ganzen s. OLG Rostock FamRZ 1999, 1599; Palandt, BGB 70. Aufl. § 1671 Rn. 11), wofür aber in
vorliegendem Fall offensichtlich keine Anhaltspunkte bestanden.
Dagegen ist nunmehr gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Kindeswohl umfassend zu prüfen. In dieser
„Sache“ hat das Familiengericht bisher noch nicht entschieden. Die von ihm vorgenommene Anhörung
des Kindes hatte lediglich den damals übereinstimmenden Elternwillen zum Hintergrund. Die nunmehr zu
erwägenden Gründe des Kindeswohls, wie sie in der Stellungnahme des Jugendamts vom 10. Februar
2011 (Bl. 36 d.A.) Anklang finden, waren damals weder in dieser Form bekannt, noch mussten sie nach
dem oben Ausgeführten berücksichtigt werden.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG ist in einem solchen Fall ein
Zurückweisungsantrag eines Beteiligten nicht erforderlich (Zöller, ZPO 28. Aufl. § 69 FamFG Rn. 7);
möglicherweise ursprünglich abweichende Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. Schulte-
Bunert/Weinreich, FamFG 2. Aufl. § 69 Rn. 26) haben in der endgültigen Fassung keinen Ausdruck
gefunden. Von der Durchführung eines Termins im Beschwerdeverfahren ist abzusehen, da aus der Sicht
des Senats keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).
Der Senat hält es für insgesamt angemessen, dem Beschwerdeführer, der überzeugende Gründe für
seinen Sinneswandel nicht vorgebracht hat, mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten (§§
81, 84 FamFG). Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) besteht nicht.
Den Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren setzt der Senat gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 FamFG
auf 1.500 € fest, weil hier nicht die eigentliche Sorgerechtsregelung zu treffen ist, sondern lediglich
formale Fragen zu entscheiden sind. Hinsichtlich der Beschwerde des Antragsgegners gegen die
Festsetzung des Verfahrenswerts 1. Instanz stellt der Senat gemäß § 59 Abs. 1 S. 5, Abs. 3, § 57 Abs. 5 S.
2 FamGKG fest, dass eine Entscheidung in der Sache nicht veranlasst ist. Für die Sorgerechtsregelung
aufgrund übereinstimmenden Elternwillens hätte zwar gemäß § 45 Abs. 3 FamFG ebenfalls eine
Absenkung des Regelwertes von 3.000 € erwogen werden können (vgl. Schulte-Bunert/ Weinreich a.a.O.,
§ 45 FamGKG Rn. 4). Wegen § 31 Abs. 1 FamGKG wird aber nach Zurückverweisung der Sache ohnehin
über den Verfahrenswert des fortzuführenden ersten Rechtszuges neu zu befinden sein.
Burger Euskirchen Hengesbach