Urteil des OLG Zweibrücken vom 19.01.2011

OLG Zweibrücken: eltern, auflage, erbengemeinschaft, vermögensverwaltung, auszahlung, quelle, kindesvermögen, einverständnis, familienrecht, begriff

OLG
Zweibrücken
19.01.2011
7 W 64/10
Zum Begriff der aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Streitigkeit
Aktenzeichen:
7 W 64/10
4 O 162/10 LG Landau in der Pfalz
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Rechtsstreit
1. L… S…,
- Kläger und Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin …,
2. J… S…
- Kläger und Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin …
gegen
H… S…
- Beklagte und Beschwerdegegnerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …,
wegen: Auszahlung,
hier: Rechtswegverweisung, sofortige Beschwerde,
hat der 7. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am
LandgerichtPees als Einzelrichter
auf die am 09.12.2010 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Kläger gegen den ihnen am
29.11.2010 zugestellten Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der
Pfalz vom 22.11.2010
am 19.01.2011
beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Landau in der Pfalz vom 22.11.2010 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Landau in der Pfalz zurückverwiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 40.000,- € festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 17a Abs. 4 S. 3, Abs. 6 GVG i. V. m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO) hat
in der Sache Erfolg. Für die Klage ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet (§ 13 GVG). Es handelt
sich nicht um eine Familiensache i. S. v. § 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Der angefochtene, die
Rechtswegverweisung an das Familiengericht aussprechende Beschluss des Landgerichts vom 22.11.2010
war daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
Landgericht Landau in der Pfalz zurück zu verweisen (vgl. BGH NJW 1993, 470, 471;
Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 69. Auflage, § 17a GVG Rdnr. 18).
Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich beim Gegenstand der hier erhobenen Klage
nicht um aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Ansprüche und damit nicht um eine Familiensache
nach § 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG.
1.
§ 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG bezweckt, in Ergänzung zu den Zuständigkeiten des Familiengerichts in
Kindschaftssachen (§ 151 FamFG), auch Streitigkeiten über die zivilrechtlichen Ansprüche den
Familiengerichten zuzuweisen, die aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrühren (vgl. MünchKomm
ZPO/Erbarth, 3. Auflage, § 266 FamFG Rdnr. 127; Johannsen/Henrich/ Jaeger, Familienrecht, 5. Auflage, §
266 FamFG Rdnr. 16).
Das meint aber nicht alle denkbaren Ansprüche aus dem Eltern-Kind-Verhältnis in dem Sinn, dass alle
Streitigkeiten zwischen Eltern und - ggfs. erwachsenen - Kindern unabhängig vom Streitgegenstand schon
allein aufgrund dieses Verwandschaftsverhältnisses den Familiengerichten zugewiesen wären. Die
Ergänzungsvorschrift zielt vielmehr primär auf das Eltern-Kind-Verhältnis in seiner familienrechtlichen
Ausprägung (§§ 1616 ff., 1626 ff. BGB) ab. Das lässt sich zwar dem Wortlaut der Vorschrift nicht unbedingt
zwingend entnehmen, folgt aber aus ihrem erkennbaren Sinn. Denn nur für solche familienrechtlich
geprägten Ansprüche aus dem Eltern-Kind-Verhältnis macht die Zuweisung an die Familiengerichte
aufgrund von deren größerer Sachnähe Sinn, nicht hingegen bei sonstigen Streitigkeiten zwischen Eltern
und ihren Kindern über andere, etwa erbrechtliche oder vertragsrechtliche Ansprüche, mit deren rechtlichen
Fragestellungen sich die Familiengerichte ansonsten kaum zu befassen haben. Dementsprechend verlangt
§ 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG ("herrühren"), dass die Ansprüche in diesem - im vorstehenden Sinn begrenzten -
Eltern-Kind-Verhältnis ihre Grundlage haben. Ein bloßer Zusammenhang damit genügt nicht (MünchKomm
ZPO/Erbarth, a. a. O.; Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O.; Keidel/Giers, FamFG, 16. Auflage, § 266 Rdnr.
17). Nur wenn das der Fall ist, kommt es nicht darauf an, ob der Anspruch erst entstanden ist, als das Kind
bereits volljährig war (MünchKomm ZPO/ Erbarth, a. a. O.; Prütting/Helms/Heiter, FamFG, § 266 Rdnr. 57).
2.
Danach liegt hier keine aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Streitigkeit vor.
Die Kläger begehren die Auszahlung von Vermögen, das - zumindest faktisch, nach ihrem Vorbringen
aufgrund einer zumindest konkludent getroffenen Treuhandvereinbarung - von der Beklagten verwaltet
wurde. Unabhängig davon, ob sich ein entsprechender Auszahlungsanspruch aus einer
Treuhandabsprache oder - wie die Beklagte meint - allenfalls nach den Regeln über die
Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft ergeben kann, ist dieses Vermögen den Klägern erst mit dem
Tod ihres Vaters 1989 zugefallen und danach jedenfalls mit ihrem zunächst bestehenden Einverständnis in
der Verwaltung der Beklagten, ihrer Mutter, geblieben. Zum Zeitpunkt des Erbfalles waren die 1967 und
1969 geborenen Kläger längst volljährig.
Damit handelt es sich um rein vertragsrechtliche oder erbrechtliche Ansprüche, die nicht § 266 Abs. 1 Nr. 4
FamFG unterfallen.
Die Vorschrift erfasst zwar (Schadensersatz-) Ansprüche des Kindes gegen die Eltern aus der Verwaltung
des Kindesvermögens (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O.; Keidel/ Giers, a. a. O.; Prütting/Helms/Heiter,
a. a. O.). Das meint aber nur die gesetzlich den Eltern obliegende Sorge für das Kindesvermögen (§ 1626
Abs. 1 S. 2 BGB) oder zumindest damit in Zusammenhang stehende Ansprüche des Kindes. Nur bei diesen
macht die Zuweisung an die Familiengerichte wegen der familienrechtlichen Prägung dieser Ansprüche
(vgl. nur §§ 1626 Abs. 1 S. 2, 1638, 1643 - 1649, 1664 BGB) überhaupt Sinn. Diese familienrechtliche
Prägung besteht bei den hier in Rede stehenden Ansprüchen aus Vermögensverwaltung, die auf einer von
volljährigen Kindern rechtsgeschäftlich ihren Eltern eingeräumten Verwaltungsbefugnis oder auf der
Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft beruhen, nicht. Daran vermag der bloße Umstand, dass
Kinder regelmäßig ihren Eltern aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses eine entsprechende
Vermögensverwaltung übertragen werden, nichts zu ändern.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Im Beschwerdeverfahren nach § 17a Abs. 4 GVG ist
die Kostenentscheidung nach den Grundsätzen der §§ 91 ff. ZPO zu treffen (BGH NJW 1993, 2541, 2542).
Dabei sind die Kosten der erfolgreichen Beschwerde gemäß § 91 Abs. 1 ZPO dem Gegner aufzuerlegen
(OLG Rostock MDR 2009, 464, 465; OLG Schleswig MDR 2009, 1129, 1130 m. w. N.). Das gilt unabhängig
davon, ob der Gegner die Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt oder die
Zurückweisung der Beschwerde beantragt hat (OLG Schleswig a. a. O.).
Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren erachtet der Senat mit ca. 1/5 des Hauptsachestreitwertes als
angemessen (BGH NJW 1998, 909, 910: zwischen 1/5 und 1/3 des Hauptsachewertes).
Pees
Richter am Landgericht
.