Urteil des OLG Zweibrücken vom 20.01.2011

OLG Zweibrücken: heim, verpflegung, vergütung, mietvertrag, qualifikation, wohnraum, subsumtion, quelle, verfahrensökonomie, leistungsfähigkeit

Sonstiges
OLG
Zweibrücken
20.01.2011
3 W 124/09
Aktenzeichen:
3 W 124/09
1 T 82/09
LG Frankenthal (Pfalz)
8c XVII 867/92
AG Ludwigshafen am Rhein
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die mit verschiedenen Wirkungskreisen angeordnete Betreuung für
R....
H....
an dem beteiligt sind:
1. R... S.....,
Betreuer,
2. B..... e.V.,
Antragsteller, Beschwerdeführer und Gegner der weiteren Beschwerde
3. Staatskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Frankenthal (Pfalz),
Beschwerdegegnerin und Führerin der weiteren Beschwerde,
hier: Betreuervergütung,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Kestel, den Richter am Oberlandesgericht Kratz und die
Richterin am Oberlandesgericht Stutz
auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 8. Juli 2009
gegen den ihr am 29. Juni 2009 zugestellten Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal
(Pfalz) vom 19. Juni 2009
ohne mündliche Verhandlung
am 20. Januar 2011
beschlossen:
I.
II.
Beteiligten zu 2) im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen, außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III
G r ü n d e :
1. Auf das vorliegende Beschwerdeverfahren findet nach Art. 111 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Reform
des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit das FGG in
der bis zum 31.8.2009 gültigen Fassung Anwendung. Das Rechtsmittel der Staatskasse ist demnach in
verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 67a Abs. 5, 56g Abs. 5 FGG).
2. Die von dem Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist demnach statthaft (§§ 69e Satz
1, 56g Abs. 5 Satz 2 FGG) und auch im Übrigen förmlich nicht zu beanstanden (§§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 3,
Abs. 2 und 4, 20, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG). Die Beteiligte zu 3 ist beschwerdebefugt im Sinne des § 20
FGG.
3. In der Sache führt das Rechtsmittel jedoch nicht zum Erfolg. Die Kammer hat die dem Beteiligten zu 2)
nach §§ 1908i Abs. 1, 1836 ff. BGB, 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG zu bewilligende Vergütung rechtsfehlerfrei
festgesetzt. Zu Recht ist sie davon ausgegangen, dass die Vergütung sich im vorliegenden Fall nach den
Ansätzen für eine (ursprünglich) bemittelte Betreute, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem
Heim hat, bemisst (§ 5 Abs. 1 Satz 1 VBVG). Die für die Berechnung der Betreuervergütung hier
entscheidende Frage, ob die Betreute in einem Heim lebt, hat die Kammer zu Recht verneint. Im
Einzelnen gilt folgendes:
a) Heim im Sinne des Vergütungsrechts sind nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG Einrichtungen, die dem Zweck
dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung und
Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl
der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 VBVG i.V.m. § 1
Abs. 2 HeimG erfüllt dabei alleine die Tatsache, dass ein Vermieter von Wohnraum durch Verträge mit
Dritten oder auf andere Weise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten
werden, nicht die Voraussetzungen des Heimbegriffes. Dies gilt auch dann, wenn die Mieter vertraglich
verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und
Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete
von untergeordneter Bedeutung ist. Eine Einrichtung ist hingegen ein Heim im Sinne der Bestimmung,
wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von
bestimmten Anbietern anzunehmen.
b) Bei der durch Subsumtion unter die vorstehenden Tatbestandsmerkmale vorzunehmenden
Beantwortung der vergütungsrechtlichen Frage, ob ein Betreuter in einem Heim lebt, ist aus Gründen der
Verfahrensökonomie auf formale, ohne weiteres feststellbare und keine umfangreichen, tatsächlichen
Feststellungen erfordernde Umstände abzustellen. Das Vergütungsfestsetzungsverfahren ist nicht auf die
Durchführung einer Beweisaufnahme, sondern auf eine strikte, an griffige und leicht feststellbare Kriterien
gebundene Begriffsbestimmung angelegt (BGH, NJW-RR 2008, 739; OLG Brandenburg, BtPrax 2009,
125).
Für den hier zu entscheidenden Fall sind demnach folgende Umstände von Bedeutung:
aa) Die Einrichtung, in der die Betroffene lebt, unterliegt nach der nicht angegriffenen Mitteilung der Ö......
e.V. vom 9. Juni 2009 nicht dem Heimgesetz und somit nicht der Heimaufsicht. Diesem Umstand kommt
eine indizielle Beutung für die Qualifikation der Einrichtung zu, hier in dem Sinne, dass es sich nicht um
ein Heim handelt (vgl. zur indiziellen Bedeutung im umgekehrten Fall – die Einrichtung untersteht der
Heimaufsicht – BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2010, XII ZB 90/09).
bb) Wohnraumüberlassung einerseits und Betreuung sowie Verpflegung andererseits erfolgen durch zwei
verschiedene Träger auf der Grundlage von zwei verschiedenen, mit der Betroffenen geschlossenen
Verträgen. Dabei enthält der schriftliche Mietvertrag keine Verpflichtung der Betroffenen, einen
Betreuungsvertrag abzuschließen; lediglich der Betreuungsvertrag ist in seinem Bestand an den
Mietvertrag geknüpft. Anhaltspunkte dafür, dass diese beiden Leistungsbereiche nur formal von einander
getrennt sind, in Wirklichkeit aber unauflöslich miteinander verknüpft sind, liegen nicht vor (vgl. OLG
Hamm, FamRZ 2010, 2021).
cc) Der Betreuungsvertrag nimmt in seinem § 3 wesentliche Bereiche eines für einen Heimaufenthalt
typischen Leistungsumfanges, insbesondere umfängliche pflegerische Hilfen, Behandlungspflege und
medizinisch – pflegerische Maßnahmen aus und er deckt nicht die laufenden Haushaltskosten für
Lebensmittel. In der Wahl eines gegebenenfalls erforderlich werdenden ambulanten Pflegedienstes ist die
Betroffene frei. Damit fehlen Leistungen, die der Heimbegriff notwendig voraussetzt, nämlich die
umfangreiche hauswirtschaftliche und pflegerische Betreuung (vgl. OLG München, FGPrax 2006, 167)
und das Angebot sämtlicher, im Heimpreis eingeschlossener Hauptmahlzeiten (vgl. OLG Schleswig,
BtPrax 2006, 115). Hierauf hat auch die Kammer in dem angegriffenen Beschluss entscheidend
abgestellt. Der Senat verweist insoweit ergänzend auf die zutreffenden Gründe des Beschlusses.
dd) Die Kammer hat im Weiteren zu Recht ausgeführt, dass unter diesen Umständen dem Verhältnis
zwischen Mietzinszahlung einerseits und den Kosten für die Betreuungsleistungen andererseits keine
Bedeutung für die Qualifikation der Einrichtung als Heim zukommt. Auch insoweit schließt sich der Senat
den Ausführungen des angegriffenen Beschlusses an.
c) Zutreffend hat die Kammer schließlich entschieden, dass der Betreuer seinen gesamten Vergütungs-
oder Aufwendungsersatzanspruch gegen die Staatskasse geltend machen kann, und zwar auch dann,
wenn die Betroffene zur teilweisen Zahlung bzw zur Ratenzahlung in der Lage wäre (Wagenitz in
MüKo/BGB, 5. Aufl., § 1836d Rn. 4; Bettin in BeckOK/BGB, § 1836d Rn 4). Nach § 1836d Nr 1 BGB gilt die
Betroffene u.a. dann als mittellos, wenn sie die Vergütung aus ihrem einzusetzenden Einkommen oder
Vermögen nur zum Teil oder nur in Raten, also nicht in einem Betrag begleichen kann. Der Betreuer soll
nach dem Ziel des Gesetzes nämlich nicht darauf angewiesen sein, bei teilweiser Leistungsfähigkeit der
Betroffenen seinen Vergütungsanspruch mit im einzelnen ungewissen Erfolgsaussichten teilweise gegen
die Betroffene und teilweise gegen die Staatskasse geltend zu machen (BT-Drucks 13/7158, 17).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 11 KostO, § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 2009,
505), die Festsetzung des Geschäftswertes auf § 131 Abs. 3 KostO i.V.m. § 30 Abs. 1 KostO.
Kestel Kratz Stutz