Urteil des OLG Zweibrücken vom 22.03.2011

OLG Zweibrücken: rechtliches gehör, abänderungsklage, hauptsache, anfang, urkunde, befreiung, quelle, verfügung, datum, stadt

Bürgerliches Recht
OLG
Zweibrücken
22.03.2011
6 WF 2ß8(1ß
Beschluss vom 22. März 2011
Aktenzeichen:
6 WF 207/10
2 F 172/09
Amtsgericht Kandel
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In der Familiensache
P. B., ................................
Beklagter und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G........................,
gegen
Ch. B., .....................................
Klägerin und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. L. und Kollegen, ..................
wegen Kindesunterhalts,
hier: Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache,
hat der 6. Zivilsenat – Familiensenat – des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Burger, die Richterin am Oberlandesgericht
Euskirchen und den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach
auf die am 15. Dezember 2009 eingegangene sofortige Beschwerde des
Beklagten vom 24. September 2009
gegen den ihm am 1. Dezember 2009 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht –
Kandel vom 16. November 2009
in der Besetzung gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO
ohne mündliche Verhandlung am 22. März 2011
beschlossen:
1. Der angefochtene Beschluss wird geändert:
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 2/3, der Beklagte 1/3 zu tragen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf bis zu 1.200,00 € festgesetzt.
GRÜNDE:
I.
Die Parteien sind seit dem 9. August 2007 getrennt lebende Eheleute. Aus der Ehe ist die am 24. Januar
1993 geborene Tochter J. E. B. hervorgegangen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Mai 2008 begehrte
die Klägerin vom Beklagten Zahlung eines Kindesunterhalts in Höhe von 160 % des Mindestunterhaltes
abzgl. hälftigen Kindergeldes sowie die Errichtung einer entsprechenden Jugendamtsurkunde.
Mit Urkunde des Jugendamtes der Stadt W. vom 2. Juli 2008 verpflichtete sich der Beklagte,
Kindesunterhalt in Höhe von 136 % des Mindestunterhaltes abzgl. hälftigen Kindergeldes für die Zeit ab
dem 1. Januar 2008 zu zahlen. Nachdem die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Juli 2008
mitgeteilt hatte, dass sie bei ihrer Forderung verbleibe, verhandelten die Parteien in der Folgezeit weiter,
ohne ein Ergebnis zu erzielen. Der Beklagte leistete Zahlungen im Jahre 2008 in Höhe von insgesamt
5.119,00 € und von Januar bis Juni 2009 in Höhe von insgesamt 2.520,00 €.
Mit der am 3. Juni 2009 erhobenen und am 22. Juni 2009 zugestellten Klage hat die Klägerin im Wege der
Erstklage beantragt, den Beklagten zur Zahlung laufenden verzinslichen Kindesunterhalts für die Zeit ab
1. Juli 2010 in Höhe von 160 % des Mindestunterhaltes sowie eines Unterhaltsrückstandes für die Zeit
vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2009 in Höhe von 1.577,00 € nebst Zinsen zu verurteilen.
Der Beklagte erstellte am 18. August 2009 eine Jugendamtsurkunde über die Abänderung seiner
Unterhaltsverpflichtung, in der er sich zur Zahlung eines Kindesunterhaltes für die Zeit ab dem 1.
September 2009 in Höhe von 160 % des Mindestunterhaltes verpflichtete, und zahlte die geforderten
Rückstände für die Zeit bis Juni 2009 zuzüglich Zinsen.
Der schriftsätzlichen Erledigungserklärung der Klägerin vom 1. September 2009 hat der Beklagte nach
Belehrung gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht widersprochen.
Im Hinblick auf Nr. 1211 Nr. 4 KV-GKG hat der Beklagte zudem erklärt, die Kosten des Verfahrens tragen
zu wollen, wobei er – entgegen der Darstellung der Klägerin in der Klageschrift – vom Vorliegen einer
Abänderungsklage mit einem Streitwert von 2.801,00 € ausgehe. Die Klägerin hat ihre Auffassung vom
Vorliegen eines Streitwerts von 7.841,00 € verteidigt.
Mit Beschluss vom 16. November 2009 hat das Familiengericht den Streitwert auf 7.841,00 € festgesetzt
und am selben Tag mit dem angefochtenen Beschluss die Kosten des Rechtstreits unter Hinweis auf die
Kostenübernahmeerklärung dem Beklagten auferlegt. Darauf, dass die Klage teilweise unzulässig
gewesen sei, komme es nicht an.
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Streitwertbeschluss ist mit Beschluss des Senats vom 22. März
2011 zurückgewiesen worden.
Mit seiner gegen die Kostenentscheidung gerichteten Beschwerde macht der Beklagte geltend:
Die Kostenübernahmeerklärung sei ausdrücklich und erkennbar in der Annahme ergangen, dass das
Familiengericht den Streitwert nur aus dem Differenzbetrag zwischen tituliertem und verlangtem erhöhtem
Unterhalt errechne. Zur gegenteiligen Ansicht des Familiengerichts, die ihn zu einer Änderung seiner
Prozesserklärung veranlasst hätte, sei ihm rechtliches Gehör nicht gewährt worden. Er bestehe nunmehr
auf einer Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes.
Das Familiengericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 1. Oktober 2010 nicht abgeholfen mit der
Begründung, die Klage sei in vollem Umfang begründet gewesen. Dem Unterhaltsberechtigten sei es
nicht zumutbar, zunächst über den unstreitigen Sockelbetrag einen außergerichtlichen Titel zu erwirken
und nur den streitigen Spitzenbetrag einzuklagen. Er habe daher auch bei einer einseitigen
Unterhaltsverpflichtung in einer Jugendamtsurkunde die Wahl, ob er im Wege der Erstklage nach § 258
ZPO oder der Abänderungsklage nach § 323 ZPO vorgehen wolle.
II.
Das zulässige Rechtsmittel führt im Ergebnis zu dem gewünschten Erfolg. Dem Beklagten sind nach § 91
a ZPO Kosten nur insoweit aufzuerlegen, als sich die Hauptsache erledigt hat. Nur hierauf hat sich seine
Erklärung, die Kosten übernehmen zu wollen, bezogen. Eine Kostenübernahmeerklärung im Sinne der
Nr. 1211 Nr. 4 KV-GKG liegt nicht vor. Soweit die Klage von Anfang an unzulässig war, ist – ungeachtet
der übereinstimmenden (prozessualen) Erledigungserklärung der Parteien – materiellrechtlich eine
Erledigung nicht eingetreten.
Die Klägerin war bei Einreichung der Klage im Besitz eines vollstreckbaren Titels über den
Kindesunterhalt in Höhe von 136 % des Mindestunterhalts. Die Urkunde war – wovon beide Parteien
übereinstimmend ausgehen – in dieser Höhe einseitig ohne Billigung der Klägerin errichtet. Ob in einem
solchen Fall für das Kind, das eine erhöhte Unterhaltsrente erreichen will, nur die Abänderungsklage oder
wahlweise auch – so wie die Klägerin ihren Antrag formuliert hat – die Erstklage zur Verfügung steht, hat
der Bundesgerichtshof (FamRZ 1980, 342, 343) dahingestellt sein lassen. Die Obergerichte beantworten
die Frage teilweise dahin, dass auch die Erstklage für zulässig erachtet wird (OLG Zweibrücken FamRZ
1992, 840; OLG Dresden FuR 1999, 479; BrandOLG FamRZ 2002, 676; einschränkend OLG Köln FamRZ
2001, 1716).
Jedoch gilt für die Wahl der Erstklage, dass diese sich auf die Zusatzforderung zu beschränken hat. Für
eine Klage über den gesamten Unterhaltsbetrag fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Die gegenteilige
Ansicht von Graba (FamRZ 2005, 678, 679), wonach die Erstklage über den gesamten, schon teilweise in
der Jugendamtsurkunde titulierten Anspruch zulässig sein müsse, damit der Gläubiger über den
Gesamtbetrag eine materiell rechtskraftfähige Entscheidung erhalte, überzeugt nicht. Denn eine solche
kann der Gläubiger auch mit der – immer zulässigen – Abänderungsklage erhalten. Auch ein
Titulierungsinteresse besteht angesichts des bereits vorhandenen (Teil-)Titels nicht. Die im
Nichtabhilfebeschluss zitierten Entscheidungen sind deshalb nicht einschlägig.
Somit erweist sich die Klage als von Anfang an unzulässig, soweit der verlangte Unterhalt bereits durch
die Jugendamtsurkunde vom 2. Juli 2008 tituliert war. Begründet war die Klage nur hinsichtlich der
Mehrforderung, die sich wie folgt berechnet: 965,00 + (522,00 – 431,00)*6 + (522,00 – 431,00)*12
=2.603,00 €. Dies entspricht einem Drittel des Gesamtstreitwertes. Nur insoweit treffen den Beklagten die
Kosten des Rechtstreits.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beläuft sich demzufolge auf zwei Drittel der in erster Instanz
angefallenen Kosten, das sind rund 1.2.000,00 €. Auf die Befreiung von dieser Kostenlast zielt die
Beschwerde des Beklagten.
Burger Euskirchen Hengesbach