Urteil des OLG Zweibrücken vom 19.02.2001

OLG Zweibrücken: angemessener zeitraum, biometrische daten, anwartschaft, umrechnung, bfa, auskunft, gehalt, rente, splitting, altersgrenze

Bürgerliches Recht
OLG
Zweibrücken
19.02.2001
2 UF 197/00
Zur Berücksichtigung von Anrechten auf eine beteiebliche Altersvesorgung bei der Pfalzwerke AG in
Ludwighafen am Rhein beim Versorgungsausgleich
Aktenzeichen:
2 UF 197/00
5d F 45/99
Amtsgericht - Familiengericht -
Ludwigshafen am Rhein
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In der Familiensache
D... A... W...
F...,
Antragstellerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F...
gegen
D...
F...,
Antragsgegner,
wegen Ehescheidung und Folgesachen
hier: Versorgungsausgleich
an der weiter beteiligt sind:
1. die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte,
..., 10704 Berlin; zu Versicherungsnummer ... (Antragsgegner),
bzw. ..., 18435 Stralsund; zu Versicherungsnummer ... (Antragstellerin),
Beschwerdeführerin,
2. die
Kirchliche Zusatzversorgungskasse ... (KZVK),
zu Rentenzeichen ...
hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Burger
und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll
auf die befristete Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 10. November 2000,
beim Oberlandesgericht eingegangen am 14. November 2000,
gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 15. September
2000, der Beschwerdeführerin zugestellt am 16. Oktober 2000,
ohne mündliche Verhandlung am 19. Februar 2001
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss (in der Fassung des ergänzenden
Berichtigungsbeschlusses vom 8. November 2000) geändert und wie folgt neu gefasst:
a) Von dem Versicherungskonto des Antragsgegners Nr. ... bei der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte, Berlin,
werden auf das Versicherungskonto der Antragstellerin Nr. ... bei der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte, Berlin bzw. Stralsund,
Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 189,78 DM, bezogen auf
den 28. Februar 1999, übertragen.
b) Zum Ausgleich der Anwartschaften des Antragsgegners auf eine betriebliche Altersversorgung bei
der Pfalzwerke AG in Ludwigshafen am Rhein
werden von dem Versicherungskonto des Antragsgegners Nr. ... bei der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte, Berlin,
auf das Versicherungskonto der Antragstellerin Nr. ... bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte,
Berlin bzw. Stralsund,
weitere Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 42,44 DM,
bezogen auf den 28. Februar 1999, übertragen.
c) Der Monatsbetrag der zu übertragenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
2. Hinsichtlich des ersten Rechtszuges verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen
Beschlusses. Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben und außergerichtliche
Kosten nicht erstattet.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1000 DM festgesetzt.
4. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
Die zulässige Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) führt zur Neuregelung
des Versorgungsausgleichs mit dem aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Inhalt. Zu Recht rügt die
Beschwerdeführerin, dass die Berechnungen, die der Erstrichter hinsichtlich der betrieblichen
Altersversorgung des Antragsgegners bei der Pfalzwerke AG in Ludwigshafen am Rhein angestellt hat,
aus der - in den Akten offenbar nur bruchstückhaft wiedergegebenen - angefochtenen Entscheidung nicht
hinreichend nachvollziehbar werden. Eine Neuberechnung durch den Senat führt - in Verbindung mit
einer geringfügigen Korrektur hinsichtlich der Zusatzversorgung der Antragstellerin bei der Kirchl.
Zusatzversorgungskasse ... (KZVK) - dazu, dass der Versorgungsausgleich insgesamt durch Splitting und
Super-Splitting vollzogen werden kann; der zusätzlichen Anordnung einer Beitragszahlung durch den
Antragsgegner bedarf es nicht.
Nach den - bereits vom Erstrichter zutreffend zugrunde gelegten - Auskünften der BfA, die im Rahmen
richterlicher Nachprüfung Fehler nicht erkennen lassen, hat der Antragsgegner bei diesem
Versorgungsträger monatliche ehezeitliche Rentenanwartschaften in Höhe von 1226,52 DM erworben
und die Antragstellerin solche in Höhe von 846,96 DM.
Auf Seiten des Antragsgegners kommen Anrechte auf eine betriebliche Altersversorgung bei der
Pfalzwerke AG in Ludwigshafen am Rhein hinzu. Wie vom Erstrichter erkannt, handelt es sich dabei um
eine sog. limitierte betriebliche Versorgung, die zu kürzen ist, soweit sie zusammen mit der Rente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung (und sonstigen Bezügen) einen bestimmten Limitierungswert übersteigt;
dies ergibt sich aus der Auskunft der Pfalzwerke AG vom 14.4.1999 und der dieser beigefügten
Versorgungsordnung
Nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1991, 1421; vgl. auch RGRK, BGB 12. Aufl. § 1587a Rn. 244
ff.), der sich auch der Senat anschließt, sind Anwartschaften aus einem derartigen Versorgungssystem
grundsätzlich nach der sog. „VBL-Methode“ auszugleichen. Dies gilt allerdings nur, soweit Klarheit
besteht, dass betriebliches Ruhegeld und gesetzliche Rente den Höchstsatz in jedem Fall überschreiten
besteht, dass betriebliches Ruhegeld und gesetzliche Rente den Höchstsatz in jedem Fall überschreiten
(BGH aaO., S. 1423). Dies ist hier aber der Fall, nachdem der Antragsgegner bis zur Altersgrenze noch
eine ungekürzte Betriebsrente von 70,05 % des rentenfähigen Einkommens (als Bemessungsgrundlage)
erreichen kann, während der Grenzwert der Anrechnung sich auf 75% der Bemessungsgrundlage beläuft;
dieser Wert wird angesichts der hinzukommenden nicht unerheblichen Anrechte aus der gesetzlichen
Rentenversicherung deutlich übertroffen werden.
Bei der nach den o.a. Grundsätzen durchzuführenden Berechnung ist zu beachten, dass der
Antragsgegner hier erst nach der Eheschließung der Parteien (8. August 1980) in den Betrieb eingetreten
ist, nämlich am 1. April 1986. In einem solchen Fall ist für die Berechnung nach der VBL-Methode zu
unterscheiden zwischen den auf die ehezeitliche Betriebszugehörigkeit entfallenden
Rentenanwartschaften einerseits und den - ehezeitlichen und sonstigen - vorbetrieblichen Anwartschaften
andererseits (vgl. BGH FamRZ 1995, 88, 90; OLG Oldenburg FamRZ 1995, 359, 360).
Nach der Auskunft der BfA ergeben sich dabei für den Antragsgegner vorbetriebliche (auf der Zeit vor dem
1. April 1986 beruhende) Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 623,65
DM (Entgeltpunkte für vorbetriebliche Beitragszeiten 9,4451; für beitragsfreie Zeiten - sämtlich
vorbetrieblich - 2,0106; zusätzliche Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten, sämtlich vorbetrieblich -
1,6325; Summe vorbetrieblicher Entgeltpunkte damit 13,0882; dies *47,65 - aktueller Rentenwert bei
Ehezeitende). Die Anwartschaft aus der betrieblichen Ehezeit ergibt sich damit nach der Differenz dieses
Wertes mit der von der BfA ebenfalls mitgeteilten Anwartschaft aus allen Zeiten, bezogen auf den Stand
bei Ehezeitende (1562,84 DM) in Höhe von monatlich 939,19 DM.
Der Ehezeitanteil der limitierten Betriebsrente berechnet sich somit wie folgt:
1.
Ehezeit: 1.8.1980 -
28.2.1999
2.
erreichbare
Betriebszugehörigkeit bis
Altersgrenze:
1.4.1986-31.12.2020
3.
ruhegeldfähiges Gehalt:
73869,35/12
6155,78
4.
ungekürzte Betriebsrente
aus ruhegeldfähigem
Gehalt und %-Satz
70,05%
4312,12
5.
Ehezeitanteil der
ungekürzten Betriebsrente,
gemäß Ehezeitfaktor
0,371703
1602,83
6.
Höchstbetrag der
Gesamtversorgung gemäß
ruhegeldfähigem Gehalt
und Begrenzungssatz
75%
4616,84
7.
hieraus Ehezeitanteil der
1716,09
Gesamtversorgung gemäß
Ehezeitfaktor (s.o.)
8.
hiervon ab während der
Betriebszeit erworbene
ehezeitliche
Anwartschaften aus
gesetzlicher
Rentenversicherung wie
errechnet
-939,19
9.
hiervon ab Ehezeitanteil
der vorbetrieblichen
gesetzlichen
Rentenanwartschaften
nach Maßgabe
Ehezeitfaktor (s.o.)
623,65
-231,81
10.
Differenz = Ehezeitanteil
der
Betriebsrentenanwartschaft
545,09
Der so ermittelte Wert unterliegt allerdings - wie vom Erstrichter anscheinend übersehen - noch der
Umrechnung nach der Barwertverordnung (BarwertVO), weil der Wert der Anrechte bei der Pfalzwerke AG
nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie bei Anwartschaften aus der gesetzlichen
Rentenversicherung (§ 1587a Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 BGB; vgl. dazu auch BGH FamRZ 1991, 1421, 1423 f.;
RGRK aaO., § 1587a Rn. 247 a.E.).
Die betriebliche Altersversorgung der Pfalzwerke ist zwar - der in der Auskunft vom 14.4.1999
niedergelegten Selbsteinschätzung des Unternehmens entsprechend - als im Leistungsstadium
dynamisch anzusehen. Dies hat der Senat bereits früher auf der Grundlage der in den Jahren 1986 bis
1996 vorgenommenen Anhebungen der Betriebsrenten so entschieden (Beschluss vom 9.3.1998, 2 UF
42/96); daran ist auch nach den in vorliegendem Verfahren mitgeteilten weiteren Leistungserhöhungen
von 1997 und 1998 festzuhalten.
Die Anrechte sind aber andererseits als in der Anwartschaftsphase statisch anzusehen, obwohl sie an die
Entwicklung des Bruttoeinkommens gekoppelt sind. Sie sind jedoch insoweit noch nicht unverfallbar, weil
- wie sich aus der Auskunft der Pfalzwerke ergibt - bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Betrieb das
letzte Einkommen als Bemessungsfaktor für die Rente maßgeblich bleibt und bis zum Einsetzen der
Leistungen nicht mehr angepasst wird; in einem solchen Fall ist das Anrecht aber als im
Anwartschaftsstadium statisch zu behandeln (BGH FamRZ 1991, 1421, 1423 f.; 1989, 844, 845 f.).
Es ist also eine Umrechnung nach Maßgabe der o.a. Vorschriften vorzunehmen. Gegen die geltenden
Grundlagen dieser Umwertung, insbesondere gegen das Rechenwerk der BarwertVO, sind allerdings in
letzter Zeit in Rechtsprechung und Literatur Bedenken erhoben worden (OLG München FamRZ 1999,
1432; OLG Stuttgart FamRZ 2000, 1019; Glockner/ Gutdeutsch FamRZ 1999, 896; Bergner FamRZ 1999,
1487, MK, BGB 4. Aufl. § 10a VAHRG Rn. 51 ff.; a.A. OLG Nürnberg FamRZ 2000, 538), denen sich
kürzlich auch der Senat teilweise angeschlossen hat (Beschluss vom 1.12.2000, 2 UF 177/99; OLGR
2001, 84).
Aufgrund eines in dem fraglichen Einzelfall eingeholten Gutachtens des Sachverständigen G... ist der
Senat zu der Auffassung gelangt, dass die BarwertVO auf veralteten Grundlagen für die Sterblichkeit und
Invalidität (biometrische Daten) beruht und daher die statischen oder teildynamischen
Versorgungsanrechte zu gering bewertet. Dabei können die sich ergebenden Wertdifferenzen - im
fraglichen Fall nahezu 46% - ein Ausmaß erreichen, nach dem das verfassungsrechtliche Gebot der
Gleichbehandlung aller in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden unterschiedlichen
Versorgungen verletzt erscheint.
Für eine Übergangszeit hält es der Senat angesichts der sonst entstehenden praktischen Schwierigkeiten
für dennoch vertretbar, die derzeit geltenden Tabellen zur BarwertVO weiterhin anzuwenden. Dem
Verordnungsgeber ist ein angemessener Zeitraum für eine Angleichung der Tabellen an die aktuellen
biometrischen Grunddaten zuzubilligen. Nach erfolgter Neufassung können wesentliche Änderungen des
Ausgleichsanspruchs in einem Verfahren nach § 10a VAHRG geltend gemacht, mithin derzeit auftretende
Nachteile korrigiert werden.
Die vorzunehmende Umrechnung hat also von folgenden Daten auszugehen:
Eheende 28.02.1999
Geburtsdatum 06.12.1955
Alter bei Ehezeitende 43
statische Jahresrente 6541,08
Barwerttabelle 1, Anm. 2 (Dynamik im Leistungsstadium)
Barwertfaktor 4,32
Umrechnungsfaktor(Barwert/EP) 0,0000928019
ehezeitbezogener Barwert 28257,4656
Entgeltpunkte zum Eheende 2,62234649686464
allgemeiner Rentenwert 47,65
Diese, so ermittelten Faktoren, sind nach der Formel:
ehezeitbezogene Jahresrente * Barwertfaktor * Umrechnungsfaktor
* aktueller Rentenwert = dynamische monatliche Anwartschaft
miteinander zu verrechnen. Die monatliche, dynamisierte Anwartschaft beträgt deshalb 124,95 DM
In gleicher Weise sind auch die auf Seiten der Antragstellerin hinzu tretenden Anwartschaften auf eine
zusätzliche Versorgung bei der KZVK zu dynamisieren. Insoweit ist der unveränderte Barwert aus der
Tabelle 1 zugrunde zu legen, weil diese Anrechte als auch im Leistungsstadium statisch anzusehen sind.
Aus den vom Erstrichter zutreffend mitgeteilten Faktoren errechnet der Senat dabei nach der o.a. Formel
einen dynamisierten Wert von 40,08 DM.
Nachdem der Antragsgegner damit sowohl die höheren Anrechte aus der gesetzlichen
Rentenversicherung wie auch auf eine zusätzliche bzw. betriebliche Altersversorgung besitzt, vollzieht
sich der vorzunehmende hälftige Ausgleich des Wertunterschiedes (§ 1587a Abs. 1 BGB) in zwei
Schritten:
Zunächst sind die beiderseitigen Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen mit
189,78 DM (1226,52 - 846,96 = 379,56; dies /2). Der sodann vorzunehmende Ausgleich bei den
zusätzlichen Versorgungen beträgt - gerundet - 42,44 DM (124,95 - 40,08 = 84,87; dies /2). Dieser weitere
Ausgleich vollzieht sich durch das sog. Super-Splitting nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, weil es sich bei
Pfalzwerke AG nicht um einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger handelt. Der Höchstbetrag nach §
3b Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VAHRG - hier: 88,20 DM - ist gewahrt; der vom Erstrichter vorgesehenen
zusätzlichen Anordnung nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG bedarf es daher nicht.
Ebenso ist nach dem vorgenommenen Gesamtausgleich auch der Grenzwert des § 1587b Abs. 5 BGB
eingehalten. Gemäß § 1587b Abs. 6 BGB ist die Umrechnung in Entgeltpunkte anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 GKG; § 93a ZPO, § 13a FGG. Die Festsetzung des
Gegenstandswertes richtet sich nach den §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 17a Nr. 1 GKG. Gemäß §§ 629a Abs. 2,
621e Abs. 2 Satz 1, 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO lässt der Senat die weitere Beschwerde zu, weil die
Rechtssache im Hinblick auf die Anwendung der BarwertVO grundsätzliche Bedeutung hat.
Giersch Burger Geib-Doll