Urteil des OLG Zweibrücken vom 16.10.2002

OLG Zweibrücken: uniform, polizei, strafbarkeit, maurer, bekleidung, angehöriger, beobachter, verwechslungsgefahr, kauf, quelle

OLG
Zweibrücken
16.10.2002
6010 JS 15546/00
StGB § 132 a Abs. 1 Nr. 4
Eine Strafbarkeit nach § 132 a Abs. 1 Nr. 4 StGB scheidet aus, wenn sich das Tragen von Uniformsteilen
(hier eines Kapuzenpullis mit der Aufschrift „Polizei“) angesichts der Bekleidung im Übrigen nicht als
Ausdruck hoheitlicher Amtsausübung erweist.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken – 1. Strafsenat –
Beschluss vom 16. Oktober 2002 – 1 Ss 161/02 –
Aktenzeichen:
1 Ss 161/02
6010 Js 15546/00
StA Kaiserslautern
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss
In dem Strafverfahren gegen
P. M.
B.
wohnhaft in ................., ......................,
wegen Missbrauchs von Titeln,
hier:
hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler und die
Richter am Oberlandesgericht Maurer und Ruppert
am 16. Oktober 2002
einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. Kleinen Strafkammer des Landgerichts
Kaiserslautern vom 8. Juli 2002 aufgehoben.
2. Der Angeklagte wird freigesprochen.
3. Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last, die dem Angeklagten auch dessen
notwendige Auslagen zu erstatten hat.
G r ü n d e :
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Tragens eines Polizeiuniformteils zu einer
Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10,-- EUR verurteilt. Die Berufung des Angeklagten hat das
Landgericht verworfen. Hiergegen wendet er sich mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen des unerlaubten Tragens eines Polizeiuniformteils (§ 132 a Abs.
1 Nr. 4, Abs. 2 StGB) wird von den Feststellungen nicht getragen.
Es kann dahinstehen, ob schon das Tragen von Teilen einer Uniform dem Anwendungsbereich der
vorgenannten Bestimmung unterfällt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. neu bearbeitete Aufl., § 132 a Rdrn.
12; BayObLG 7, 324). Jedenfalls liegt ein tatbestandsrelevantes Verhalten durch Tragen von Uniformteilen
dann nicht vor, wenn nach den
Gesamtumständen
von vornherein nicht geeignet war, bei anderen den Anschein der Berechtigung des Tragens der Uniform
zu erwecken und diese irrezuführen. Eine Strafbarkeit scheidet aus, wenn sich das unbefugte Tragen von
Uniformteilen angesichts der Bekleidung im Übrigen nicht als Ausdruck hoheitlicher Amtsausübung
erweist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. März 1996 – 5 St-RR 5/96 - = NStZ-RR 1997, 135). In einem
solchen Fall verstößt der Angeklagte durch sein Verhalten nicht gegen den Schutzzweck des § 132 a
StGB. So liegt der Fall hier.
Nach den Feststellungen des Urteils war der Angeklagte mit blauen Arbeitshosen, hohen Arbeitsschuhen
mit Stahlkappen, einem grünen Kapuzenpulli mit der weißen Aufschrift „Polizei“ sowie einer weißen
Baseball-Mütze bekleidet. Er kam von der Arbeit und trug einen Rucksack. Angesichts dessen hätte es
deshalb näherer Ausführungen dazu bedurft, aufgrund welcher Umstände die Kammer davon
ausgegangen ist, der Angeklagte habe fälschlich den Eindruck erwecken können, er gehöre der Polizei
an. Allein der Hinweis auf den von ihm getragenen Kapuzenpulli mit der Aufschrift „Polizei“ reicht
angesichts der Gesamterscheinung des Angeklagten als Grundlage der Verurteilung nicht aus.
Die Feststellungen der Kammer belegen im übrigen auch kein vorsätzliches Handeln. Der subjektive
Tatbestand des missbräuchlichen Tragens einer Uniform oder von Uniformteilen setzt neben dem
Bewusstsein, zum Tragen der Uniform nicht legitimiert zu sein, voraus, dass der Träger der Uniform
billigend in Kauf nimmt, dass unbefangene außenstehende Beobachter das Tragen der Uniform als
Ausdruck der Innehabung einer bestimmten Amtsstellung verstehen könnten. Dies ist angesichts des
gesamten Erscheinungsbildes des Angeklagten, wie es in den Feststellungen der Kammer niedergelegt
ist, nicht der Fall. Den Darlegungen der Kammer ist nicht zu entnehmen, woraus sich bei unbeteiligten
Beobachtern die Annahme hätte ergeben sollen, der Angeklagte wolle sich als Amtsträger gerieren. Die
hier vorliegende Kombination eines einzelnen Uniformteils mit im Übrigen erkennbar ziviler Kleidung lässt
die Annahme, der Angeklagte habe sich eine bestimmte Amtsstellung anmaßen wollen, fernliegend
erscheinen. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Angeklagte offenbar
völlig unauffällig und angepasst in der Öffentlichkeit bewegt hat, ohne in einer bestimmten Situation
Anlass für die Annahme zu bieten, er sei Angehöriger der Polizei. Die Feststellungen erlangen danach
auch keine strafrechtliche Relevanz unter dem Gesichtspunkt der Verwechslungsgefahr (§ 132 a Abs. 2
StGB). Eine solche war nach den Gesamtumständen unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm
ausgeschlossen.
Die angefochtene Entscheidung war deshalb aufzuheben und der Angeklagte freizusprechen. Der Senat
schließt aus, dass für den Fall der Aufhebung und Zurückverweisung neue Feststellungen als Grundlage
einer Verurteilung des Angeklagten hätten getroffen werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473, 467 StPO.
Dr. Ohler Maurer Ruppert