Urteil des OLG Stuttgart vom 02.10.2007

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OLG Stuttgart Beschluß vom 2.10.2007, 8 W 388/07
Kostenfestsetzung: Anspruch auf Erstattung der Kosten eines nicht ortsansässigen Hausanwalts einer Unternehmensgruppe
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Ulm vom 20.7.2007 wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 512,70 EUR
Gründe
I.
1
Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten, die der in Ulm ansässigen Beklagten dadurch entstanden sind, dass sie für
den vor dem Landgericht Ulm geführten Rechtsstreit einen Weimarer Rechtsanwalt als Hauptbevollmächtigten beauftragt hat.
2
Der Kläger kaufte bei der Beklagten in Ulm gemäß schriftlichem Kaufvertrag vom 21.9.2005 einen noch zu liefernden Pkw. Auf dem
Kaufvertragsformular ist neben dem Vordruck „... Unternehmensgruppe“ handschriftlich die Beklagte als „...Center ...GmbH“ mit Adresse in ...
eingetragen.
3
Im Rechtsstreit begehrte der Kläger die Wandlung des gelieferten Pkw’ s, weil dieser nicht die aus Sicht des Klägers vorausgesetzte Eigenschaft
„Vollautomatik“ aufweise.
4
Die Beklagte, die unstreitig keine eigene Rechtsabteilung hat, wurde im Rechtsstreit durch einen Weimarer Bevollmächtigten und durch Ulmer
Unterbevollmächtigte vertreten.
5
Mit Urteil des Landgerichts Ulm vom 25.4.2007 wurde die Klage nach Beweisaufnahme kostenpflichtig abgewiesen. Der Streitwert wurde auf
insgesamt 25.800,-- EUR festgesetzt.
6
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr zuzüglich Auslagenpauschale für ihren Weimarer
Hauptbevollmächtigten sowie die Festsetzung einer 0,65-Verfahrensgebühr, einer 1,2-Terminsgebühr und einer weiteren Auslagenpauschale für
ihre Ulmer Unterbevollmächtigten in Höhe von insgesamt 2.427,70 EUR beantragt.
7
Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.7.2007 lediglich insgesamt 1.915,50 EUR gegen den Kläger
festgesetzt und den weitergehenden Festsetzungsantrag der Beklagten abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs zur Erstattungsfähigkeit von Kosten infolge Outsourcing sei auf die Ulmer Beklagte nicht anwendbar. Diese sei als
juristische Person mit Sitz in Ulm und als dort geschäftsansässiges Unternehmen verpflichtet gewesen, sich durch einen in Ulm ansässigen
Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
8
Mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Festsetzung der nicht berücksichtigten Kosten von
512,70 EUR weiter.
9
Sie ist der Auffassung, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattungsfähigkeit von Kosten infolge Outsourcing sei auch im Fall der
Beklagten einschlägig und führe zur Anerkennung der Erstattungsfähigkeit der weitergehenden Kosten. Die Beklagte gehöre zu einer
Unternehmensgruppe von mehr als 10 rechtlich selbstständigen Unternehmen im Bundesgebiet, die ganz oder teilweise im Eigentum ihrer
Geschäftsführer stünden bzw. als juristische Personen letztlich durch diese vertreten würden. Bei dem im vorliegenden Rechtsstreit als
Hauptbevollmächtigter zugezogenen Weimarer Prozessbevollmächtigten handle es sich um den Hausanwalt ihrer Geschäftsführer, den diese als
Vertrauensanwalt in Rechtsstreitigkeiten auch anderer Unternehmen der Unternehmensgruppe beauftragen würden und entsprechend auch im
vorliegenden Fall beauftragt hätten. Die hier entstandenen Mehrkosten durch die Beauftragung von Ulmer Unterbevollmächtigten hätten die auf
jeden Fall erstattungsfähigen Reisekosten des Weimarer Hauptbevollmächtigten der Beklagten zu zwei Gerichtsterminen in Ulm nicht wesentlich
überstiegen.
10 Der Kläger ist der Beschwerde der Beklagten entgegengetreten. Er erachtet die Entscheidung der Rechtspflegerin im ergangenen
Kostenfestsetzungsbeschluss für zutreffend.
11 Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat der Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen und hat sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung
vorgelegt. Sie verweist hierbei ergänzend darauf, dass die Beklagte in einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Ulm einen Ulmer
Prozessbevollmächtigten mit ihrer Vertreter beauftragt habe.
II.
12 Das Rechtsmittel der Beklagten ist als sofortige Beschwerde gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO statthaft und auch sonst zulässig;
insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
13 In der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagten keinen Erfolg.
14 1. Die Rechtspflegerin des Landgerichts ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte als juristische Person mit Sitz in Ulm und dortiger
Geschäftstätigkeit verpflichtet war, sich im vorliegenden Rechtsstreit durch einen in Ulm ansässigen Prozessbevollmächtigten als
Hauptbevollmächtigten vertreten zu lassen. Dies entspricht der Grundsatzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß dessen Beschluss vom
12.12.2002 (NJW 03, 901).
15 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattung von Mehrkosten infolge zulässigen Outsourcings für ein überörtlich bzw. bundesweit
tätiges Unternehmen (BGH, Beschluss vom 28.6.2006 = NJW 06, 3008; Beschluss vom 2.12.2004 = MDR 05, 417 und Beschluss
vom 11.11.2003 = MDR 04, 539) ist auf die Beklagte nach Auffassung des Senats nicht anzuwenden.
16 Anders als im Fall des Bundesgerichtshof handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um ein überörtlich tätiges Unternehmen mit u.U. rechtlich
selbstständigen Zweigniederlassungen. Vielmehr betreiben die Geschäftsführer offenbar bundesweit selbstständige Unternehmen im selben
Geschäftsbereich, möglicherweise um Synergieeffekte zu nutzen. Wenn diese sich darauf einigen, sich von einem gemeinsamen Anwalt
vertreten zu lassen, so kann dies nicht zu Lasten des Kunden gehen, der im konkreten Fall gar nicht erkennen konnte, dass ein wirtschaftlicher,
nicht aber rechtlich wirksamer Zusammenschluss mehrerer selbstständiger Unternehmen vorlag. Der Aufdruck auf der Rechnung vom 8.6.2006
„... Unternehmensgruppe“ gibt hierüber keinerlei verlässliche Auskunft.
17 Im übrigen hat es der Bundesgerichtshof im Rahmen seiner bisherigen Rechtsprechung zur kostenrechtlichen Berücksichtigungsfähigkeit von
Mehrkosten durch Outsourcing stets offen gelassen, ob solche Mehrkosten auch dann noch als erstattungsfähig anzuerkennen sind, wenn sie die
Mehrkosten übersteigen, die als Reisekosten infolge der Beauftragung eines Vertrauensanwalts am Hauptsitz der Prozesspartei entstanden
wären (Beschluss vom 28.6.2006, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 14.9.2004 = NJW-RR 05, 707 sowie vom 11.3.2004 = NJW-RR 04, 858).
18 2. Damit liegen hier Kosten eines Anwalts am dritten Ort vor, die vom Kostenschuldner nicht zu erstatten sind (BGH, Beschluss vom 12.12.2002 =
NJW 03, 901). Die gegen die Festsetzung eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten war mit der Kostenfolge gemäß § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
19 3. Wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie zur Fortbildung des Rechts wird die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO
zugelassen.