Urteil des OLG Stuttgart vom 08.02.2005

OLG Stuttgart: wohnung, zustellung, nebenintervention, rechtshängigkeit, gebäude, akteneinsicht, anbau, gerichtsbarkeit, streitverkündung, grundbuch

OLG Stuttgart Beschluß vom 8.2.2005, 8 W 5/05
Tenor
1. Die sofortige weitere Beschwerde der Streithelferin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 17.12.2004 wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Die Streithelferin trägt die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 51.783,54 EUR
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin macht in Prozessstandschaft für die Wohnungseigentümer der Anlage ....in .... Schadensersatzansprüche gegen den
Antragsgegner als früheren Miteigentümer geltend.
2
Durch notariellen Kaufvertrag vom 24.1.2001 verkaufte der Antragsgegner seine Wohnung an Herrn ....
3
Die Wohnungseigentümer schlossen am 19.2.2001 durch den Geschäftsführer der Antragstellerin als Vertreter ohne Vertretungsmacht eine
notarielle Vereinbarung, in der es unter anderem zum geplanten Anbau eines Balkons an die damals noch im Sondereigentum des
Antragsgegners stehende Wohnung heißt: „Soweit durch den Anbau des Balkons Schaden am gemeinschaftlichen Eigentum entsteht hat diesen
auch der jeweilige Eigentümer der Einheit AP Nr. 2 zu tragen.“
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Der Erwerber der Wohnung des Antragsgegners erhielt am 24.2.2001 den Besitz an der Wohnung und ließ im August 2001 zum Zweck des
Anbaus des Balkons Betonsägearbeiten am Gebäude der Wohnungseigentümergemeinschaft durchführen, durch die die Standsicherheit des
Gebäudes im Bereich der Bauarbeiten verloren ging.
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Die Antragstellerin begehrt nach einem Kostenvoranschlag die Zahlung der voraussichtlich erforderlich werdenden Kosten zur
Wiederherstellung der Standsicherheit des Gebäudes und beantragte die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht des Antragsgegners.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 1.10.2004 wurde der Antragsgegner verpflichtet, an die Wohnungseigentümer
41.783,54 EUR zu bezahlen. Im übrigen wurde der Zahlungsantrag zurückgewiesen. Darüber hinaus wurde die Schadensersatzpflicht des
Antragsgegners festgestellt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners wurde durch Beschluss der 1. Zivilkammer des
Landgerichts Ellwangen vom 17.12.2004 zurückgewiesen und der Feststellungsantrag weiter konkretisiert. Das Landgericht führte aus, dass
nach den gesetzlichen Bestimmungen der Antragsgegner als Eigentümer zum Zeitpunkt der Ausführung der Arbeiten sämtliche Schäden zu
tragen habe. Aus dem Wortlaut der Vereinbarung vom 19.2.2001 ergebe sich gerade nicht, dass die Wohnungseigentümer auf bestehende
gesetzliche Ansprüche auf Schadensersatz verzichten wollten. Der Feststellungsantrag sei zulässig und begründet, weil nach den Ausführungen
des Sachverständigen der gesamte Schaden derzeit noch nicht beziffert werden könne und der Antragsgegner die Einrede der Verjährung
erhoben habe.
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Dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner am 22.12.2004 und der Streithelferin, die dem Verfahren mit Schriftsatz vom 15.5.2003 auf Seiten
des Antragsgegners beigetreten war, am 21.12.2004 zugestellt.
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Am 5.1.2005 ging die sofortige weitere Beschwerde der Streithelferin bei Gericht ein, mit der die Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts
Schwäbisch Gmünd und des Landgerichts Ellwangen und die Abweisung der Anträge begehrt wird. Die Streithelferin ist der Ansicht, weil der
Antragsschriftsatz der Antragsgegnerin nie zugestellt worden sei, seien die Anträge nicht rechtshängig geworden. Die Auslegung der notariellen
Vereinbarung vom 19.2.2002, soweit sie überhaupt wirksam zustande gekommen sei, ergebe, dass lediglich derjenige auf Schadenersatz hafte,
der zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Schadenersatzanspruches Eigentümer sei und nicht derjenige, der zum Zeitpunkt des
schadenauslösenden Ereignisses Eigentümer gewesen sei. Weil die Rechtshängigkeit erst nach Eintragung des Erwerbers ... im Grundbuch
eingetreten sei, hafte der Antragsgegner nicht mehr für den entstandenen Schaden. Im übrigen fehle für den Feststellungsantrag das
Rechtsschutzbedürfnis, weshalb dieser als unzulässig abzuweisen sei.
II.
9
Die sofortige weitere Beschwerde der Streithelferin ist gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG als Rechtsbeschwerde zulässig, aber in der Sache
unbegründet.
1.
10 Weil weder das WEG noch das FGG zu den §§ 64 ff. ZPO vergleichbare Vorschriften über die Beteiligung Dritter am Verfahren enthalten, sind
zumindest in den sogenannten echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie im vorliegenden Fall die Vorschriften der ZPO
weitgehend entsprechend anwendbar. Dies gilt insbesondere auch für die §§ 66 ff. ZPO über die Streitverkündung und die Nebenintervention
(BayObLG NJW-RR 1987, 1423; NJW 1970, 1551). Die Nebenintervention der Streithelferin war damit statthaft und zulässig.
11 Der Streithelfer kann namens der Hauptpartei Rechtsmittel einlegen und begründen, auch wenn die Hauptpartei es nicht tut. Eine
Rechtsmitteleinlegung durch den Streithelfer ist aber, wenn wie hier keine streitgenössische Nebenintervention im Sinn des § 69 ZPO vorliegt,
nur so lange möglich, als die Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei läuft (BayObLG a.a.O.; Zöller-Vollkommer ZPO 25. Aufl., § 67 RN 5 m.w.N.; vor §
511 RN 24). Danach ist für die Berechnung der Beschwerdefrist nicht die Zustellung des Beschlusses an die Streithelferin am 21.12.2004,
sondern die Zustellung an den Antragsgegner als unterstützte Partei am 22.12.2004 maßgeblich, so dass die sofortige weitere Beschwerde
innerhalb der Frist der §§ 45 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG bei Gericht eingegangen ist.
2.
12 Die weitere Beschwerde der Streithelferin ist unbegründet.
13 a) Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Ellwangen war nicht wegen des Fehlens der Rechtshängigkeit des geltend gemachten
Anspruchs fehlerhaft.
14 Der Antrag im WEG-Verfahren ist dem Antragsgegner entsprechend § 253 Abs. 1 ZPO grundsätzlich zuzustellen (Weitnauer WEG 9. Aufl. nach §
43 RN 3; Bärmann / Pick / Merle WEG 9. Aufl. § 43 RN 79). Dies ist erforderlich, um den Antragsgegner ordnungsgemäß am Verfahren zu
beteiligen und auf diese Weise ein Verfahrensrechtsverhältnis mit ihm zu begründen. Ob durch die Akteneinsicht des
Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners aufgrund richterlicher Anordnung vom 20.2.2002 auch ohne Zustellung des Antrags ein
Verfahrensverhältnis begründet wurde, kann dahingestellt bleiben. Durch die Akteneinsicht wurde zwar ein Zustellungsmangel nach § 16 Abs. 2
FGG i.V.m. § 189 ZPO nicht geheilt, weil eine Zustellung vom Gericht nicht angeordnet worden war (BGH NJW 2001, 3713, 3714). Jedoch wurde
spätestens mit der Antragstellung in der Sitzung vom 10.7.2002 ein Verfahrensrechtsverhältnis begründet (BGH a.a.O.).
15 b) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner für die Beschädigungen im August 2001 am
Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 14 Nr. 1 und 2 WEG einzustehen hat. Der Anspruch der
Eigentümergemeinschaft auf Schadensersatz ergibt sich aus der positiven Vertragsverletzung der Pflichten des Antragsgegners als Eigentümer
aus § 14 Nr. 1 und 2 WEG i.V.m. § 278 BGB (KG NJW-RR 2000, 1684; BGH NJW 1999, 2108, 109). Aus dem zwischen den
Wohnungseigentümern bestehenden gesetzlichen Verhältnis erwächst unter anderem die Pflicht des einzelnen Wohnungseigentümers,
Schäden am Gemeinschaftseigentum und an dem Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer zu vermeiden. Wird diese Pflicht verletzt, hat
der Wohnungseigentümer für ein Verschulden des von ihm beauftragten Unternehmens im Verhältnis zum geschädigten Wohnungseigentümer
nach § 278 Satz 1 BGB einzustehen (BGH a.a.O.). Nicht anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Eigentümer einen Erwerber und
dessen Handwerker Maßnahmen am Gebäude vornehmen lässt. Insoweit ist der Erwerber Erfüllungsgehilfe des Wohnungseigentümers
bezüglich dessen Schutzpflichten gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern. Der Antragsgegner haftet deshalb als Eigentümer zum
Zeitpunkt der Baumaßnahme für die von dem Bauunternehmer des Erwerbers schuldhaft verursachten Schäden am Gemeinschaftseigentum.
16 c) Zutreffend ist die Auslegung des Landgerichts, aus der Vereinbarung vom 19.2.2001 ergebe sich kein Verzicht auf diesen
Schadensersatzanspruch gegenüber dem Antragsgegner. Wie sich aus dem Wort „auch“ ergibt, sollte durch die Vereinbarung ein zusätzlicher
Schuldner der Wohnungseigentümergemeinschaft geschaffen werden. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass im Zusammenhang mit dieser
Vereinbarung der Antragsgegner aus seiner Haftung entlassen werden sollte. Dazu hatte die Wohnungseigentümerversammlung im übrigen
auch keine Veranlassung. Sie wollte durch die Vereinbarung ihre Rechte sichern und nicht Rechte verlieren.
17 Wenn nun in Fettdruck mit der Begründung der weiteren Beschwerde die Wirksamkeit dieser notariellen Vereinbarung angezweifelt wird, muss
hierauf nicht näher eingegangen werden, weil sich aus dieser die Haftung des Antragsgegners nicht ergibt, sondern aus Gesetz in Verbindung
mit dem zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis.
18 d) Bezüglich der Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrags wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss
des Landgerichts Ellwangen vom 17.12.2004 verwiesen.
3.
19 Die Entscheidung zu den Gerichtskosten ergibt sich aus § 47 Satz 1 WEG. Danach ist es angemessen, wenn die Streithelferin die Kosten des von
ihr eingelegten, erfolglosen Rechtsmittels trägt. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht anzuordnen, nachdem angesichts der
fehlenden Begründetheit der sofortigen weiteren Beschwerde die anderen Beteiligten in das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht einbezogen
wurden.