Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 29.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: ablauf der frist, telefonrechnung, einverständnis, anbieter, preisliste, prüfer, versendung, bezahlung, beweislast, arbeitsrecht

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
3. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 W 28/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 7 Abs 3 TDSV
Zahlungsklage aus einer Telefonrechnung: Beweislast des
Telekommunikationsunternehmens bei Abrechnung von
0190er Gesprächen; ausreichende Einwendungen gegen
die Telefonrechnung bei Nichtzahlung der auf 0190er-
Gespräche entfallenden Gebühren
Leitsatz
1. Einwendungen im Sinne des § 7 Abs. 3 TDSV ergeben sich zwar nicht bereits aus der
schlichten Nichtzahlung der Telefonrechnung, wohl aber dann, wenn von einem
größeren Gesamtrechnungsbetrag nur die Gesprächsgebühren aus den 0190er
Nummern unbezahlt bleiben.
2. Ein Telekommunikationsunternehmen, das den Kunden auf Bezahlung sog.
Mehrwertdienste in Anspruch nimmt, muss diesem eine Telefonrechnung vorlegen, die
ihn in die Lage versetzt, den Inhalt der Rechnung qualifiziert zu bestreiten.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Einzelrichters
der 9. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 21. Februar 2006 geändert und wie
folgt neu gefasst:
Dem Beklagten wird zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe bewilligt.
Ratenzahlung in Höhe von 45 € monatlich wird angeordnet.
Über die Beiordnung eines vertretungsbereiten Rechtsanwalts hat das Landgericht
unter Berücksichtigung von § 121 Abs. 3 ZPO zu entscheiden.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Hinreichende Erfolgaussichten im
Sinne des § 114 ZPO für die beabsichtigte Rechtsverteidigung des Beklagten
gegen die Klage können entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht verneint
werden.
Im Grundsatz muss nämlich die Klägerin beweisen, dass der Beklagte
Mehrwertdienste über die 0190-Nummern im abgerechneten Umfang in Anspruch
genommen hat. Insoweit sind zwei Rechtsverhältnisse zu unterscheiden. Zum
einen besteht der Telefondienstvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten
als Dauerschuldverhältnis, zum anderen entsteht dadurch, dass der Kunde (hier
also der Beklagte) einen sog. Mehrwertdienst in Anspruch nimmt, ein weiteres
Rechtsverhältnis mit dem Anbieter der jeweiligen Dienstleistung (BGHZ 158, 201
ff. = NJW 2004, 1590 ff.). Im vorliegenden Fall macht die Klägerin ausweislich auch
ihrer mit Schriftsatz vom 4. November 2005 beigefügten Preisliste sowohl den
Preis für ihre eigene Leistung bei der Verbindung geltend als auch die Vergütung
für den Informationsanbieter. Dann aber ist es ihre Sache, substantiiert
darzulegen und bei Bestreiten zu beweisen, dass auch der angebliche Vertrag mit
dem jeweiligen Anbieter der 0190er-Nummern zustande gekommen ist, aus
welchem die Forderung hergeleitet wird (ebenso Mankowski, CR 2004, 185 ff.).
Das Beschwerdegericht folgt nicht der Auffassung des Landgerichts, hier müsse
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Das Beschwerdegericht folgt nicht der Auffassung des Landgerichts, hier müsse
der Beklagte vor dem Hintergrund einer Beweisvereitelung seinerseits den
Negativbeweis führen, er habe Mehrwertdienste nicht in dem abgerechneten
Umfang in Anspruch genommen, weil die Klägerin aus datenschutzrechtlichen
Gründen verpflichtet gewesen sei, die Einzelverbindungsnachweise gemäß § 7 Abs.
3 TDSV zu löschen. Allerdings sieht S. 3 dieser Vorschrift in der hier maßgeblichen,
bis zum 31. Januar 2004 gültigen Fassung vor, dass die Verbindungsdaten unter
Kürzung der Zielnummer um die letzten drei Ziffern zu Beweiszwecken für die
Richtigkeit der berechneten Entgelte höchstens 6 Monate nach Versendung der
Rechnung gespeichert werden dürfen. Eine weitere Speicherung ist nur dann -
nach S. 4 der genannten Vorschrift - zulässig, wenn der Kunde gegen die Höhe der
in Rechnung gestellten Verbindungsentgelte vor Ablauf der Frist Einwendungen
erhoben hat. Die Voraussetzungen, unter denen die Klägerin nach dieser Norm die
fraglichen Daten zu löschen hatte, lagen hier aber noch nicht vor, denn es fehlt an
einer ausreichend qualifizierten Rechnung, auf deren Grundlage der Beklagte
innerhalb von 6 Monaten nach Versendung hätte Einwendungen erheben können
und müssen.
Das Beschwerdegericht folgt insoweit der Auffassung des Landgerichts Stendal
(Urteil vom 18. August 2005, 22 S 51/05, Abdruck in Juris), wonach ein
Telekommunikationsunternehmen, das den Kunden auf Bezahlung sog.
Mehrwertdienste in Anspruch nimmt, diesem eine Telefonrechnung vorlegen muss,
die ihn in die Lage versetzt, den Inhalt der Rechnung qualifiziert zu bestreiten.
Diese Voraussetzungen liegen mit der hier fraglichen Rechnung vom 20.
Dezember 2002 nicht vor, denn diese Rechnung weist nur pauschal 93
Verbindungen zum Service 0190x mit 97.733 tariflichen Zeiteinheiten zum
Nettobetrag von 5.209,17 € auf. Schon nach der eigenen Preisliste Telefondienst
der Klägerin mit dem Stand vom 1. September 2002 gliedern sich die Preise für
sog. Premium Rate-Dienste aber in mehrere Untergruppen, je nach dem, welche
Ziffer nach der Zugangskennzahl 0190 folgt. Nicht einmal eine Aufgliederung nach
diesen verschiedenen Tarifgruppen lässt sich der hier fraglichen Rechnung vom 20.
Dezember 2002 entnehmen. Erst recht wird dort nicht der jeweilige
Mehrdienstanbieter genannt. Dann aber kann der Beklagte aus dieser Rechnung
als Kunde nicht entnehmen, ob er überhaupt möglicherweise die Dienste der
betreffenden Mehrdienstanbieter in Anspruch genommen hat und kann deshalb
auch nicht qualifiziert bestreiten.
Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen wollte, würde es an hinreichenden
Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht fehlen, weil dann
jedenfalls ausreichende Einwendungen des Beklagten im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 4
TDSV innerhalb der 6-Monatsfrist vorliegen würden. Allerdings reicht insoweit nach
der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 24. Juni 2004, III ZR 104/03, NJW 2004,
3183 ff.) die schlichte Nichtzahlung der Rechnung nicht aus und ist vielmehr eine
Erklärung erforderlich, der wenigstens andeutungsweise entnommen werden kann,
dass der Kunde Beanstandungen spezifisch im Hinblick auf die Verbindungspreise
geltend macht.
Im vorliegenden Fall liegt aber kein Fall der schlichten Nichtzahlung der Rechnung
vor. Der Beklagte hat nämlich nicht etwa den Gesamtrechnungsbetrag nicht
bezahlt, sondern nur die Gesprächsgebühren aus den 0190er-Verbindungen
unbezahlt gelassen (für das Vorliegen einer ausreichenden Einwendung in diesem
Fall Struck, Anm. zu OLG Dresden, Urteil vom 25. Januar 2001, CR 2002, 35). Der
Beklagte hat hier darüber hinaus schon gegenüber dem technischen Prüfer der
Klägerin nach dessen Untersuchungsbericht vom 10. Dezember 2002 seine
Verwunderung über die Höhe der aufgekommenen Kosten aus den 0190er-
Gesprächen zum Ausdruck gebracht (Bl. 38 d. A.) und überdies in seinem auf die
ihm erteilte Rechnung erfolgten Schreiben vom 24. Januar 2003 angemerkt, er
könne die Kosten für die 0190er-Verbindungen derzeit leider nicht bezahlen, es sei
"wahrscheinlicher ..., dass ich den Betrag in Monatsraten direkt an den
betreffenden Serviceanbieter bezahlen könnte". Er hat in diesem Schreiben die
Klägerin weiter gebeten, ihn zu informieren, wie sie in dieser Angelegenheit weiter
vorgehen wolle.
Aus dem genannten Schreiben in Verbindung mit der vorherigen Reaktion des
Beklagten gegenüber dem technischen Prüfer musste der Klägerin deutlich
werden, dass der Beklagte durchaus Zweifel an der Höhe der in Rechnung
gestellten Verbindungen hegte und insoweit sich vorbehielt, möglicherweise an
den betreffenden Serviceanbieter direkt zu bezahlen. Das allein hätte der Klägerin
ausreichend Anlass bieten müssen, dem Beklagten jedenfalls nunmehr den oder
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ausreichend Anlass bieten müssen, dem Beklagten jedenfalls nunmehr den oder
die entsprechenden Serviceanbieter offen zu legen, durch deren angebliche
Inanspruchnahme der hohe offene Rechnungsbetrag entstanden sein soll, um ihm
qualifiziertere Einwendungen zu ermöglichen.
Die Klägerin hätte - im eigenen Interesse - zumindest Anlass gehabt, von der
Löschung der Daten abzusehen. Zutreffend hat insoweit bereits das OLG Celle (in
NJW-RR 1997, 568 ff.) ausgeführt, dass das Telekommunikationsunternehmen
berechtigt ist, die Aufzeichnungen über die vorgegebenen Fristen hinaus
vorzuhalten, wenn sie erkennbar zum Zwecke des Nachweises gegenüber dem
Kunden noch benötigt werden. Ein solcher Fall lag hier nicht nur angesichts der
Reaktion des Beklagten sondern zudem auch angesichts der außergewöhnlichen
Höhe der Rechnung (im Verhältnis zur Kürze des fraglichen Zeitraums der
Inanspruchnahme von 0190er-Verbindungen) vor, wobei die Klägerin hätte
bedenken müssen, dass insoweit bekanntermaßen einer Vielzahl von
Missbrauchsmöglichkeiten bestehen, durch die Einzelverbindungen unbemerkt von
dem durchschnittlichen Anschlussnutzer - und damit ohne den erforderlichen
Vertragsschluss - zustande kommen.
Bei der Ratenfestsetzung ist von den erklärten und belegten Angaben des
Beklagten im Wirtschaftsfragebogen nicht abgewichen worden.
Über den Antrag des Beklagten, ihm den Hamburger Rechtsanwalt A.
beizuordnen, wird das Landgericht weiter zu entscheiden haben, da dieser Antrag
noch nicht entscheidungsreif ist. Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht bei dem
Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch
weitere Kosten nicht entstehen.
Solche Kosten würden hier aber in Form von Reisekosten für den genannten
Rechtsanwalt entstehen. Der Rechtsanwalt hat bisher kein Einverständnis erklärt,
ihn nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beizuordnen.
Eine Beiordnung mit diesen Einschränkungen ohne das erklärte Einverständnis des
Rechtsanwalts ist unzulässig (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 121 Rn. 13
a). Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wird sich insoweit mithin noch
gegenüber dem Landgericht zu erklären haben. Besteht kein Einverständnis, ist
der Beklagte von dem Landgericht aufzufordern, einen anderen Rechtsanwalt zu
seiner Beiordnung zu benennen.