Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: treu und glauben, anrechenbares einkommen, firma, getrennt lebender ehegatte, erlöschen des anspruchs, fahrtkosten, bedingter vorsatz, fristlose kündigung, im bewusstsein

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Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
3. Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 UF 65/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1603 Abs 2 BGB
Kindesunterhalt: Verminderung der Leistungsfähigkeit
eines gesteigert Unterhaltspflichtigen bei leichtfertig
verschuldetem Arbeitsplatzverlust
Leitsatz
Im Rahmen gesteigerter Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern (§ 1603 Abs. 2
BGB) vermindert der Verlust des Arbeitsplatzes die Leistungsfähigkeit des
Unterhaltsverpflichteten nicht, wenn der Arbeitsplatzverlust auf dessen leichtfertigem
Verhalten beruht.
Tenor
Auf die Berufungen des Beklagten und der Klägerin wird das am 16. März 2005
verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig unter
Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen teilweise geändert und wie folgt neu
gefasst:
Der Beklagte wird unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an die Klägerin
folgenden monatlichen Unterhalt zu zahlen:
- für Juni 2004 für C.-P. 97 €, P.-J. 83 € und die Klägerin selbst 100 €,
- für Juli 2004 für C.-P.110 €, P.—J. 92 € und die Klägerin selbst 127 €,
- für August 2004 für C.-P. 123 €, P.-J. 101 € und die Klägerin selbst 157 €,
- für September bis Dezember 2004 für C.-P. 137 €, P.—J. 111 € und die Klägerin
selbst 185 €,
- für Januar bis Juni 2005 für C.-P. 161 €, P.-J. 128 € und die Klägerin selbst 238 €,
- für Juli bis Oktober 2005 für C.-P. 135 €, P.-J. 110 € und die Klägerin selbst 194 €,
- für November und Dezember 2005 für C.-P. 106 €, P.-J. 84 € und die Klägerin
selbst 164 €,
- ab Januar 2006 für C.-P. 145 € und P.-J. 102 €.
Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Die gemeinsamen Kinder C.-P. (12-
14 Jahre alt) und P.-J. (2-4 Jahre alt) leben seit der Trennung der Parteien Mitte
Dezember 2003 (Beklagtenvortrag) oder Mitte April 2004 (Klägervortrag) bei der
Klägerin. Die Klägerin begehrt für sich und die Kinder Unterhalt für die Zeit ab dem
01.06.2004. Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrages der Parteien sowie der
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01.06.2004. Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrages der Parteien sowie der
tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichtes wird auf den Tatbestand und die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Zu ergänzen ist, dass
der Beklagte in der Zeit vom 23.05.2005 bis zum 18.11.2005 bei der Firma Pö.
Transporte GmbH als Lkw-Fahrer beschäftigt war und ein monatliches Bruttogehalt
in Höhe von 1890 € bezog. Das Nettogehalt betrug im Juni 2005 1245,45 € und
danach 1228,44 €. Dieses Arbeitsverhältnis ist wegen Arbeitsmangel durch den
Arbeitgeber beendet worden. Der Beklagte bezieht seit dem 19. 11. 2005 wieder
Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 27,06 € bzw. monatlich 811,80 €. Der
Beklagte ist außerdem am 15. 11. 2005 Vater eines weiteren Kindes geworden,
das aus der Beziehung mit seiner neuen Lebensgefährtin K. Pa. stammt. Die
Klägerin leistet seit Februar 2006 keine Zahlungen mehr auf die Hauslasten.
Das Amtsgericht hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen
verurteilt, Kindesunterhalt für C.-P. für die Zeit vom 01.06. bis 15.08.2004 in Höhe
von monatlich 124 €, für die Zeit vom 16.08. bis 31.12.2004 in Höhe von monatlich
164 € und ab 01.01.2005 in Höhe von monatlich 165 € und für P.-J. für die Zeit
vom 01.06. bis 15.08.2004 in Höhe von 102 €, für die Zeit vom 16.08. bis
31.12.2004 in Höhe von 130 € und ab dem 01.01.2005 in Höhe von monatlich 131
€ sowie Trennungsunterhalt für die Klägerin selbst für die Zeit vom 01.06. bis
15.08.2004 in Höhe von monatlich 148 €, für die Zeit vom 16.08. bis 31.12.2004 in
Höhe von 243 € und ab 01.04.2005 (muss heißen: 01.01.2005) in Höhe von
monatlich 246 € zu zahlen. Der rückständige Kindesunterhalt für P.-J. ist nach dem
Urteil des Amtsgerichtes bis zur Höhe von 122 € monatlich an die
Unterhaltsvorschusskasse des Kreises Schleswig-Flensburg zu zahlen, der
weitergehende rückständige Unterhalt für P.-J. ebenso wie der rückständige
Kindesunterhalt für C.-P. bis zum 31.12.2004 und rückständiger
Trennungsunterhalt für die Klägerin für die Monate Oktober bis Dezember 2004
von monatlich 52,56 € an das Sozialamt Silberstedt. Der zukünftige Kindes- und
Trennungsunterhalt ab 01.04.2005 sowie der weitergehende Trennungsunterhalt
bis zum 31.12.2004 für die Klägerin selbst ist an die Klägerin zu zahlen.
Das Amtsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dem Beklagten sei ab dem 15.
5. 2004 fiktiv das Einkommen anzurechnen, das er bei der Firma S. Viehtransporte
in B. erhalten hätte, da die Beweisaufnahme ergeben habe, dass der Beklagte die
Kündigung des Arbeitsverhältnisses dort selbst verschuldet habe. Wegen der
weiteren Einzelheiten der Begründung sowie der Unterhaltsberechnung wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Der Beklagte macht mit seiner Berufung geltend:
Das Amtsgericht habe zu Unrecht zu seinen Lasten ein fiktives Einkommen
berücksichtigt. Bei einem unfreiwilligen Arbeitsplatzverlust komme eine
Einkommensfiktion nur dann in Betracht, wenn ein vorwerfbares Verhalten, das
sich auf die Unterhaltspflicht beziehe, festgestellt werden könne. Das sei hier nicht
der Fall. Da er, der Beklagte, sich noch in der Probezeit befunden habe, habe das
Arbeitsverhältnis ohne Kündigungsgrund gekündigt werden können. Ein
Kündigungsgrund habe auch nicht vorgelegen. Der Zeuge S. habe eine
Sonntagsarbeit nicht verlangen können, da er keinen freien Tag angeboten habe.
Er, der Beklagte, habe zu Recht auf einen an diesem Wochenende anstehenden
Besuch seiner Kinder verwiesen. Es habe ein reguläres Umgangswochenende
angestanden. Im Übrigen habe der Zeuge S. kurz darauf einen anderen Fahrer
gefunden gehabt. Damit sei die Anfrage wegen der Sonntagstour erledigt
gewesen.
Auch die am darauffolgenden Montag um 11.00 Uhr erfolgte Krankmeldung stelle
keinen Kündigungsgrund dar, da eine frühere Krankmeldung nicht möglich
gewesen sei. Er, der Beklagte, habe zunächst einmal einen Arzt aufsuchen
müssen.
Der vom Amtsgericht angenommenen Einkommensfiktion stehe entgegen, dass
er, der Beklagte, keine Berufsausbildung habe. Er sei vorher nur in der Firma
seiner Ehefrau teilschichtig Taxi gefahren.
Die Klägerin habe höhere Einkünfte als angegeben. Wie sich aus dem zur Akte
gereichten Observationsbericht der Zeugen P. St., H. Pa. und G. St. vom
03.12.2005 ergebe, arbeite die Klägerin ständig als Taxifahrerin bei der Firma Taxi
M. und verdiene dort mehr als 1200 € pro Monat. Da die Klägerin diese Einkünfte
verschwiegen habe, habe sie ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt verwirkt.
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Die von der Klägerin behaupteten Schuldabträge würden bestritten. Soweit die
Klägerin ALG II beziehe, habe er, der Beklagte, bisher keine Überleitungsanzeige
erhalten. Daraus ergebe sich, dass ein Anspruchsübergang nicht erfolgt sei und
die Leistungen als bedarfsdeckend anzusehen seien.
Er, der Beklagte, habe den im Steuerbescheid vom 19.04.2005 für das Jahr 2004
aufgeführten Guthabensbetrag in Höhe von 1192,87 € (siehe Blt. 235 d. A.) bisher
nicht ausgezahlt erhalten, da die Unterhaltsvorschusskasse Ansprüche geltend
gemacht habe und das Finanzamt eine Verrechnung angekündigt habe. Die
Unterhaltsvorschusskasse habe 1.089,27 € erhalten und diesen Betrag mit
Unterhaltsansprüchen für 2004 verrechnet.
Für die Zeit seiner Tätigkeit bei der Firma Pö. Transporte GmbH seien Fahrtkosten
in Höhe von monatlich 88 € einkommensmindernd zu berücksichtigen, da die
einfache Entfernung zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstelle in Sch. 8 km
betrage. Die einfache Entfernung zwischen seiner Wohnung und der Firma S.
betrage 25 km. Während der Beschäftigungszeit bei der Fa. S. seien 2-3
Heimfahren pro Woche angefallen, da er längere Touren gefahren sei. Die
entsprechenden Fahrtkosten müssten im Falle einer Fiktion der bei dieser Firma
vereinbarten Einkünfte fortgeschrieben werden.
Der Wohnvorteil auf Seiten der Klägerin betrage jedenfalls 600 € monatlich. Hinzu
kämen Mieteinnahmen in Höhe von mtl. 224,52 €. Abzuziehen seien lediglich die
Hauslasten in Höhe von 536,86 €. Bei den weiteren von der Klägerin angeführten
Verbindlichkeiten handele es sich nicht um Hauslasten sondern um
Konsumausgaben der Klägerin, die nicht abzugsfähig seien.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
1. das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zur Zahlung
folgender monatlicher Unterhaltsbeträge an die Klägerin zu verurteilen:
Für Juni und Juli 2004
für C.
145,00 €
und für P.
115,00 €.
Für August 2004 bis Juni 2005
für C.
170,00 €,
P.
135,00 €
und die Klägerin
260,00 €.
2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin macht im Berufungsverfahren geltend:
Bei fiktiven Einkünften finde ein Anspruchsübergang auf öffentlich-rechtliche
Leistungsträger nicht statt. Die Sozialhilfeleistungen seien dennoch nicht
bedarfsdeckend, da es nicht Zweck dieser Leistungen sei, den Unterhaltsschuldner
zu entlasten. Die Unterhaltsansprüche stünden daher nach wie vor ihr, der
Klägerin, zu. Einer Teilanrechnung nach § 242 BGB stehe entgegen, dass ein
Mangelfall vorliege.
Die vom Amtsgericht angenommene Einkommensfiktion sei zu niedrig. Aus der
Aussage des Zeugen S. ergebe sich, dass für Wochen mit einer Sonntagstour
Spesen nicht nur in Höhe von 120 € sondern in Höhe von 144 € gezahlt worden
wären. Außerdem habe der Zeuge ausgesagt, dass das Gehalt des Beklagten ab
dem 01.07. um 100 € erhöht worden wäre.
Die vom Zeugen S. angegebenen Kündigungsgründe seien unterhaltsrechtlich
vorwerfbar. Am Kündigungswochenende habe ein Besuchstermin für die Kinder
nicht angestanden. Der erste Besuch der Kinder nach der Trennung sei erst am
21.08.2004 erfolgt. Eine Krankmeldung sei auch nach dem Vortrag des Beklagten
bereits am Sonntag telefonisch möglich gewesen. Im Übrigen widerspreche der
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bereits am Sonntag telefonisch möglich gewesen. Im Übrigen widerspreche der
Inhalt der vom Beklagten vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 21.06.2004
(Bl. 254 d. A.) dem eigenen Vortrag des Beklagten.
Die Erwerbsbemühungen des Beklagten seien nicht ausreichend. Sie, die Klägerin,
habe zwar in der Zeit ab dem 01.12.2004 aushilfsweise bei der Firma Taxi M.
gearbeitet. Sie habe dort jedoch lediglich monatlich netto 40 bzw. 45 € erhalten.
Dieses Arbeitsverhältnis sei zum 31.05.2005 gekündigt worden.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg, da der Beklagte nur zur
Zahlung der im Urteilstenor aufgeführten Unterhaltsbeträge verpflichtet ist. Die
zulässige Berufung der Klägerin ist nur insoweit begründet, als das Amtsgericht
hinsichtlich eines Teils der Unterhaltsansprüche zu Unrecht eine Verpflichtung zur
Zahlung an die Klägerin selbst verneint und den Beklagten zur Zahlung an die
Unterhaltsvorschusskasse bzw. das Sozialamt verurteilt hat.
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Kindesunterhalt folgt aus §§ 1601 ff
BGB, der Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt ergibt sich aus § 1361
BGB. Nach § 1601 i.V.m. § 1603 Abs.1 BGB sind Verwandte in gerader Linie
verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren, es sei denn sie sind bei
Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen außerstande, den Unterhalt ohne
Gefährdung ihres eigenen Unterhaltes zu gewähren. Minderjährige sind, soweit sie
wie hier vorliegend nur den Regelunterhalt oder einen geringeren Betrag
verlangen, von der Darlegungs- und Beweislast für ihren Bedarf sowie für die
Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen befreit. Da die Leistungsunfähigkeit
des Unterhaltspflichtigen nach § 1603 Abs.1 BGB als Einwendung ausgestaltet ist,
liegt die Darlegungs- und Beweislast für alle die Leistungsfähigkeit mindernden
Umstände, mithin sowohl für sein tatsächliches Einkommen als auch für Art und
Berechtigung der behaupteten Erwerbsminderung sowie seine Bemühungen zu
deren Behebung, beim Unterhaltspflichtigen (siehe Palandt-Diederichsen, BGB, 64.
Aufl., Vor § 1601 Rn.67 m.w.Nw.; Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 6
Rn.712 m.w.Nw.), hier mithin beim Beklagten. Nach § 1361 BGB kann ein getrennt
lebender Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den
Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt
verlangen.
1. Einkommen des Beklagten
1.1) Das Amtsgericht hat auf Seiten des Beklagten zu Recht fiktiv das Einkommen
berücksichtigt, das dieser bei der Fa. S. Viehtransporte in B. erhalten hätte. Der
Senat folgt den diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgericht, auf die zur
Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Der Einwand des
Beklagten, es fehle an einem unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten des
Beklagten, ist nicht begründet. Der Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass
ein selbstverschuldeter aber doch ungewollter Verlust des Arbeitsplatzes nicht der
freiwilligen Aufgabe eines Arbeitsplatzes gleichgestellt werden kann. In solchen
Fällen ist dem Unterhaltspflichtigen eine Berufung auf seine Leistungsunfähigkeit
nur dann aus Treu und Glauben verwehrt, wenn sich das für den Verlust des
Arbeitsplatzes ursächliche Verhalten seinerseits als Verletzung seiner
Unterhaltspflicht darstellt. Erforderlich ist insoweit ein schuldhaftes Fehlverhalten,
das einen objektiven Unterhaltsbezug aufweist. Das schuldhafte Verhalten muss
jedoch nicht vorsätzlich sein, es genügt vielmehr ein zumindest leichtfertiges
Verhalten (BGH FamRZ 2002, 813, 814; Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., §
1 Rn.494). Erforderlich ist, dass der Unterhaltsschuldner die Möglichkeit des
Eintritts der Leistungsunfähigkeit als Folge seines Verhaltens erkennt und im
Bewusstsein dieser Möglichkeit, wenn auch im Vertrauen auf den Nichteintritt jener
Folge handelt, wobei er sich unter grober Missachtung dessen, was jedem
einleuchten muss, oder in Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen
den Unterhaltsgläubiger über die erkannte Möglichkeit nachteiliger Folgen für seine
Leistungsfähigkeit hinwegsetzt (BGH FamRZ 2002, 813, 814).
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Anforderungen an den gemäß § 1603 Abs.2
BGB gesteigert Unterhaltspflichtigen, der einen Arbeitsplatz hat, sich wesentlich
von den Anforderungen an denjenigen gesteigert Unterhaltspflichtigen
unterscheiden, der keinen Arbeitsplatz hat. Der eine muss alles Zumutbare tun,
um seinen Arbeitsplatz zu behalten, der andere, um einen solchen zu bekommen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich der objektiven Unterhaltsbezug des vom
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Im vorliegenden Fall ergibt sich der objektiven Unterhaltsbezug des vom
Amtsgericht festgestellten Fehlverhaltens des Beklagten bereits daraus, dass
sowohl die Weigerung des Beklagten, eine Sonntagstour zu übernehmen, als auch
die am Montag Morgen unterlassene Mitteilung von dem beabsichtigten
Arztbesuch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis
des Beklagten standen, aus dem sich die damalige Leistungsfähigkeit des
Beklagten zur Erfüllung der streitgegenständlichen Unterhaltspflichten ergab. Es
kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass dem damals in der Probezeit
befindlichen Beklagten bewusst war, dass das oben genannte Verhalten
gegenüber seinem Arbeitgeber den Bestand dieses Probearbeitsverhältnisses -
und damit seine Leistungsfähigkeit - gefährden könnte. Auch wenn nicht
festgestellt werden kann, dass der Beklagte diese Folge billigend in Kauf
genommen hat (bedingter Vorsatz), so hat er jedoch zumindest leichtfertig
gehandelt, weil es bei einem Probearbeitsverhältnis auf der Hand liegt, dass ein
Arbeitgeber solch ein Verhalten zum Anlass nimmt, das Arbeitsverhältnis durch
eine fristlose Kündigung, die nicht einmal begründet werden muss, zu beenden.
Ob an dem besagten Wochenende tatsächlich ein vereinbarter Besuch der Kinder
im Rahmen des Umgangsrechtes anstand oder nicht, kann in diesem
Zusammenhang ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob die Verpflichtung
des Beklagten zur Übernahme dieser Sonntagstour bereits vorher mit dem
Arbeitgeber vereinbart war, weil ein Arbeitnehmer während der Probezeit in
besonderem Maße Arbeitseinsatz und Flexibilität zeigen muss. Das gilt erst Recht
für einen gesteigert Unterhaltspflichtigen gemäß § 1603 Abs.2 BGB.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob der Beklagte aufgrund seiner
Berufsausbildung Aussichten gehabt hätte, eine Arbeitsstelle mit dem fingierten
Einkommen noch einmal zu finden. Entscheidend ist, dass er bereits eine solche
Arbeitsstelle hatte und die Aussicht einer endgültigen Übernahme bei diesem
Arbeitgeber gut war.
Das fingierte Einkommen ist für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum
maßgeblich, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Beklagte bei
pflichtgemäßen Verhalten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung wieder
entlassen worden wäre. Der Viehtransport ist kein Saisongeschäft. Viehtransporte
fallen bekanntermaßen das ganze Jahr über an. Deshalb werden die Arbeitnehmer
in diesem Gewerbe - anders als z.B. im Baugewerbe, in der Landwirtschaft oder im
Gastronomiebereich - in der Regel durchgehend beschäftigt. Es spricht auch nichts
für einen betriebsbedingten Personalabbau bei der Firma S.. Der Beklagte trägt
selbst vor, immer wieder Stellenanzeigen dieser Firma gelesen zu haben. Da der
Zeuge S. den Beklagten bei seiner Aussage im Termin am 21.02.2005 vor dem
Amtsgericht als guten Fahrer bezeichnet hat, stand eine Entlassung aus anderen
Gründen nicht zu befürchten. Die vom Beklagten ohne hinreichende
Substantiierung behauptete große Personalfluktuation lässt sich nachvollziehbar
mit den nur schwer kalkulierbaren und daher „familienunfreundlichen“
Arbeitszeiten und der hohen körperlichen Beanspruchung erklären.
Der Fortdauer der Einkommensfiktion steht auch nicht entgegen, dass der
Beklagte vom 01.10.2004 bis zum 07.12.2004 bei der Fa. G. Land- und Bautechnik
und vom 23.05.2005 bis zum 18.11.2005 bei der Firma Pö. Transporte GmbH
beschäftigt war. Der Beklagte hätte seine aus § 1603 Abs.2 folgende gesteigerte
Erwerbsobliegenheit schuldhaft verletzt, wenn er das Arbeitsverhältnis bei der
Firma S. gekündigt hätte, um zu den oben genannten Arbeitgebern zu wechseln.
Beide Tätigkeiten wurden schlechter bezahlt als die Tätigkeit bei der Fa. S..
Außerdem hat es sich in beiden Fällen um eine Saisonbeschäftigung gehandelt,
bei der eine Kündigung im Winterhalbjahr vorhersehbar war.
Da die Einkommensfiktion für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum gilt,
kann dahinstehen, ob der Beklagte sich in der Folgezeit hinreichend intensiv um
eine andere Arbeitsstelle beworben und ob er in den Zeiten des
Arbeitslosengeldbezuges geringfügige Nebeneinkünfte erzielt hat.
1.2) Hinsichtlich der Höhe des fingierten Einkommens weist die Klägerin zu Recht
darauf hin, dass der Zeuge Schultz bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht
bekundet hat, dem Beklagten für die Zeit ab dem 01.07.2004 eine
Gehaltserhöhung um mtl.100 € zugesagt zu haben. Das fingierte Gehalt beträgt
mithin
- ab dem 01.06.2004 - 1.500 €,
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- ab dem 01.07.2004 - 1.600 € und
- ab dem 15.08.2004 - 1.800 €.
1.3) Die Klägerin weist auch zu Recht darauf hin, dass die zugesagten
Spesenzahlungen nicht wie vom Amtsgericht angenommen immer 120 € pro
Woche betrugen, sondern in Wochen mit Sonntagstouren 144 €. Der
Durchschnittsbetrag beläuft sich auf 132 € pro Woche, das sind bei 44
Arbeitswochen 5.808 € pro Jahr und 484 € pro Monat. Davon 1/3 sind 161,33 €.
1.4) Der Beklagte hatte während seiner Tätigkeit bei der Fa. S. Fahrtkosten in
Höhe von mtl. 119,17 € (= 25 km x 2 x 0,26 €/km x 110 /12). Der Beklagte hat zur
Überzeugung des Senates glaubhaft dargelegt, dass er nicht nur einmal pro
Woche, wie die Klägerin behauptet, sondern durchschnittlich jeden zweiten
Arbeitstag von Schl. nach B. und zurück gefahren ist. Die einfache Strecke beträgt
25 km. Diese Fahrtkosten müssen auch für die Folgezeit fortgeschrieben werden,
in der dem Beklagten das bei der Fa. Schultz erzielte Einkommen fiktiv
zugerechnet wird, allerdings mit der Maßgabe, dass sich die Fahrtkosten ab dem
01.07.2005 entsprechend den neuen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgerichtes auf 137,50 € (= 25 km x 2 x 0,30 €/km x 110 /12) erhöhen.
1.5) Das im Steuerbescheid vom 19.04.2005 (Blt.235 d.A.) betreffend das Jahr
2004 ausgewiesene Guthaben in Höhe von 1.192,87 € kann nicht als Einkommen
auf Seiten des Beklagten berücksichtigt werden, weil es unstreitig bisher nicht an
den Beklagten ausgezahlt worden ist. Der Beklagte hat hinsichtlich eines
Teilbetrages von 1.089,27 € eine Überweisung an die Unterhaltsvorschusskasse
des Kreises Schleswig-Flensburg und im übrigen eine Verrechnung mit
Gegenansprüchen des Finanzamtes behauptet. Die Weiterleitung eines
Teilbetrages in Höhe von 1.089,27 € an die Unterhaltsvorschusskasse des Kreises
Schleswig-Flensburg wird durch die mit Schriftsatz vom 05.04.2006 eingereichten
Bestätigung der Unterhaltsvorschusskasse vom 20.03.2006 bestätigt. Die in
dieser Bestätigung erwähnte Rücküberweisung in Höhe von 907 € an das
Finanzamt steht der Behauptung des Beklagten nicht entgegen, da der
Bestätigung der Unterhaltsvorschusskasse zu entnehmen ist, dass das Finanzamt
den Betrag mit der Begründung zurückgefordert hat, dieser stehe nicht dem
Kindesvater sondern der Kindesmutter - mithin der hiesigen Klägerin - zu. Soweit
der Beklagte eine Verrechnung durch das Finanzamt behauptet, ergibt sich
bereits aus dem Steuerbescheid vom 19.04.2005, dass eine Verrechnung mit
Gegenansprüchen beabsichtigt ist. Da sich aus dem Steuerbescheid vom
29.04.2005 betreffend das Jahr 2003 (Blt.231 d.A.) eine Nachzahlungspflicht in
Höhe von 5.061,88 € ergibt, ist davon auszugehen, dass eine Verrechnung
zumindest vorbehalten bleibt. Es kann auf jeden Fall nicht angenommen werden,
dass das Finanzamt das Guthaben aus dem Steuerbescheid vom 19.04.2005 an
den Beklagten ausgezahlt hat.
Soweit der Beklagte im Zusammenhang mit der Überweisung des Teilbetrages in
Höhe von 1.089,27 € an die Unterhaltsvorschusskasse die Ansicht vertritt, dass
damit ein Teil des streitgegenständlichen Anspruchs auf Kindesunterhalt für das
Jahr 2004 erloschen sei, kann dem nicht gefolgt werden, da die Überweisung durch
das Finanzamt nur im Wege einer Zwangsvollstreckung oder zur Abwendung einer
solchen erfolgt sein kann. Eine solche Zahlung führt nicht zum Erlöschen des
Anspruchs nach § 362 BGB.
1.6) Das Zusammenleben des Beklagten mit seiner neuen Lebensgefährtin führt
weder zu einer Einkommenserhöhung noch zu einer Reduzierung des
Selbstbehaltes. Beim Ehegattenunterhalt ist ein Zusammenlebensvorteil
grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, da der nach § 1361 Abs.1 BGB geschuldete
Unterhalt an das Zusammenleben während der Ehe und die damit
einhergehenden wirtschaftlichen Vorteile anknüpft und demgemäß in der Regel
bereits unter Einschluss dieser Vorteile bemessen ist (BGH NJW 1995, 962, 963).
Beim Kindesunterhalt kann ein Zusammenlebensvorteil zwar berücksichtigt
werden. Im vorliegenden Fall steht der Annahme eines solchen jedoch entgegen
dass die neue Lebenspartnerin über kein wesentliches eigenes Erwerbseinkommen
verfügt.
2. Einkommen der Klägerin
1.1 Die Klägerin hat nach den zur Akte gereichten Verträgen und
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1.1 Die Klägerin hat nach den zur Akte gereichten Verträgen und
Gehaltsabrechnungen in dem streitgegenständlichen Zeitraum folgendes
Erwerbseinkommen erzielt:
Zeitraum
Anmerkung / Fundstelle
Nettobetrag
mtl.
06/04 -
09/04
Entgelt gem. § 6 Unternehmenskaufvertrag (Blt.58
d.A.)
150,00 €
12/04 -
05/05
Aushilfstätigkeit bei Fa. Taxi M.
(Blt.129f,267ff,266,271)
42,50 €
08/05 -
12/05
Aushilfstätigkeit bei Fa. Taxi M. (Blt.357 d.A.)
101,60 €
01/06
Aushilfstätigkeit bei Fa. Taxi M. (Blt.359 d.A.)
24,00 €
Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf die Aussage des Zeugen W.(Blt.177f
d.A.) sowie den Observationsbericht der Zeugen G. St. und H. Pa. (Blt.343ff d.A.)
weitere Erwerbseinkünfte der Klägerin behauptet, muss dem nicht nachgegangen
werden. Zum einen enthält der Observationsbericht zahlreiche Lücken und
Widersprüche. Die genannten Wochentage lassen sich nicht mit den Daten in
Übereinstimmung bringen. Im übrigen ist nicht ersichtlich, dass und
gegebenenfalls in welchem Umfang die dokumentierten Tätigkeiten nicht mit den
von der Klägerin vorgelegten Gehaltsbescheinigungen in Einklang stehen sollen.
Die Klägerin bestreitet darüber hinausgehende Erwerbstätigkeiten.
Selbst wenn man zugunsten des Beklagten Einkünfte der Klägerin in Höhe von bis
zu 250 € monatlich unterstellen würde, müssten diese Erwerbseinkünfte sowieso
bei der Unterhaltsberechnung außer Betracht bleiben, weil die Klägerin ein erst 4
Jahre altes Kind betreut und deshalb nicht verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit
nachzugehen. Unter den gegebenen Umständen erscheint eine Berücksichtigung
überobligationsmäßiger Einkünfte im Umfang von bis zu 250 € gemäß § 1577
Abs.2 BGB analog nicht angemessen, zumal das Einkommen der Klägerin unter
dem großen Selbstbehalt bleibt.
Das Unterlassen einer sofortigen Mitteilung der Einkommenserzielung durch die
Klägerin rechtfertigt entgegen der Ansicht des Beklagten eine Verwirkung nicht. In
Betracht kommt allenfalls § 1579 Nr.6 BGB. Danach ist ein Unterhaltsanspruch zu
versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme
des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur
Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre,
weil dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm
liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt. Hier kann schon
ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten der Klägerin nicht festgestellt
werden. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Unter diesen Umständen kann das Verschweigen von Einkünften aus dem
Geringverdienerbereich nicht als offensichtliches schwerwiegendes Fehlverhalten
angesehen werden. Außerdem stehen die Belange der beiden von der Klägerin
betreuten Kinder einer Versagung, Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung des
Unterhaltsanspruches für die Klägerin entgegen.
2.2) Wohnvorteil / Mieteinnahmen
Das Amtsgericht hat den Wohnvorteil für den von der Klägerin genutzten Hausteil
zutreffend mit mtl. 390 € bewertet. Der Beklagte vertritt ohne nähere Begründung
die Ansicht, der Wohnvorteil müsse mindestens 600 € betragen. Der Senat sieht
keine Veranlassung, von der Feststellung des Amtsgerichtes abzuweichen, § 529
Abs.1 ZPO. Da es hier um Trennungsunterhalt geht, ist grundsätzlich nur die
ersparte Miete anzusetzen, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse
angemessen wäre (Ziff.5 unserer Leitlinien). Da eine Mutter mit zwei Kindern mit
einem niedrigen Einkommen kein Einfamilienhaus mit 120 qm Wohnfläche
benötigt, sondern sich mit einer 4-Zimmer-Wohnung mit 70-80 qm begnügen
würde, erscheint eine Nettokaltmiete zwischen 350 € und 400 € (5 €/qm) üblich
und angemessen.
Die Mieteinnahmen für die Einliegerwohnung betragen unstreitig mtl. 224,52 €.
Von der Summe Wohnvorteil plus Mieteinnahme (= 614,52 €) sind die Abträge in
Höhe von monatlich 536,86 € abzuziehen, die die Klägerin unstreitig bis Ende
Januar 2006 auf das bei der DG HYP bestehende Hypothekendarlehen gezahlt hat.
Diese Darlehensbelastung ist unstreitig eheprägend. Die Klägerin hat allerdings
ihre Zahlung ausweislich des Kontoauszuges vom 27.02.2006 im Januar 2006 auf
50 € reduziert und ab Februar 2006 ganz eingestellt.
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Weitere Unkosten können vom Wohnvorteil nicht abgesetzt werden. Die vom
Amtsgericht zusätzlich abgezogenen Unkosten für Gebäudeversicherung,
Grundsteuer, Abwasser und Müll i.H.v. mtl. 86,47 € können nicht berücksichtigt
werden, da es sich um Betriebskosten handelt, die gemäß § 556 Abs.1 BGB i.V.m.
Anlage 3 zu § 27 I der II BV auf einen Mieter umgelegt werden können
(Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 1 Rn.336, 337). Für den vermieteten
Teil des Hauses gilt nichts anderes, da § 3 Nr.2 des Mietvertrages vom eine
entsprechende Umlage vorsieht (siehe Blt.44 d.A.).
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 07.03.2006 bzw. dem beigefügten
Schriftsatz vom 03.11.2005 betreffend das Scheidungsverfahren einen weiteren
Darlehensvertrag sowie darauf gezahlte Abträge in Höhe von mtl. 150 € behauptet
(siehe Blt.354 d.A.), fehlt hinreichend substantiierter Vortrag zum
Zustandekommen dieses Darlehensvertrages. Ein Zusammenhang zwischen
dieser Darlehensschuld und der Finanzierung des Grundstückes ist nicht
ersichtlich, zumal im bisherigen Vortrag der Klägerin von einem solchen Darlehen
und entsprechenden Abträgen nicht die Rede war. Eine Berücksichtigung als
Hausunkosten kann unter diesen Umständen nicht erfolgen.
Der Wohnvorteil der Klägerin beträgt mithin für die Zeit bis Ende Dezember 2005
mtl. 77,66 €, für den Monat Januar 2006 mtl. 564,52 € und für die Zeit ab Februar
2006 614,52 €.
2.3) Sonstige Belastungen
Es verbleibt dennoch auf Seiten der Klägerin für den Zeitraum bis Ende Dezember
2005 kein berücksichtigungsfähiges Einkommen, da die Klägerin mit Schriftsatz
vom 03.11.2005 unter Beifügung von Zahlungsbelegen monatliche
Ratenzahlungen auf sonstige ehebedingte Schulden vorgetragen hat, die den
Betrag von 77,66 € deutlich übersteigen. Dazu gehören u.a. die oben erwähnte
Zahlung in Höhe von monatlich 150 € auf ein Darlehen der VR Bank Flensburg-
Schleswig eG, ein Abtrag in Höhe von mtl. 50 € zur Rückführung des ehemaligen
Betriebskontos bei der VR Bank und eine Zahlung in Höhe von mtl. 10 € an die
Minijobzentrale der Bundesknappschaft. Diese Zahlungen sind vom Beklagten
nicht bestritten worden.
Für den Monat Januar 2006 hat die Klägerin nur noch die im Zusammenhang mit
dem Wohnvorteil erörterte Zahlung von 50 € belegt, die sich aus dem
Kontoauszug der DGHYP vom 26.02.2006 ergibt. Danach hat die Klägerin ihre
Zahlungen auf Schulden unstreitig eingestellt. Ihr muss daher für Januar 2006 ein
Einkommen in Höhe von 564,52 € und für die Zeit ab Februar 2006 ein
Einkommen in Höhe von monatlich 614,52 € zugerechnet werden.
2.4) Leistungen des Sozialamtes
Die Leistungen des Sozialamtes sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, da
sie subsidiär sind. Das gilt sowohl für die bis zum 31.12.2005 gezahlte Sozialhilfe
nach dem BSHG (§ 2 I BSHG) als auch für die ab dem 01.01.2005 gewährten
Leistungen nach dem SGBII und zwar unabhängig von der Frage, ob ein
Forderungsübergang auf den Leistungsträger erfolgt ist oder nicht (siehe
Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 6 Rn.501; BGH FamRZ 2000, 1358,
1359).
Dem Unterhaltsbegehren der Klägerin steht entgegen der Ansicht des Beklagten
der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegenstehen. Soweit für den Fall,
dass ein Forderungsübergang bei fiktiven Einkünften ausgeschlossen ist, eine
Korrektur nach § 242 BGB in Erwägung gezogen wird, geschieht das nur, wenn in
Mangelfällen die Gefahr besteht, dass der Unterhaltsschuldner mit derartig hohen
Unterhaltsforderungen aus der Vergangenheit belastet wird, dass es
voraussichtlich auf Dauer unmöglich ist, diese Schulden nebst seinen laufenden
Verpflichtungen zu tilgen. Eine Korrektur nach § 242 BGB kommt nur in Einzelfällen
und nur bezogen auf Unterhaltsrückstände aus der Vergangenheit in Betracht, weil
andernfalls die gesetzlich gewollte Subsidiarität der Sozialhilfe außer Kraft gesetzt
würde (siehe Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 1 Rn.484, 486; § 6
Rn.567ff; BGH FamRZ 1999, 843, 847; BGH FamRZ 2000, 1358, 1359). Hier ist ein
Verstoß gegen Treu und Glauben nicht gegeben, weil die Klägerin auch unter
Berücksichtigung der Sozialleistungen und des Unterhalts immer noch nicht das
Existenzminimum von 820 € bzw. ab Juli 2005 von 890 € erreicht.
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3. Unterhaltsberechnung
a) Aus den obigen Ausführungen ergibt sich für den Zeitraum Juni bis Dezember
2004 folgende Unterhaltsberechnung in €:
ab 06/04ab 07/04ab 08/04ab 09/04
Nettogehalt des Beklagten
1.056,921.106,421.159,171.210,23
1/3 der Spesen
161,33 161,33 161,33 161,33
Fahrtkosten
-119,17 -119,17 -119,17 -119,17
Steuererstattung
anrechenbares Einkommen
1.099,081.148,581.201,331.252,39
großer Selbstbehalt
920
920
920
920
Verteilungsmasse
179,08 228,58 281,33 332,39
Bedarf C.-P. nach DT
284
284
284
284
Bedarf P._J. nach DT
192
192
192
192
Bedarf A. nach DT
Bedarf Klägerin (3/7 Eink. - KU)267,03 288,25 310,86 332,74
Gesamtbedarf
743,03 764,25 786,86 808,74
Mangelfallberechnung
Einsatzbetrag C.-P.
384
384
384
384
Einsatzbetrag P.-J.
269
269
269
269
Einsatzbetrag A.
Einsatzbetrag Klägerin
820
820
820
820
Summe der Einsatzbeträge
1473
1473
1473
1473
Kürzungsquote in %
12,16
15,52
19,10
22,57
gekürzter Unterhalt C.-P.
97
110
123
137
gekürzter Unterhalt P.-J.
83
92
101
111
gekürzter Unterhalt A.
gekürzter Unterhalt Klägerin
100
127
157
185
b) Für das Jahr 2005 ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung in €:
ab 01/05ab 07/05ab 11/05
Nettogehalt des Beklagten
1.214,431.214,431.214,43
1/3 der Spesen
161,33 161,33 161,33
Fahrtkosten
-119,17 -137,5 -137,5
Steuererstattung
90,75
90,75
90,75
anrechenbares Einkommen
1.347,341.329,011.329,01
großer Selbstbehalt
920
990
990
Verteilungsmasse
427,34 339,01 339,01
Bedarf C.-P. nach DT
284
291
291
Bedarf P.-J. nach DT
192
204
204
Bedarf A. nach DT
204
Bedarf Klägerin (3/7 Eink. - KU)373,43 357,43 270,00
Gesamtbedarf
849,43 852,433 969,00
Mangelfallberechnung
Einsatzbetrag C.-P.
384
393
393
Einsatzbetrag P.-J.
269
276
276
Einsatzbetrag A.
276
Einsatzbetrag Klägerin
820
890
890
Summe der Einsatzbeträge
1473
1559
1835
Kürzungsquote in %
29,01
21,75
18,47
gekürzter Unterhalt C.-P.
161
135
106
gekürzter Unterhalt P.-J.
128
110
84
gekürzter Unterhalt Annika
84
gekürzter Unterhalt Klägerin
238
194
164
c) Für das Jahr 2006 stellt sich die Unterhaltsberechnung in € wie folgt dar:
ab 01/06ab 02/06
Nettogehalt des Beklagten
1.214,431.214,43
1/3 der Spesen
161,33 161,33
Fahrtkosten
-137,5 -137,5
Steuererstattung
anrechenbares Einkommen
1.238,261.238,26
Bedarf C.-P. nach DT
291
291
Bedarf P.-J. nach DT
204
204
Bedarf A. nach DT
204
204
72
73
74
75
76
77
Bedarf A. nach DT
204
204
bereinigtes Einkommen des Beklagten nach Abzug des
Kindesunterhalts
539,26 539,26
Einkommen der Klägerin
564,52 614,52
Unterhaltsanspruch der Klägerin
0,00
0,00
kleiner Selbstbehalt
890
890
Verteilungsmasse
348,26 348,26
Gesamtbedarf
699,00 699,00
Kürzungsquote in %
49,82
49,82
gekürzter Unterhalt C.-P.
145
145
gekürzter Unterhalt P.-J.
102
102
gekürzter Unterhalt A.
102
102
gekürzter Unterhalt Klägerin
4. Aktivlegitimation
Die Klägerin ist für die obigen Unterhaltsansprüche aktivlegitimiert und kann
deshalb Zahlung an sich verlangen.
Soweit die Klägerin Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse für das Kind P.-J. in
Höhe von mtl. 122 € erhalten hat, sind die Unterhaltsansprüche gegen den
Beklagten zwar gemäß § 7 I UVG auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen.
Diese hat die Ansprüche jedoch unter dem 30.06.2004 an die Klägerin
zurückübertragen (Blt.7 d.A.).
Soweit die Klägerin für sich und die beiden Kinder Sozialhilfeleistungen erhalten
hat, muss zwischen den Leistungen nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden
BSHG und den Leistungen nach dem ab dem 10.01.2006 geltenden SGBII
unterschieden werden. Soweit Leistungen nach dem BSHG erbracht worden sind,
gehen die Unterhaltsansprüche gegen den Unterhaltspflichtigen grundsätzlich
gemäß § 91 Abs.1 BSHG auf das Sozialamt über. Das gilt nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allerdings nicht, wenn und soweit der
Unterhaltsanspruch auf fiktiven Einkünften beruht (siehe BGH FamRZ 1999, 843,
847; BGH FamRZ 2000, 1358, 1359). In welchem Umfang hier ein Übergang
stattgefunden hat, kann dahingestellt bleiben, da das Sozialamt des Amtes
Silberstedt die übergegangenen Ansprüche mit Vertrag vom 13.10.2004 (Blt.60
d.A.) auf die Klägerin zurückübertragen hat. Damit ist die Klägerin auch insoweit
aktivlegitimiert.
Hinsichtlich der nach dem SGBII gewährten Leistungen ist ein automatischer
Forderungsübergang im Gesetz nicht mehr vorgesehen. Nach dem SGB II ist
Voraussetzung für einen Forderungsübergang eine Überleitungsanzeige an den
Unterhaltsschuldner. Eine solche ist hier unstreitig nicht erfolgt.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1 ZPO. Die weiteren
Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Ziff.10, 713, 543 Abs.2 ZPO. Die
Voraussetzungen für eine Revisionszulassung gemäß 543 Abs.2 ZPO sind nicht
gegeben, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichtes erfordert.