Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 13.03.2017

OLG Schleswig-Holstein: wichtiger grund, entlassung, erfüllung, rechnungslegung, vermögensverwaltung, zusammenarbeit, bad, genehmigung, fonds, unterbringung

1
2
3
4
Gericht:
Schleswig-
Holsteinisches
Oberlandesgericht
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 W 185/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1837 BGB, § 1840 BGB, §
1908b Abs 1 S 1 BGB, § 1908i
Abs 1 S 1 BGB
Betreuung: Entlassung des Betreuers wegen mangelnder
Kooperation mit dem Vormundschaftsgericht
Leitsatz
Ein wichtiger Grund für die Entlassung eines Betreuers kann darin liegen, dass dieser
trotz mehrerer Aufforderungen sowie einer Fristsetzung mit Entlassungsandrohung
seiner Berichtspflicht und Rechnungslegungspflicht nicht nachgekommen ist. Das gilt
jedenfalls dann, wenn das Vormundschaftsgericht infolge des Verhaltens des Betreuers
seine Aufsichtsfunktion und Kontrollfunktion nicht mehr sachgerecht wahrnehmen kann.
Auch der Umstand, dass der Betreuer über einen langen Zeitraum jedwede
Kooperation mit dem Vormundschaftsgericht verweigert, kann einen wichtigen Grund
für die Entlassung abgeben.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 2. wendet sich gegen seine Entlassung als Betreuer des
Betroffenen sowie gegen die Bestellung des Beteiligten zu 1. zum Betreuer.
Der Betroffene leidet an einem Schädelhirntrauma nach einem Unfall im Jahre
1974 sowie an einer Hirnschädigung nach einem Suizidversuch im Jahre 1980. Der
Beteiligte zu 2. ist der Vater des Betroffenen. Er war seit 1981 als Vormund des
Betroffenen, später als Betreuer bestellt. Im Rahmen eines von dem Beteiligten zu
2. mit anwaltlicher Hilfe ausgehandelten Vergleichs zahlte die Provinzial-
Versicherung einen Betrag in Höhe von 125.000,00 DM zur Abgeltung der
Ansprüche des Betroffenen aus dem Unfallereignis. Im Jahre 2000 genehmigte das
Vormundschaftsgericht Bad Segeberg durch den zuständigen Rechtspfleger K. die
Anlage eines Betrags von 100.000,00 DM als nicht mündelsichere Anlage. Die
Anlage eines Betrags von 36.000 DM erfolgte in D.-Strukturfonds. Aus dieser
Anlage resultierte ein Verlust in Höhe von ca. 14.000,00 DM. Seither gab es
erhebliche Probleme in der Zusammenarbeit des Beteiligten zu 2. als Betreuer
des Betroffenen und dem Amtsgericht Bad Segeberg als Vormundschaftsgericht.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (S. 1
bis 4) Bezug genommen.
Das Vermögen des Betroffenen belief sich zum 31.12.2004 - nach den Angaben
des Beteiligten zu 2. in der Beschwerdeschrift vom 10.03.2005 - noch auf ca.
19.000,00 €.
Das Amtsgericht entließ mit Beschluss vom 23.02.2005 den Beteiligten zu 2. als
Betreuer und bestellte den Beteiligten zu 1. zum neuen Betreuer mit den
Aufgabenkreisen: Bestimmung des Aufenthalts einschließlich der Unterbringung,
Zustimmung zu ärztlichen Behandlungsmaßnahmen,
Vermögensangelegenheiten, Wahrnehmung des Schriftverkehrs mit Ämtern und
Behörden. Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 2. unter dem
10.03.2005 Beschwerde ein. Das Landgericht wies das als sofortige Beschwerde
5
6
7
8
9
10.03.2005 Beschwerde ein. Das Landgericht wies das als sofortige Beschwerde
bewertete Rechtsmittel mit Beschluss vom 23.03.2005 zurück. Hiergegen wendet
sich der Beteiligte zu 2. mit der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen
weiteren Beschwerde vom 15.09.2005.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 20, 29 Abs. 2, 69g Abs. 4 Satz
1 Nr. 3 FGG zulässig, aber unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des
Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (vgl. §§ 27 Abs. 1 FGG, 546
ZPO).
Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Als wichtiger Grund für die
Entlassung genüge jeder Grund, der den Betreuer nicht mehr als geeignet
erscheinen lasse. Die Nichteignung des Beteiligten zu 2. ergebe sich aus
mehreren (in dem Beschluss geschilderten) Ereignissen. Insbesondere sei der
Beteiligte zu 2. seiner Berichtspflicht nicht nachgekommen. Er habe eine
Übersicht über den Bestand des Vermögens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung
nicht vorgelegt. Sofern der Beteiligte zu 2. vortrage, er benötige für die Aufstellung
des Vermögensbestands die vom Rechtspfleger chronologisch erstellte
Vermögensaufstellung, so zeige dies, dass er das Verfahren und die damit
verbundenen Pflichten nicht verstanden habe. Es sei allein seine Aufgabe, die
Vermögensaufstellung vorzunehmen. Er sei nicht gewillt, den rechtmäßigen
Anforderungen des Gerichts Folge zu leisten, weil er der Auffassung sei, dass die
mit dem Verfahren befassten Mitarbeiter der Betreuungsabteilung des
Amtsgerichts gesetzwidrig oder gar kriminell handelten. Er sei zu einer sachlichen
Auseinandersetzung mit dem Personal des Amtsgerichts nicht bereit. Zudem
habe sich gezeigt, dass er mit Grundfragen des Betreuungsrechts nicht
umzugehen wisse. Auch sei er nicht fähig, rechtskräftige Entscheidungen zu
akzeptieren. Außerdem sei er nicht in der Lage, die Ablehnung des
Schadensersatzanspruchs wegen der vermeintlich fehlerhaften
vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung der Anlage von Vermögen des
Betroffenen in D.-Fonds hinzunehmen. Er überziehe sämtliche mit dem Verfahren
befassten Personen ständig mit unbegründeten Dienstaufsichtsbeschwerden und
Eingaben, deren Bearbeitung dazu führe, dass das Betreuungsverfahren nicht
sachgerecht praktiziert werden könne. Damit mache er die Kontroll- und
Aufsichtsfunktion des Vormundschaftsgerichts unmöglich. Seine Entlassung sei
auch verhältnismäßig, zumal minderschwere Maßnahmen - etwa Abmahnungen
hinsichtlich der Berichtspflicht - erfolglos gewesen seien.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand; der Senat ist an
die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts gebunden.
Gemäß § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB hat das Vormundschaftsgericht den Betreuer
zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betroffenen zu
besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die
Entlassung vorliegt. Maßstab für die Entlassungsentscheidung nach dieser
Vorschrift ist stets das Wohl des Betreuten (BayObLG BtPrax 2002, 218). Ist dieses
aufgrund des Verhaltens des Betreuers gefährdet, so hat das
Vormundschaftsgericht seine Entlassung anzuordnen. Das Wohl des Betroffenen
ist regelmäßig dann gefährdet, wenn das Vormundschaftsgericht infolge des
Verhaltens des Betreuers seine Aufsichts- und Kontrollfunktion (§§ 1908i Abs. 1
Satz 1, 1837 Abs. 2 BGB) nicht mehr sachgerecht wahrnehmen kann. Der
Beteiligte zu 2. hat die Erfüllung dieser Aufgaben durch das
Vormundschaftsgericht zum einen dadurch beeinträchtigt, dass er seine Berichts-
und Rechnungslegungspflicht nachhaltig verletzt hat (1.), zum anderen auch
dadurch, dass über einen langen Zeitraum hinweg jede Kooperation mit dem
Vormundschaftsgericht verweigert hat (2.).
1. Das Landgericht hat einen wichtigen Grund für die Entlassung des Beteiligten zu
2. rechtsfehlerfrei darin gesehen, dass dieser seiner Berichts- und
Rechnungslegungspflicht nicht nachgekommen ist. Gemäß §§ 1908i Abs. 1 Satz 1,
1840 BGB hat der Betreuer dem Vormundschaftsgericht über die persönlichen
Verhältnisses des Betreuten zu berichten (vgl. § 1840 Abs. 1 BGB) und über seine
Vermögensverwaltung Rechnung zu legen (vgl. § 1840 Abs. 2 BGB). Gegen diese
Verpflichtungen hat der Beteiligte zu 2. verstoßen. Er hat zu keiner Zeit - jedenfalls
nicht bis zu dem für die Tatsachenfeststellung maßgeblichen Zeitpunkt der
landgerichtlichen Entscheidung (vgl. BGHZ 14, 398, 399 = NJW 1954, 1803 f.;
Keidel/Kunze/Winkler/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 42) - eine Übersicht über
11
14
Keidel/Kunze/Winkler/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 42) - eine Übersicht über
den Bestand des Vermögens des Betroffenen vorgelegt. Unverständlich ist -
worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat - die Erklärung des Beteiligten
zu 2., er benötige zunächst von dem Rechtspfleger K. dessen chronologische
Vermögensaufstellung für die angegebenen Jahre, die er trotz mehrfacher
Aufforderung von diesem nicht erhalten habe. Es ist nicht Aufgabe des
Rechtspflegers, die Vermögensaufstellung vorzunehmen, sondern allein die
Aufgabe des Betreuers.
Der Senat verkennt nicht, dass an die Entlassung eines Betreuers nach § 1908b
Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die Berichts- und Rechnungslegungspflicht (§§
1908i Abs. 1 Satz 1, 1840 BGB) hohe Anforderungen zu stellen sind. Eine
Verletzung der Berichtspflicht kann die Entlassung in der Regel erst rechtfertigen,
wenn der Betreuer wiederholt und über einen längeren Zeitraum gegen diese
Verpflichtung verstößt und dadurch Nachteile für den Betreuten entstehen können
(vgl. BayObLG BtPrax 2002, 218; FamRZ 1996, 509). Der Beteiligte zu 2. hat
jedoch in schwerwiegender Weise gegen die Pflichten aus §§ 1908i Abs. 1 Satz 1,
1840 BGB verstoßen. Er hat auf zahlreiche gerichtliche Aufforderungen nicht
reagiert. Auch das Schreibens des Direktors des Amtsgerichts vom 30.11.2004,
mit dem dieser die Berichterstattung und den Vermögensnachweis nochmals
anmahnte und ihm eine Frist von drei Wochen mit Entlassungsandrohung setzte,
hat ihn nicht zur Erfüllung seiner Pflichten bewegen können. Unterbleibt jedoch auf
unabsehbare Zeit eine ordnungsgemäße Rechnungslegung, so ist das
Vormundschaftsgericht nicht mehr in der Lage, die ihm obliegende Aufsichts- und
Kontrollfunktion (§§ 1908i, 1837 Abs. 2 BGB) zu erfüllen. Dann aber ist das Wohl
des Betreuten regelmäßig gefährdet.
Wenn der Beteiligte zu 2. im Schriftsatz vom 01.11.2005 (S. 2, sechster Absatz)
ausführt, dass er seine Vermögensbetreuung ordnungsgemäß und peinlichst
genau durchgeführt habe, was auch in mehreren Ordnern für die Gesamtzeit
dokumentiert sei, so vermag dies an dem Verstoß gegen die Berichts- und
Rechnungslegungspflicht nichts zu ändern. Diese Pflichten des Betreuers dienen
dazu, dem Vormundschaftsgericht seine Kontroll- und Aufsichtstätigkeit zu
ermöglichen. Ohne eine ordnungsgemäße Rechnungslegung durch den
amtierenden Betreuer kann das Gericht diesen Aufgaben nicht nachkommen.
Angesichts der mit einer Betreuung verbundenen erheblichen Eingriffe in die
Freiheitsgrundrechte des Betroffenen besteht eine Primärverantwortlichkeit des
Vormundschaftsgerichts für den Verfahrensablauf (Probst, Betreuungs- und
Unterbringungsverfahren, 2005, Rn. 4). Damit lässt sich eine eigenmächtige
Vermögensverwaltung des Betreuers - mag diese auch im Einzelfall
ordnungsgemäß sein - nicht vereinbaren.
2. Ein wichtiger Grund für die Entlassung des Beteiligten zu 2. liegt aber auch darin,
dass er durch das von ihm über einen langen Zeitraum hinweg praktizierte
Verhalten eine sachliche und konstruktive Zusammenarbeit mit dem
Vormundschaftsgericht konterkariert hat. So hat das Landgericht festgestellt, dass
er sämtliche mit dem Verfahren befassten Personen ständig mit unbegründeten
Dienstaufsichtsbeschwerden und Eingaben überzieht, deren Bearbeitung dazu
führt, dass das Betreuungsverfahren nicht sachgerecht durchgeführt werden kann.
Das Verhalten des Beteiligten zu 2. führt letztlich dazu, dass die mit dem
Betreuungsverfahren befassten Personen mehr Zeit in die Beantwortung von
unsinnigen Eingaben (so etwa hinsichtlich des Betreuerausweises) und in die
Stellungnahmen zu von vornherein aussichtslosen Dienstaufsichtsbeschwerden
investieren müssen als in die Bearbeitung des eigentlichen Betreuungsvorgangs.
Auch dieser Umstand läuft den Interessen des Betreuten deutlich zuwider.
Nicht für relevant hält der Senat das Vorbringen des Beteiligten zu 2., zu dem
Zerwürfnis mit den Mitarbeitern des Amtsgerichts sei es erst gekommen,
nachdem er den Verlust durch die vom Rechtspfleger K. genehmigte spekulative
Anlage durch Eingaben und Beschwerden offenkundig gemacht habe. Zum einen
hat er auf den Anlageverlust in jeder Hinsicht überzogen reagiert. So hat er in
keiner Weise dem Umstand Rechnung getragen, dass letztlich er es gewesen ist,
der sich für die betreffende Anlageform entschieden hat. Doch selbst wenn man
im Hinblick auf §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1807, 1811 BGB eine Fehleinschätzung des
Rechtspflegers bezüglich der spekulativen Anlage unterstellen wollte (zur Anlage
von Betreuten-Vermögen in Renten- und Aktienfonds vgl. Senatsentscheidung
vom 03.11.1999 - 2 W 154/99, Rpfleger 2000, 112 = BtPrax 2000, 87), so ist das in
der Folgezeit von dem Beteiligten zu 2. an den Tag gelegte, in den Gründen der
landgerichtlichen Entscheidung im Einzelnen aufgeführte Verhalten - namentlich
15
16
17
landgerichtlichen Entscheidung im Einzelnen aufgeführte Verhalten - namentlich
sein Umgang mit den Verfahrensbeteiligten - im wohlverstandenen Interesse des
Betroffenen nicht hinnehmbar.
Der Senat hat dabei auch berücksichtigt, dass gerade bei geistig schwer
behinderten Volljährigen ein Betreuer aus dem engeren Familienkreis gegenüber
einem Berufsbetreuer grundsätzlich vorzuziehen ist (vgl. auch BayObLG BtPrax
2002, 218). Aber auch Angehörige sind im Falle ihrer Ungeeignetheit als Betreuer
gemäß § 1908b Abs. 1 BGB zu entlassen. Eine Entlassung kann unabhängig von
den Wünschen des Betroffenen geboten sein. Nach den fehlerfreien Feststellungen
des Landgerichts, an die der Senat gebunden ist, hat sich der Betroffene bei
seiner Anhörung nicht gegen eine Entlassung des Beteiligten zu 2. ausgesprochen.
Das in der weiteren Beschwerde geschilderte Ereignis hat am 02.09.2005 und
damit nach Erlass der landgerichtlichen Entscheidung stattgefunden, so dass es
nicht mehr zu berücksichtigen ist.
Die Entlassung des Beteiligten zu 2. als Betreuer ist auch verhältnismäßig
gewesen. Es kann insoweit zunächst auf die Ausführungen in der angefochtenen
Entscheidung Bezug genommen werden. Ergänzend weist der Senat darauf hin,
dass die Betreuung auch nicht partiell, etwa hinsichtlich der Aufgabenkreise:
Aufenthaltsbestimmung und Zustimmung zu ärztlichen Behandlungsmaßnahmen,
hat aufrechterhalten werden können. Der Beteiligte zu 2. hat es über einen langen
Zeitraum hinweg an jeder Kooperationsbereitschaft mit dem
Vormundschaftsgericht fehlen lassen. Aus diesem Grunde hat er sich für das Amt
eines Betreuers insgesamt als ungeeignet erwiesen. Dann aber ist seine
Entlassung nach § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB zwingend vorgesehen; die Vorschrift
eröffnet dem Gericht kein Ermessen (BayObLG BtPrax 2001, 253, 254;
Jürgens/Mertens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1908b Rn. 1).
Nicht erheblich ist das Vorbringen des Beteiligten zu 2. hinsichtlich etwaiger
Versäumnisse des jetzigen Betreuers. Zum einen erfolgt dieser Vortrag erstmals
in der sofortigen weiteren Beschwerde, so dass er nicht mehr
berücksichtigungsfähig ist. Zum anderen führen die behaupteten Versäumnisse
des jetzigen Betreuers - selbst wenn man deren Richtigkeit unterstellt - nicht dazu,
dass der Beteiligte zu 2. für die Betreuung nunmehr als geeignet erscheinen
könnte.