Urteil des OLG Saarbrücken vom 17.02.2011

OLG Saarbrücken: treu und glauben, firma, veränderte verhältnisse, wesentliche veränderung, altersrente, auskunft, versorgung, abweisung, rechtskraft, renteneinkommen

OLG Saarbrücken Beschluß vom 17.2.2011, 6 UF 114/10
Leitsätze
Hat das Gericht dem Unterhaltspflichtigen im Vorprozess ein fiktives Einkommen aus
vollschichtiger Tätigkeit zugerechnet, weil dieser unterhaltsrechtlich leichtfertig Altersteilzeit
in Anspruch genommen hat, so ist - wenn und soweit ihm dadurch Rentennachteile
entstehen, die nicht durch versorgungswirksame Entschädigungen des Arbeitgebers
kompensiert werden - dem Unterhaltspflichtigen im Abänderungsverfahren ab Erreichen
der Regelaltersgrenze für den Bezug von Altersrente fiktiv ein Renteneinkommen in der
Höhe zuzuschreiben, in der er es bezöge, hätte er nicht Altersteilzeit in Anspruch
genommen.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts –
Familiengericht – in Saarbrücken vom 30. Juni 2010 – 40 F 383/09 UE – teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Ziffer 2. des Urteils des Amtsgerichts – Familiengericht – in
Saarbrücken vom 3. März 2008 – 40 F 65/06 S – in der Fassung des
Urteils des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 22. Dezember
2008 – 2 UF 10/08 – wird unter Abweisung des weitergehenden
Antrags des Antragstellers teilweise dahin abgeändert, dass der
Antragsteller verpflichtet ist, der Antragsgegnerin ab dem 9. Oktober
2009 monatlich einen bis zum 3. Werktag eines jeden Monats fälligen
nachehelichen Unterhalt von 483 EUR zu zahlen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten beider Instanzen tragen der Antragsteller 30 %, die Antragsgegnerin 70
%.
3. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wird angeordnet.
4. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 2. Februar 2011 ratenfreie
Verfahrenskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin B., I., bewilligt,
soweit sie sich mit der Beschwerde dagegen wendet, dass der ihr in Ziffer 2. des Urteils
des Amtsgerichts – Familiengericht – in Saarbrücken vom 3. März 2008 – 40 F 65/06 S –
in der Fassung des Urteils des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 22. Dezember
2008 – 2 UF 10/08 – zuerkannte nacheheliche Unterhalt ab dem 9. Oktober 2009 auf
einen Betrag von weniger als 483 EUR monatlich herabgesetzt wird. Ihr weitergehendes
Verfahrenskostenhilfegesuch wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der am ... August 1944 geborene Antragsteller und die am ... Mai 1950 geborene
Antragsgegnerin, beide Deutsche, hatten am 21. Dezember 1973 geheiratet. Aus der Ehe
gingen die nicht mehr unterhaltsbedürftigen Kinder S. C., geboren am ... November 1978,
und S. K., geboren am ... August 1983, hervor. Die Beteiligten trennten sich im März
2000.
Mit seit dem 7. April 2009 rechtskräftigem Verbundurteil vom 3. März 2008 – 40 F 65/06
S – schied das Familiengericht in Ziffer 1. auf den der Antragsgegnerin am 16. Juni 2006
zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers die Ehe der Beteiligten und regelte in
Ziffer 3. den Versorgungsausgleich. In Ziffer 2. des Urteils verurteilte es den Antragsteller,
an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt von
monatlich 686 EUR zu zahlen. Auf die hiergegen von beiden Beteiligten eingelegten
Berufungen änderte das Saarländische Oberlandesgericht mit Urteil vom 22. Dezember
2008 – 2 UF 10/08 – den Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt dahin ab, dass der
monatlich vom Antragsteller zu zahlende Aufstockungsunterhalt auf 814 EUR monatlich ab
Rechtskraft der Scheidung erhöht wurde. Dem lag auf Seiten des Antragstellers wegen
unterhaltsrechtlich nicht zu billigender Inanspruchnahme von Altersteilzeit ein fiktives
Einkommen aus fortgeführter Vollzeiterwerbstätigkeit bei der Firma S. von 2.800 EUR
netto und auf Seiten der Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger
ungelernter Tätigkeit von 900 EUR netto zugrunde. Eine Begrenzung des
Unterhaltsanspruchs wurde abgelehnt.
Um die Abänderung dieser Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers streiten die
Beteiligten zweitinstanzlich für den Zeitraum ab 9. Oktober 2009.
Der Antragsteller hatte zuletzt ab Oktober 1996 in einem außertariflichen
Anstellungsverhältnis bei der Firma S. GmbH in S. gearbeitet. Anfang Dezember 2002
hatte er mit dieser Firma eine Vereinbarung geschlossen, durch die mit Wirkung vom 1.
Januar 2003 das bisher bestehende Vollzeitarbeitsverhältnis in ein bis zum 31. Dezember
2004 befristetes Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis umgewandelt worden war. Daneben hatte
der Antragsteller eine Aufstockung seines nunmehr auf der Grundlage einer
Teilzeitbeschäftigung errechneten Einkommens, eine Abfindung und eine
Versorgungszusage zum Ausgleich entstehender Nachteile in der Rentenversicherung
erhalten. Seit Januar 2005 bezog der Antragsteller „Altersrente wegen Arbeitslosigkeit
bzw. nach Altersteilzeittarif“ sowie Betriebsrente. Seit September 2009 erhält der
Antragsteller Altersrente sowie weiterhin Betriebsrente.
Die Antragsgegnerin hat eine Ausbildung als kaufmännische Bürogehilfin bei einem
Steuerberater absolviert und war bis 1979 in einem Steuerberatungsbüro bzw. einem
Ingenieurbüro angestellt. Danach war sie – abgesehen von zwei vorübergehenden nicht
versicherungspflichtigen Tätigkeiten als Verkäuferin in Kleiderboutiquen – nicht mehr
erwerbstätig.
Der Antragsteller hat mit am 24. September 2009 beim Familiengericht eingegangenem
und der Antragsgegnerin am 9. Oktober 2009 zugestelltem Schriftsatz zunächst die
Abänderung seiner Unterhaltspflicht auf 476,51 EUR ab August 2009 begehrt und zuletzt
mit der Antragsgegnerin am 7. Dezember 2009 zugestelltem Schriftsatz beantragt, das
Urteil des Familiengerichts vom 3. März 2008 in der Fassung des Urteils des
Saarländischen Oberlandesgerichts vom 22. Dezember 2008 dahin abzuändern, dass der
Antragsteller ab dem 9. Oktober 2009 an die Antragsgegnerin nur noch einen monatlichen
Unterhalt von 353 EUR zu leisten hat.
Die Antragsgegnerin hat auf Abweisung des Antrags angetragen.
Nach übereinstimmender Erledigungserklärung eines von der Antragsgegnerin am 7.
Dezember 2009 erhobenen Widerantrags auf Auskunft, Belegerteilung und eidesstattliche
Versicherung hat das Familiengericht durch den angefochtenen Beschluss vom 30. Juni
2010, der – auch hinsichtlich der Feststellungen – in Bezug genommen wird, dem zuletzt
gestellten Antrag des Antragstellers vollumfänglich entsprochen.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr erstinstanzliches Begehren auf
Abweisung des Abänderungsantrags des Antragstellers vollumfänglich weiter.
Der Antragsteller bittet unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung um
Zurückweisung der Beschwerde.
Die Akten 6 F 421/04 UE+EA des Amtsgerichts St. Wendel und 40 F 65/06 S des
Amtsgerichts Saarbrücken waren Gegenstand des Senatstermins.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg und führt unter
Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Abweisung des weitergehenden
Abänderungsantrags zur Abänderung des Urteils des Familiengerichts vom 3. März 2008 in
der Fassung des Urteils des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 22. Dezember 2008
dahin, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab dem 9. Oktober 2009 einen
monatlichen Unterhalt von 483 EUR zu leisten hat.
Der Abänderungsantrag ist zulässig, weil der Antragsteller Tatsachen vorgetragen hat, aus
denen sich eine wesentliche Veränderung der der abzuändernden Entscheidung zugrunde
liegenden rechtlichen Verhältnisse ergibt, § 238 Abs. 1 S. 2 FamFG.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist dem Antragsteller die Berufung auf diese
Änderung nicht nach § 238 Abs. 2 FamFG (früher § 323 Abs. 2 ZPO) – der allein das
Präklusionsbegehren der Antragsgegnerin tragen könnte – deshalb verschlossen, weil er
bereits seit dem 1. Januar 2005 über Renteneinkünfte verfügte und außerdem im
vorangegangenen Verfahren 40 F 65/06 S keinen Feststellungsantrag dahingehend gestellt
hatte, dass sich mit der Vollendung seines 65. Lebensjahres seine Unterhaltsverpflichtung
entsprechend zu reduzieren habe. Denn bis zum Altersrenteneintritt des Antragstellers hat
der im abzuändernden Urteil titulierte Unterhalt auf einem fiktiven Erwerbseinkommen
beruht. Die Voraussetzungen für diese Fiktion sind aber ab Erreichen der Regelaltersgrenze
für die Altersrente – seit September 2009 – und damit deutlich nach der letzten
mündlichen Verhandlung im vorangegangenen Verfahren – am 27. November 2008 –
entfallen. Dies bedeutet eine Änderung der für den Vorprozess maßgeblichen rechtlichen
Verhältnisse, deren Folgen damals auch noch nicht zuverlässig voraussehbar waren.
In der Sache ist der Abänderungsantrag allerdings in geringerem Umfang begründet, als
das Familiengericht dies angenommen hat.
Die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Unterhalt setzt nach § 238
Abs. 4 FamFG voraus, dass sich die für die Bestimmung der Höhe und Dauer der
Leistungen maßgebenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich geändert
haben. Dabei ist zu beachten, dass die Grundlagen der Ausgangsentscheidung im
Abänderungsverfahren zu wahren sind und eine Fehlerkorrektur wegen der Rechtskraft des
Ausgangsurteils nicht zulässig ist (vgl. BGH FamRZ 2010, 1884, 1318 und 1150).
Das Abänderungsverfahren ermöglicht daher weder eine freie, von der bisherigen Höhe
unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen
Verhältnisse, die bereits im Ersturteil eine Bewertung erfahren haben. Vielmehr besteht die
Abänderungsentscheidung in einer unter Wahrung der bindenden (BGH FamRZ 2010, 111)
Grundlagen des Unterhaltstitels vorzunehmenden Anpassung desselben an veränderte
Verhältnisse. Für das Ausmaß der Abänderung kommt es darauf an, welche Umstände für
die Bemessung der Unterhaltsrente seinerzeit maßgebend waren und welches Gewicht
ihnen dabei zugekommen ist. Auf dieser Grundlage ist im Abänderungsverfahren unter
Berücksichtigung der neuen Verhältnisse festzustellen, welche Veränderungen in diesen
Umständen eingetreten sind und welche Auswirkungen sich daraus für die Höhe des
Unterhalts ergeben (vgl. etwa BGH FamRZ 2008, 1911; 2003, 848; 1994, 1100). Die
rechtliche Bindung des Gerichts der Abänderungsklage an die Grundlagen des früheren
Urteils erfasst diejenigen unverändert gebliebenen tatsächlichen Verhältnisse, die der
Richter des ersten Verfahrens – nach dem Vortrag der Beteiligten und einer etwa
durchgeführten Beweisaufnahme – festgestellt und denen er Bedeutung für die
Unterhaltsbemessung beigelegt hat (BGH FamRZ 1987, 259; 1984, 374). Die Darlegungs-
und Beweislast für die Abänderungsvoraussetzungen trägt der Abänderungskläger (BGH
FamRZ 1995, 665), der auch die wesentlichen Umstände, die für die Ersttitulierung
maßgebend waren, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat (BGH FamRZ 2007,
200; vgl. zum Ganzen auch Senatsurteile vom 11. November 2010 – 6 UF 12/10 – und
vom 4. März 2010 – 6 UF 86/09 –).
Nach den unangefochtenen Feststellungen des Familiengerichts, gegen die aus
Rechtsgründen nichts zu erinnern ist, steht der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller
weiterhin dem Grunde nach aus §§ 1569 S. 2, 1573 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf
Aufstockungsunterhalt zu, dessen Höhe das Familiengericht zutreffend nach den ehelichen
Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB) der Beteiligten bemessen hat.
Mit Erfolg beanstandet die Antragsgegnerin indes die Höhe des auf Seiten des
Antragstellers berücksichtigten unterhaltsrechtlichen Einkommens.
Das Familiengericht hat im angefochtenen Beschluss die Auffassung vertreten, den
Antragsteller treffe ab Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren keine Erwerbsobliegenheit
mehr, weshalb ihm das ihm im abzuändernden Urteil fiktiv zugeschriebene
Erwerbseinkommen nicht mehr zugerechnet werden könne.
Diese freilich zutreffende Feststellung lässt indes die von der Beschwerde aufgeworfene
Rechtsfrage unbeantwortet, ob nicht auf Seiten des Antragstellers – in Fortdenkung der
Einkommensfiktion im abzuändernden Urteil – fiktiv ein Renteneinkommen in der Höhe
einzustellen ist, in der es der Antragsteller bezöge, hätte er nicht Altersteilzeit in Anspruch
genommen. Diese Frage ist – wie im Senatstermin erörtert – in Übereinstimmung mit der
höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, zu bejahen.
Denn gibt ein Unterhaltsverpflichteter – wie hier im abzuändernden Urteil mit
Bindungswirkung festgestellt – unterhaltsbezogen leichtfertig seinen Arbeitsplatz auf und
wird er deshalb fiktiv so behandelt, als ob er noch die frühere Arbeitsstelle mit dem dabei
erzielten Einkommen habe, so geht – in hier gegebener Abwesenheit einer Darlegung, dass
die der Verurteilung zugrunde liegende Vorschau aufgrund einer Veränderung der
Verhältnisse nicht mehr gerechtfertigt ist – die Prognose regelmäßig dahin, dass der
Unterhaltsverpflichtete ohne das ihm vorzuwerfende Verhalten weiterhin über seinen
früheren Arbeitsplatz und das frühere Einkommen verfügen würde. Eine zeitliche
Komponente derart, dass eine solche Prognose nur für einen bestimmten Zeitraum
Geltung beansprucht, ist einer Verurteilung auf fiktiver Grundlage nicht immanent, es sei
denn, das Gericht hätte – wie im vorliegenden Streitfall nicht – eine ausdrückliche
Einschränkung dieser Art gemacht. Bei solcher Fallgestaltung gebietet es der Schutz des
Unterhaltsberechtigten, den Unterhaltsverpflichteten an den fortwirkenden Folgen seines
Verhaltens festzuhalten (vgl. BGH FamRZ 2008, 872).
Mit dieser Maßgabe ist dem Antragsteller das Renteneinkommen zuzurechnen, das er im
Falle der Fortsetzung seiner vollschichtigen Beschäftigung bei der Firma S. bis zum
Altersrentenbezug aufgrund Vollendung des 65. Lebensjahres seit Beginn des
streitgegenständlichen Unterhaltszeitraums bezöge.
Der hierauf zielenden Behauptung der Antragsgegnerin, der Antragsteller hätte in diesem
Fall zusätzlich zu seinen bis Dezember 2004 erdienten 62,1539 Entgeltpunkten bis zum
Erreichen des Regelverrentungsalters jährlich mindestens 1,9 Entgeltpunkte hinzu
erworben, ist der Antragsteller im Tatsächlichen nicht ansatzweise substantiiert (§ 138
Abs. 4 ZPO) entgegengetreten; sie ist auch mit der von der Antragsgegnerin zutreffend
dargestellten Rentenanwartschaftsentwicklung des Antragstellers, der im Jahr 1998
1,9046 Entgeltpunkte und in den Jahren 1999 bis 2004 durchschnittlich 1,8694
Entgeltpunkte erworben hat, vereinbar. Allerdings errechnet sich hieraus nicht die von der
Antragsgegnerin vorgetragene fiktive Monatsrente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung von 1.948,98 EUR brutto. Denn zwar sind für die Jahre 2005 bis 2008
jeweils 1,9 Entgeltpunkte zu veranschlagen, entgegen ihrer Handhabung indes für das Jahr
2009 nur 2/3 der 1,9 Entgeltpunkte, weil der Antragsteller bereits seit dem 1. September
2009 im Regelaltersrentenbezug steht und daher keine weiteren Rentenanwartschaften
mehr erwerben konnte. Mithin bezöge der Antragsteller – Altersteilzeit und Frühverrentung
hinweggedacht – im verfahrensgegenständlichen Unterhaltszeitraum eine monatliche
Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von (62,1539 EP + 4 2/3 * 1,9 EP
=) 71,0206 EP * 27,20 EUR = 1.931,76 EUR brutto, von der netto nach Abzug des
Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags 1.736,65 EUR monatlich verblieben.
Wenn und weil aber in Fortschreibung der Fiktion des abzuändernden Urteils auf diese
fiktive gesetzliche Altersrente abzustellen ist, müssen im Gegenzug die Einkünfte des
Antragstellers aus seiner betrieblichen Altersversorgung außer Betracht bleiben, die auf
dem Einmalbeitrag in Höhe von 40.000 EUR beruhen, den die Firma S. zu seinen Gunsten
– allein – zum Ausgleich der ihm durch die Altersteilzeit entstandenen Nachteile bei der
gesetzlichen Altersrente entrichtet hat. Daher hat es auf Seiten des Antragstellers bei fiktiv
einzustellenden Renteneinkünften von monatlich 1.736,65 EUR netto sein Bewenden.
Dass der Antragsteller neben jener betrieblichen Altersversorgung eine weitere, bislang von
ihm nicht offengelegte Versorgung bezieht, hat das Familiengericht zutreffend verneint; die
auf diese Behauptung gestützte Rüge der Antragsgegnerin ist unsubstantiiert. Für die
Existenz einer weiteren Versorgung – etwa, wie die Antragsgegnerin meint, aufgrund
Mitgliedschaft bei dem Bochumer Verband – fehlt es – wie im Senatstermin erörtert – an
von der Antragsgegnerin aufgezeigten Anhaltspunkten im Tatsächlichen. Dem steht
insbesondere der von ihr hervorgehobene Umstand nicht entgegen, dass der Antragsteller
– unstreitig – eine Bruttorente von 254,95 EUR bezieht, obwohl er ausweislich des
Schreibens der Firma S. vom 27. Mai 2004 durch die arbeitgeberseitige Einzahlung des
Beitrags von 40.000 EUR ab seiner Regelverrentung mit 65 Jahren eine jährliche
Rentenanwartschaft von brutto 4.040 EUR erworben hätte, was monatlich 336,67 EUR
brutto entspricht. Denn zu Recht und von der Antragsgegnerin nicht gehaltvoll in Frage
gestellt hat das Familiengericht angenommen, dass dies in der Frühverrentung des
Antragstellers Ende 2004 begründet liegt. Die betragsmäßige Abweichung erklärt sich
durch die beitragsorientierte Versorgungsregelung des Bochumer Verbandes für
arbeitgeberfinanzierte Versorgungszusagen, die sich in der zum Gegenstand des
Senatstermins gemachten Verbundakte Versorgungsausgleich des Scheidungsverfahrens
der Beteiligten befindet. Dort ist in § 9 festgelegt, dass für den Fall, dass der Arbeitnehmer
eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des
65. Lebensjahres in Anspruch nimmt, bei der Feststellung der betrieblichen Altersrente für
die gesamte Laufzeit ein versicherungsmathematischer Abschlag von 0,5 % für jeden
vollen Monat des vorzeitigen Bezuges vorgenommen wird; außerdem bestimmt § 24, dass
die laufenden Altersrenten jährlich zum 1. Januar um 1 % erhöht werden. Nichts anderes
ergibt sich aus der von der Firma S. im Versorgungsausgleichsverfahren der Beteiligten
erteilten Auskunft vom 11. Oktober 2006. Ausweislich dieser bezieht der Antragsteller
laufende Leistungen, die auf der Versorgungszusage vom 9. Dezember 2002 beruhen in
entsprechend gekürzter und in Ziffer 1c der Auskunft ausgewiesener Höhe, weswegen –
damit in Einklang stehend – die Höhe der „künftigen Versorgungsleistungen“ (Ziffer 6. der
Auskunft) nicht angegeben ist. Schließlich erschließt sich der Umstand, dass der
Antragsteller über keine weitere Altersversorgung verfügt, auch aus der von der Firma S.
dem Familiengericht St. Wendel am 2. Juni 2005 im Trennungsunterhaltsverfahren der
Beteiligten 6 F 421/04 UE+EA erteilten Auskunft, der zufolge Versorgungsbezüge nur
gemäß § 4 der zwischen der Firma S. und dem Antragsteller am 2. Dezember 2002
geschlossenen Altersteilzeitvereinbarung angefallen sind.
Auch die weiteren Beschwerdeangriffe der Antragsgegnerin greifen nicht durch.
Insbesondere bekämpft sie ohne Erfolg, dass das Familiengericht – zutreffend unter Abzug
eines Anreizsiebtels (vgl. dazu BGH FamRZ 2011, 192 m.w.N.) – auf ihren Seiten
weiterhin die ihr im abzuändernden Urteil fiktiv beigemessenen 900 EUR netto als
Erwerbseinkommen berücksichtigt hat. Die Antragsgegnerin hat eine diesbezügliche
Änderung der für den Vorprozess maßgeblichen und daher für das Abänderungsverfahren
grundsätzlich bindenden Verhältnisse bereits nicht ansatzweise substantiiert dargetan.
Denn ob der Bindungswirkung steht fest, dass die Antragsgegnerin bei Entfaltung der von
ihr geforderten Erwerbsbemühungen eine Stelle in zumindest ungelernter Tätigkeit hätte
aufnehmen können. Soweit also die Antragsgegnerin unter Beweisantritt vorträgt, sie habe
eine entsprechende Anstellung nicht finden können, ist dies rechtlich unerheblich.
Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass sie im streitgegenständlichen Unterhaltszeitraum
abweichend vom vorangegangenen Zeitraum (vgl. BGH FamRZ 2010, 538) einer solchen
ungelernten Tätigkeit seit Beginn des hier in Rede stehenden Unterhaltszeitraums nicht
mehr hätte nachgehen können, weil sie eine entsprechende Stelle zwischenzeitlich verloren
hätte oder hätte aufgeben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der in diesen
Zusammenhang gestellte Hinweis der Antragsgegnerin auf erlittene ehebedingte Nachteile
steht ihrer Erwerbsobliegenheit ebenfalls nicht entgegen; ihnen war – wie im
abzuändernden Urteil geschehen – dadurch Rechnung zu tragen, dass keine Begrenzung
ihres Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt ausgesprochen worden ist.
Vergebens führt die Antragsgegnerin schließlich Treu und Glauben ins Feld, weil der
Antragsteller aufgrund des Rentnerprivilegs die nicht um den Versorgungsausgleich
gekürzte Rente beziehe und daher von den der Antragsgegnerin im Wege des
Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften profitiere, während die
Antragsgegnerin nicht einmal über den Selbstbehalt verfüge. Die Regelung des § 5 VAHRG
a.F. dient der Vermeidung einer Doppelbelastung durch einseitige Kürzung der Versorgung
– ohne gleichzeitige Begünstigung des Berechtigten – und zusätzliche
Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Berechtigten. An dem Vorteil der unterbleibenden
Kürzung hat auch der Ehegatte – hier die Antragsgegnerin – teil, dem durch den
Versorgungsausgleich Anwartschaften übertragen werden; denn er erhält den Unterhalt
aus der ungekürzten Versorgung des unterhaltspflichtigen Ehegatten. Der Senat vermag
daher keinen Anlass für die Anwendung von § 242 BGB zu erkennen.
Nach Maßgabe dessen ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:
483 EUR
.
Nachdem der Antragsteller zur Deckung der in dieser Höhe bestehenden Bedürftigkeit (§
1569 S. 2 BGB) der Antragsgegnerin ausgehend von den ihm fiktiv zuzuschreibenden
Nettorenteneinkünften von 1.736,65 EUR leistungsfähig (§ 1581 BGB) ist, ist der
angefochtene Beschluss entsprechend abzuändern.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO; §
116 Abs. 3 S. 2 FamFG.
Der Antragsgegnerin ist im Umfang der – vorstehend dargelegten – hinreichenden
Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde Verfahrenskostenhilfe für den zweiten Rechtszug zu
bewilligen (§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 S. 1 ZPO); im Übrigen ist ihr
Verfahrenskostenhilfe zu versagen.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht
vorliegen (§ 70 FamFG).