Urteil des OLG Saarbrücken vom 13.12.2007

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OLG Saarbrücken Beschluß vom 13.12.2007, 6 WF 123/07
Rechtsanwaltsgebühr: Nichtanfallen einer Einigungsgebühr wegen Beschränkung eines
Vergleichs ausschließlich auf einen Verzicht; Terminsgebühr in einem Verfahren der
Zuweisung der Ehewohnung bei einem schriftlichen Vergleich
Leitsätze
a. Nr. 1000 VV-RVG: Zu den - hier nicht vorliegenden - Voraussetzungen, unter denen
davon ausgegangen werden kann, dass sich ein Vergleich ausschließlich auf einen Verzicht
beschränkt, und daher nach Nr. 1000 VV-RVG eine Einigungsgebühr nicht anfällt.
b. Nr. 3104 VV-RVG: In einem Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung fällt eine
Terminsgebühr auch dann an, wenn ein schriftlicher Vergleich abgeschlossen wurde.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des dem Antragsgegner beigeordneten Rechtsanwalts, , wird der
Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in St. Wendel vom 23. November 2007 - 6a
F 9/07 WH - dahingehend abgeändert, dass dem Beschwerdeführer über die bereits
festgesetzte Vergütung hinaus aus der Landeskasse eine weitere Vergütung in Höhe von
421,50 EUR zu zahlen ist.
2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Parteien sind miteinander verheiratet. Mit Antrag vom 5. Juli 2007 begehrte die
Antragstellerin die Zuweisung der Ehewohnung. Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2007 trug der
Antragsgegner vor, dass die Antragstellerin eine neue Wohnung bezogen habe, wodurch
die Hauptsache erledigt worden sei. Die Antragstellerin ihrerseits teilte mit Schriftsatz vom
2. August 2007 mit, dass die Angelegenheit vergleichsweise erledigt werden könne, womit
sich der Antragsgegner einverstanden erklärte. Beiden Parteien wurde für das Verfahren
antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt; dem Antragsgegner wurde der
Beschwerdeführer beigeordnet. Mit Beschluss vom 17. August 2007 stellte das
Familiengericht den Abschluss eines Vergleichs dahingehend fest, dass die Hauptsache
erledigt ist (Ziffer 1) und die Kosten gegeneinander aufgehoben werden (Ziffer 2).
Mit Schriftsatz vom 20. August 2007 hat der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner
Vergütung als beigeordneter Rechtsanwalt gegen die Staatskasse beantragt. Er hat dabei
neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG auch eine Terminsgebühr nach Nr.
3104 VV-RVG (193,20 EUR) und eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV-RVG (161 EUR) -
nebst Umsatzsteuer - geltend gemacht.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat lediglich die Verfahrensgebühr - nebst
Auslagenpauschale und Umsatzsteuer - festgesetzt und die Auffassung vertreten, dass die
übrigen Gebühren nicht angefallen seien. Das dagegen eingelegte Rechtsmittel hat das
Familiengericht als Erinnerung angesehen und dieser in dem angefochtenen Beschluss, auf
den Bezug genommen wird, „nicht abgeholfen“. Hiergegen wendet sich der
Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde, mit der er die Festsetzung weiterer 421,50
EUR begehrt. Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 56, 33 RVG zulässig. Trotz des insoweit missverständlichen
Tenors des angefochtenen Beschlusses, wonach „der Erinnerung ... nicht abgeholfen“
worden ist, ist unter den gegebenen Umständen davon auszugehen, dass eine
abschließende Entscheidung des Familiengerichts über die Erinnerung vorliegt und der
Beschwerdeführer dagegen form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt hat.
Die Beschwerde ist begründet. Der Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers umfasst
Die Beschwerde ist begründet. Der Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers umfasst
auch die hier in Rede stehenden Gebühren.
Nach Nr. 1000 VV-RVG entsteht eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss
eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein
Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf
ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Danach ist vorliegend eine Einigungsgebühr
angefallen.
Dass die Parteien den Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet haben, steht außer
Zweifel, denn eine diesbezügliche Einigung wurde vom Familiengericht ausdrücklich mit
Beschluss vom 17. August 2007 festgestellt. Dieser Vergleich beinhaltet entgegen der
Auffassung des Familiengerichts auch nicht ausschließlich einen Verzicht der Antragstellerin.
Dagegen spricht bereits der Wortlaut der Vereinbarung, worin von einem Verzicht keine
Rede ist, sondern von der Erledigung der Hauptsache; zudem beschränkt sich der Vergleich
nicht auf den geltend gemachten prozessualen Anspruch, sondern er enthält daneben eine
auch den Antragsgegner belastende Kostenregelung. Wird weiter berücksichtigt, dass nach
dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die die Bereitschaft
zur einvernehmlichen Beilegung eines Rechtsstreits fördern soll, bereits ein geringes
Entgegenkommen ausreicht, um das negative Tatbestandsmerkmal der Beschränkung des
Vertrags auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht zu beseitigen (vgl. Gerold/Schmidt- v.
Eicken, RVG, 17. Aufl., VV 1000, Rz. 27), steht auch die getroffene Kostenregelung der
Auffassung des Familiengerichts entgegen.
Schließlich ergibt sich auch nicht aus den sonstigen Umständen mit hinreichender
Deutlichkeit, dass die Antragstellerin auf ihren Anspruch auf Wohnungszuweisung verzichtet
hat. Beim - vorbehaltslosen - Verzicht handelt es sich um das prozessuale Gegenstück des
Anerkenntnisses; eine Partei muss dabei erklären, dass der von ihr gegen die andere Partei
geltend gemachte Anspruch nicht bestehe, dass folglich ihr Antrag unberechtigt und die
eigene Rechtsbehauptung unrichtig sei (Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 306, Rz. 3;
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., Einf. vor §§ 306, 307, Rz. 1,
m.w.N.). Wegen der weitreichenden Folgen einer solchen Erklärung darf ein Verzichtswille
nicht ohne weiteres unterstellt werden, vielmehr sind im Zweifel die Erklärungen einer
Partei nicht als Verzicht zu werten (Staudinger/Rieble, BGB (2005), § 397, Rz. 101,
m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann vorliegend von einem Verzicht der
Antragstellerin nicht ausgegangen werden. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass ihr
prozessuales Verhalten allein davon bestimmt war, dass sie für sich eine neue Wohnung
gefunden hatte und es daher der Zuweisung der Ehewohnung an sie nicht mehr bedurfte;
damit beinhaltete die Erledigungserklärung aber erkennbar nicht eine Abkehr von ihrer
bisherigen Rechtsposition, sondern trug lediglich den geänderten tatsächlichen
Verhältnissen Rechnung. Nach alledem kann zumindest nicht mit der erforderlichen
Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich der Vergleich lediglich in einer
Verzichtserklärung erschöpfte, so dass auch eine entsprechende Einigungsgebühr
angefallen ist.
Aus einem Streitwert von 2.220 EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von 161 EUR, die
insoweit vom Beschwerdeführer geltend gemacht wird.
Daneben ist auch eine 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV-RVG entstanden. Nach
dieser Regelung fällt eine Terminsgebühr auch dann an, wenn in einem Verfahren, für das
mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Dies
gilt auch für das vorliegende Wohnungszuweisungsverfahren, in dem nach § 13 Abs. 2
HausrVO in der Regel mündlich verhandelt werden soll (BGH, NJW 2006, 2495; RPfleger
2006, 38; NJW 2003, 3133, zu der vergleichbaren Konstellation im WEG-Verfahren). Somit
steht dem Beschwerdeführer auch eine Terminsgebühr in Höhe von 193,20 EUR (= 161
EUR * 1,2) zu.
Unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer von 19% erhöht sich damit der
Gebührenanspruch des Beschwerdeführers um 421,50 EUR (= 161 EUR + 193,20 EUR +
67,30 EUR). Entsprechend war der angefochtene Beschluss abzuändern.
Der Kostenausspruch beruht auf § 33 Abs. 9 RVG.