Urteil des OLG Saarbrücken vom 11.06.2004

OLG Saarbrücken: internationale zuständigkeit, elterliche sorge, rechtshängigkeit, auskunft, ehescheidung, billigkeit, scheidungsverfahren, zustellung, privatrecht, gerichtsbarkeit

OLG Saarbrücken Beschluß vom 11.6.2004, 9 UF 67/04
Ehescheidung: Versorgungsausgleich bei Ehegatten italienischer Staatsangehörigkeit
Leitsätze
Sind beide Ehegatten italienische Staatsangehörige, ist ein Versorgungsausgleich nach
deutschem Recht unter den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB
durchzuführen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Landesversicherungsanstalt wird der Beschluss des Amtsgerichts -
Familiengericht - in Saarbrücken vom 8. März 2004 - 41 F 226/00 VA - in Ziffer I der
Entscheidungsformel teilweise dahingehend abgeändert, dass die zu übertragenden
Rentenanwartschaften monatlich 23,08 EUR betragen.
Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander
aufgehoben. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der
erstinstanzlichen Entscheidung.
Beschwerdewert: 500 EUR.
Gründe
I.
Der am Mai 1968 geborene Ehemann (Antragsteller) und die am September 1975
geborene Ehefrau (Antragsgegnerin), beide italienische Staatsangehörige, haben am
Dezember 1993 die Ehe geschlossen.
Seit Februar 1997 leben die Parteien getrennt. Auf den, dem Ehemann am 27. Juli 1998
zugestellten Antrag der Ehefrau hat das Amtsgericht - Familiengericht - in Saarbrücken
durch Urteil vom 16. August 1999 - 41 F 256/98 - u.a. die Trennung der Parteien von
Tisch und Bett ausgesprochen.
Auf den der Ehefrau am 10. Mai 2000 zugestellten Scheidungsantrag des Ehemannes hat
das Familiengericht im vorliegenden Verfahren die Ehe der Parteien unter Anwendung
italienischen Scheidungsrechts durch Urteil vom 11. November 2002 vorab geschieden
(rechtskräftig seit 11. November 2002) und die elterliche Sorge für die aus der Ehe
hervorgegangene Tochter T. G. M., geboren am November 1995, der Ehefrau übertragen.
In der abgetrennten Folgesache Versorgungsausgleich hat das Familiengericht durch den
angefochtenen Beschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, den öffentlich-
rechtlichen Versorgungsausgleich dahin durchgeführt, dass es Rentenanwartschaften in
Höhe von monatlich 18,02 EUR, bezogen auf den 30. April 2000, von dem
Rentenversicherungskonto des Ehemannes auf das der Ehefrau übertragen hat
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde rügt die Landesversicherungsanstalt (weitere
Beteiligte zu 1), dass das Familiengericht bei der angefochtenen Entscheidung
entsprechend der erstinstanzlich erteilten Auskunft vom 22. Dezember 2003 auf Seiten
des Ehemannes von ehezeitlich erworbenen Anwartschaften von monatlich 101,16 EUR
ausgegangen ist. Die der Auskunft zugrunde liegende Berechnung sei aber auf der
Grundlage der vom Familiengericht angegebenen Ehezeit vom 1. Dezember 1993 bis 30.
Juni 1998 erfolgt. Bei einer Ehezeit vom 1. Dezember 1993 bis 30. April 2000 beliefen sich
die ehezeitlich erworbenen Rentenanwartschaften des Ehemannes hingegen auf monatlich
131,55 EUR.
Die Parteien sind der Beschwerde nicht entgegengetreten.
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 2) hat sich den
Ausführungen der Landesversicherungsanstalt angeschlossen und für die Ehefrau eine neue
Auskunft auf der Grundlage einer Ehezeit vom 1. Dezember 1993 bis 30. April 2000
erteilt.
II.
Die gemäß §§ 621 e, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde der Landesversicherungsanstalt
ist begründet und führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung in tenoriertem
Umfang.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Sie ist auch in den
Sachen, deren Verfahren sich - wie hier (§§ 621a Abs. 1 Satz 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) -
nach den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit bestimmt, in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Sie
ergibt sich aus § 606a Abs. 1 Nr. 2 ZPO, da beide Ehegatten ihren gewöhnlichen
Aufenthalt im Inland haben. Damit ist zugleich wegen des sachlichen Bezugs zwischen
Ehescheidung und Versorgungsausgleich die internationale Zuständigkeit für die
Entscheidung über den Versorgungsausgleich gegeben (BGH, FamRZ 1994, 825ff,
m.w.N.).
Auch begegnet es keinen Bedenken, dass das Familiengericht einen Versorgungsausgleich
nach deutschem Recht durchgeführt hat. Zwar unterliegt der Versorgungsausgleich nach
deutschem internationalen Privatrecht grundsätzlich dem Scheidungsstatut (Art. 17 Abs. 3
Satz 1, 1. Halbsatz EGBGB). Danach wäre hier das italienische Recht zur Entscheidung
berufen (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB i.V. mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, 1. Altern. EGBGB).
Nach Art. 17 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EGBGB ist der Versorgungsausgleich nur
durchzuführen, wenn ihn das Recht eines der Staaten kennt, denen die Ehegatten im
Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angehören. Der
Versorgungsausgleich ist dem italienischen Recht jedoch unbekannt (BGH a.a.O., m.w.N.).
Nach dem Scheidungsstatut kann deshalb vorliegend ein Versorgungsausgleich nicht
stattfinden.
Der Versorgungsausgleich ist hier aber nach deutschem Recht durchzuführen, nachdem die
Ehefrau dies beantragt und der Ehemann in der Ehezeit inländische
Versorgungsanwartschaften erworben hat und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind,
dass die Durchführung der Billigkeit widersprechen könnte (Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB).
Bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs hat das Familiengericht im Ergebnis zu
Recht das Ende der Ehezeit mit dem 30. April 2000 festgestellt.
Denn auch, wenn – wie vorliegend – einem Scheidungsverfahren ein gerichtliches
Trennungsverfahren nach italienischem Recht vorangegangen ist, ist für das Ehezeitende
nach § 1587 Abs. 2 BGB allein die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags und nicht die
Rechtshängigkeit des Trennungsantrages maßgeblich, worauf aber das Familiengericht bei
der Ermittlung der den Beteiligten zu 1) und 2) mitgeteilten Ehezeit zunächst abgestellt
hatte (BGH a.a.O.).
Nachdem die erstinstanzlich für die Parteien bei der Landesversicherungsanstalt und der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eingeholten Auskünfte von einer Ehezeit vom 1.
Dezember 1993 bis 30. Juni 1998 ausgehen, infolge der Eheschließung am 16 Dezember
1993 und der Zustellung des Scheidungsantrags am 10. Mai 2000 jedoch die Zeit vom 1.
Dezember 1993 bis 30. April 2000 als Ehezeit im Sinne von § 1587 Abs. 2 BGB gilt, ist der
Versorgungsausgleich auf der Grundlage der nachträglich erteilten Auskünfte der
Landesversicherungsanstalt vom 26. April 2004 und der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte vom 18. Mai 2004, die diesem Umstand Rechnung tragen, zu regeln.
Nach diesen Auskünften, die keinen Anlass zu Bedenken bieten, belaufen sich die
ehezeitlichen Rentenanwartschaften des Ehemannes auf insgesamt 131,55 EUR und die
der Ehefrau auf 85,40 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf den 30. April 2000.
Der Ausgleich zwischen den Parteien ist deshalb nach §§ 1587 b Abs. 1, 1587 a Abs. 1
Sätze 1 und 2 BGB wie folgt vorzunehmen:
Rentenanwartschaften Ehemann 131,55 EUR
Rentenanwartschaften Ehefrau
85,40 EUR
Differenz
46,15 EUR
hiervon die Hälfte
23,08 EUR
In dieser Höhe sind Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung auf das
Versicherungskonto der Ehefrau zu übertragen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 93 a Abs. 1 ZPO, 8 GKG, 17 a Nr. 1 GKG.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§§ 621
e Abs. 2, 543 ZPO).