Urteil des OLG Saarbrücken vom 15.09.2010

OLG Saarbrücken: treu und glauben, ausschluss, richterliche rechtsfortbildung, ratio legis, vergabeverfahren, unterlassen, anteil, auftragsvergabe, gleichbehandlung, telefon

OLG Saarbrücken Beschluß vom 15.9.2010, 1 Verg 3/10
Leitsätze
Auf der Grundlage der VOB/A 2006 muss die Vergabestelle in den Grenzen des - hier nicht
gegebenen - Rechtsmissbrauchs ein Angebot auch dann wegen Unvollständigkeit zwingend
von der Wertung ausschließen, wenn die fehlende Angabe bedeutungslos erscheint (im Fall:
Herstellerangabe enes Telefaxgerätes) und überdies eine Position betrifft, die für die
Wertung der Angebote unwesentlich ist (im Fall: 0,02 % der Angebotssumme).
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer
des Saarlandes beim Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft vom 8.3.2010 - Az: 1
VK 03/2010 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich derjenigen der weiteren Beteiligten
werden der Antragstellerin auferlegt.
III. Die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Beschwerdeverfahren durch die
Antragsgegnerin und die weitere Beteiligte wird für notwendig erklärt.
Gründe
A.
Die Parteien streiten über die Vergaberechtmäßigkeit eines Angebotsausschlusses im
Rahmen einer Auftragsvergabe für eine Bauleistung (Abbruch-, Betonschneide-, Maurer-
und Betonarbeiten.
Die Antragsgegnerin hatte die Auftragsvergabe im Offenen Verfahren mit Bekanntmachung
2009/S. 164 - 237611 im Supplement zum Amtsblatt der EU vom 27.8.2009
ausgeschrieben. Im Leistungsverzeichnis hatte die Antragsgegnerin unter Ordnungszahl
1.1.130 folgende Forderung aufgestellt:
„Büroausstattung liefern, montieren und vorhalten für 15 Monate
und wieder zurücknehmen, bestehend aus:
Telekommunikationsgerät bestehend aus: Schnurlosem Telefon und
Echtpapierfaxgerät mit Anrufbeantworter, automatisch umschaltbar
einschließlich 1000 Blatt Faxpapier. Zum Anschluss an vorh.
Telefonanschluss.
Angebotenes Fabrikat: __________________________________________
EUR“
Die Antragstellerin gab ein Angebot ab; unter der Ordnungszahl 1.1.130 ist ein Preis, aber
kein Fabrikat eingetragen.
Zum Zeitpunkt der Submission lagen der Antragsgegnerin insgesamt sieben Angebote vor,
darunter das - preislich günstigste - Angebot der Antragstellerin.
Mit Schreiben vom 5.1.2010 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr
Angebot wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen sei und kündigte an, den Zuschlag am
21.1.2010 auf das Angebot der weiteren Beteiligten zu erteilen. Zwei weitere Angebote, in
denen unter der Ordnungszahl 1.1.130 ebenfalls jeweils die Angabe des Fabrikates fehlte,
wurden gleichermaßen wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 13.1.2010 rügte die Antragstellerin den Ausschluss wegen fehlender
Fabrikatsangabe als rechtswidrig.
Mit Schriftsatz vom 18.1.2010 hat die Antragstellerin Antrag auf Durchführung eines
Vergabenachprüfungsverfahrens gestellt.
Sie hat die Auffassung vertreten, in dem Vergabeverfahren seien zwingende
Verfahrensvorschriften und Rechte gemäß § 97 GWB zu ihren Lasten verletzt worden. Ihr
Angebot sei aufgrund einer bloßen Förmelei von der Wertung ausgeschlossen worden. Ein
Ausschluss sei nur geboten, wenn relevante Preisangaben fehlten. Unerheblich sei, wenn
lediglich Erklärungen fehlten, die - wie hier - ohne Einfluss auf die Preise und damit auf das
Wettbewerbsergebnis seien. Für die Vergabeentscheidung könne nicht von Interesse sein,
von welchem Hersteller das Bürotelekommunikationsgerät, das nur für die Dauer der
Einrichtung der Baustelle zur Verfügung gestellt werden solle, stamme. Zudem sei die
Antragstellerin ausweislich ihres Briefpapiers ohnehin dauerhaft über Telefon, Telefax und
Mobilfunk erreichbar.
Die Antragsgegnerin sei im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens zur Aufklärung der
fehlenden Herstellerangabe im Rahmen von § 24 VOB/A verpflichtet gewesen. Wegen der
marginalen Bedeutung der Leistungsposition (0,02% des gesamten Angebots) sei von
einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. Zudem könne die zwischenzeitlich
erlassene, aber noch nicht gültige VOB 2009/A zur Auslegung zur Ermittlung von Sinn und
Zweck der alten und hier noch maßgeblichen Regelung des § 25 VOB/A 2006
herangezogen werden.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Angebotswertung zur
Vergabe des Auftrags Nummer unter Einbeziehung des Angebotes
der Antragstellerin vom 9.10.2009 zu wiederholen,
2. die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin für
notwendig zu erklären,
3. die Kosten des Verfahrens und die Kosten der notwendigen
Beauftragung von Bevollmächtigten durch die Beteiligten der
Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag als unzulässig, hilfsweise als unbegründet
zurückzuweisen,
2. die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Beigeladene hat beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
2. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der
Beigeladenen für notwendig zu erklären,
3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der
Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der
Beigeladenen aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig,
da die Antragstellerin die Rüge nicht unverzüglich erhoben habe.
Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet; denn der Ausschluss wegen fehlender
Fabrikatsangabe sei zwingend. Der Wortlaut von § 25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOB/A lasse
erkennen, dass der öffentliche Auftraggeber bei Vorliegen der dort aufgestellten
Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe
habe, sondern gezwungen sei, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen.
Diese Vorgehensweise stelle die beste Möglichkeit dar, den Vergabegrundsätzen von
Gleichbehandlung und Transparenz Geltung zu verschaffen. Insbesondere werde dadurch
wirksam möglichen Verstößen gegen das grundsätzliche Nachverhandlungsverbot des § 24
Nr. 3 VOB/A, Abschnitt 2 vorgebeugt.
Der Hinweis der Antragstellerin auf die VOB/A 2009 gehe fehl. Im vorliegenden Verfahren
seien die Regelungen der VOB/A 2006 anzuwenden. Gerade die neue Regelung zeige, dass
es bislang durch Auslegung und richterliche Rechtsfortbildung nicht möglich gewesen sei,
die ihrem Wortlaut nach eindeutige Vorschrift des § 25 VOB/A „contra legem“
anzuwenden.
Die weitere Beteiligte hat geltend gemacht, die Antragstellerin verkenne hinsichtlich der
Zulässigkeit des Antrags die Verschärfung der Neuregelung in § 107 GWB.
Nach der derzeit gültigen VOB/A müssten fehlende Fabrikats- oder Typenangaben zu einem
zwingenden Angebotsausschluss führen.
Durch Beschluss vom 8.3.2010, auf den verwiesen wird, hat die Vergabekammer den
Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Vergabekammer im
wesentlichen ausgeführt:
Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3
GWB. Dies bedürfe jedoch letztlich keiner Entscheidung; denn der Antrag sei jedenfalls
unbegründet.
Der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin nach Maßgabe von § 25 Nr. 1 b) i. V. m.
§ 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sei vergaberechtskonform. Der Wortlaut von § 25 Nr. 1 Abs. 1
VOB/A weise aus, dass der öffentliche Auftraggeber bei Vorliegen der dort aufgestellten
Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe
habe, sondern gezwungen sei, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen. Ein
transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren sei nur zu
erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht
vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordere, dass hinsichtlich jeder Position
der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung
geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet,
aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert waren, so dass sie als Umstände
ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen. Da die
Antragstellerin es unterlassen habe, in der Position 1.1.130 neben dem Preis auch das
Fabrikat anzugeben, sei der Ausschluss zu Recht erfolgt.
Gegen diesen ihr am 12.3.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am
26.3.2010 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren
weiterverfolgt.
Sie beantragt,
1. die Entscheidung der Vergabekammer vom 8.3.2010 – 1 VK
03/2010 - aufzuheben,
2. die Vergabestelle zu verpflichten, das Angebot der
Beschwerdeführerin zu werten und ihr als Mindestbietender den
Zuschlag zu erteilen,
3. hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter
Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts
über die Sache erneut zu entscheiden,
4. die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die
Beschwerdeführerin für notwendig zu erklären,
5. der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens sowie die
notwendigen Auslagen aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin und die weitere Beteiligte beantragen jeweils,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
Wegen des Beschwerdevorbringens der Parteien und der weiteren Beteiligten im Einzelnen
wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
B.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist form- und fristgerecht eingelegt und auch
im übrigen zulässig gemäß §§ 116 f. GWB; sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat die
Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Auch nach
Ansicht des Senats kann letztlich dahinstehen, ob die einzelnen
Zulässigkeitsvoraussetzungen im Hinblick auf den Nachprüfungsantrag gegeben sind, da
der Nachprüfungsantrag jedenfalls unbegründet ist. Zur Begründung wird zunächst zwecks
Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen Ausführungen der
Vergabekammer Bezug genommen. Die von der Antragstellerin hiergegen erhobenen
Einwendungen greifen nicht durch.
Die Antragstellerin macht geltend, die Vergabekammer sei rechtsfehlerhaft davon
ausgegangen, dass der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zwingend gemäß § 25
Nr. 1 b) i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A habe erfolgen müssen. Die Antragsgegnerin habe
zu Unrecht das Angebot der Antragstellerin von der Wertung ausgeschlossen; hiermit habe
sie gegen Vorschriften des Vergaberechts verstoßen. Der Ausschluss wegen des Fehlens
der Herstellerangabe im Hinblick auf das für die Dauer des Bauvorhabens bereitzustellende
Telefaxgerät stelle eine übertriebene Förmelei dar, die weder vom Verordnungsgeber
gefordert noch von der ratio legis erfasst sei. Die Antragstellerin verweist in diesem
Zusammenhang auf den Umstand, dass die Position im Verhältnis zu dem Gesamtangebot
einen Anteil von 0,02% einnimmt. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden:
Zunächst ist mit der Vergabekammer darauf hinzuweisen, dass auf das vorliegende
Verfahren die VOB/A 2006 Anwendung findet, da die VOB/A 2009 erst am 11.6. 2010 in
Kraft getreten ist (vgl. § 6 Vergabeverordnung in der Fassung aufgrund der
Änderungsverordnung vom 7.6.2010 – BGBl. I S. 724).
Der Ausschluss der Antragstellerin ist zu Recht erfolgt. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOB/A
werden Angebote ausgeschlossen, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht
entsprechen. Das Angebot der Antragstellerin entsprach wegen der fehlenden
Herstellerangabe nicht § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A.
Das Angebot der Antragstellerin war hiernach zwingend von dem weiteren Verfahren
auszuschließen. Die Vergabekammer hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf
verwiesen, dass in einem solchen Fall der öffentliche Auftraggeber bei Vorliegen der dort
aufgestellten Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen
Handhabe hat, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung zu
nehmen; dass § 21 Nr. 1 S. 2 VOB/A nur als Sollvorschrift formuliert ist, ändert hieran
nichts (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18.2.2003 – Az.: X ZB 43/02).
Die Antragstellerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen,
dass die Position, die von der Antragstellerin nicht vollständig ausgefüllt ist, lediglich einen
geringen Anteil am Gesamtvolumen des Bauvorhabens ausmacht. Dies spielt im
vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Allein aufgrund der Tatsache, dass die Angabe
ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, wird sie als ein Umstand
ausgewiesen, der für die Vergabeentscheidung relevant sein sollte (vgl. dazu BGH aaO;
BGH ZfBR 2005, 704). Die Entscheidung darüber, welchen Umständen im Rahmen des
Vergabeverfahrens Bedeutung zukommt, obliegt dabei im Rahmen seines
Entschließungsermessens ausschließlich dem Ausschreibenden, nicht dem Bieter (vgl. dazu
OLG Celle, Beschluss vom 2.10.2008 – 13 Verg 4/08; OLG Düsseldorf, Beschluss vom
23.3.2005 - Verg 2/05).
Mit dieser Ansicht folgt der Senat der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie der
ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung. Insoweit wird auf die detaillierten
Ausführungen der Vergabekammer Bezug genommen. Dass die von der Antragstellerin
zitierten Entscheidungen des Senats, von denen eine aus der Zeit vor Erlass des
Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 18.2.2003 (X ZB 43/02) stammt, vorliegend
nicht einschlägig sind, hat die Vergabekammer ebenfalls zutreffend dargelegt.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin war die Vergabestelle weder verpflichtet noch
überhaupt berechtigt, in Anwendung des § 24 VOB/A eine Aufklärung herbeizuführen.
§ 24 VOB/A enthält nur eine Berechtigung des öffentlichen Auftraggebers, den
Angebotsinhalt der Bieter aufzuklären bzw. in dem gemäß § 24 Nr. 3 VOB/A zulässigen
Umfang Nachverhandlungen mit den Bietern zu führen; einen Anspruch auf
Nachverhandlung hat der Bieter grundsätzlich nicht (vgl. dazu
Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB, 2. Aufl., § 24 VOB/A Rdnr. 16 m. w. N.). Bereits
aus diesem Grunde kann eine unterlassene Aufklärung keine Verletzung von Bieterrechten
darstellen.
Im vorliegenden Fall wäre ein Aufklärungsgespräch zudem gemäß § 24 VOB/A unzulässig
gewesen. In einem derartigen Gespräch dürfen nämlich keinesfalls Angaben nachgeholt
werden, deren Fehlen dazu führt, dass das Angebot des Bieters gemäß § 25 Nr. 1 VOB/A
zwingend von der Wertung auszuschließen ist. Denn die Nachholung von solchen
zwingenden Angaben würde einen Eingriff in den Kernregelungsgehalt der
Wertungsprinzipien der VOB/A darstellen und gegen den Wettbewerbsgrundsatz und das
Diskriminierungsverbot verstoßen (vgl. Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, aaO, § 24
VOB/A Rdnr. 33).
Aus den Regelungen der VOB/A 2009 kann die Antragstellerin ebenfalls nichts für sich
herleiten. Zwar ist dort in § 16 Abs. 1 Nr. 1 c) vorgesehen, dass Angebote, bei denen
lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises fehlt und durch
die Außerachtlassung dieser Position der Wettbewerb und die Wertungsreihenfolge nicht
beeinträchtigt werden, nicht von vorneherein zwingend auszuschließen sind. In derartigen
Fällen wird die Unvollständigkeit des Angebots allerdings auch nicht als unerheblich
angesehen. Vielmehr hat nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2009 der Auftraggeber die
fehlenden Erklärungen oder Nachweise nachzufordern, wobei hierfür eine Frist von sechs
Kalendertagen nach der Aufforderung vorgesehen ist. Falls die Erklärungen oder Nachweise
nicht innerhalb der Frist vorgelegt werden, ist nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2009 das
Angebot ebenfalls auszuschließen.
Dieser Regelungszusammenhang zeigt, dass auch nach der VOB/A 2009 auch das
Unterlassen von unwesentlichen Angaben nicht völlig bedeutungslos ist, sondern ebenfalls
zu einem Ausschluss des Angebots führen kann. Die Neufassung der VOB/A sieht in einem
solchen Fall lediglich die Möglichkeit des Nachholens vor; nach erfolgter Aufforderung durch
den Auftraggeber. Diese Möglichkeit ist indes bei Anwendung der VOB/A 2006 gerade nicht
gegeben.
Hiernach war das Angebot der Antragstellerin von der Vergabe auszuschließen. Etwas
anderes hätte nur dann gelten können, wenn der Ausschluss gegen die Grundsätze von
Treu und Glauben verstoßen hätte. Dies wiederum hätte nur angenommen werden
können, wenn der Auftraggeber selbst bei der Wertung der verschiedenen Angebote zu
erkennen gegeben hätte, dass es ihm auf die geforderte Angabe in keiner Weise ankommt.
Dann nämlich hätte der Auftraggeber die grundsätzliche Annahme, dass dem von ihm in
den Ausschreibungsunterlagen geforderten Preisangaben und Erklärungen Relevanz für die
Vergabeentscheidung zukommt, widerlegt. In einem solchen Ausnahmefall, in dem die
geforderte Angabe als reiner Formalismus anzusehen wäre, würde der Ausschluss eines
Angebots, das diese Angaben nicht enthält, durch den Auftraggeber als Verstoß gegen den
auch im Vergabeverfahren geltenden Grundsatz von Treu und Glauben darstellen (vgl. dazu
OLG Celle aaO). Diese Voraussetzungen sind indes im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Unstreitig sind zwei weitere Angebote wegen des fehlenden Eintrags des Fabrikats in
Position 1.1.130 ausgeschlossen worden. Dies zeigt, dass es vorliegend der
Antragsgegnerin auf diese Position ankam. Die Annahme, dass diese Angabe für sie
relevant war, ist damit nicht widerlegt.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin war hiernach zurückzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 97 Abs. 1,
101 Abs. 1 ZPO (vgl. BGHZ 146, 202).
Der Ausspruch zur Notwendigkeit der Hinzuziehung von Prozessbevollmächtigten erfolgt im
Hinblick auf § 120 Abs. 1 GWB zur Klarstellung.