Urteil des OLG Saarbrücken vom 16.01.2007

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OLG Saarbrücken Beschluß vom 16.1.2007, 4 W 12/07 - 4
Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren: Anforderungen an die Darlegung des
Klagegrundes zur Erfolgsaussichtsprüfung; Unbeachtlichkeit eines Beweisantritts "ins Blaue
hinein"
Leitsätze
Zur Substantiierungslast; Beweisantritt "ins Blaue".
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts
Saarbrücken vom 21.11.2006 – 7 III O 47/06 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin beabsichtigt, die Antragsgegnerin aus abgetretenem Recht des Zeugen
H.- J. J. auf Zahlung einer Provision in Anspruch zu nehmen.
Der Zeuge J. hat mit der Antragsgegnerin eine Vertriebspartner-Vereinbarung
abgeschlossen, die zugleich eine Provisionsabrede enthält. Auf den Inhalt der Anlage K 2
(Bl. 5 ff. d. A.) wird Bezug genommen. In der als „Abtretungserklärung“ überschriebenen
Vereinbarung vom 20.2.2004 (Bl. 4 d. A.) trat der Zeuge J. Provisionsansprüche für die
„Vermittlung des Abschlusses über den Kauf eines Niedrigenergiehauses und dessen
Finanzierung der Familie S. in “ an die Antragstellerin ab.
Die Antragstellerin hat behauptet, der Zeuge J. habe die Familie S. an die Beklagte als
Kunde vermittelt. Familie S. habe über die Beklagte eine Finanzierung für den Kauf
beziehungsweise den Bau eines Hauses in über 220.000 EUR vermittelt bekommen
beziehungsweise abgeschlossen. Der Zeuge J. habe gegenüber der Antragstellerin erklärt,
dass die Antragsgegnerin ihm für diese Vermittlung 3,5% der Finanzierungssumme
schulde. Zwischen dem Zeugen J. und der Antragstellerin sei vereinbart worden, dass der
Zeuge J. für diese Vermittlung als Provision 3,5% der Finanzierungssumme erhalten solle.
Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Klageverfahrens,
in dem sie die Antragsgegnerin auf Zahlung von 7.700 EUR nebst Zinsen in Anspruch
nehmen will.
Dem ist die Antragsgegnerin entgegengetreten und hat insbesondere die Einrede der
Verjährung erhoben.
Im angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die beabsichtigte
Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die Angaben der
Antragstellerin zur Höhe des angeblichen Provisionsanspruches und zur Vermittlung der
Familie S. ersichtlich „ins Blaue“ hinein aufgestellt worden seien.
Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter. Sie vertritt die Auffassung, sie habe
eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch schlüssig dargelegt und
ordnungsgemäß durch Zeugnis des Zeugen J. unter Beweis gestellt. Der entsprechende
Sachvortrag sei nicht „ins Blaue“ hinein aufgestellt, da der Zeuge J. der Antragsgegnerin
versichert habe, einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu haben. Da die
Antragstellerin aus eigener Anschauung keine Kenntnisse über den Inhalt der Gespräche
und Vereinbarungen zwischen dem Zeugen J. und der Antragsgegnerin besäße, sei sie
insoweit auf die Angaben des Zeugen J. angewiesen. Sei eine Partei für eine Tatsache
darlegungspflichtig, von der sie keine gesicherte Kenntnis haben könne, so läge in der
Behauptung dieser lediglich vermuteten Tatsache keine unzulässige Ausforschung. An die
Darlegungslast seien nämlich keine übersteigerten Anforderungen zu stellen.
Die Antragsgegnerin hat zur Beschwerde der Antragstellerin keine weitergehende
Stellungnahme abgegeben und auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 9.1.2007 der sofortigen Beschwerde nicht
abgeholfen und das Rechtsmittel dem Saarländischen Oberlandesgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
II.
A.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der
Antragstellerin hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Prozesskostenhilfe war der
Antragstellerin nicht zu gewähren, da die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg besitzt (§ 114 Satz 1 ZPO). Es ist der Antragstellerin nicht gelungen, den
Klagegrund der beabsichtigten Klage in einer den Anforderungen des § 138 Abs. 1 ZPO
entsprechenden Weise hinreichend substantiiert darzulegen.
1. Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob die Antragstellerin die Behauptung zur
Finanzierung beziehungsweise Vermittlung der Finanzierung des Bauvorhabens S. und zum
Inhalt der Provisionsabsprache zwischen dem Zeugen J. und der Antragsgegnerin „ins Blaue
hinein“ vorgetragen hat. Der Vorwurf, die Prozesspartei habe aufs Geratewohl ins Blaue
hinein vorgetragen, betrifft im Schwerpunkt beweisrechtliche Grundsätze: Nach richtiger
Auffassung ist ein Beweisantritt nicht beachtlich, wenn der Beweisführer das Vorliegen des
zu beweisenden Sachverhalts ohne greifbare Anhaltspunkte gewissermaßen willkürlich in
die Erkenntnis des Gerichts stellen will, um sich im Wege der Ausforschung erst nach
Durchführung einer Beweisaufnahme die zur Stützung des Klageantrags erforderlichen
Kenntnisse zu verschaffen (BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 283/99, MDR 2003, 1365,
1366; Urt. v. 25.4.1995 – VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111, 2112; Urt. v. 4.3.1991 – II ZR
90/90, NJW 1991, 2707, 2709; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., vor § 284 Rdnr. 5;
MünchKomm(ZPO)/Prütting, 2. Aufl., § 284 Rdnr. 74; Musielak/Foerste, ZPO, 5. Aufl., §
284 Rdnr. 17 ff.; Kiethe MDR 2003, 1326).
Es kann unentschieden bleiben, ob diese Rechtsgrundsätze einer Beweisaufnahme mit den
Argumenten des Landgerichts im vorliegenden Fall entgegenstehen oder ob die
Antragsgegnerin allein mit ihrer Behauptung, der Zeuge J. habe sich ihr gegenüber
entsprechend geäußert, einen hinreichend konkreten Anhaltspunkt dargelegt hat, der den
unter Beweis gestellten Sachvortrag zumindest aus beweisrechtlicher Sicht nicht mehr als
willkürlich erscheinen lässt. Denn jedenfalls ist der Sachvortrag der Antragsgegnerin nicht
hinreichend substantiiert:
2. Gemäß § 138 Abs. 1 BGB haben sich die Parteien über die tatsächlichen Umstände
vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären. Dies bedeutet, dass die darlegungspflichtige
Partei alle zur Rechtfertigung ihres Rechtsstandpunktes erforderlichen Tatsachen vorträgt.
Zwar darf die Darlegungslast nicht überspannt werden. Die darlegungspflichtige Partei ist
nicht von vornherein gehalten, den streitrelevanten Sachvortrag in allen Einzelheiten zu
schildern (Zöller/Greger, aaO., § 138 Rdnr. 8; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 138
Rdnr. 9; Kiethe, MDR 2003, 1327). Dies darf jedoch nicht dahingehend missverstanden
werden, dass die Prozesspartei ihrer Erklärungslast schon dann genügt, wenn sie die zu
beweisenden Tatsachen bei wertender Betrachtung in die Form einer Schlussfolgerung
kleidet und den diese Schlussfolgerung tragenden Lebenssachverhalt in keiner Weise offen
legt.
Darüber hinaus hängt die Darlegungslast auch von der Einlassung des Gegners ab. So darf
sich der Kläger zunächst durchaus kurz fassen. Bestreitet der Gegner den Sachvortrag –
etwa indem er den behaupteten Sachverhalt rundweg in Abrede stellt, so kann der Kläger
gehalten sein, weitere Einzelheiten vorzutragen (vgl. MünchKomm(ZPO)/Peters, aaO., §
138 Rdnr. 18). Aber auch dann, wenn die Gesamtschau des prozessual relevanten
Sachvortrags gewissermaßen den Keim des Zweifels in sich trägt, weil die vorgetragenen
Tatsachen in Widerspruch zu urkundlich verkörperten Erklärungen stehen oder gar mit
eigenem prozessualen Vortrag in anderen Verfahren nicht vereinbar sind, darf sich der
Darlegungspflichtige nicht mit der Wiedergabe der Tatbestandsvoraussetzungen des den
Anspruch herleitenden Rechtssatzes beschränken, die lediglich das äußere Gepräge einer
Tatsachenbehauptung tragen.
3. Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat die Antragstellerin ihre Substantiierungslast nicht
erfüllt. Bereits das provisionspflichtige Rechtsgeschäft wird nicht einlassungsfähig
bezeichnet. Denn die Antragstellerin ist offensichtlich nicht im Stande, den vollständigen
Namen des Bauwilligen in einer einlassungsfähigen Weise zu benennen. Vielmehr
beschränkt sie sich darauf, ohne Angabe des vollen Namens und der Adresse von einem
Bauvorhaben der „Familie S. in zu berichten. Diese Ungenauigkeit kann nicht
dadurch gerechtfertigt werden, dass die Umstände sich außerhalb des
Wahrnehmungsbereichs der Antragstellerin ereignet hätten. Denn ausweislich des im
Verfahren 14 O 401/05 gehaltenen Sachvortrags will die Antragstellerin aus der
Vermittlung dieses Vorhabens eigene Provisionsansprüche gegen den Zeugen J. herleiten
(beigezogenes Verfahren: dort Bl. 5).
Wichtiger ist jedoch, dass es der Antragstellerin nicht gelingt, die konkrete Finanzierung,
aus deren Vermittlung die Provisionszahlung resultieren soll, zu benennen. Auch dieses
Defizit ist unverständlich. Denn es müsste der Antragstellerin unschwer möglich sein, bei
den Bauherren zu erfragen, auf welche Weise und bei welchem Kreditinstitut die
Baufinanzierung zu Stande kam. Insbesondere könnte diese Nachfrage Licht ins Dunkel
bringen, ob und in welcher Weise die Antragsgegnerin in die Finanzierung eingebunden war.
Schließlich leidet der Sachvortrag darunter, dass die Umstände der behaupteten
Provisionsabrede nicht dargestellt werden. Gerade weil der Sachverhalt der behaupteten
mündlichen Abrede, deren Zustandekommen die Antragsgegnerin bestreitet, so deutlich
vom Inhalt der schriftlichen Vertriebspartner-Vereinbarung abweicht, war die Antragstellerin
gehalten, zu den näheren Umständen, wenigstens zu Ort und Zeit der Vereinbarung,
weiter vorzutragen.
B.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da die dem Gegner entstandenen Kosten
gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§ 574
I - III ZPO).