Urteil des OLG Saarbrücken vom 20.08.2009

OLG Saarbrücken: prozesskostenvorschuss, selbstbehalt, ratenzahlung, billigkeit, miete, angriff, verfahrenskosten, unterhalt, analogie, bedürftigkeit

OLG Saarbrücken Beschluß vom 20.8.2009, 6 WF 84/09
Prozesskostenvorschuss: Anspruch einer getrennt lebenden Ehefrau gegen den Ehemann
Leitsätze
Ein Prozesskostenvorschussanspruch eines Ehegatten, der vom anderen Ehegatten
getrennt lebt, besteht nach § 1316 Abs. 4 S. 4 in Verbindung mit § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB
auch dann, wenn dieser den Prozesskostenvorschuss zwar nicht in einer Summe zahlen
kann, aber nach § 115 Abs. 1 und 2 ZPO, der regelmäßig auch seinen notwendigen
Selbstbehalt wahrt, für eine eigene Prozessführung zu Ratenzahlungen in der Lage wäre.
Dann kann dem vorschussberechtigten Ehegatten Prozesskostenhilfe nach §§ 114, 115
Abs. 3 S. 1 ZPO auch nur gegen entsprechende Ratenzahlung bewilligt werden.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts –
Familiengericht – in Saarbrücken vom 2. Juli 2009 – 39 F 245/07 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist
unbegründet.
Im Ergebnis zu Recht hat das Familiengericht der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe nur
gegen Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 225 EUR bewilligt.
Der Antragsgegnerin steht ein deckungsgleicher Anspruch gegen den Antragsteller auf
Prozesskostenvorschuss zu, den als Vermögen zur Verfahrensfinanzierung einzusetzen ihr
nach § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO zumutbar ist. Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus §
1361 Abs. 4 S. 4 i.V.m. § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB; denn die Antragsgegnerin ist nicht in
der Lage, die Kosten des – hinreichende Aussicht auf Erfolg bietenden –
Scheidungsverbundverfahrens zu tragen und eine Prozesskostenvorschusspflicht des
Antragstellers entspricht bei den gegebenen Umständen auch der Billigkeit.
1. Dies wäre allerdings dann nicht der Fall, wenn der Antragsteller nicht hinreichend
leistungsfähig wäre. Insoweit ist – abweichend von der Handhabung des Familiengerichts –
nicht die prozesskostenhilferechtliche Bedürftigkeit des auf Prozesskostenvorschuss in
Anspruch Genommenen maßgeblich, sondern sind unterhaltsrechtliche Grundsätze
heranzuziehen (vgl. BGH FamRZ 2004, 1633, 1634; Palandt/Brudermüller, BGB, 68. Aufl.
2009, § 1360 a Rn. 12; jurisPK-BGB/Grandel, 4. Aufl. 2008, § 1360 a Rn. 40 a.E. m.w.N.),
weil der Prozesskostenvorschussanspruch seinen Grund in den unterhaltsrechtlichen
Beziehungen der voneinander getrennt lebenden Ehegatten zueinander hat und sich aus
einer besonderen Verantwortung des Unterhaltspflichtigen ergibt. Deshalb ist auf die auch
sonst gültigen Selbstbehaltssätze der unterhaltsrechtlichen Leitlinien zurückzugreifen,
wobei im Rahmen der Prozesskostenvorschusspflicht unter Ehegatten auf den
angemessenen Selbstbehalt nach § 1581 S. 1 BGB abzustellen ist (vgl. BGH FamRZ 2004,
1633, 1634).
Verbleiben dem auf Prozesskostenvorschuss in Anspruch Genommenen hiernach Beträge,
die den unterhaltsrechtlich maßgeblichen Selbstbehalt überschreiten, so entspricht eine
Prozesskostenvorschusspflicht allerdings dann nicht der Billigkeit, wenn der in Anspruch
Genommene selbst Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung erhalten würde, weil er nicht
verpflichtet sein kann, seinem getrennt lebenden Ehegatten die Kosten eines Prozesses
vorzuschießen, wenn er für die Kosten eines Prozesses in eigenen Angelegenheiten nicht
aufkommen müsste, weil ihm dafür ratenlose Prozesskostenhilfe bewilligt würde (vgl. BGH
FamRZ 2004, 1633, 1634). Hätte aber der dem Grunde nach Vorschussverpflichtete
selbst Anspruch auf Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung, so ist er grundsätzlich –
jedenfalls seinem vollumfänglich bedürftigen Ehegatten gegenüber –
prozesskostenvorschussverpflichtet, dies allerdings nur bis zu dem Betrag, den er im Falle
der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Prozesskosten monatlich als Rate einsetzen
müsste.
Soweit die Antragsgegnerin hiergegen erinnert, dass dies nur im Verhältnis von Eltern zu
ihren – von ihnen Prozesskostenvorschuss fordernden – minderjährigen Kindern gelte,
verhilft dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Senat teilt die Rechtsansicht des
Familiengerichts, dass die vorgenannten Grundsätze auch die wechselseitige
Prozesskostenvorschusspflicht voneinander getrennt lebender Ehegatten anbetreffen.
Beide unterhaltsrechtlich zu qualifizierenden Ansprüche sind Ausdruck einer besonderen
Verantwortung des Pflichtigen für den Berechtigten und die Situation des noch nicht
geschiedenen Ehegatten ist – diesbezüglich – mit der des unterhaltsberechtigten
minderjährigen Kindes vergleichbar; gerade deshalb wird der Anspruch auf
Prozesskostenvorschuss des Letzteren nach inzwischen einhelliger Auffassung auf eine
Analogie zu § 1360 a Abs. 4 BGB gestützt (vgl. BGH FamRZ 2005, 883, 885 m.w.N.).
2. Von diesen Grundsätzen ausgehend steht der Antragsgegnerin vorliegend gegen den
Antragsteller ein Prozesskostenvorschussanspruch in Höhe von 225 EUR zu.
Dem eigenen Vorbringen der für das Fehlen eines Prozesskostenvorschussanspruchs
darlegungsbelasteten (vgl. BGH FamRZ 2008, 1842 f.) Antragsgegnerin zufolge verfügt
der Antragsteller über ein durchschnittliches monatliches Einkommen von rund 5.300 EUR,
von dem er monatlich Zahlungen an das Versorgungswerk der Presse in Höhe von 120
EUR, Fahrtkosten in Höhe von 440 EUR, ein ehebedingtes Darlehen mit 505 EUR und
monatliche Mietkosten von rund 1.100 EUR trägt und den Unterhalt für die
Antragsgegnerin und die gemeinsamen Kinder der Parteien in Höhe von insgesamt rund
2.000 EUR bestreitet.
a) Unterhaltsrechtlich verbleibt dem Antragsteller mithin nach Abzug der insoweit
beachtenswerten Verbindlichkeiten (5.300 EUR – 120 EUR – 440 EUR – 505 EUR – 2.000
EUR) monatlich ein Betrag von 2.235 EUR; denn die Aufwendungen für Miete sind
grundsätzlich aus dem unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt zu bestreiten. Dieser Betrag liegt
weit über dem ihm gegenüber der Antragsgegnerin zustehenden angemessenen
Selbstbehalt, der nach den Leitlinien der Senate für Familiensachen des Saarländischen
Oberlandesgerichts mit Stand vom 1. Januar 2009 derzeit monatlich 1.000 EUR beträgt.
b) Zwar hätte der Antragsteller selbst Anspruch auf Prozesskostenhilfe; denn insoweit sind
die Mietaufwendungen zu berücksichtigen, so dass sich nach dem Vortrag der
Antragsgegnerin ein bereinigtes Einkommen von (2.235 EUR – 1.100 EUR =) 1.135 EUR
ergibt. Von diesem sind nach der seit dem 1. Juli 2009 maßgeblichen
Prozesskostenhilfebekanntmachung der Erwerbstätigenfreibetrag in Höhe von 180 EUR
und der dem Antragsteller zustehende Einkommensfreibetrag mit 395 EUR abzusetzen.
Hieraus errechnet sich ein einzusetzendes Einkommen von 560 EUR mit der Folge, dass
Raten von monatlich 225 EUR zu leisten wären.
Diesen, aber auch nur diesen Betrag muss der Antragsteller billiger Weise der
vollumfänglich bedürftigen Antragsgegnerin zwecks Verfahrenskostenfinanzierung
vorschießen. Dass nach prozesskostenhilferechtlichen Maßstäben die vorgenannte Miete
nicht angemessen erscheint, kann zu keiner höheren Rate führen, da dies die
Antragsgegnerin, die allein Beschwerde eingelegt hat, stärker beschwerte als der
angegriffene Beschluss, was das im Beschwerdeverfahren zu beachtenden
Verböserungsverbot verletzte (vgl. dazu Zöller/Gummer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 572 Rn.
39).
Dass der Antragsteller diesen Vorschuss nicht aufbringen kann oder ihr die
Geltendmachung des Vorschusses nicht zumutbar ist (vgl. BGH FamRZ 2008, 1842,
1843), hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Soweit sie mit ihrer Beschwerde
einwendet, der Antragsteller würde durch die doppelte Ratenzahlungsverpflichtung – an die
Antragsgegnerin und auf eigene noch zu beantragende Prozess-kostenhilfe – in unbilligem
Maße belastet, dringt auch dieser Angriff nicht durch; denn die vom Antragsteller an die
Antragsgegnerin geleisteten Prozesskostenvorschussraten wären wiederum von seinem im
Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzenden Einkommen abzusetzen, so dass sich
dieses auf (560 EUR – 225 EUR =) 335 EUR ermäßigte und sich die Verpflichtung des
Antragstellers, zur Finanzierung seiner eigenen Verfahrenskosten Raten beizutragen, auf
115 EUR reduzierte.
3. Der Kostenausspruch folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574
ZPO).