Urteil des OLG Oldenburg vom 06.03.2012

OLG Oldenburg: einstweilige verfügung, eingriff, unternehmen, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, eigentum, vergabeverfahren, rechtsgrundlage, konzession, rechtswidrigkeit, unterlassen

Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 2 W 4/12
Datum:
06.03.2012
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 823, GG Art 12, WaStrG § 5
Leitsatz:
Eine Rechtsgrundlage für das Verlangen des den JadeWeserPort errichtenden öffentlichen
Unternehmens, auf Abschluss von entgeltlichen Konzessionsverträgen für die Erbringung von
Dienstleistungen für Seefahrzeuge (Schlepp- und Bugsierdienste), in Verbindung mit der vertraglichen
Verpflichtung für die Reedereien, sich nur konzessionierter Unternehmen zu bedienen, ist nicht
ersichtlich.
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Im Namen des Volkes
Urteil
2 W 4/12
13 O 147/12 Landgericht Oldenburg Verkündet am 06. März 2012
…, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
B…mbH & Co. KG, H…,
vertreten durch die Komplementärin
V…GmbH,
diese vertreten durch den Geschäftsführer,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte C…, H.,
Geschäftszeichen: …
gegen
J…GmbH & Co. KG, W…,
vertreten durch die Komplementärin
J…GmbH,
diese vertreten durch den Geschäftsführer A…K…,
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte H…K…,
Geschäftszeichen: ..
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..,
den Richter am Oberlandesgericht …und den Richter am Oberlandesgericht … auf die mündliche Verhandlung vom
21.02.2012 für Recht erkannt:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des
Landgerichts Oldenburg vom 17.01.2012 geändert.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zur Vermeidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €,
ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
a. zu dulden, dass die Antragstellerin sich für den Fall des Abschlusses eines Konzessionsvertrages über den
Einsatz von Seeschiffsassistentsschleppern im Bereich des J…, wie in dem Vergabeverfahren zum Einsatz von
Schlepp und Schubbooten am J…, bekannt gemacht im Supplément zum Amtsblatt der Europäischen Union vom
16.11.2011 (2011/S 220358332), vorgesehen, vorbehält, die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Zahlung eines
Konzessionsentgeltes trotz des Abschlusses eines Vertrages gerichtlich überprüfen zu lassen
b. und es zu unterlassen den Abschluss eines Vertrages an einem entsprechenden Vorbehalt scheitern zu lassen
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe:
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Ablehnung einer einstweiligen Verfügung durch das Landgericht.
Die Antragstellerin bietet Schlepp und Bugsierdienste für Seeschiffe in zahlreichen norddeutschen Häfen, u. a. in
Wilhelmshaven an. Die Antragsgegnerin errichtet an der J… den J….
Die Antragsgegnerin beabsichtigt, die Schlepp, Verhol und Assistenzleistungen für Seeschiffe, die den J… anlaufen,
von einer entgeltlichen Konzession abhängig zu machen.
An der Antragsgegnerin sind die J…GmbH & Co.KG zu 50,1 % und die Freie Hansestadt B… zu 49,9 % beteiligt.
Die Anteile an der J… GmbH & Co.KG hält das Land Niedersachsen. Die Antragsgegnerin beabsichtigt
Konzessionen zu erteilen, die zur Erbringung von Dienstleistungen für Seefahrzeuge (Schlepp, Verhol und
Assistenzleistungen) im Hafenbereich des J…berechtigen. Sie hat die Erteilung entsprechender Konzessionen
europaweit ausgeschrieben. Ziel dieses Verfahrens ist der Abschluss von Konzessionsverträgen über
Dienstleistungen mit geeigneten Bewerbern. Die zu vergebenen Konzessionen sollen die Konzessionäre zur
Erbringung der Dienstleistungen im Hafenbereich während eines Konzessionszeitraumes von sechs Jahren,
zuzüglich einer Verlängerungsoption zu Gunsten des Auftraggebers von drei Jahren, berechtigen. Eine Verpflichtung
zur Durchführung der Dienstleistungen soll mit dem Abschluss eines Konzessionsvertrages nicht verbunden sein.
Die Einzelheiten der zu vergebenen Konzessionen sollen in den Konzessionsverträgen geregelt werden. Das von
den Konzessionären an den Auftraggeber zu entrichtende Konzessionsentgelt soll bei tatsächlicher Erbringung der
Dienstleistung, je Anlauf eines Schiffes größer als 90.000 BRZ, 250 € betragen.
Die Reedereien sollen vertraglich verpflichtet werden, sich nur von der Antragsgegnerin konzessionierter
Unternehmen zu bedienen.
Die Antragstellerin hat sich mit Schreiben vom 25.01.2012 am Vergabeverfahren beteiligt.
Im Planfeststellungsbeschluss der Wasser und Schifffahrtsdirektion NordWest vom 15.03.2007 ist unter Ziffer 7.1
geregelt, dass der Träger des Vorhabens in Abstimmung mit den zuständigen Behörden dafür Sorge zu tragen habe,
das jederzeit das sichere An und Ablegen sowie Liegen der Schiffe am J…und an der Niedersachsenbrücke
gewährleistet sei. In der Verwaltungsvereinbarung „J…“ zur Nutzungs und Eigentumsregelung nach § 1 Abs. 3 des
Bundeswasserstraßengesetzes, ist in Ziffer 2.1 geregelt, dass die Verkehrssicherungspflicht des J… und der neuen
Hafenwasserflächen beim Land liegt, wobei das auch für Zufahrten zum Fahrwasser gilt und Einzelheiten durch eine
Folgevereinbarung geregelt werden.
In Ziffer 7.14 des Planfeststellungsbeschlusses ist geregelt, dass der Träger des Vorhabens vor der Anlagekaje im
Einvernehmen mit dem W.. W… ab Kaikante in Richtung See einen Hafenbereich von mindestens 100 m einrichtet.
Durch Bekanntmachung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 27.01.2012 ist die Grenze der zum
Hafenbereich gehörenden Wasserflächen auf einen Abstand von 100 m parallel zum Kaiverlauf festgelegt worden.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. der Antragsgegnerin wird aufgegeben, das Vergabeverfahren zum Einsatz von Schlepp und Schubbooten am J…,
bekanntgemacht im Supplément zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 16.11.2011 (2011/S 220358332),
unverzüglich aufzuheben,
2. die Antragsgegnerin hat es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe
von EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, mit Schleppreedereien
Konzessionsverträge über den Einsatz von Seeschiffsassistenzschleppern im Bereich des J…, wie in dem
Vergabeverfahren zum Einsatz von Schlepp und Schubbooten am J…, bekanntgemacht im Supplément zum
Amtsblatt der Europäischen Union vom 16.11.2011 (2011/S 220358332), vorgesehen, abzuschließen,
3. die Antragsgegnerin hat es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe
von EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, die Reedereien der den J…
anlaufenden Seeschiffe dazu zu verpflichten, Schleppassistenzleistungen beim Anlaufen des J… ausschließlich
durch von der Antragsgegnerin konzessionierte Unternehmen vornehmen zu lassen.
Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung abgelehnt, da schon kein Eingriff in den eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb vorliege. Außerdem bedürfe die Antragsgegnerin für den Abschluss von
Konzessionsverträgen keiner Rechtsgrundlage. Die Antragstellerin würde dadurch, dass sie die Seeschiffe an den
Kai heranschöbe, auf das Eigentum der Antragsgegnerin einwirken.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren ursprünglichen Antrag weiter.
Sie macht u. a. geltend, das Verlangen einer Konzession stelle einen zielgerichteten und damit betriebsbezogenen
Eingriff in den Gewerbebetrieb der Antragstellerin dar. Zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des
Verkehrs bedürfe es keiner Konzession. Sie sei nämlich durch die einschlägigen öffentlichrechtlichen Vorschriften
gewährleistet. Auch wenn nur ein mittelbarer Eingriff in die Grundrechte vorliegen sollte, sei dieser rechtswidrig, da
eine gesetzliche Grundlage fehle. Mit dem Zwang zur Konzessionierung werde faktisch ein Verbot des Erbringens
von Schlepp und Bugsierleistungen unter Erlaubnisvorbehalt geschaffen. Eine Rechtsgrundlage ergebe sich auch
nicht aus dem Eigentum der Antragsgegnerin an der Kaianlage, da die Antragstellerin mit ihren Schleppern diese
nicht in Anspruch nähme.
Die Antragsgegnerin trägt zur Begründung ihres Antrages, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen, im
Wesentlichen vor:
Das Land übernehme in der Betriebsphase die wasserseitigen Verkehrssicherungspflichten im Hinblick auf die
Hafenanlage und die von der zukünftigen Hafenbereichsverordnung erfasste Wasserfläche.
Außerdem habe der Träger des Vorhabens nach dem Planfeststellungsbeschluss der Wasser und
Schifffahrtsdirektion Nordwest vom 15.03.2007 dafür Sorge zu tragen, dass die erforderlichen Schlepperkapazitäten
jederzeit verfügbar seien.
Im Entwurf einer Hafenbenutzungsordnung sei vorgesehen, dass die wirtschaftliche Nutzung des Hafens aufgrund
privatrechtlicher Verträge erfolge, deren Bestandteil die Allgemeinen Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin
seien.
Die Vergabe der Konzessionen erfolge nicht nur im Interesse der Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten, sondern
diene auch dem Schutz der im Eigentum (Erbbaurecht) der Antragsgegnerin stehenden Hafenanlagen beim Befahren
und Anlegen der Schiffe. Bei Schiffen mit einer Bruttoregisterzahl von über 90.000 sei eine Vergütung von 20.000,00
bis 30.000,00 Euro pro Schleppleistung zu erzielen, wohingegen das Konzessionsentgelt lediglich 250,00 Euro pro
Schiff betrage. Die Antragstellerin könne ihre Leistungen nur deshalb erbringen, weil die Antragsgegnerin
entsprechende Infrastruktur geschaffen habe. Das Schleppen und Bugsieren, das Schieben und Drücken des
Schiffes im Hafenbereich diene nur dem Ziel, das Seeschiff an der Kaianlage festzumachen. Solange das Schiff
nicht durch die Festmacher mit den Leinen festgemacht worden sei, sorgten die Schlepper dafür, dass das Schiff
sicher an der Kaje liege.
Der Antragstellerin fehle bereits ein Verfügungsgrund, da bereits seit August 2011 bekannt gewesen sei, dass die
Antragsgegnerin beabsichtigte, nur auf von ihr konzessionierte Schiffsassistenzunternehmen zurückzugreifen.
Gleichwohl habe die Antragstellerin fünf Monate bis zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gewartet.
Darüber hinaus stehe der Antragstellerin auch kein Verfügungsanspruch zu, da kein betriebsbezogener Eingriff
vorliege. Keine der Maßnahmen würde nämlich die Grundlagen des Betriebs der Antragstellerin bedrohen oder deren
Tätigkeit als solche in Frage stellen. Zumindest stelle die äußerst geringe Beteiligung an den Investitions und
Unterhaltungskosten, die der Antragstellerin im Ergebnis durch das Konzessionsentgelt auferlegt würden, in keinem
Fall eine unangemessene Belastung der Antragstellerin dar. Letztlich seien auch die Grundrechte der Antragstellerin
nicht verletzt, da schon die Schutzbereiche von Art. 12 und Art. 14 Grundgesetz nicht berührt seien und auch Art. 2
Grundgesetz als Auffanggrundrecht nicht heranzuziehen sei.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Sie hat einen Eingriff in den eingerichteten ausgeübten Gewerbebetrieb schlüssig dargelegt. Daran ändert
insbesondere das von der Antragsgegnerin vorgebrachte Argument nichts, dass lediglich die Möglichkeiten der
Antragstellerin erweitert würden.
Der BGH hat bereits in BGHZ, 29. Band, Seite 65 f, ausgeführt, dass der Gewerbebetrieb in seinem Bestand und in
seinen Ausstrahlungen geschützt werden solle, soweit es sich um gerade dem Gewerbetrieb in seiner
wirtschaftlichen und wirtschaftenden Tätigkeit wesensgemäße und eigentümliche Erscheinungsformen und
Beziehungen handele. In BGHZ 30, 338 ff, heißt es, dass der Gewerbebetrieb nicht nur geplant sein, sondern bereits
eine Organisation geschaffen sein müsse, die ein planmäßiges Wirtschaften ermögliche. Es müsse sich also um
einen Eingriff in bereits vorhandene konkrete Werte handeln. Noch deutlicher wird in BGHZ 90, 113 f., ausführt, dass
das Recht am Unternehmen auch seine Erweiterung und seinen Ausbau umfasse.
Durch die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Regelung wird die Antragstellerin – sollte sie zum Abschluss eines
Konzessionsvertrages nicht bereit sein - zielgerichtet von einem Ausbau ihrer unternehmerischen Tätigkeit
ausgeschlossen. Darin liegt ein betriebsbezogener Eingriff. Die Bezogenheit zum Gewerbebetrieb kann sich nämlich
aus der Tendenz des Eingriffs ergeben, wenn es etwa in der Willensrichtung des Verletzers liegt, durch bestimmte
Maßnahmen den Betrieb zu beeinträchtigen (BGH NJW 77, 1875 ff). So ist es hier, da die Antragsgegnerin
beabsichtigt, nicht konzessionierte Unternehmen dadurch, dass den Reedern untersagt wird, Verträge mit ihnen zu
schließen, vom Markt auszuschließen.
Gleichzeitig ist Artikel 12 Grundgesetz unter dem Gesichtspunkt der Berufsausübungsfreiheit betroffen. Artikel 12
GG schützt nämlich auch die Unternehmerfreiheit und Gewerbefreiheit, wobei unter die Unternehmerfreiheit auch die
Gründung und Führung eines Unternehmens, und zwar auch eines Großunternehmens, fällt (von Münch/Kunig
Gubelt, Grundgesetz, 5. Aufl., Artikel 12, Rdnr. 18). Die Berufsausübung umfasst die gesamte berufliche und
gewerbliche Tätigkeit, d. h. Form, Mittel und Bestimmung des Umfangs und Inhalt der Betätigung (von Münch
a.a.O., Rdnr. 38). Auch der Umfang der unternehmerischen Tätigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht ist umfasst (a.a.O.,
Rdnr. 38).
Die Antragstellerin hat auch schlüssig dargelegt, dass der Eingriff rechtswidrig ist.
Beim Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb indiziert ein Verstoß allerdings die
Rechtswidrigkeit nicht. Es hat eine umfassende Güter und Interessenabwägung stattzufinden (vgl. nur Staudinger –
Hager, BGB 1999, § 823 RN D 4 m. zahlreichen Nachweisen auf die Rechtsprechung des BGH). In diesem
Zusammenhang kommt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.02.2011 (1 BvR 699/06, juris)
eine wesentliche Bedeutung zu. Das Bundesverfassungsgericht führt hierin aus, dass die Nutzung zivilrechtlicher
Formen die staatliche Gewalt nicht von ihrer Bindung an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz enthebe.
Dies gelte sowohl für die Verwendung von zivilrechtlichen Handlungsformen, als auch für den Einsatz
privatrechtlicher Organisations und Gesellschaftsformen (Rdnr. 46). Für öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform,
die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sei anerkannt, dass die Grundrechtsbindung nicht nur den
oder die Träger des jeweiligen Unternehmens treffe, sondern das Unternehmen selbst (Rdnr. 50).
Vorliegend befindet sich die Antragsgegnerin vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand.
Mit der unmittelbaren Grundrechtsbindung –so dass Bundesverfassungsgericht weiter unterlägen öffentlich
beherrschte Unternehmen spezifischen Beschränkungen, denen materiell private bzw. privat beherrschte
Unternehmen nicht unterlägen. Die Auswirkungen dieser Grundrechtsbindung seien, da im Rahmen des Zivilrechts
verbleibend, jedoch begrenzt. Insbesondere werde die öffentliche Hand hierdurch nicht grundsätzlich dahin gehindert,
in adäquater und in gleichberechtigter Weise wie Private, die Handlungsinstrumente des Zivilrechts für ihre
Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und auch sonst am privaten Wirtschaftsverkehr teilzunehmen (Rdnr. 56). Sofern
Grundrechte im Rahmen von Vertragsbeziehungen in Frage stünden, sei es möglich, dass mangels einseitiger
Entscheidungsgewalt der öffentlichen Hand schon kein Eingriff in die Grundrechte stattfinde oder bei einer
Grundrechtsbeschränkung die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses seitens des Bürgers im konkreten Fall in
Rechnung zu stellen sei. Auch hindere die unmittelbare Grundrechtsbindung öffentlich beherrschter Unternehmen
nicht, sich erwerbswirtschaftlich am Wirtschaftsverkehr zu beteiligen (Rdnr. 57). Zwar könne die öffentliche Hand
zivilrechtliche Eigentümerbefugnisse nutzen, jedoch enthöben diese nicht davon, insbesondere einseitige
verbindliche Entscheidungen durch legitime Gemeinwohlzwecke am Maßstab der Grundrechte und des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu rechtfertigen (Rdnr. 58).
Vor diesem Hintergrund ist die Beanspruchung eines Entgeltes durch die Antragsgegnerin nicht gerechtfertigt, da
eine Rechtsgrundlage hierfür nicht ersichtlich ist.
Dass der Antragsgegnerin das Eigentum an den der Kaje vorgelagerten Wasserflächen rechtsgeschäftlich übertragen
worden ist, will sie – wie im Senatstermin von ihr klargestellt – nicht geltend machen. Dass sie durch die Errichtung
des Hafens Eigentümerin der Wasserflächen geworden ist, hat sie nicht glaubhaft gemacht.
Der BGH hat ausgeführt, dass nicht in jedem Fall ein durch Errichtung von Hafenanlagen gewonnenes Hafenbecken
Eigentum des Landes werde, das den Hafen errichtet hat. Es komme vielmehr darauf an, ob die im Bereich eines
Hafens gelegenen und dessen Betrieb dienenden Wasserflächen als Teil des Hafens, oder als Teil des Gewässers
anzusehen sind, an dem der Hafen liegt. Für die Zuordnung dieser Flächen ist aber auf die Verhältnisse des
jeweiligen Einzelfalles abzustellen. Bilden die Wasserflächen des Hafens mit dem Gewässer, an dem er liegt, eine
natürliche Einheit, so stellen sich die Ufer des Hafens zugleich als Ufer des Gewässers dar. seine Flächen sind
dann Bestandteil des Gewässers (BGH, Urteil vom 06.12.1984, III ZR 147/83, juris). So dürfte es hier sein, da die
Kaje unmittelbar in die Seewasserstraße hineingebaut worden ist, wie sich aus den in der Akte befindlichen Skizzen
und Plänen ergibt.
Dass der Antragsgegnerin ein Besitzrecht an den Wasserflächen zusteht, wie sie im Senatstermin angedeutet hat,
ist nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Darüber hinaus ist in der „Verwaltungsvereinbarung J…“ zwischen dem
Bund und dem Land Niedersachsen geregelt, dass die neuen Hafenwasserflächen und die Zufahrten unabhängig von
der mit der Folgevereinbarung geplanten Regelung der Unterhaltungs, Verkehrssicherungs sowie sonstiger Pflichten,
Teile der Bundeswasserstraßen bleiben. Die Nutzung der Bundeswasserstraße unterfällt dabei dem
Gemeingebrauch. Befahren i.S. von § 5 Abs. 1 Bundeswasserstraßengesetz umfasst nicht nur die Ortsveränderung,
sondern auch alle dazugehörigen Vorgänge, insbesondere den ruhenden Verkehr (Friesecke,
Bundeswasserstraßengesetz, 5. Aufl., § 5 RN 3). Somit fällt auch das Schleppen von Schiffen und die Hilfeleistung
beim Anlegen hierunter.
Die Erhebung des Entgeltes lässt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Schutzes des Erbbaurechtes der
Antragsgegnerin an der Kaje rechtfertigen. Die Erhebung eines Entgeltes ist hierzu nämlich schon nicht geeignet und
erforderlich. Hinzu kommt, dass das Konzessionierungsverfahren – wie sich aus den geforderten Erklärungen ergibt
– abgesehen von der erforderlichen Angabe von Referenzen, auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und nicht auf
fachliche Eignung abstellt.
Soweit die Antragsgegnerin eine Befugnis daraus herleitet, dass ihr die Verkehrssicherungspflicht übertragen worden
sei und sich der Hafenbereich auf eine Fläche von 100 m parallel zur Kaje erstrecke, ergibt sich hieraus ebenfalls
keine entsprechende Ermächtigung. Zum einen wird mit der Übertragung der Verkehrssicherungspflicht lediglich die
Aufgabe umschrieben, nicht jedoch eine Befugnis erteilt. Zum anderen verlangt die Verkehrssicherungspflicht, den
für den durchgehenden Schiffsverkehr zur Verfügung gestellten Verkehrsweg im Rahmen des Möglichen und
Zumutbaren zu sichern, insbesondere dafür zu sorgen, dass dieser die für die zugelassene Schifffahrt erforderliche
Breite und Tiefe besitzt, dass er frei von Hindernissen und soweit erforderlich, genügend gekennzeichnet ist
(Frieseke, Bundeswasserstraßengesetz, 5. Auflage, § 8 RN 17). Damit kann sich die Antragsgegnerin nicht darauf
berufen, zur Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht die Schiffsassistenzleistungen konzessionieren zu müssen.
Es liegt auch nicht deshalb kein grundrechtrelevantes Handeln vor, weil es der Antragstellerin freigestellt ist, einen
entsprechenden Konzessionsvertrag zu schließen oder nicht. Unmittelbarer Vertragspartner der Schleppunternehmer
sind nämlich die Reeder. In die Freiheit der Antragstellerin und der Reeder, Verträge zu schließen, wird dadurch
eingegriffen, dass den Reedern untersagt werden soll, mit nicht konzessionierten Schlepperunternehmen an der Kaje
der Antragsgegnerin festzumachen. Auf diesem Umweg wird die Antragstellerin gezwungen, einen entgeltlichen
Konzessionsvertrag abzuschließen. Vor dem Hintergrund der Grundrechtsbezogenheit dieser Maßnahme bedürfte es
für das Verlangen eines Entgeltes einer Rechtsgrundlage, die nach dem schlüssigen Vortrag der Antragstellerin,
gegen die Antragsgegnerin nichts Erhebliches vorbringt, nicht vorhanden ist.
Die Antragstellerin hat auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Da die Konzessionsverträge im April 2012
abgeschlossen und der Hafen im August 2012 in Betrieb genommen werden sollen, könnte sie eine Klärung im
Hauptsacheverfahren bis dahin nicht erreichen. Das von der Antragsgegnerin vorgebrachte Argument der
Selbstwiderlegung mit der Begründung, die Antragstellerin habe mit dem Antrag auf Anlass der einstweiligen
Verfügung zu lange gewartet, greift nicht durch. Erst nachdem das zweite Ausschreibungsverfahren am 16.
November 2011 in Gang gebracht worden ist, bestand Anlass für die Antragstellerin hiergegen vorzugehen. In der
Folgezeit hat sie mit Schreiben vom 02.12.2011 der Antragstellerin diverse Fragen gestellt, die diese mit Schreiben
vom 12.12.2011 beantwortet hat. Mit Schreiben vom 30.12.2011 haben sich dann die Prozessbevollmächtigten der
Antragstellerin an die Antragsgegnerin gewandt, auf die Rechtswidrigkeit des Vorhabens hingewiesen und eine
Erklärungsfrist bis zum 6.1.2012 gesetzt.
Nachdem diese Frist ohne Ergebnis abgelaufen war, ist die einstweilige Verfügung am 12.01.2012 beantragt worden.
Aus § 938 Abs. 1 ZPO ergibt sich, dass das Gericht nach freiem Ermessen bestimmt, welche Anordnungen zur
Erreichung des Zwecks erforderlich sind. An Anträge ist das Gericht hierbei nicht gebunden.
In diesem Zusammenhang sind die Interessen von Antragsteller und Antragsgegner abzuwägen, weil dem Bedürfnis
nach einstweiligem Rechtsschutz des Antragstellers einerseits, das Interesse des Antragsgegners andererseits
gegenübersteht, durch einstweilige Maßnahmen keine Eingriffe in seinen Rechts und Lebensbereich hinnehmen zu
müssen, deren Rechtsbewährung im ordentlichen Prozess noch aussteht. Das Gericht hat deshalb festzustellen, wie
der Geschehensablauf ohne Erlass einer einstweiligen Maßnahme eintreten würde und die daraus resultierenden
Nachteile des Antragstellers mit jenen des Antragsgegners zu vergleichen, die aus der zu erlassenden Maßnahme
für diesen entstünden, falls die Hauptsacheentscheidung zu seinen Gunsten ausfallen sollte. Aufgrund dieser
Interessenabwägung hat das Gericht aus den nach Art und Ausmaß der in Frage kommenden Maßnahmen
diejenigen auszuwählen, die dem Sicherungsbedürfnis des Antragstellers noch gerecht werden und zugleich
gegenüber dem Antragsgegner die mildeste Maßnahme ist (MükoDrescher, ZPO, 3. Auflage, § 938 RN 3).
Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie für den Fall des Abschlusses eines entgeltlichen
Konzessionsvertrages der Gefahr ausgesetzt wäre, die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entgeltlichkeit im
Hauptsacheverfahren nicht durchführen zu können, weil ihr im Falle des Abschlusses eines Vertrages
widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden könnte. Da die Antragsgegnerin nicht bereit war, einen
entsprechenden Vorbehalt zu akzeptieren, sieht der Senat Anlass, der Antragsgegnerin aufzugeben, einen
entsprechenden Vorbehalt zu dulden und den Abschluss eines Vertrages hieran nicht scheitern zu lassen.
Demgegenüber bestand Anlass zu weitergehenden Maßnahmen im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht.
Insbesondere bedarf es nach derzeitigem Sach und Streitstand keiner Regelung dahingehend, dass die
Antragsgegnerin auch einen Vorbehalt hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Abschlusses eines
Konzessionsvertrages schlechthin akzeptieren müsste. Derzeit ist als Nachteil des von der Antragstellerin
abzuschließenden Vertrages nämlich nur geltend gemacht worden, dass dieser ein Entgelt vorsehen wird. Der
Antragsgegnerin war jedoch auch nicht aufzugeben, mit der Antragstellerin einen unentgeltlichen Vertrag
abzuschließen. Dies hätte nämlich mutmaßlich zur Folge, dass auch die anderen Schlepperunternehmen, die sich
um eine Konzession beworben haben, nicht bereit wären, einen entgeltlichen Vertrag zu schließen. Der mögliche
Schaden für die Antragsgegnerin wäre deshalb erheblich höher als derjenige der Antragstellerin, die zunächst das
Konzessionsentgelt zahlen muss, dieses aber zurückverlangen kann, wenn sich die Rechtswidrigkeit des
Verlangens eines Entgeltes herausstellt.
Soweit die Antragstellerin im Rahmen der Begründung ihres Antrages zu Ziffer 1 geltend gemacht hat, sie sei
verpflichtet, vertrauliche Daten offen zu legen, ist dieses durch ihre Teilnahme am Vergabeverfahren bereits
geschehen. Dass ihr aus dem Vergabeverfahren weitere Nachteile drohen, ist nicht glaubhaft gemacht.
Da der Senat keine Regelung dahingehend trifft, dass es der Antragsgegnerin untersagt wird Konzessionsverträge
abzuschließen, besteht auch hinsichtlich des Antrages zu Ziffer 3 kein Anspruch auf Erlass der einstweiligen
Verfügung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
… … …