Urteil des OLG Oldenburg vom 08.11.1989

OLG Oldenburg: geschäftsführung ohne auftrag, firma, rettungskosten, versicherungsnehmer, polizei, unternehmer, verkehr, sondermüll, unfall, entsorgung

Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 2 U 173/89
Datum:
08.11.1989
Sachgebiet:
Normen:
VVG § 63, AKB § 10, AKB § 7
Leitsatz:
Entstehen beim Lösch. ein. Brandes ein. Lastzuges gift. Stoffe, so gehö- ren d. Aufwendg. f. d.
Wegschaffen dieses Sondermülls von d. Straße zu den vom Kraftfahrzeughaftpflichtvers. zu
erstattenden Rettungskosten.
Volltext:
Auf die Berufung war das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern und der
Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen, da die Klage sich dem Grunde nach insoweit als gerechtfertigt
erweist und der Streit über den Betrag noch nicht entscheidungsreif ist (§ 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).
I. Zwar liegen die Voraussetzungen der §§ 10 Nr. 1, 10 a Nr. 1 AKB nicht vor, da im Zusammenhang mit dem Brand
des Lastzuges keine Schadensersatzansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen
Inhalts gegen die Klägerin erhoben worden sind. Insoweit bestand gegen die Klägerin kein Anspruch aus § 7 Abs. 1
StVG, da die von der Klägerin aufgewendeten Kosten nicht in Zusammenhang mit einer Substanzverletzung der
Bundesautobahn standen und auch von einer Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit der Bundesautobahn im
Sinne einer Eigentumsverletzung trotz Vollsperrung nicht gesprochen werden kann. Soweit die Auffassung vertreten
wird, daß auch Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag als Schadensersatzansprüche im
Sinne von § 10 Nr. 1 AKB angesehen werden können, wenn sie Schadensersatzcharakter haben, also unfreiwillig
waren (vgl. u.a. Prölss/Martin, VVG, 24. Aufl., Anm. 1 zu § 10 AKB), kann die Klägerin auch hieraus keine
Ansprüche herleiten. Es ist schon fraglich, ob die Polizeibehörden im Zusammenhang mit der Einschaltung des
Bergungs- und des Entsorgungsunternehmens überhaupt - auch ein Geschäft der Klägerin geführt haben oder nur
aufgrund öffentlichen Rechts hoheitlich tätig geworden sind. Jedenfalls kann von einem Schadensersatzcharakter
dieser Aufwendungen im vorliegenden Fall schon deshalb nicht die Rede sein, weil auf Seiten der Polizeibehörden
durch diese Maßnahmen kein Schaden eingetreten ist und lediglich Kosten für die Bergung und Entsorgung
zunächst selbst übernommen hätten, könnte nicht von unfreiwilligen Aufwendungen mit Schadensersatzcharakter
auf ihrer Seite gesprochen werden, die von dem Haftpflichtversicherer der Klägerin zu übernehmen wären. Es kann
keinen Unterschied machen, ob solche nach einem Unfall entstandenen Kosten dadurch entstanden sind, daß der
Versicherungsnehmer diese Maßnahmen selbst veranlaßt hat, oder ob nicht er selbst, sondern die Polizeibehörden
die Maßnahmen in die Wege geleitet haben. Allein dadurch, daß diese Kosten nicht direkt von dem
Versicherungsnehmer veranlaßt worden wären, könnten sie nicht von nicht erstattungsfähigen Eigenschäden zu
erstattungsfähigen Fremdschäden werden. Bei den Ansprüchen der beauftragten Unternehmer selbst handelt es sich
ersichtlich nicht um Schadensersatzansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflicht, sondern um vertragliche
Erfüllungsansprüche, die nicht unter § 10 AKB fallen.
II. Die der Klägerin entstandenen Kosten sind aber zum Teil als Aufwendungen zur Schadensabwendung gemäß den
§§ 62 Abs. 1 VVG, 7 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 AKB anzusehen, die nach § 63 VVG erstattungsfähig sind. Wie sich den
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Beiakten der Staatsanwaltschaft K. entnehmen läßt und
im übrigen auch zwischen den Parteien unstreitig ist, waren durch das mit Explosionen verbundene Verbrennen des
in Fässern befindlichen Gefahrgutes Nitrocellulose Dämpfe entstanden und Gase freigesetzt worden. Nach
Ablöschen des Lastzuges und der Ladung wurden die Reste des Fahrzeugs und der Ladung polizeilich sichergestellt
und anschließend von der Firma K. geborgen, zu deren Betriebsgelände verbracht und zunächst dort gelagert. Die
Bergung der verbrannten Ladung war nicht nur geboten, um die Bundesautobahn wieder für den Verkehr frei zu
machen, sondern auch, um durch die Entfernung von der Bundesautobahn Gefährdungen infolge der Ladungsreste
auszuschließen. Die Gefährlichkeit dieser Ladungsreste ergibt sich schon daraus, daß sie unstreitig später als
Sondermüll entsorgt werden mußten. Das Verbleiben der Ladungsreste auf der Bundesautobahn hätte somit
Ansprüche gegen die Klägerin nach dem Straßenverkehrsgesetz oder auch aus unerlaubter Handlung zur Folge
haben können, so daß bezüglich dieser etwaigen Folgen gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 AKB der Versicherungsfall
eingetreten war und die Klägerin deshalb die Pflicht zur Schadensabwendung traf. Zeitlich war diese Pflicht im
wesentlichen auf Maßnahmen an der Unfallstelle und unmittelbar danach beschränkt (vgl. Stiefel/Hofmann,
Kraftfahrtversicherung, 14. Aufl., Rnr. 140 zu § 7 AKB).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß von der Rechnung der Firma K. vom 29. September 1987 die auf das
Verladen der Ladungsreste mit Radlader in drei Container und deren anschließende Verbringung zu dem
Betriebsgelände der Firma K. entfallenden Positionen als Rettungskosten erstattungsfähig sind (wird ausgeführt).
Die Frage, ob der Abtransport der Ladungsreste zu der Firma K. auf Veranlassung der Polizei oder in oder ohne
Absprache mit der Polizei auf Veranlassung der Klägerin erfolgt ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da
jede Vermögensminderung als adäquate Folge einer Abwendungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der
Rettungskosten auszugleichen ist (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., Anm. 2 b zu § 63).