Urteil des OLG Oldenburg vom 28.02.2012

OLG Oldenburg: charakteristische leistung, abtretung einer forderung, wirtschaftliches interesse, aufrechnung, anzeige, lieferung, gesellschaft, cisg, versicherungsvertrag, slowakei

Gericht:
OLG Oldenburg, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 67/10
Datum:
28.02.2012
Sachgebiet:
Normen:
Unidroit-Übereinkommen über das internationale Factoring, CISG, EGBGB Art. 27 f.
Leitsatz:
1. Zu der Befugnis eines in Deutschland ansässigen Käufers zur Aufrechnung mit Ge-genforderungen
gegen den slowakischen Verkäufer, wenn dessen Forderung an eine slowakische Factoring-
Gesellschaft abgetreten wurde.
2. Zu dem gemäß Art. 27 f. EGBGB anwendbaren Recht bei einer wechselseitigen Lieferbeziehung, in
der regelmäßig Verrechnungsvereinbarungen über die gegenseitigen Forderungen getroffen werden.
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Im Namen des Volkes
Urteil
13 U 67/10
3 O 1081/10 Landgericht Oldenburg Verkündet am 28. Februar 2012
…, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
E…, P…,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte H…, . H…,
Geschäftszeichen: …
gegen
C...GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer H…B….., E…
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt C… B…, . E…,
Geschäftszeichen: …
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2012 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … sowie die Richter am Oberlandesgericht … und …
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wird das am 24.
November 2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40.681 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 30. August 2008 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 15 % und die Beklagte 85 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende
Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht eine restliche Kaufpreisforderung für im Juli 2008 geliefertes
Schweinefleisch (Schweineohren, Schweinebacken und Schweinepfoten) gegen die Beklagte geltend. Das Fleisch
war von der T…. (im Folgenden: T…) aus O…(Slowakei) an die Beklagte geliefert worden. ein Mitarbeiter der
Beklagten hatte einen Lieferschein und eine Rechnung (Nr. 233/2008) vom 30. Juli 2008 (GA 5 und 6) unterzeichnet,
in denen die gelieferten Mengen sowie ein Gesamtrechnungsbetrag von 74.789,50 €, fällig zum 29. August 2008,
ausgewiesen sind. Zwischen der T.. und der Beklagten bestand seit längerem eine Geschäftsverbindung, bei der
wechselseitige Lieferungen und Verrechnungen erfolgt waren.
Mit Schreiben vom 29. Juli 2008, vom Geschäftsführer der Beklagten unter dem Datum 30. Juli 2008 bestätigt (GA
127 f.), hatte die T..der Beklagten mitgeteilt, dass sie am 28. Juli 2008 einen Factoringvertrag mit der F… (im
Folgenden: F…in B… (Slowakei) geschlossen habe. In dem Schreiben heißt es unter anderem:
´… Wir treten durch den Factoringvertrag auf die Gesellschaft F…sämtliche Forderungen ab, die uns gegenüber Ihrer
Gesellschaft aus unseren gegenseitigen Lieferungen und Leistungen entstehen werden.
Gemäß dem genannten Factoringvertrag sowie gemäß den Factoringbedingungen teilen wir Ihnen mit, dass
sämtliche Rechnungen, die Sie von uns im Folgenden erhalten werden, an die Gesellschaft F…abgetreten werden.
Im Falle jedweder Unklarheiten hinsichtlich Begleichung der Rechnungen für Waren/Dienstleistungslieferungen teilen
Sie uns bitte diese Tatsachen binnen drei Tagen ab der Feststellung mit, und zwar sowohl an unsere Anschrift als
auch an die Anschrift der Gesellschaft F….
…´
Mit einer EMail vom 4. August 2008 (GA 47) stellte die F…folgende Anfrage an die Beklagte:
´Haben Sie bitte im Ihre Ewidenz Rechnung Nr. 233/2008, Gesamtpreis 74,789,5 EUR, von Fa. T…
Wenn alles OK ist, ich bitte um Bestätigung, dass Ganze Lieferung in Ordnung war, und sie werden die Faktura
bezahlen.´
Die Beklagte antwortete auf diese Anfrage nicht und erbrachte keine Zahlungen zur Begleichung der Rechnung vom
30. Juli 2008 an die FactoringGesellschaft. In einem Schreiben vom 29. August 2008 an die T.. (GA 27) teilte die
Beklagte mit, dass die am 30. Juli 2008 in Rechnung gestellten Lieferungen von Juli 2008 nach Auffassung der
Beklagten bereits abgerechnet und deshalb vom Factoring nicht erfasst seien. Deshalb werde die Rechnung nicht
akzeptiert und es erfolge - wie in der Vergangenheit - eine Verrechnung mit Gegenforderungen der Beklagten.
Die Klägerin, eine Warenkreditversicherung mit Sitz in P…(Tschechien), behauptet, die FactoringGesellschaft sei ihr
Versicherungsnehmer und habe die Forderung von 74.789,50 € abzüglich einer Zahlung der Beklagten in Höhe von
21.815 €, also einen Betrag von 52.974,50 €, als Ausfallschaden gemeldet. Die Klägerin habe der F…90 Prozent der
Schadenssumme (47.677,05 €) erstattet. In dieser Höhe sei die Forderung nach dem Gesetz der Tschechischen
Republik über den Versicherungsvertrag auf die Klägerin übergegangen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 47.677,05 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 30. August 2008 zu verurteilen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug
genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren in erster Instanz gestellten Zahlungsantrag weiter verfolgt.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten aus übergegangenem Recht
Zahlung von 40.681 € verlangen.
1. Die Klägerin hat durch Vorlage der mit dem Schriftsatz vom 8. September 2010 überreichten Unterlagen (GA I 53
ff. = GA I 65 ff.) hinreichend nachgewiesen, dass zwischen ihr und der FactoringGesellschaft ein
Versicherungsvertrag bestand und die Klägerin im Hinblick auf die im Streit stehende Forderung gegen die Beklagte
eine Versicherungsleistung in Höhe von 47.677,05 € erbracht hat. Der Senat ist aufgrund des Vorbringens der
Klägerin auch davon überzeugt, dass die Forderung gegen die Beklagte - soweit sie zunächst auf die
FactoringGesellschaft übergegangen und nicht durch Aufrechnung erloschen ist (siehe dazu unten unter 3 ff.) -
gemäß § 33 Abs. 1 des Gesetzes der Tschechischen Republik Nr. 37/2004 Slg. über den Versicherungsvertrag auf
die Klägerin übergegangen ist. Das entspricht der in Deutschland geltenden Regelung des § 86 Abs. 1 VVG. Von
dem dort geregelten Anspruchsübergang sind auch vertragliche Erfüllungsansprüche erfasst, mit denen der
Versicherungsnehmer sein durch den Versicherungsvertrag abgesichertes wirtschaftliches Interesse ebenfalls
verwirklichen könnte (vgl. Möller/Segger in: Langheid/Wandt, VVG, § 86 Rn. 55, 57, 76 m.w.N.). Das gilt auch für die
hier im Streit stehende Kaufpreisforderung, denn die aufgrund der Warenkreditversicherung erbrachte Leistung der
Klägerin ist an deren Stelle getreten.
2. Die Forderung in Höhe von 74.789,50 € aus der Fleischlieferung als solche ist unstreitig. Die Beklagte hat
hinsichtlich der in Rechnung gestellten Menge oder hinsichtlich der Qualität des gelieferten Fleisches keine
Beanstandungen erhoben.
3. Die am 30. Juli 2008 in Rechnung gestellte Forderung in Höhe von 74.789,50 € war auch - allerdings nur teilweise
- von der Abtretung erfasst. Nach dem Wortlaut der Abtretungsanzeige ist davon auszugehen, dass alle bis zum
Zeitpunkt der Abtretung, also bis zum 28. Juli 2008, noch nicht in Rechnung gestellten Forderungen der T.. an die
FactoringGesellschaft abgetreten wurden. Zwar ist in der Abtretungsanzeige zunächst nur die Rede von
Forderungen, ´die uns gegenüber Ihrer Gesellschaft … entstehen werden.´ Das wird aber durch die anschließende
Formulierung (´dass sämtliche Rechnungen, die Sie von uns im Folgenden erhalten werden, … abgetreten werden…
´) dahingehend erläutert, dass damit sämtliche Forderungen gemeint sind, über die noch keine Rechnung erteilt
worden ist.
Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang behauptet, bei der Rechnung vom 30. Juli 2008 habe es sich um eine -
neue - Sammelrechnung für bereits zuvor abgerechnete Lieferungen im Juli 2008 gehandelt. Entsprechende
Einzelrechnungen aus dem Monat Juli 2008 hat die Beklagte in erster Instanz allerdings nicht vorgelegt, sondern nur
eine Aufstellung (GA 46), die nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten der Rechnung vom 30. Juli 2008
beigefügt war. Aus dieser Aufstellung ergibt sich, dass es im Juli 2008 insgesamt acht Lieferungen der T…an die
Beklagte gegeben hat, von denen sieben Lieferungen in der Zeit vom 3. bis 23. Juli 2008 stattgefunden haben. die
letzte Lieferung erfolgte am 30. Juli 2008. Die Summe der in der Aufstellung zu den Lieferterminen angegebenen
Mengen von Schweineohren, Schweinebacken und Schweinepfoten ergibt die in der Rechnung vom 30. Juli 2008
genannten Zahlen. Aus der Aufstellung lässt sich aber nicht entnehmen, dass die sieben Lieferungen in der Zeit vom
3. bis zum 23. Juli 2008 bereits gesondert in Rechnung gestellt worden waren. Im Berufungsverfahren hat die
Beklagte - auf entsprechenden Hinweis in der Ladungsverfügung - drei Rechnungen der T… vom 3., 8. und 9. Juli
2008 (GA 195 - 197) vorgelegt. Die in den Rechnungen angegebenen Liefermengen stimmen mit den Mengen
überein, die in der Aufstellung (GA 46) für die genannten Tage aufgeführt sind. Die Rechnungssummen belaufen sind
auf 17.398,50 €, 10.002 € und 6.708 € (insgesamt 34.108,50 €). Die Existenz dieser Einzelrechnungen hat die
Klägerin nicht bestritten.
Danach waren diese Forderungen zum Zeitpunkt der Abtretung bereits in Rechnung gestellt und damit nicht von der
Abtretung erfasst. Dass es sich nur um Teillieferungen auf die im undatierten Handelskontrakt (GA 4) vereinbarten
Mengen handelte, steht dem nicht entgegen. Aus dem Kontrakt ist nicht ersichtlich, dass Teillieferungen oder
jedenfalls eine sofortige Berechnung der Teillieferungen nicht zulässig gewesen wären. Auch aus den vorgelegten
Rechnungen ergeben sich keine Hinweise, dass es sich nur um vorläufige Teilrechnungen handeln könnte, denen
noch eine (die Gesamtmenge des Handelskontraktes umfassende) Sammelrechnung hätte folgen sollen. vielmehr
sind in den Rechnungen konkrete Fälligkeitsdaten (jeweils 30 Tage nach Rechnungsdatum) genannt. Die hier geltend
gemachten Forderungen aus Warenlieferungen waren demnach, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
erörtert, nur in Höhe von 40.681 € (= 74.789,50 € - 34.108,50 €) von der Abtretung erfasst. Daran ändert sich
entgegen der von der Klägervertreterin im Verhandlungstermin vertretenen Auffassung auch nichts durch den
Umstand, dass die Sammelrechnung vom 30. Juli 2008 von einem Mitarbeiter der Beklagten gegengezeichnet
worden ist. Dem kann allenfalls insoweit eine Bedeutung zugemessen werden, als die Richtigkeit der in der
Rechnung ausgewiesenen Liefermengen und Preise bestätigt werden sollte. Dass die Beklagte auch die bereits
erteilten Rechnungen als hinfällig und damit den gesamten Rechnungsbetrag als von der Abtretung erfasst
anerkennen wollte, kann der schlichten Unterschrift eines Mitarbeiters auf der Rechnung hingegen nicht entnommen
werden.
Dass es im Juli 2008 noch weitere Einzelrechnungen der T…gegeben hat, ist von der Beklagten nicht konkret
vorgetragen worden. Weder aus der Befragung des Geschäftsführers der Beklagten noch aus der Vernehmung des
Zeugen R… haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben.
4. Die von der Abtretung erfasste Teilforderung in Höhe von 40.681 € ist nicht durch eine (von der
FactoringGesellschaft und der Klägerin bei der Berechnung der Versicherungsleistung angenommene) Teilzahlung
der Beklagten in Höhe von 21.815 € erloschen. Denn entgegen der Annahme der FactoringGesellschaft und der
Klägerin handelte es sich bei dieser Zahlung nicht um eine Teilzahlung auf die hier streitige Forderung. Vielmehr ist
die Zahlung nach den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen (GA 106 f.) und den darauf gestützten zutreffenden
Feststellungen des Landgerichts auf eine spätere Rechnung (vom 19. August 2008) erfolgt.
5. Die Beklagte konnte auch nicht gegen die an die FactoringGesellschaft abgetretene Teilforderung von 40.681 €
mit eigenen, gegenüber der T… bestehenden Forderungen aufrechnen.
a) Die Beklagte hat - wenn auch ohne nähere Spezifizierung der Gegenforderungen - im Anwaltsschreiben vom 4.
November 2008 (GA 28 f.) gegenüber der FactoringGesellschaft, spätestens jedenfalls im Rechtsstreit gegenüber
der Klägerin, die Aufrechnung mit Gegenforderungen erklärt, die der Beklagten nach deren Vortrag gegenüber der
T… zugestanden haben sollen. Dazu war die Beklagte indessen nicht befugt.
aa) Bei Anwendung deutschen Rechts ergäbe sich - die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten zu den
Gegenforderungen unterstellt - die Befugnis zur Aufrechnung allerdings aus § 406 BGB. Danach kann der Schuldner
eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen,
es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder die Forderung erst nach
der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Nach ihrem unter Beweis
gestellten Vortrag hatte die Beklagte am 18. Juli 2008, also vor der Abtretung und deren Anzeige gegenüber der
Beklagten, offene Forderungen gegen die T… in Höhe von 123.897,77 €. Dass diese Forderung oder ein Teil davon
später als die abgetretene Forderung, also nach dem 29. August 2008, fällig geworden wäre, ist weder vorgetragen
noch sonst ersichtlich.
bb) Dagegen wendet die Klägerin mit ihrer Berufung ein, § 406 BGB sei als deutsche Norm im Streitfall nicht
anwendbar. Dieser Einwand hat Erfolg. Anstelle von § 406 BGB sind die entsprechenden Vorschriften des
slowakischen Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden.
(1) Gemäß Art. 2 Abs. 1 des UnidroitÜbereinkommens über das internationale Factoring (BGBl. II 1998 S. 172 ff.)
findet dieses Übereinkommen auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, weil es von der Slowakischen Republik
bisher nicht ratifiziert worden ist (http://www.unidroit.org/english/implement/i‐.88‐.f.pdf). Es bedarf somit keiner
Erörterung, ob sich aus Art. 9 Abs. 2 des Übereinkommens eine unmittelbare und abschließende Regelung der
Aufrechnungsbefugnis des Schuldners gegenüber dem Factor ergibt oder ob die Regelung eine nach dem
anwendbaren nationale Recht bestehende Aufrechnungsbefugnis voraussetzt bzw. ob jedenfalls ergänzend auf das
nationale Recht zurückzugreifen ist (vgl. dazu Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, CISG, 5. Aufl., Art. 4 Rn. 38
m.w.N.). Auch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG)
enthält keine Regelungen zur Abtretung und jedenfalls keine abschließende Regelung über die Aufrechnung,
insbesondere nicht zur Aufrechnungsbefugnis des Käufers nach Abtretung der Kaufpreisforderung (vgl. Ferrari, aaO,
Rn. 38 f. m.w.N.. Staudinger/Magnus, BGB [2004], Art. 4 CISG Rn. 57, 46 f.. jeweils m.w.N.). Die umstrittene
Aufrechnungsbefugnis der Beklagten bestimmt sich daher allein nach dem auf den Streitfall anwendbaren nationalen
Recht.
(2) Sowohl der Abschluss des der Lieferung zugrundeliegenden Handelskontrakts zwischen der T.. und der
Beklagten als auch die Abtretung der daraus resultierenden Forderung sind im Jahr 2008 erfolgt. Deshalb sind noch
die kollisionsrechtlichen Vorschriften in Art. 27 ff. EGBGB anzuwenden. die inzwischen an deren Stelle getretene
Rom IVerordnung gilt gemäß Art. 28 Rom IVO erst für Verträge, die ab dem 17. Dezember 2009 abgeschlossen
werden.
Nach Art. 33 Abs. 1 EGBGB ist bei Abtretung einer Forderung für die Verpflichtungen zwischen dem bisherigen und
dem neuen Gläubiger das Recht maßgebend, dem der Vertrag zwischen ihnen unterliegt (Verpflichtungsstatut).
Hingegen bestimmt gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB das Recht, dem die übertragene Forderung unterliegt
(Forderungsstatut), ihre Übertragbarkeit und das Verhältnis zwischen neuem Gläubiger und Schuldner. Leistet der
Schuldner an den alten Gläubiger, so stellt sich die Frage nach der befreienden Wirkung seiner Leistung. Sie betrifft
den Schuldnerschutz und richtet sich daher nach dem Statut der abgetretenen Forderung (Martiny in:
Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 6. Aufl., Rn. 331). Nichts anderes gilt für die Aufrechnung mit
einer dem Schuldner gegen den alten Gläubiger zustehenden Forderung gegenüber dem neuen Gläubiger, denn auch
dabei handelt es sich um eine den Schuldnerschutz betreffende Frage (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., §
406 Rn. 1, § 404 Rn. 1 m.w.N.). Die Regelungen in Art. 33 EGBGB entsprechen denen in Art. 12 des
EGÜbereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (EVÜ), dem auch die Slowakei
und Tschechien beigetreten sind (vgl. Palandt/Thorn, BGB, 68. Aufl., Vorb v EGBGB 27 Rn. 1).
Somit kommt es entscheidend darauf an, welchem Recht der zwischen der T… und der Beklagten geschlossene
Handelskontrakt unterliegt. Dies ist nach den Regelungen in Art. 27 f. EGBGB zu beurteilen. Darauf ist in der
Ladungsverfügung hingewiesen worden.
(a) Eine ausdrückliche Rechtswahlvereinbarung gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB haben die Parteien auch nach dem
Hinweis nicht vorgetragen. Eine konkludente Rechtswahlvereinbarung (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) könnte sich
daraus ergeben, dass sowohl der Handelskontrakt als auch die Lieferscheine und Rechnungen als auch die zuvor im
Rahmen der Geschäftsbeziehung zwischen der T.. und der Beklagten getroffenen Verrechnungsvereinbarungen in
deutscher Sprache verfasst sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2004 - II ZR 276/02, NJW 2004, 3706, unter A
II 1 a. Palandt/Thorn, aaO, EGBGB 27 Rn. 5 f.. jeweils m.w.N.). Dagegen spricht aber die Bezugnahme in den
Verrechnungsvereinbarungen auf ´§ 358 des Ha[n]delsgesetzes´, auf die auch die Klägerin im Schriftsatz vom 18.
Januar 2012 hinweist. Dabei handelt es sich nicht etwa - wie man auf den ersten Blick vermuten könnte - um eine
versehentlich falsch geschriebene Verweisung auf § 355 HGB. Vielmehr enthält das slowakische
Handelsgesetzbuch (Obchodný Zákonník) in den §§ 358 bis 364 Vorschriften über den Ausgleich von Forderungen.
Die ausdrückliche Bezugnahme auf Vorschriften einer bestimmten Rechtsordnung spricht für eine stillschweigende
Rechtswahl (BGH, Urteil vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98, NJWRR 2000, 1002, unter II 2 a cc m.w.N.). Diese
klare Indizwirkung ist zwar bei der hier gegebenen beiläufigen Erwähnung einer slowakischen Vorschrift (auch ohne
Nennung der Vorschrift wäre für alle Beteiligten klar gewesen, was durch die Verrechnungsvereinbarung bewirkt
werden soll) in zwei offenbar auf Seiten der slowakischen Vertragspartnerin aufgesetzten Schriftstücken nach
Auffassung des Senats nicht zu bejahen. Aufgrund der Nennung einer slowakischen Vorschrift ergeben sich aber
auch keine hinreichend eindeutigen Hinweise für eine konkludente Vereinbarung der Geltung deutschen Rechts.
(b) Da sich weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende Rechtswahlvereinbarung feststellen lässt, ist das
anzuwendende Recht gemäß Art. 28 Abs. 1 EGBGB zu bestimmen. Danach unterliegt der Vertrag dem Recht des
Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB wird vermutet, dass der
Vertrag die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweist, in dem die Vertragspartei, die die charakteristische
Leistung erbringt, ihren Sitz hat. Betrachtet man allein die in Rechnung gestellte Lieferung, wäre demnach
slowakisches Recht anzuwenden, weil die T.. als Verkäuferin die charakteristische Leistung - die Lieferung von
Schweinefleisch - erbracht hat. Die Vermutung gilt gemäß Art. 28 Abs. 5 EGBGB aber dann nicht, wenn sich aus der
Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist. In
diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die T… und die Beklagte in einer längeren Geschäftsbeziehung
gestanden haben, in deren Rahmen auch Lieferungen der Beklagten an die T.. erfolgt sind. Auch wenn kein
Rahmenvertrag vorgelegen, sondern es sich jeweils um einzelne, selbständige Verträge gehandelt haben dürfte,
ergibt sich eine Verknüpfung der Geschäfte jedenfalls aus den zwischen den Vertragspartnern regelmäßig
getroffenen Verrechnungsvereinbarungen. Dass diese Vereinbarungen ebenso wie die sonstige Korrespondenz der
Parteien - jedenfalls soweit ersichtlich - in deutscher Sprache verfasst waren, spricht aus den vorstehend (unter (a))
genannten Gründen im vorliegenden Fall nicht für die Anwendbarkeit deutschen Rechts (vgl. zum Ganzen Martiny,
aaO, Rn. 162, 163, 167. Staudinger/Magnus, BGB (2001), Art. 28 EGBGB Rn. 126, 129, 134. jeweils m.w.N.).
Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang im Schriftsatz vom 23. Januar 2012 vorgetragen, die T.. habe über
eigene Lkws verfügt. sämtliche wechselseitigen Lieferungen seien in der Weise erfolgt, dass die Waren von der
T..mit ihren Lkws auf eigene Kosten zur Beklagten gebracht oder dort abgeholt worden seien. Erfüllungsort für die
wechselseitigen Lieferungen sei deshalb die Betriebsstätte der Beklagten gewesen - somit sei deutsches Recht
anwendbar. Diese Argumentation führt aber im Zusammenhang mit der Frage, welches Recht anzuwenden ist, nicht
weiter. Der Erfüllungsort ist nach den maßgeblichen Vorschriften (Art. 27 f. EGBGB) ohne Bedeutung. Es kommt
grundsätzlich darauf an, welche Partei die charakteristische Leistung erbracht hat. Auch dieses Kriterium versagt
hier aber, weil es sich, wie bereits ausgeführt, um wechselseitige Lieferungen im Rahmen einer als Einheit zu
verstehenden Geschäftsverbindung handelt. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine der Parteien im
wesentlich größeren Umfang als die andere Lieferungen erbracht hat. Vielmehr handelte es sich offenbar um eine Art
´Pendelverkehr´, bei dem ungefähr gleich große Warenmengen in die eine wie in die andere Richtung geflossen sind.
Eine engere Verbindung mit dem slowakischen Recht ergibt sich hier aber gerade aus dem von der Beklagten
betonten Umstand, dass die T.. - unstreitig - nicht nur die Waren geliefert, sondern auch (in beide Richtungen) den
Transport mit eigenen Fahrzeugen übernommen hat. Damit hat die in der Slowakei ansässige T.. nicht nur die
charakteristische Leistung hinsichtlich der Lieferungen an die Beklagte erbracht, sondern zusätzlich hinsichtlich aller
Lieferungen eine zusätzliche Leistung, den Transport, übernommen. Demzufolge ist auf die Vertragsbeziehung
zwischen der T..und der Beklagten und damit gemäß Art. 33 Abs. 2 EGBGB auch für die Übertragbarkeit der daraus
resultierenden Forderungen und das Verhältnis zwischen neuem Gläubiger und Schuldner slowakisches Recht
anwendbar.
cc) Die Klägerin hat aufgrund des mit der Ladungsverfügung erteilten Hinweises zum slowakischen Recht
vorgetragen und auszugsweise eine deutsche Übersetzung des slowakischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (im
Folgenden: BGBSK) vorgelegt (GA II 178). Die Abtretung von Forderungen ist danach in den §§ 524 ff. BGBSK
geregelt. Gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 BGBSK kann der Schuldner auch mit einer zur Aufrechnung geeigneten
Forderung aufrechnen, die er bereits gegen den alten Gläubiger zum Zeitpunkt der Anzeige der Forderungsabtretung
hatte, wenn er sie ohne unnötige Verzögerung dem neuen Gläubiger angezeigt hat. Hinsichtlich dieser
Anzeigeobliegenheit weicht das slowakische Recht vom deutschen Recht ab. eine Anzeige der Gegenforderung
gegenüber dem neuen Gläubiger ist nach § 406 BGB nicht erforderlich.
Dazu vertritt die Klägerin die Auffassung, die - unstreitig frühestens im Schreiben vom 4. November 2008 (GA 28 f.)
erfolgte - Anzeige der aufrechenbaren Gegenforderung gegenüber der FactoringGesellschaft könne auch bei
großzügiger Auslegung des Begriffs ´unnötige Verzögerung´ nicht als rechtzeitig angesehen werden. Das ist nicht
von der Hand zu weisen. Die Abtretung ist der Beklagten bereits am 29. Juli 2008 angezeigt worden. Zu diesem
Zeitpunkt hatte die Beklagte bereits Kenntnis von den ihr - nach ihrer Behauptung - zustehenden Gegenforderungen
gegenüber der T... Die Beklagte ist auch in der Abtretungsanzeige sowie in der EMail der FactoringGesellschaft vom
4. August 2008 um Mitteilung eventueller Unklarheiten bzw. um Bestätigung, ´dass Ganze Lieferung in Ordnung war´
gebeten worden.
Unter diesen Umständen wäre gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 BGBSK eine zeitnahe Anzeige der Gegenforderung
zumindest in der ersten Augusthälfte 2008 von der Beklagten zu erwarten gewesen. Die Anzeige am 4. November
2008 war unnötig verzögert. Diese aus der Anwendung der slowakischen Vorschriften folgende Rechtslage ist nach
Auffassung des Senats klar. Deshalb hält der Senat die Einholung eines Gutachtens zum slowakischen Recht, wie
mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erörtert, nicht für erforderlich (§ 293
ZPO).
b) Abgesehen davon hat die von der Beklagten erklärte Aufrechnung aber auch deswegen keinen Erfolg, weil die
Beklagte nicht bewiesen hat, dass sie zum Zeitpunkt der Anzeige der Abtretung aufrechenbare Forderungen gegen
die T… in Höhe von mindestens 40.681 € hatte.
Die Beklagte hat unter Vorlage einer OffenePostenListe (GA 108) behauptet, sie habe per 18. Juli 2008 noch offene
Forderungen gegen die T.. in Höhe von 123.897,77 € gehabt. Diesen Vortrag hat sie - aufgrund eines mit der
Ladungsverfügung ergangenen Hinweises - konkretisiert, indem sie zwölf Rechnungen aus der Zeit vom 14. Mai bis
19. Juni 2008 (GA 182 - 193) und eine Gutschrift vom 27. Juni 2008 (GA 194) vorgelegt hat, die bei der
Verrechnungsvereinbarung vom 13. Juni 2008 (GA 24) nicht berücksichtigt worden seien. Unter Berücksichtigung der
Rechnungen und der Gutschrift sowie einer sich aus der Verrechnungsvereinbarung vom 13. Juni 2008 - nach dem
Vortrag der Beklagten - ergebenden Restforderung der Beklagten von 5.909,59 € ergebe sich eine Forderung der
Beklagten gegenüber T.. von insgesamt 114.188,77 € (GA 180). Diesen Vortrag hat die Klägerin bestritten.
Der Senat hat den von der Beklagten zum Beweis der Gegenforderungen benannten Zeugen Ruhländer vernommen.
Dieser konnte allerdings keine näheren Angaben zu dem von der Beklagten vorgetragenen Zahlenwerk machen.
Insbesondere hatte er keine Kenntnisse darüber, ob die bestrittenen Angaben in den vorgelegten Rechnungen und in
der OffenenPostenListe vollständig und richtig sind. Unklar geblieben ist dadurch unter anderem auch, ob bei der
Berechnung der Beklagten die Forderungen der T.. Berücksichtigung gefunden haben, die nicht mehr in die
Verrechnungsvereinbarung vom 13. Juni 2008 eingeflossen sind (dort werden nur Rechnungen der T… bis 11. Juni
2008 aufgeführt), aber vor der Abtretungsanzeige vom 29. Juli 2008 abgerechnet wurden. Damit ist die Beklagte
hinsichtlich der von ihr behaupteten Gegenforderungen beweisfällig geblieben.
6. Die Zinsforderung ergibt sich aus Art. 78 CISG (vgl. dazu Schlechtriem/Schwenzer/Bacher, aaO, Art. 78 Rn. 27,
37 m.w.N.).
.
7. Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 97 Abs. 1 ZPO, § 92 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich
der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der
Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
… … …