Urteil des OLG Oldenburg vom 13.01.1999

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Gericht:
OLG Oldenburg, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 2 U 245/98
Datum:
13.01.1999
Sachgebiet:
Normen:
AUB § 88 7 ABS ., BGB § 242
Leitsatz:
Unfallversicherung: Formelle Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. I (1) Satz 3 AUB 88.
Volltext:
Es kann dahingestellt bleiben, ob beim Kläger eine bedingungsgemäße Invalidität gemäß § 7 I (1) Satz 1 AUB 88
eingetreten ist. Jedenfalls fehlt es an einem schlüssigen Vortrag zu den formellen Anspruchsvoraussetzungen
gemäß § 7 I (1) Satz 3 AUB 88, wonach unter anderem die Invalidität innerhalb von 15 Monaten seit dem Unfall
ärztlich festgestellt sein muß.
Eine solche ärztliche Feststellung hätte vorliegend bis zum 22.12.1997 erfolgen müssen, da der Kläger als
Unfallzeitpunkt den 22.09.1996 angegeben hat. Das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzung ist jedoch nicht
feststellbar. Allerdings sind an die ärztliche Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. So
braucht zu einem bestimmten Grad der Invalidität noch nicht abschließend Stellung genommen zu sein (BGH r + s
1997, 84). Die ärztliche Feststellung muß nicht richtig und auch dem Versicherer nicht innerhalb der Frist von 15
Monaten zugegangen sein (BGH VersR 1988, 286; BGH VersR 1998, 175). Un-
erläßlich für die Feststellung ist dagegen, daß sich aus ihr die ärztlicherseits angenommene Ursache und die Art
ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit des Versicherten ergeben (BGH VersR 1988, 286; BGH VersR 1997, 442,
443; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., AUB 88 § 7 Rn. 10; Grimm, Unfallversicherung, 2. Aufl., § 7 Rn. 11).
Aus dem ärztlichen Bericht des Dr. S vom 25.10.1996 läßt sich eine unfallbedingte Invalidität nicht entnehmen. Es
fehlt bereits an der Feststellung der dauernden Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Dauernd ist
eine Beeinträchtigung nur dann, wenn zu erwarten ist oder feststeht, daß sie lebenslang andauert; ist dies nicht
sicher feststellbar, muß sie nach ärztlicher Prognose zumindest mehrere Jahre andauern (OLG Hamm VersR 1988,
513; Prölss/Martin AUB 88 § 7 Rn. 5). Im Bericht vom 25.10.1996 wird lediglich festgestellt, daß
sich seit Spätsommer 1996 beim Kläger akute Hautveränderungen eingestellt hätten und im Zeitpunkt der
Untersuchung (21. - 24.10.1996) noch eine geringe Reströtung und Schuppung vorhanden sei. Eine Prognose über
den zukünftigen Krankheitsverlauf wird nicht gestellt. Allein aus dem vagen Hinweis am Ende des Berichts, wonach
die Aufgabe der praktischen Tätigkeit des Klägers als Zahntechniker als sinnvoll anzusehen sei, läßt sich nicht mit
der erforderlichen Deutlichkeit die ärztliche Wertung einer dauerhaften Beeinträchtigung der Leistungs- fähigkeit
entnehmen.
Vor allem fehlt es aber an der Feststellung, daß die Erkrankung des Klägers unfallbedingt sei. Dem Bericht läßt sich
dafür nicht nur nichts entnehmen; die Ausführungen sprechen vielmehr im Gegenteil gegen eine Ursächlichkeit des
vom Kläger behaupteten Unfalls. Unter anderem
heißt es nämlich dort: "Nach langjähriger erscheinungsfreier Berufungstätigkeit als Zahntechniker entwickelten sich
erstmals im Spätsommer 1996 akute ekzematöse Hautveränderungen an beiden Händen ..." (Unterstreichung vom
Senat). Diese Ausführungen sprechen dafür,
daß die Erkrankung des Klägers allmählich aufgetreten ist. In diesem Fall würde es an einem plötzlich einwirkenden
Ereignis im Sinn des Unfallbegriffs gemäß § 1 III AUB 88 fehlen.
Unzureichend ist ferner der Vortrag des Klägers, der ärztliche Dienst der S Lebensversicherung habe die Prognose
getroffen, daß aufgrund der Befunde eine dauerhafte Gebrauchsbeeinträchtigung der Hände vorliege. Zwar behauptet
der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals,
daß eine nach der Rechtsprechung des Senats notwendige schriftliche Feststellung der Invalidität (Senat NJW-RR
1996, 1434) erfolgt sei. Es fehlt jedoch - wiederum - an dem Vortrag, daß eine unfallbedingte Invalidität festgestellt
worden sei. Dies gilt entsprechend auch für den mit Schriftsatz vom 08.01.1999 vorgelegten Bericht der Fachärztin
für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. U vom 11.03.1997. Darin wird zwar der Eintritt eines Dauerschadens beim
Kläger bescheinigt. Ausführungen zu einer Unfallbedingtheit dieses Schadens fehlen indes.
Die Beklagte handelt auch nicht rechtsmißbräuchlich, indem sie sich auf das Fehlen einer rechtzeitigen
ausreichenden ärztlichen Feststellung beruft. Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242
BGB ist nicht allein aufgrund einer möglichen Unkenntnis des Versicherungsnehmers von der bedingungsgemäßen
Anspruchsvoraussetzung begründet; insbesondere besteht insoweit keine grundsätzliche Belehrungspflicht des
Versicherers (OLG Köln VersR 1995, 907; OLG Karlsruhe r + s 1997, 216; OLG Saarbrücken VersR 1997, 956, 957;
Grimm § 8 Rn. 12).
Eine Treuwidrigkeit gemäß § 242 BGB kann allerdings vorliegen, wenn der Unfall innerhalb der Jahresfrist gemäß § 7
I (1) S. 3 AUB 88 zu unveränderlichen Gesundheitsschäden geführt hat und dies binnen 15 Monaten seit dem
Unfalltag ärztlich festgestellt worden ist, wobei ein
Versicherungsnehmer bei einer inhaltlich nicht ausreichenden schriftlichen Feststellung sich auch - zumindest
ergänzend - auf eine nicht der Schriftform genügende ärztliche Feststellung berufen kann (BGHZ 130, 171, 178;
BGH VersR 1998, 175). Die ärztliche Feststellung eines Dauerschadens kann also im Ergebnis die
bedingungsgemäße Invaliditätsfeststellung ersetzen, nicht jedoch kann sie die ärztliche Feststellung der
Unfallbedingtheit des Schadens entbehrlich machen. Insoweit läßt sich aber dem Vortrag des Klägers und den von
ihm vorgelegten Bescheinigungen- wie bereits oben dargelegt - nichts dafür entnehmen, daß innerhalb der Frist von
15 Monaten ein unfallbedingter Dauerschaden ärztlich festgestellt worden ist.
Ein Verstoß gegen Treu und Glauben läßt sich auch nicht daraus herleiten, daß die Beklagte selbst eine unter dem
Datum des 13.03.1998 erstellte ärztliche Stellungnahme des Hautarztes Dr. K eingeholt hat. Allein die Einholung
eines Gutachtens - insbesondere auch nach Ablauf
der 15monatigen Frist - führt nicht dazu, daß es dem Versicherer verwehrt ist, sich auf die mangelnde fristgerechte
ärztliche Feststellung der Invalidität zu berufen; etwas anders gilt nur
dann, wenn aufgrund der vom Versicherer ergriffenen Maßnahmen der Versicherungsnehmer darauf vertrauen darf,
daß der Versicherer alles weitere selbst in die Wege leiten und die Frage der Invaliditätsentschädigung auf jeden Fall
einer Prüfung zuführen wird (OLG Köln VersR 1994, 714; OLG Köln VersR 1995, 907; OLG Düsseldorf r + s 1997,
129; OLG Karlsruhe r + s 1997, 216; OLG Karlsruhe r + s 1998, 260, 261).