Urteil des OLG Oldenburg vom 01.06.1995

OLG Oldenburg: werbung, markt, anzeige, wettbewerber, anbieter, lebenserfahrung, datum, begriff

Gericht:
OLG Oldenburg, 01. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 1 U 3/95
Datum:
01.06.1995
Sachgebiet:
Normen:
Keine Normen eingetragen
Leitsatz:
Ob eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs nach § 13 Abs. 2 UWG vorliegt, ist im
Rahmen der Begründetheit des Anspruchs einzelfall- bezogen zu prüfen.
Volltext:
Allerdings besteht im Hinblick auf die dogmatische Einordnung die-
ser Voraussetzung (wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs)
Streit, ob es sich hierbei um ein weiteres Zulässigkeitsmerkmal
handelt oder ob dieses Kriterium die Begründetheit eines Anspruchs
betrifft (vgl. insoweit die Zusammenstellung bei Weiß in WRP 95,
151, 161). Auch wenn viel für die von Gröning in WRP 95, 278 f.
nochmals befürwortete Klassifizierung dieses Merkmals der wesent-
lichen Beeinträchtigung als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung
spricht, da auf diesem Weg der Zweck der Novellierung des Geset-
zes, nämlich die Einschränkung der Verfolgung von Bagatellverstö-
ßen und damit auch die "Erwerbsquelle" von sog. Abmahnvereinen
versiegen zu lassen, besser erreicht werden würde, übernimmt der
Senat insoweit die Auffassung des BGH ( Entscheidung vom 29. Sep-
tember 1994 in WRP 95, 104, 106) und faßt diesen Begriff als Gene-
ralklausel auf. Dementsprechend ist erst im Rahmen der Begründet-
heit nach einer ersten Prüfung, ob das behauptete Verhalten wett-
bewerbswidrig ist, zu prüfen, also einzelfallbezogen, ob das
beanstandete Verhalten den Wettbewerb wesentlich beeinträchtigt.
Diese weitere Voraussetzung, daß es sich bei der wettbewerbswidri-
gen Handlung der Verfügungsbeklagten um eine Handlung handelt, die
geeignet ist, auf dem einschlägigen Markt den Wettbewerb wesent-
lich zu beeinträchtigen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG), ist nicht gege-
ben.
Dabei ist im Fall einer regional begrenzten Werbung wie hier für
die Frage der Wesentlichkeit auch nur der Markt heranzuziehen, auf
dem die Werbung Wirkung entfaltet, so daß die Wesentlichkeit hier
nicht bereits deshalb zu verneinen ist, weil die Werbung der Ver-
fügungsbeklagten gemessen am gesamten Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland keinesfalls den Markt wesentlich beeinträchtigt hat.
Eine Werbung für eine - unzulässige - Sonderveranstaltung ist nur
dann geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen, wenn
nach der Lebenserfahrung angenommen werden kann, daß ein erhebli-
cher Teil der Leser innerhalb des von der Werbung erreichten
Marktes gerade durch die Gestaltungsmerkmale und die Aussage der
Werbung dahin beeinflußt wird, daß er auf die Lektüre und Prüfung
gleicher oder ähnlicher Inserate verzichtet oder dem Angebot in
sonstiger Weise den Vorzug gibt (OLG Saarbrücken GRUR 1995, 151,
152). Dies kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden. Die
von der Werbung der Verfügungsbeklagten angesprochenen Verkehrs-
kreise sind daran gewöhnt, daß Anbieter von Textilien ihre Waren
und deren Günstigkeit, insbesondere ihre Sonderangebote, blick-
fangmäßig herausstellen und darüber hinaus schlagwortartig be-
tonen, daß ihre Angebote besonders preisgünstig sind. Dement-
sprechend ist maßgeblich für den flüchtigen Durchschnittsleser
nicht der Hinweis des 100-jährigen Bestehens und die Ankündigung
einer Sonderveranstaltung in Gestalt eines Jubiläumsverkaufs, son-
dern allein die Art und Qualität der beworbenen Waren sowie die
Höhe der für diese angegebenen Preise, möglicherweise im Verhält-
nis zu den ebenfalls angegebenen früher geforderten Preisen. Dies
ergibt sich auch daraus, daß die Anzeige keine zeitliche Begren-
zung der Angebote vornimmt. Demzufolge können diejenigen Merkmale
und Aussagen der beanstandeten Werbung der Verfügungsbeklagten
(100 Jahre Leffers in Verbindung mit dem im Hintergrund der Wer-
bung abgebildeten Feuerwerk), die ihre Wettbewerbswidrigkeit be-
gründen, im vorliegenden Fall nicht als geeignet angesehen werden,
den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen, was in gewisser Wei-
se bereits dadurch indiziert ist, daß es sich bei der Bewertung
des Verstosses als wettbewerbswidrig um einen Grenzfall handelt.
Dadurch ergibt sich ebenfalls, daß die Voraussetzung des § 13 Abs.
2 Nr. 2 UWG nicht unter dem Gesichtspunkt bejaht werden kann, daß
andere Wettbewerber sich veranlaßt oder gar gezwungen sehen könn-
ten, die Werbung der Verfügungsbeklagten auch insoweit nachzuah-
men, als diese wettbewerbsrechtlich zu beanstanden ist. Zwar ver-
hält es sich so, daß, schon abstrakt betrachtet, jeder verfolgbare
Wettbewerbsverstoß geeignet sein muß, den Wettbewerb zum Vorteil
des Verletzers zu beeinflussen, so daß von ihm eine Nachahmungsge-
fahr ausgeht. Dabei ist aber zutreffenderweise in Rechnung zu
stellen, daß diese allgemeine Nachahmungsgefahr zur Bejahung der
Voraussetzung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 nicht genügt, um von einer we-
sentlichen Beeinträchtigung auszugehen (Kammergericht in WRP 94,
871, 874). Vielmehr muß sich das Nachahmen für den Konkurrenten
als besonders lohnenswert darstellen, was hier nicht der Fall ist.