Urteil des OLG Oldenburg vom 15.03.2011

OLG Oldenburg: vergütung, scheidungsverfahren, prozess, abrechnung, vertretung, aussetzung, scheidungsurteil, abgrenzung, verfügung, datum

Gericht:
OLG Oldenburg, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 13 WF 34/11
Datum:
15.03.2011
Sachgebiet:
Normen:
FGG-RG Art 111 Abs 4, RVG § 21 Abs 3, RVG § 15, RVG § 56 Abs 2
Leitsatz:
1. In Übergangsfällen im Sinne des Art. 111 Abs. 4 FGG-RG erhält ein Rechtsanwalt in dem abge-
trennten und selbständigen Verfahren über den Versorgungsausgleich gesonderte Gebühren, auf die
er sich die bereits im Scheidungsverbund aus dem Wert des Versorgungsausgleichs verdien-ten und
abgerechneten Gebühren nach § 15 Abs. 2 Satz 1, § 21 Abs. 3 RVG anrechnen lassen muss
(Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 13. Januar 2011 - 13 WF 166/10 im Hinblick auf BGH,
Beschluss vom 16. Februar 2011 - XII ZB 261/10).
2. Aufgrund des auch im Verfahren über eine Beschwerde gemäß § 56 Abs. 2 RVG geltenden Ver-
schlechterungsverbots hat das Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Rechtsanwalts nur zu
prüfen, ob die festgesetzte Vergütung zu erhöhen ist. Der Umfang der Bewilligung von Prozess- oder
Verfahrenskostenhilfe ist nicht zu prüfen. Das gilt auch dann, wenn der erstinstanzlichen
Vergütungsfestsetzung die irrtümliche Annahme zugrunde lag, der Rechtsanwalt sei beigeordnet
worden, es an einer wirksamen Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung des
Rechtsanwalts aber tatsächlich fehlte.
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
B e s c h l u s s
13 WF 34/11
20 F 1115/09 S Amtsgericht Lingen
In der Familiensache
M… J… K…, geb. B…, …
Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin …
Beschwerdeführerin,
gegen
P… H… K…, …
Antragsgegner,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
hat der 13. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht … sowie die Richter am Oberlandesgericht … und …
am 15. März 2011
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin werden der Beschluss des Amtsgerichts -
Familiengericht - Lingen (Ems) vom 28. Januar 2011 und die Verfügung des Kostenbeamten dieses Gerichts vom 4.
Januar 2011 geändert:
Auf den Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 9. September 2010 wird deren Vergütung als
beigeordnete Rechtsanwältin auf 810,99 € festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die Ehe der Beteiligten ist aufgrund des am 8. Juli 2009 beim Amtsgericht - Familiengericht - Lingen (Ems)
eingegangenen Antrags der Antragstellerin durch Urteil vom 8. April 2010 rechtskräftig geschieden worden. Das
Familiengericht hat im Scheidungsurteil die Entscheidung über den Versorgungsausgleich im Hinblick auf die von
beiden Beteiligten erworbenen Anwartschaften aus der K… Zusatzversorgungskasse der D… unter Hinweis auf den
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. März 2009 (XII ZB 188/05, FamRZ 2009, 954) ausgesetzt. Der
Antragstellerin war durch Beschluss vom 22. Juli 2009 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin
bewilligt worden.
Das Familiengericht hat das Verfahren über den Versorgungsausgleich auf Antrag der Antragstellerin vom 22. Juni
2010 wieder aufgenommen. Durch Beschluss vom 12. Juli 2010 hat das Familiengericht ´festgestellt, dass sich die
den beiden Beteiligten bewilligte Prozesskostenhilfe auch als Prozesskostenhilfe auf das wieder aufgenommene
Verfahren zum Versorgungsausgleich erstreckt.´ Im Termin vom 26. August 2010 haben die Beteiligten einen
Vergleich geschlossen. Danach verzichten sie wechselseitig auf Versorgungsausgleich. im Gegenzug stellt die
Antragstellerin den Antragsgegner im Hinblick auf Unterhaltsansprüche der gemeinsamen Tochter von jeder
Inanspruchnahme frei.
Die Beschwerdeführerin hat am 28. Juli 2010 die Festsetzung einer Vergütung von 693,18 € (Verfahrensgebühr,
Terminsgebühr und Auslagenpauschale zuzüglich Umsatzsteuer) für das Scheidungsverfahren nach dem vom
Familiengericht für das Scheidungsverfahren festgesetzten Gegenstandswert von 6.000 € beantragt. Die
Festsetzung ist antragsgemäß erfolgt. Mit weiterem Antrag vom 9. September 2010 hat die Beschwerdeführerin die
Festsetzung einer Vergütung von 810,99 € (Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, Einigungsgebühr und
Auslagenpauschale zuzüglich Umsatzsteuer) für das Versorgungsausgleichsverfahren nach dem vom
Familiengericht insoweit festgesetzten Verfahrenswert von 3.000 € beantragt. Der Kostenbeamte hat lediglich eine
weitere Vergütung in Höhe von 263,58 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete Erinnerung hat das Familiengericht
zurückgewiesen.
II.
Das gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 und 3 in Verbindung mit § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Vergütung ist antragsgemäß festzusetzen.
1. Der Senat hat entschieden, dass die anwaltliche Vertretung in einer ausgesetzten und wieder aufgenommenen
Folgesache Versorgungsausgleich auch dann keine neue Angelegenheit nach § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG darstellt,
wenn zwei Kalenderjahre seit der Aussetzung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich vergangen sind, und
mit dieser Begründung die Festsetzung einer Rechtsanwaltsvergütung für das Verfahren über den
Versorgungsausgleich abgelehnt (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2011 - 13 WF 166/10, juris. siehe dazu Maes,
jurisPRFamR 5/2011 Anm. 1). In jenem Fall war bereits die ursprüngliche Vergütungsfestsetzung nach dem vollen
Gegenstandswert (Scheidung und Versorgungsausgleich) erfolgt. weitere Gebühren waren im wieder
aufgenommenen Versorgungsausgleichsverfahren nicht angefallen.
Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall insoweit, als die ursprüngliche Abrechnung lediglich nach dem für das
Scheidungsverfahren festgesetzten Gegenstandswert erfolgt ist. Außerdem ist im wieder aufgenommenen
Versorgungsausgleichsverfahren aufgrund des abgeschlossenen Vergleichs eine Einigungsgebühr entstanden. Bei
einer einheitlichen Abrechnung des Verfahrens über die Scheidung und den Versorgungsausgleich hätte die
Beschwerdeführerin eine Vergütung von 956,76 € erhalten müssen. Folgerichtig hat der Kostenbeamte des
Familiengerichts unter Berücksichtigung der in § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG getroffenen Regelung eine weitere Vergütung
von 263,58 € festgesetzt. Diese Vorgehensweise entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass eine abgetrennte
Folgesache, die gemäß § 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG als Folgesache fortgeführt wird, mit der Scheidung als
einheitliches Verfahren abgerechnet werden soll (BTDrucks. 16/6308, S. 301, 340).
2. Dies gilt im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil es sich um einen Übergangsfall handelt, im dem auf das vor dem
1. September 2009 eingeleitete Scheidungsverfahren noch früheres Recht anwendbar war, die vom
Scheidungsverbund abgetrennte Folgesache über den Versorgungsausgleich aber gemäß Art. 111 Abs. 4 FGGRG
als selbständige Familiensache nach neuem Recht fortzuführen ist. Für diese Fälle hat der Bundesgerichtshof
inzwischen entschieden, dass Art. 111 Abs. 4 FGGRG - abweichend von der in § 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG
getroffenen Regelung - für die als selbständige Familiensachen fortzuführenden früheren Folgesachen den
Scheidungsverbund auflöst und das Verfahren damit seinen Charakter als Folgesache verliert (BGH, Beschluss vom
16. Februar 2011 - XII ZB 261/10, juris, Rn. 14 ff. m.w.N.).
Gebührenrechtlich sind diese Verfahren als neue Angelegenheiten zu behandeln. Für die Tätigkeit in dem
abgetrennten und selbständigen Verfahren über den Versorgungsausgleich erhält ein Rechtsanwalt gemäß § 150
Abs. 5 Satz 2 FamFG gesonderte Gebühren. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt bereits
im Scheidungsverbund Gebühren aus dem Wert des Versorgungsausgleichs verdient und abgerechnet hatte. Soweit
diese Vergütung auf den Versorgungsausgleich angefallen war, muss sie sich der Rechtsanwalt nach § 15 Abs. 2
Satz 1 RVG in der neuen selbständigen Familiensache anrechnen lassen. Denn nach § 21 Abs. 3 RVG handelt es
sich bei der abgetrennten und der nunmehr selbständigen Folgesache um eine Angelegenheit (BGH, Beschluss vom
16. Februar 2011, aaO, Rn. 26 f. m.w.N.).
3. Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin im Scheidungsverbund noch keine Gebühren aus dem Wert
des Versorgungsausgleichs verdient und abgerechnet, weil das Familiengericht den Gegenstandswert zunächst nur
für das Scheidungsverfahren (auf 6.000 €) festgesetzt und die Beschwerdeführerin mit dem Antrag vom 28. Juli 2010
nur die Festsetzung einer Vergütung nach diesem Wert beantragt hatte. Da die von der Beschwerdeführerin
vorgenommene Berechnung der Vergütung für das Verfahren über den Versorgungsausgleich somit nicht zu
beanstanden ist, war die Vergütung antragsgemäß festzusetzen.
Zwar fehlt es an einer Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und einer Beiordnung der Beschwerdeführerin für das
Verfahren über den Versorgungsausgleich. Das Familiengericht hat über den entsprechenden Antrag der
Beschwerdeführerin vom 22. Juni 2010 nicht entschieden - auch nicht durch den (deklaratorischen) Beschluss vom
12. Juli 2010, denn danach ging das Familiengericht davon aus, dass sich die für das Scheidungsverfahren
bewilligte Prozesskostenhilfe auch auf das ausgesetzte und wieder aufgenommene Verfahren zum
Versorgungsausgleich erstreckt. Das trifft indessen, wie der Bundesgerichtshof inzwischen entschieden hat, auf
Übergangsfälle im Sinne des Art. 111 Abs. 4 FGGRG nicht zu (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2011, aaO, Rn.
28).
Dies hindert den Senat jedoch nicht an der antragsgemäßen Festsetzung der Gebühren. Aufgrund des auch im
Verfahren über eine Beschwerde gemäß § 56 Abs. 2 RVG geltenden Verschlechterungsverbots hat das
Beschwerdegericht auf die Beschwerde des Rechtsanwalts sich nur damit zu befassen, ob der festgesetzte Betrag
zu erhöhen ist (Gerold/Schmidt/MüllerRabe, RVG, 19. Aufl., § 56 Rn. 28). Der Umfang der Bewilligung von Prozess
oder Verfahrenskostenhilfe wird im Verfahren gemäß § 56 RVG nicht geprüft (Hartmann, KostG, 40. Aufl., § 56 Rn.
20). Das muss auch gelten, wenn - wie hier - der vom Rechtsanwalt der Höhe nach beanstandeten
Vergütungsfestsetzung die irrtümliche Annahme zugrunde lag, der Rechtsanwalt sei beigeordnet worden, es an einer
wirksamen Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts aber tatsächlich fehlte.
… … …