Urteil des OLG Oldenburg vom 07.05.1991

OLG Oldenburg: nachteilige veränderung, gewässer, jauche, dünger, verunreinigung, abfallbeseitigung, bauernhof, rüge, lebenserfahrung, absicht

Gericht:
OLG Oldenburg, unbekannt
Typ, AZ:
Beschluß, SS 163/91
Datum:
07.05.1991
Sachgebiet:
Normen:
STGB § 324, STGB § 326 ABS 1., STGB § 327 ABS 2., STGB § 330D NR 1
Leitsatz:
Erdbecken auf landwirtschaftlichem Betriebsgrundstück zum Sammeln von Jauche mit Wasser
zwecks Düngung ist kein Gewässer, das Gemisch kein Abfall; es liegt keine Abfallbeseitigung vor.
Volltext:
Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen umweltgefährdender Abfall-
beseitigung in Tateinheit mit unerlaubtem Betreiben einer Abfallent- sorgungsanlage zu einer Geldstrafe von 10
Tagessätzen zu je 30 DM ver- teilt. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht verworfen, den Angeklagten
aber zusätzlich wegen tateinheitlich begangener vorsätz- licher Gewässerverunreinigung verurteilt.
Die Revision des Angeklagten dringt mit der - erkennbar neben der Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht
erhobenen - Rüge einer Ver- letzung des sachlichen Rechts durch. Das Verhalten des Angeklagten er- füllt nicht die
Tatbestände der vom Amtsgericht und vom Landgericht angewendeten Strafvorschriften. Eines Eingehens auf die
Verfahrensrüge bedarf es daher nicht mehr.
§ 324 StGB (Verunreinigung oder nachteilige Veränderung eines Gewässers) ist deswegen nicht anwendbar, weil die
Flüssigkeitsansammlung in dem Erdbecken auf dem Hof des Angeklagten kein Gewässer im Sinn dieser Vor- schrift
(s. auch § 330 d Nr. 1 StGB) ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagten einen dort
befindlichen Graben abge- riegelt, so daß sich an dieser Stelle ein Erdbecken gebildet hatte, in das sowohl
Sickersäfte aus dem Düngerhaufen wie auch verunreinigtes Oberflächenwasser der gesamten Hoffläche einflossen;
wie das Landgericht erkennbar unwiderlegt gelassen hat, entleert der Angeklagte dieses Becken einmal jährlich, und
zwar ersichtlich dazu, das Gemisch aus Jauche und Wasser als Düngung auf seine Felder aufzubringen.
Eine Wasseransammlung kann zwar auch dann ein Gewässer im Sinn des Strafgesetzbuchs sein, wenn sie
künstlich angelegt worden ist (Steindorf, LK, 10. Aufl., Rdnr. 10 zu § 324 StGB). Um ein Gewässer handelt es sich
jedoch nicht, wenn Wasser oder andere Flüssigkeiten, die mit ihm vermischt sind, in eigenst dazu bestimmten
Behältnissen gesammelt werden, und zwar namentlich dann, wenn mit dieser Ansammlung ein bestimmter Zweck
verbunden ist, wie dies nicht nur bei den vom Land- gericht erwähnten Schwimmbädern, sondern etwa auch bei
Feuerlöschteichen oder Kläranlagen der Fall ist (Steindorf a.a.0., Rdnr. 12, ferner Dreher/Tröndle, StGB, 45. Aufl.,
Rdnr. 2, jeweils zu § 324 StGB). Dies ist auch bei dem Auffangen einer Wasser-Jauche-Mischung der Fall, die, wie
dies auf einem Bauernhof die Regel ist, gesammelt und in der dafür geeigneten Jahreszeit als Dünger auf die Felder
gebracht wird. Gerade die Ansammlung dieses Gemischs zum Zweck der Verwertung als Dünger ver- bietet die
Annahme, daß es sich umeine Wasseransammlung und damit ein Gewässer gehandelt habe, das durch das
Hinzutreten der Sickersäfte aus dem Düngerhaufen verunreinigt worden sei. - Eine Verunreinigung anderer Gewässer
durch ein Austreten oder Durchsickern des Jauche-Wasser-Ge-
mischs aus dem Erdbecken hat das Landgericht nicht festgestellt; in das Grundwasser konnte die Flüssigkeit nicht
durchsickern, weil die da- zwischenliegenden Erdschichten undurchlässig waren; ein Austreten der Mischung in das
Wasserläufesystem außerhalb der Hoffläche wurde erkenn- bar gerade durch die Abriegelung des früheren Grabens
verhindert.
Weiterhin wird auch die Verurteilung nach § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB (umweltgefährdende Abfallbeseitigung) von den
Feststellungen nicht getragen. Diese ergeben nicht, daß es sich bei dem Gemisch aus Jauche und
Oberflächenwasser in dem Erdbecken um Abfälle im Sinne der Vorschrift gehandelt hat. Das Landgericht hat zwar
über die Verwendung der dem Becken entnommenen Flüssigkeit keine ausdrücklichen Feststellun- gen getroffen
(anders das Amtsgericht, das zumindest die Absicht einer Verwendung zum Düngen erwähnt hat). Aufgrund
allgemeiner Lebenserfahrung geht der Senat jedoch davon aus, daß der Angeklagte die Jauche, wenn auch
verdünnt, als Flüssigdünger verwenden wollte und dies auch vorher regelmäßig getan hat, wie denn auf einem
Bauernhof regelmäßig der Mist des Viehbestandes als Dünger verwertet wird (ausgenommen etwa in Fällen
übermäßigen Gülleanfalls in Großbetrieben der Geflügelhaltung, die jedoch mit dem vorliegenden Fall nicht zu
vergleichen sind). Dann aber war die Flüssigkeitsmenge nicht Abfall, sondern Wirtschaftsgut; weder besteht ein
Entledigungswille im Sinn des subjektiven Abfallbegriffs noch eine Notwendigkeit der Beseitigung aus Gründen des
öffentlichen Interesses (objektiver Abfallbegriff oder Zwangsabfall, vgl. Steindorf a.a.0., Rdnr. 13 zu § 326 StGB).
Dies steht einer Anwendung von § 326 Abs. 1 StGB entgegen. Auf die Frage, ob der Inhalt des Beckens im Sinn
des Gesetzes geeignet war, ein Gewässer, die Luft oder den Boden nachhaltig zu verunreinigen oder sonst
nachteilig zu verändern und ob es sich damit um einen wirklichen gefährlichen Fall (Dreher/Tröndle a.a.0., Rdnr. 5 zu
§ 326 StGB) mit schweren Umweltgefahren (Steindorf a.a.ß., Rdnr. 32 zu § 326 StGB) handeln würde, kommt es
demgemäß nicht mehr an.
Der Anwendung von § 327 Abs. 2 Nr. 2 StGB (Betreiben einer Entsorgungs- anlage ohne Genehmigung) steht
gleichfalls entgegen, daß der Inhalt des Erdbeckens nicht als Abfall im Sinn des Gesetzes anzusehen ist. War das
Regenwasser-Jauche-Gemisch noch ein verwendbares Wirtschaftsgut und nicht Abfall, so kann das Erdbecken nicht
als Abfallentsorgungsanlage angesehen werden.