Urteil des OLG Köln vom 02.04.2017

OLG Köln (kläger, rücknahme der klage, stationäre behandlung, bremen, wahl, beschwerde, zustellung, beweisaufnahme, datum, mehrwertsteuer)

Oberlandesgericht Köln, 17 W 216/75
Datum:
03.09.1975
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 W 216/75
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der
Kostenfestsetzungsbeschluß des Rechtspflegers beim Landgericht Köln
vom 8.4.1975 - 2 O 121/71 - wie folgt abgeändert und neu gefaßt:
Die nach dem Urteil des Landgerichts Köln vom 20.2.1975 weiterhin von
der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 468,95
DM (in Worten: vierhundertachtundsechzig 95/100 Deutsche Mark) nebst
4 % Zinsen seit dem 20.3.1975 festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der
Kläger 1/4, die Beklagte 3/4 zu tragen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte allein.
Gründe
1
Mit der vom 2.2.1971 datierenden Klage hat der in Bremen wohnhafte Kläger die
Beklagte, deren Hauptverwaltung sich in Köln befindet, vor dem Landgericht Köln auf
Gewährung des Versicherungsschutzes aufgrund eines im Jahre 1970 geschlossenen
Krankenversicherungsvertrages in Anspruch genommen. Die Beklagte hatte ihre
Eintrittspflicht u.a. deshalb verweigert, weil die Hirnvenenthrombose des Klägers, für die
nach ihren Versicherungsbedingungen unstreitig eine Wartezeit von 6 Monaten besteht,
die erst am 30.6.1970 abgelaufen war, nach ihrer vom Kläger bestrittenen Behauptung
bereits am 29.6.1970 aufgetreten war. Unstreitig wurde der Kläger am 1.7.1970 von dem
Facharzt Dr. Axxx in stationäre Behandlung eingewiesen. Durch Urteil vom 20.2.1975
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln die Beklagte verurteilt, 7.107,60 DM nebst
4 % Zinsen seit dem 24.5.1971 an den Kläger zu zahlen und ihr die Kosten des
Rechtsstreits auferlegt. Der Kläger hat sich zur Durchführung des Rechtsstreits der
Rechtsanwälte Dxxx und Bxxx in Bremen als Verkehrsanwälte bedient, welche ihn auch
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in drei am 17.12.1971, 20.12.1972 und 14.3.1973 im Wege der Rechtshilfe vor dem
Amtsgericht Bremen durchgeführten Beweisaufnahmen als Unterbevollmächtigte
vertreten haben.
Durch Kostenfestsetzungsbeschluß vom 24.3.1975 hat der Rechtspfleger die aufgrund
des Urteils vom 20.2.1975 von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf
insgesamt 2.393,31 DM festgesetzt. Durch einen weiteren Kostenfestsetzungsbeschluß
vom 8.4.1975 hat er darüber hinaus noch 618,23 DM gegen die Beklagte festgesetzt.
Dabei handelt es sich um folgende Kosten der Rechtsanwälte Dxxx und Bxxx in
Bremen:
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Wert: DM 7.107,60
4
1) Korrespondenzgebühr § 52 BRAGO DM 283,--
5
2) Beweisgebühr § 31 I BRAGO DM 283,--
6
3) Auslagenpauschale § 26 BRAGO DM 20,--
7
4) 5,5 % Mehrwertsteuer DM 32,23
8
DM 618,23
9
Der Beschluß wurde ausweislich der Kanzleivermerke am 14.4.1975 ausgefertigt und
am 17.4.1975 durch den Gerichtswachtmeister zur Zustellung gegeben. Das Datum auf
dem Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist nicht
eindeutig zu erkennen, es kann sowohl als "14.4.1975" wie auch als "17.4.1975 "
gelesen werden.
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Gegen den Beschluß vom 8.4.1975 richtet sich die Erinnerung der Beklagten vom
29.4.1975, bei Gericht eingegangen am 30.4.1975. Sie meint, die Kosten der Bremer
Rechtsanwälte des Klägers seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht
notwendig gewesen, weil es dem Kläger sowohl nach § 48 VVG als auch nach ihren
Versicherungsbedingungen freigestanden hätte, den Rechtsstreit vor dem Landgericht
Bremen zu führen. In diesem Falle hätte es der Einschaltung eines auswärtigen Anwalts
als Verkehrsanwalts und zur Wahrnehmung der Beweisaufnahme nicht bedurft.
Besondere Gründe, welche die Wahl des Gerichtsstandes Köln rechtfertigen könnten,
seien nicht ersichtlich.
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Der Rechtspfleger und die Kammer haben der Erinnerung nicht abgeholfen und die
Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt, da sie übereinstimmend davon
ausgegangen sind, daß die Zustellung bereits am 14.4.1975 erfolgt und die Notfrist von
2 Wochen daher nicht eingehalten worden sei. Die Prozeßbevollmächtigten der
Beklagten haben demgegenüber mit Schriftsatz vom 11.8.1975 erklärt, ausweislich
einer entsprechenden Notiz ihres Bürovorstehers Exxx sei der
Kostenfestsetzungsbeschluß erst am 17.4.1975 zugestellt und Fristablauf auf den
2.5.1975 notiert worden.
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Die Erinnerung war zulässig, insbesondere ist die in § 104 Abs. II Satz 2 ZPO für ihre
Einlegung vorgeschriebene Notfrist von zwei Wochen gewahrt. Der Senat ist entgegen
der Annahme des Rechtspflegers und der Kammer nach den Grundsätzen der freien
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Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt, daß der Kostenfestsetzungsbeschluß
vom 8.4.1975 nicht schon am 14.4.1975, sondern erst am 17.4.1975 zugestellt worden
ist. Zwar ist das handschriftliche Datum auf dem Empfangsbekenntnis nicht zweifelsfrei
zu entziffern, die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 11.8.1975,
daß der Kostenfestsetzungsbeschluß ihnen erst am 17.4.1975 zugestellt worden sei,
wird jedoch durch zwei wesentliche Umstände erhärtet:
Dabei handelt es sich einmal um den Kanzleivermerk vom 14.4.1975, wonach der
Beschluß an diesem Tage ausgefertigt worden ist. Das allein spricht nach der
Lebenserfahrung bereits dagegen, daß er noch am selben Tage zugestellt worden ist,
wenn gleich dies nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint. Hinzu kommt jedoch, daß
der Kostenfestsetzungsbeschluß ausweislich des weiteren Kanzleivermerks erst am
17.4.1975 zur Zustellung durch den Gerichtswachtmeister gegeben worden ist. Wenn
das richtig ist, und es besteht kein Anlaß hieran zu zweifeln, so ist ausgeschlossen, daß
die Zustellung bereits vor diesem Tage erfolgt sein könnte.
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In der Sache selbst hat die nach § 11 Abs. 1, 2 RpflG als sofortige Beschwerde geltende
Erinnerung der Beklagten jedoch nur teilweise Erfolg.
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Ihr Einwand, der Kläger sei bei der Auswahl zwischen mehreren ihm vom Gesetz
eröffneten Gerichtsständen in analoger Anwendung des Rechtsgedankens der
Schadensminderung aus Gründen der Kostenersparnis gehalten, grundsätzlich
denjenigen Gerichtsstand zu wählen, in dem der Rechtsstreit mit dem geringsten
Kostenaufwand durchgeführt werden könne, greift nicht durch.
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Wenn der Gesetzgeber dem Kläger die Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen
eröffnet, so steht es ihm grundsätzlich frei, die Klage vor demjenigen Gericht zu
erheben, das er - aus welchen Gründen auch immer - von seinem Standpunkt aus für
am besten geeignet hält, sein Ziel zu erreichen.
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Es ist weder vom Gesetzgeber beabsichtigt noch erscheint es aus sachlichen
Erwägungen gerechtfertigt, die Möglichkeit der Wahl zwischen mehreren
Gerichtsständen durch kostenrechtliche Erwägungen einzuschränken. Dies gilt umso
mehr, als das Kostenrisiko im Zeitpunkt der Ausübung der Wahl zwischen mehreren
Gerichtständen durch den Kläger in aller Regel für beide Parteien gleich hoch zu
veranschlagen sein wird, da der Ausgang des Rechtsstreits und damit die Frage,
welche Partei letztlich die Kostenlast zu tragen hat, zu diesem Zeitpunkt regelmäßig
noch nicht zu übersehen ist.
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Aus diesen Erwägungen heraus teilt der Senat die bereits in dem einen in tatsächlicher
Hinsicht gleich gelagerten Fall betreffenden Beschluß des 8. Zivilsenats vom 6.4.1966 -
8 W 4/66 - vertretene Auffassung, daß die Zweckmäßigkeit der vom Kläger getroffenen
Wahl zwischen mehreren vom Gesetz eröffneten Gerichtsständen der Nachprüfung im
Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich entzogen ist. Diese hat sich vielmehr auf die
Notwendigkeit der in dem Prozeß, so wie er geführt worden ist, tatsächlich entstandenen
Kosten zu beschränken. Ob dieser Grundsatz dann eine Einschränkung erfährt, wenn
die vom Kläger getroffene Wahl zwischen mehreren vom Gesetz zugelassenen
Gerichtsständen als Rechtsmißbrauch anzusehen ist, kann im vorliegenden Fall
dahingestellt bleiben, da hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich sind.
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Nach den vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung entwickelten
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allgemeinen Grundsätzen über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines
Verkehrsanwaltes und der Beauftragung eines auswärtigen Anwalts mit der
Wahrnehmung einer im Wege der Rechtshilfe durchgeführten Beweisaufnahme
begegnet die Einschaltung der Bremer Anwälte keinen Bedenken. Der Rechtsstreit war
in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht schwierig gelagert. Das ergibt sich einmal aus
der Dauer von mehr als 3 Jahren (die Klageschrift datiert vom 2.2.1971, das Urteil vom
20.2.1975), zum anderen aus der Tatsache, daß 4 Beweisbeschlüsse und 1
Hinweisbeschluß ergangen sind, und zwar am 15.4.1971, 23.6.1971, 17.2.1972,
27.3.1973 und 21.12.1973. In Ausführung dieser Beschlüsse haben drei
Beweisaufnahmen vor dem Amtsgericht Bremen im Wege der Rechtshilfe stattgefunden,
nämlich am 17.12.1971, 20.12.1972 und 14.3.1973. Außerdem sind mehrere
medizinische Gutachten eingeholt worden. Hinzu kommt, daß der Rechtsstreit für den
Kläger nicht gut stand. Das ergibt sich aus dem Hinweisbeschluß vom 23.6.1971, mit
dem die Kammer dem Kläger die Rücknahme der Klage nahegelegt hat, sowie aus dem
in dem Beweisbeschluß vom 17.2.1972 enthaltenen Vergleichsvorschlag, die
Klageforderung zu teilen und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.
Unter diesen Umständen wären dem Kläger, hätte er sich nicht der Bremer Anwälte als
Verkehrsanwälte bedient, mindestens drei Reisen zur Information seines
Prozeßbevollmächtigten in Köln zuzubilligen, nämlich die erste zur Erteilung des
Mandats, die zweite zur Besprechung der durch den Hinweisbeschluß vom 23.6.1971
gestellten Frage einer Klagerücknahme und die dritte zur Besprechung des
Vergleichsvorschlages vom 17.2.1972.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat jede Partei einen Anspruch darauf,
sich bei der Beweisaufnahme durch einen Anwalt vertreten zu lassen. Die
Wahrnehmung der drei Beweisaufnahmen vor dem ersuchten Richter in Bremen durch
die bereits als Verkehrsanwälte mit der Sache befaßten Rechtsanwälte Dxxx und Bxxx
war auch sachgerecht. Die im Falle der Wahrnehmung dieser Termine durch seine
Kölner Prozeßbevollmächtigten entstandenen Fahrtkosten zuzüglich Tage- und
Abwesenheitsgeld hätten nämlich mit Sicherheit die Beweisgebühr des in
Untervollmacht handelnden Bremer Anwalts überstiegen. Unter diesen Umständen
besteht kein Zweifel, daß die Aufwendung der Verkehrs- und Beweisgebühr der Bremer
Anwälte nebst Unkostenpauschale und Mehrwertsteuer zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung des Klägers notwendig war, weil durch sie Reisekosten des Klägers
und seiner Kölner Prozeßbevollmächtigten in mindestens derselben Höhe erspart
worden sind, ohne daß es einer genauen Ausrechnung dieser Kosten bedarf.
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Indessen stand den Rechtsanwälten Dxxx und Bxxx für diese Tätigkeit gemäß § 54 S. 1
BRAGebO nur eine 5/10 Beweisgebühr zu. Die in dieser Vorschrift außerdem
vorgesehene 5/10 Prozeßgebühr können sie dagegen nicht beanspruchen, weil sich
ihre Tätigkeit nicht auf die Vertretung in der Beweisaufnahme beschränkte, da sie
außerdem als Verkehrsanwälte tätig waren. Deshalb ist die 5/10 Prozeßgebühr nach §
13 Abs. 2 BRAGebO auf die 10/10 Verkehrsgebühr, die ihnen nach § 52 BRAGebO
zusteht, anzurechnen (vgl. Lauterbach-Hartmann, Kostengesetze, 17. Auflage 1973,
Anm. 2 A zu § 52 BRAGebO und Anm. 3 zu § 54 BRAGebO).
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Die Kosten der Rechtsanwälte Dxxx und Bxxx sind daher nur in folgendem Umfang
erstattungsfähig:
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Verkehrsgebühr § 52 BRAGebO 283,-- DM
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5/10 Beweisgebühr § 54 BRAGebO 141,50 DM
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Auslagenpauschale § 26 BRAGebO 20,-- DM
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444,50 DM
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5,5 % Mehrwertsteuer 24,45 DM
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468,95 DM
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Aus diesem Grunde war der Kostenfestsetzungsbeschluß vom 8.4.1975 abzuändern
wie geschehen. Die weitergehende Beschwerde war mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO
zurückzuweisen.
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Soweit die Beschwerde Erfolg hatte, ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei, § 46
Abs. 2 GKG. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf der
entsprechenden Anwendung der §§ 91, 92 ZPO.
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Beschwerdewert: für die außergerichtlichen Kosten 618,23 DM
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