Urteil des OLG Köln vom 23.12.2010

OLG Köln (zustellung, anschrift, zpo, adresse, einhaltung der frist, antrag, rechnung, stadt, erlass, kläger)

Oberlandesgericht Köln, 19 U 60/10
Datum:
23.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 60/10
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 O 137/06
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.03.2010 verkündete Urteil
der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 29 O 137/06 - teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom
10.06.2008 - 29 O 137/06 - wird teilweise aufgehoben und der Beklag-te
verurteilt, an die Klägerin 6.046,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.377,99 EUR seit dem
01.01.2002 und aus weiteren 2.668,68 EUR seit dem 01.04.2003 zu
zahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 10.06.2008 auf-
rechterhalten.
Die Klägerin trägt die Kosten ihrer erstinstanzlichen Säumnis. Im
Übrigen haben die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens die Klägerin
zu 17 % und der Beklagte zu 83 % zu tragen. Die Kosten des
Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO)
2
I.
3
Die zulässige, unter Einhaltung der Frist- und Formerfordernisse der §§ 517, 519 ZPO
eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.
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Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter, soweit sie mit Rechnung vom
03.08.2000 Installationskosten in Höhe von umgerechnet 1.631,50 EUR für die
Erweiterung des Kommunikationssystems und mit Rechnung vom 25.11.2000 Miete in
Höhe von umgerechnet 1.746,49 EUR für das Jahr 2001 verlangt hat. Insofern stehen
der Klägerin gegen den Beklagten durchsetzbare Zahlungsansprüche zu.
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1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind entsprechende Zahlungsansprüche
der Klägerin nicht verjährt.
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a. Die Verjährungsfrist für die (der vier- bzw. zweijährigen Verjährungsfrist der §§ 196
Abs. 1 Nrn. 1, 6, Abs. 2 BGB a.F. unterfallenden) Ansprüche auf Ausgleich der
Installationskosten sowie auf Zahlung der Miete für das Jahr 2001 ist abweichend
von der Annahme des Landgerichts nicht bereits am 31.12.2004 abgelaufen.
Vielmehr ist die Verjährung gemäß den §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F., 167 ZPO
durch die Einreichung eines die geltend gemachten Ansprüche hinreichend
individualisierenden Antrags der Klägerin auf Erlass eines Mahnbescheids gegen
den Beklagten schon vor Ablauf des Jahres 2003 gehemmt worden.
8
9
Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids ist dem Beklagten abweichend von der
Einschätzung des Landgerichts "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugegangen. Ein
Antrag ist demnächst zugestellt, wenn die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter unter
Berücksichtigung der Gesamtumstände das ihnen Zumutbare für die alsbaldige
Zustellung getan haben. Dies ist nicht der Fall, wenn und soweit die Partei, der die
Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges Verhalten zu
einer nicht nur ganz geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben (vgl.
BGH NJW 2005, 291, 292; 2003, 2930, 2831).
10
Bereits die vom früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin im ursprünglichen
Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids vom 04.08.2003 angegebene Anschrift N. 000
in E. stellte eine zustellfähige Adresse dar, unter welcher der Beklagte angetroffen
werden konnte. Wie sich aus den aktenkundigen Zustellungsunterlagen ergibt und der
Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zugestanden
hat, war an jener Anschrift die T. Außenwerbung GmbH ansässig, bei welcher der
Beklagte als Geschäftsführer beschäftigt ist. Eine Zustellung ist aber nicht nur in der
Wohnung (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), sondern auch dort zulässig, wo der Adressat – wie
nahe liegender Weise an seiner Arbeitsstätte (vgl. §§ 177, 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) -
angetroffen wird.
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Zudem hat der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin schon am 17.11.2003
erstmals beantragt, den Mahnbescheid an der Anschrift U. XXX in L., wo der Beklagte
gemeldet ist und wohnt, zuzustellen. Dass die dortigen (insgesamt fünf)
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Zustellungsversuche in der Folgezeit nicht erfolgreich waren, weil der Briefzusteller der
E. AG jene Anschrift für die Arbeitsplatzanschrift gehalten und den Beklagten dort nicht
angetroffen hat, den Beklagten unter der Adresse nicht ermitteln konnte oder die
Anschrift in die Adresse N. 000 in E., an die der Beklagte angeblich verzogen sei,
geändert hat, fällt nicht in den Verantwortungsbereich der Klägerin, sondern des – für
die Zustellung des Mahnbescheids von Amts wegen zuständigen - Amtsgerichts
Coburg.
Sofern das Landgericht der Klägerin angelastet hat, dass sie nach den jeweiligen
Mitteilungen über die Unzustellbarkeit des Mahnbescheids längere Zeit nichts
unternommen habe, um die Zustellung voranzutreiben, kann dies auf Grund der
besonderen Umstände des Einzelfalls nicht als Nachlässigkeit der Klägerin gewertet
werden.
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1. Es erscheint bereits fraglich, ob der Klägerin aus Rechtsgründen vorgeworfen
werden kann, dass sie nach dem Scheitern der Zustellung an den von ihr korrekt
angegebenen Adressen beim Amtsgericht Coburg gegebenenfalls nicht sogleich
einen neuen Antrag gestellt hat, um eine erneute Zustellung an derselben
Anschrift in Angriff zu nehmen.
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Der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte mit der Angabe der objektiv
zutreffenden Arbeitsplatzanschrift des Beklagten in der N. 000 in E. und dessen
Wohnanschrift U. XXX in Köln alles getan, was das Verfahrensrecht von der Klägerin
zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Zustellung verlangt. Hat der Kläger aber
alle für eine ordnungsgemäße Zustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen
erbracht, so liegt die weitere Verantwortung für den ordnungsgemäßen Gang des
Zustellungsverfahrens ausschließlich in den Händen des Gerichts, dessen
Geschäftsgang der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter nicht unmittelbar
beeinflussen können. Für eine Verpflichtung oder Obliegenheit des Klägers und seines
Prozessbevollmächtigten, auch noch in diesem Stadium des Verfahrens durch eine
Kontrolle des gerichtlichen Vorgehens auf eine größtmögliche Beschleunigung
hinzuwirken, fehlt die rechtliche Grundlage. Vielmehr darf der Kläger in dieser
prozessualen Situation seinerseits erwarten, dass das Gericht im Weiteren das
Zustellungsverfahren in eigener Zuständigkeit ordnungsgemäß betreibt (vgl. BGH NJW
2006, 3206, 3207).
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Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt, dass die Partei und ihr
Prozessbevollmächtigter im Sinne einer "möglichsten" Beschleunigung wirken (vgl.
BGH NJW 2009, 984, 985; 2003, 2830, 2831; 1994, 1073, 1074; 1978, 215, 216), betrifft
dies Fälle, in denen der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter zu dem Zeitpunkt, in
dem die Verzögerung eintrat, noch nicht alles getan hatten, was das Verfahrensrecht
ihnen zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Zustellung auferlegt. Diese
Grundsätze lassen sich nicht ohne Weiteres auf einen Fall übertragen, in dem – wie
vorliegend – Zustellungsverzögerungen erst eintreten, nachdem der Kläger alle für eine
ordnungsgemäße Zustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht hat
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(vgl. BGH NJW 2006, 3206, 3207).
(2) Allerdings endete der von der Klägerin in Gang gesetzte Geschäftsbetrieb des
Gerichts mit der jeweiligen Mitteilung über die Unzustellbarkeit des Mahnbescheids
unter der von der Klägerin zuvor angegebenen Adresse. Selbst wenn man die Klägerin
deshalb in Anbetracht des Abschlusses des gerichtlichen Zustellverfahrens und der für
sie erkennbaren Notwendigkeit eines neuen Zustellungsantrags für gehalten ansieht, in
zumutbarem Rahmen erfolgversprechende Maßnahmen für das Gelingen einer
Zustellung zu ergreifen, ist sie dieser Verpflichtung hinreichend nachgekommen.
Abzustellen ist dabei auf die Vorgänge nach erstmaliger Beantragung der Zustellung
des Mahnbescheids an der Wohnanschrift des Beklagten in der U. XXX in L. am
17.11.2003. Denn die Vorschrift des § 167 ZPO ist auch dann anwendbar, wenn der
Kläger kurz vor Ablauf der regulären Verjährungsfrist erstmals einen Antrag auf Erlass
und Zustellung eines Mahnbescheids an der zutreffenden Anschrift stellt. Weiter ist zu
berücksichtigen, dass nicht vom Zustellungsbetreiber verursachte Verzögerungen im
Geschäftsbetrieb dazu führen, dass diese nicht in die Berechnung der relevanten
Verzögerung einbezogen werden (vgl. BGH NJW 2000, 2282; Greger in: Zöller, ZPO,
28. Auflage, § 167 Rn. 12).
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Nach den Gegebenheiten im konkreten Fall liegen keine mehr als geringfügigen
Verzögerungen vor, welche die Klägerin mit Hilfe ihr zumutbarer Maßnahmen hätte
vermeiden können und müssen. Im Rahmen eines Mahnverfahrens ist im Hinblick auf
die Regelung des § 691 Abs. 2 ZPO eine Verzögerung bis zu einem Monat (und nicht
wie im Klageverfahren von zwei Wochen) grundsätzlich als geringfügig und damit
unerheblich anzusehen (vgl. BGH NJW 2002, 2794, 2794 f.; OLG Dresden vom
04.10.2006 – 8 U 1272/06 - Rn. 13, zitiert nach juris).
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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat, nachdem er mit Schreiben des
Amtsgerichts Coburg vom 03.12.2003 über das mangelnde Antreffen des Beklagten
unter der Anschrift U. XXX in L. informiert worden ist, am 08.01. 2004 und damit (unter
Abzug der Weihnachtsfeiertage sowie von Sylvester und Neujahr) etwa einen Monat
später einen Antrag auf Zustellung an der Adresse C. XY in D. gestellt. Angesichts des
vorangegangenen Vermerks des Zustellers der F. AG, dass es sich bei der Adresse U.
XXX in L. um die Arbeitsplatzanschrift des Beklagten handele, kann der Klägerin die
Angabe der Anschrift in D. - bei der es sich ausweislich einer amtsgerichtlich
eingeholten Behördenauskunft um die vormalige Wohnanschrift des Beklagten handelte
- nicht als Nachlässigkeit angelastet werden.
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Sobald dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin die schriftliche Mitteilung des
Amtsgerichts Coburg vom 21.01.2004, dass der Beklagte unter der Anschrift C. XY in D.
nicht zu ermitteln gewesen sei, am 04.02.2004 zugegangen ist, hat dieser die Stadt L.
circa zwei Wochen später mit Schreiben vom 17.02. 2004 - in Anbetracht der
fehlgeschlagenen Zustellungsversuche an zwei ihm bekannten Wohnanschriften des
Beklagten verständlich – um meldepolizeiliche Ermittlungen gebeten. Nachdem die
Stadt L. Ende Mai 2004 schriftlich sowie anlässlich einer telefonischen Rückfrage
Anfang Juni 2004 nochmals fernmündlich mitgeteilt hatte, dass der Beklagte unter der
Anschrift U. XXX in L. wohnhaft sei, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach
Ablauf von etwa zwei Wochen mit Schreiben vom 14.06.2004 unter Verweis auf das
Ermittlungsergebnis der Stadt L. nochmals die dortige Zustellung des Mahnbescheids
beantragt.
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Nachdem das Amtsgericht Coburg am 20.07.2004 die Nachricht abgesandt hat, dass
der Zusteller der F. AG die Adresse U. XXX in L. in die Anschrift N. 000 in E. berichtigt
habe, eine dortige Zustellung indessen mangels Antreffens des Beklagten am
Arbeitsplatz fehlgeschlagen sei, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit
Schreiben vom 07.09.2004, also sechs bis sieben Wochen später, einen neuen Antrag
auf Zustellung unter der (zutreffenden) Wohnanschrift U. XXX in L. gestellt. Dieser ist
indessen ausweislich der Mitteilung des Amtsgerichts Coburg vom 17.11.2004, dass der
Beklagte laut Vermerk des Zustellers der F. AG zur Firma T. in E. verzogen sei,
abermals missglückt.
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Sofern der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach circa einer Woche am 23.11. 2004
die Zustellung des Mahnbescheids unter der Anschrift der Firma T., N. 000 in E.
beantragt hat, kann der Klägerin die Angabe dieser Adresse nicht als Nachlässigkeit
angelastet werden. Dagegen spricht bereits, dass es sich um die Arbeitsplatzanschrift
des Beklagten handelte und eine Zustellung an deren Sitz deshalb erfolgversprechend
schien. Im Übrigen ist die Anschrift der T. Außenwerbung GmbH in den
Zustellungsantrag aufgenommen worden, weil der Zusteller der F. AG diese Adresse im
Rahmen des vorangegangenen Zustellungsversuchs als neue Wohnanschrift des
Beklagten angegeben hatte. Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die
offenkundig überlegenen Kenntnisse des Zustellers vertraut hat, ist nicht zu
beanstanden.
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Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin von der Erfolglosigkeit auch des
Zustellungsversuchs am 28.12.2004 unter der N. 000 in E. benachrichtigt worden ist, hat
dieser die nachfolgenden etwa zehn Wochen genutzt, um nunmehr bei der Stadt D. als
für den vormaligen Wohnsitz des Beklagten zuständiger Meldebehörde - in Anbetracht
der bis dahin dreimal fehlgeschlagenen Zustellung an der Adresse U. XXX in L.
verständlicher Weise – die aktuelle Wohnanschrift des Beklagten zu ermitteln. Nach
Erhalt der Melderegisterauskunft vom 08.03.2005, dass sich der Beklagte an die
Anschrift U. XXX in L. abgemeldet habe, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
sodann unter Verweis darauf eine knappe Woche später mit Schreiben vom 14.03.2005
einen Antrag auf erneute Zustellung des Mahnbescheids unter der Adresse U. XXX in L.
gestellt.
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Im Anschluss an den Erhalt der Benachrichtigung des Amtsgerichts Coburg vom
14.07.2005, dass der nunmehr mit der Zustellung beauftragte Justizbedienstete den
Beklagten unter der Adresse U. XXX in L. nicht habe ermitteln können, hat der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin knapp sieben Wochen später mit Schreiben vom
30.08.2005 – angesichts der Ergebnislosigkeit bisherigen behördlichen Auskünfte
nachvollziehbarer Weise - die Stadt L. erneut ersucht, meldepolizeiliche Ermittlungen
vor Ort durchzuführen. Nach Eingang der Auskunft am 28.09. 2005 hat er am 18.10.2005
abermals die – schließlich am 29.11.2005 geglückte – Zustellung unter der Anschrift U.
XXX in L. beantragt.
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Aus den vorstehenden Geschehensabläufen können vom Ansatz her relevante
Zeitverzögerungen allenfalls aus einem jeweiligen Zuwarten von mehr als einem Monat
bis zum erneuten Zustellungsantrag Mitte September 2004, bis zur Beantragung einer
Melderegisterauskunft bei der Stadt D. Anfang des Jahres 2005 und bis zum
meldepolizeilichen Ersuchen gegenüber der Stadt L. Ende August 2005 hergeleitet
werden. Insofern ist allerdings zu berücksichtigen, dass vorher jeweils eine Mehrzahl
von Zustellversuchen an erfolgversprechenden Anschriften fehlgeschlagen war.
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Angesichts der bereits unternommenen zahlreichen Zustellungsbemühungen ihres
Prozessbevollmächtigten kann der Klägerin unter dem – bei der Beurteilung einer
Nachlässigkeit im Sinne des § 167 ZPO zu berücksichtigenden – Gesichtspunkt der
Zumutbarkeit eine Vernachlässigung ihrer Pflicht zur Förderung des Verfahrens nicht
angelastet werden.
Jedenfalls aber ist nicht ersichtlich, dass etwaige von der Klägerin veranlasste
Verzögerungen die Zustellung des Mahnbescheids in relevantem Ausmaß verschleppt
haben. Dass zügigere (erneute) Zustellungsanträge des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin zu einer früheren Zustellung des Mahnbescheids geführt hätten, kann nicht
ohne Weiteres angenommen werden. Auch nachdem der Prozessbevollmächtigte der
Klägerin nämlich schon im Juni 2004 und im März 2005 mitgeteilt hatte, dass es sich bei
der Adresse U. XXX um die Wohnanschrift des Beklagten handele, sind die darauf
folgenden Zustellversuche fehlgeschlagen. Warum die am 18.10. 2005 beantragte
Zustellung schließlich am 29.11.2005 durch Einwurf in den Briefkasten geglückt ist, ist
nicht erkennbar. Der Umstand der letztendlich erfolgreichen Zustellung lässt deshalb
nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass ein früher gestellter Antrag auf Zustellung
des Mahnbescheids unter der Anschrift U. XXX in L. zu einer entsprechend zeitnäheren
Zustellung geführt hätte. Der Partei sind aber nur solche Verzögerungen zuzurechnen,
die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei gewissenhafter Prozessführung hätten
vermeiden können, bei denen sich also feststellen lässt, dass die gebotene Handlung
zu einer früheren Zustellung geführt hätte (vgl. BGH NJW-RR 2003, 599, 600; NJW
1994, 1073, 1074; Greger a.a.O. Rn. 10). Eine diesbezügliche zuverlässige
Einschätzung erscheint in Anbetracht der zahlreichen Ungereimtheiten beim Fehlschlag
der diversen Zustellversuche unter den korrekten Adressen vorliegend ausgeschlossen.
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(3) Der Klägerin kann nicht zum Vorwurf gereichen, dass sie nicht den Weg der
öffentlichen Zustellung beschritten hat. Zu einer solchen Maßnahme war sie angesichts
der Angabe zutreffender Zustellungsanschriften innerhalb der regulären Verjährungsfrist
schon aus Rechtsgründen nicht verpflichtet. Zudem war eine öffentliche Zustellung des
Mahnbescheids gemäß § 688 Abs. 2 Nr. 3 ZPO unzulässig. Deshalb hätte die Klägerin
ihren Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids zurücknehmen und ihre Ansprüche im
Klagewege verfolgen müssen, um eine öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 1 ZPO zu
erreichen. Ein solches Procedere hätte jedoch schon keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg gehabt, da der Aufenthaltsort des Beklagten bekannt war. So war dieser nach den
Mitteilungen der Zusteller bei der Firma T. in E. beschäftigt und konnte dort bei den
Zustellungsversuchen jeweils nur nicht angetroffen werden. Zudem hätten die
gebotenen Nachfragen beim Vermieter und bei Nachbarn (vgl. Stöber in: Zöller a.a.O. §
185 Rn. 2) ergeben, dass der Beklagte tatsächlich an der Anschrift U. XXX in L. wohnt.
Im Übrigen hätte sich die Klägerin durch die Abstandnahme vom Mahnverfahren der
Chance auf eine zeitliche Rückwirkung der Verjährung auf den Zeitpunkt der
Beantragung des Mahnbescheids begeben.
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Ebenso wenig ist der Klägerin vorzuwerfen, dass sie keine Zustellung des
Mahnbescheids im Parteibetrieb veranlasst hat. Dafür, dass ein Gerichtsvollzieher (§
192 ZPO) erfolgreicher als Zusteller der F. AG oder Justizbedienstete gewesen wäre,
bestehen keine Anhaltspunkte. Im Übrigen war eine Zustellung des Mahnbescheids auf
Betreiben der Klägerin gemäß den §§ 693 Abs. 1, 495, 166 Abs. 2 ZPO nicht zulässig.
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Schließlich war die Klägerin auch nicht zu eigenen Ermittlungen vor Ort gehalten.
Vielmehr hat diese mindestens ebenso erfolgversprechende Maßnahmen zur
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Feststellung einer zustellungsfähigen Adresse durchgeführt, indem sie bei der Stadt D.
die aktuelle Wohnanschrift des Beklagten erfragt und bei der Stadt L. Ermittlungen vor
Ort veranlasst hat.
(4) Unter diesen Umständen steht der Einordnung der Zustellung des Mahnbescheids
als "demnächst" nach seiner Beantragung im Sinne des § 167 ZPO nicht entgegen,
dass die Zustellung erst am 29.11.2005 erfolgt ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob
eine Zustellung als "demnächst" im Sinne der gesetzlichen Regelung erfolgt ist, darf
nicht auf eine rein zeitliche Betrachtungsweise abgestellt werden. Vielmehr sollen die
Parteien bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Verzögerungen
innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden, weil diese von ihnen
nicht beeinflusst werden können. Daher gibt es keine absolute zeitliche Grenze, nach
deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als "demnächst" anzusehen ist (vgl.
BGH NJW 2003, 2830, 2831; NJW-RR 2003, 599, 600).
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In die deshalb angezeigte (auch) wertende Betrachtungsweise kann entgegen der
Auffassung des Landgerichts ein etwaiges Vertrauen des Beklagten in die mit dem
Ablauf der regulären Verjährungsfrist verbundene, für ihn günstige Rechtsfolge nicht
einbezogen werden. Den Antragsteller, der mit der Einreichung seines Antrags auf
Erlass eines Mahnbescheids die Rechtsfolge des Fristablaufs gerade vermeiden will
und seinerseits bereits alles für eine ordnungsgemäße Zustellung des Mahnbescheids
Gebotene erfüllt hat, trifft auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten keine besondere
Verpflichtung zur Beschleunigung des Zustellungsverfahrens. Vielmehr darf er in dieser
prozessualen Situation seinerseits erwarten, dass das Gericht im Weiteren das
Zustellungsverfahren in eigener Zuständigkeit ordnungsgemäß betreibt (vgl. BGH NJW
2006, 3206, 3207).
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Dann aber bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob ein etwaiges Vertrauen
des Beklagten auf die mangelnde Durchsetzbarkeit der Klageforderung schutzwürdig
wäre. Hat der Beklagte die Verzögerung zu einem wesentlichen Teil verschuldet, wird er
nicht unzumutbar belastet, wenn die Zustellung noch als "demnächst erfolgt" angesehen
wird (vgl. BGH NJW 1988, 411, 413). Diverse Anhaltspunkte deuten darauf hin, dass der
Beklagte mangels Beschriftung des Briefkastens und/oder der Hausklingel am Gebäude
U. XXX in L. mit seinem Namen maßgeblich zum Fehlschlagen der dortigen ersten vier
Zustellungsversuche beigetragen hat. Dafür spricht, dass auch der auf den vierten
Zustellungsantrag eingeschaltete Justizwachtmeister den Beklagten unter der
vorgenannten Anschrift nicht ermitteln konnte. Zudem hat die Stadt L. mit Schreiben vom
21.09.2005 mitgeteilt, bei ihren örtlichen Ermittlungen sei ein Briefkasten- oder
Klingelschild mit dem Nachnamen des Beklagten nicht feststellbar gewesen. Auch die
nachfolgenden Versuche des Landgerichts, die Anspruchsbegründung unter der
Anschrift U. XXX in L. – die vom Zusteller in die aktuelle Geschäftsadresse der T.
Außenwerbung GmbH korrigiert worden ist – zuzustellen, sind anfänglich
fehlgeschlagen.
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b) Die Verjährung ist daher gemäß den §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, 167 ZPO jedenfalls mit
dem Antrag der Klägerin auf Zustellung des Mahnbescheids an der Anschrift U. XXX in
L. am 17.11.2003 gehemmt worden. Die Hemmung der Verjährung hat in der Folgezeit
nicht geendet, da das Verfahren nicht mehr als sechs Monate in Stillstand geraten ist (§
204 Abs. 2 BGB).
34
Während des nachfolgenden Mahnverfahrens haben zwischen dem Zustellungsantrag
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der Klägerin, dem darauf erteilten Zustellungsauftrag des Amtsgerichts Coburg, der
Benachrichtigung der Klägerin über die Unzustellbarkeit des Mahnbescheids und deren
neuerlichem Zustellantrag jeweils deutlich weniger als sechs Monate gelegen. Auch
nach der schließlich erfolgreichen Zustellung des Mahnbescheids am 29.11. 2005 ist
das nunmehr streitige Verfahren innerhalb von Zeitabständen unter sechs Monaten
weiter betrieben worden. So hat der Beklagte am 22.12.2005 Widerspruch eingelegt und
dadurch das Verfahren gefördert (vgl. Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB,
Neubearbeitung 2009, § 204 Rn. 138). Im Anschluss an den Erhalt der
Widerspruchsnachricht am 29.12.2005 hat die Klägerin am 22.06.2006 die Abgabe an
das Prozessgericht beantragt und damit das Verfahren weiter betrieben (vgl.
Peters/Jacoby a.a.O.). Nach Eingang des weiteren Gerichtskostenvorschusses am
23.06.2006, der Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Köln am 15.07.2006 und
dem Zugang der gerichtlichen Aufforderung zur Anspruchsbegründung am 07.08.2006
hat die Klägerin einen entsprechenden Schriftsatz sodann am 05.02.2007 beim
Landgericht eingereicht.
Dann aber ist es entgegen der Ansicht des Landgerichts unerheblich, dass die Sache
ggf. nicht im Sinne des § 696 Abs. 3 ZPO alsbald nach der Erhebung des Widerspruchs
am 22.12.2005 abgegeben worden und Rechtshängigkeit deshalb erst mit Eingang der
Akten beim Landgericht am 15.07.2006 eingetreten ist. Für die Verjährungshemmung
kommt es nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB allein auf die Zustellung (bzw. nach § 167 ZPO
auf die Beantragung) des Mahnbescheids, nicht aber auf die Begründung der
Rechtshängigkeit an (vgl. BGH NJW 2009, 1213, 1215; 1996, 2152; Urt. v. 21.01.1971 –
VII ZR 137/69 – Rn. 13 f., zitiert nach juris; Vollkommer in: Zöller a.a.O. § 696 Rn. 6;
Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Auflage, § 204 Rn. 18 a. E.).
36
2. Die mit der Berufung noch geltend gemachten Zahlungsansprüche sind gerechtfertigt.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus den §§ 433 Abs. 2, 631 Abs. 1, 535 Abs. 2
BGB einen vertraglichen Anspruch auf Begleichung der in Rechnung gestellten
Installationskosten für die Erweiterung des Kommunikationssystems in Höhe von
umgerechnet 1.631,50 EUR sowie der Miete über umgerechnet 1.746,49 EUR für das
Jahr 2001.
37
Sofern sich der Beklagte damit verteidigt hat, nicht er, sondern seine frühere Ehefrau I. J.
sei Vertragspartnerin der Klägerin gewesen, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt,
dass der Beklagte das Formular über die Anmietung des Kommunikationssystems vom
22.09.1997 ohne einen Vertretungszusatz über der Zeile "Kunde/Versicherungsnehmer"
unterzeichnet und damit den Vertrag im eigenen Namen abgeschlossen hat. Die weitere
Ausweisung der "J. Aussenwerbung L." als Vertragspartnerin hat aus Sicht der Klägerin
mangels Hinzufügung eines Rechtsformzusatzes oder Ausweisung von Frau I. J. als
Alleininhaberin jenes Unternehmens nicht klar gestellt, dass sich der Beklagte, der nur
Angestellter der Firma gewesen sein will, nicht persönlich verpflichten wollte. Im
Übrigen hat der Beklagte zugestanden, dass er im Juli 1999 Mitinhaber des – jedenfalls
seitdem als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführten - Unternehmens "J.
Außenwerbung" geworden ist. Dann aber haftet er analog den §§ 28 Abs. 1, 128 S. 1
HGB für die vertraglichen Verbindlichkeiten von Frau I. J..
38
Die Vertragspartnerschaft zwischen der Klägerin und dem Beklagten hat sich auch auf
die Erweiterung des Kommunikationssystems im Jahr 2000 erstreckt, die nach dem
insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin im Auftrag des
Beklagten sowie im Rahmen des bestehenden Vertragsverhältnisses erfolgte. Soweit
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die Klägerin in Folge dessen die Miete für das Jahr 2001 auf umgerechnet 1.746,49
EUR erhöht hat, hat der Beklagte dagegen – ebenso wie hinsichtlich der Höhe der
geltend gemachten Installationskosten - keine Einwendungen erhoben.
Die von der Klägerin im Berufungsverfahren weiter verfolgten Zahlungsansprüche sind
nicht erloschen. Sofern der Beklagte behauptet hat, die in der Rechnung vom
25.11.2000 erfasste Miete für das Jahr 2001 sei gegenüber seiner früheren Ehefrau
tituliert und erfolgreich vollstreckt worden, hat das Landgericht den Beklagten zu Recht
für beweisfällig gehalten.
40
Sofern sich der Beklagte im Hinblick darauf, dass die Rechnungen nicht an ihn
persönlich, sondern an die "I. J. Aussenwerbung L. GbR" bzw. an die "J.
Aussenwerbung L." gerichtet waren, auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen hat, greift
dieser Einwand nicht. Hinsichtlich der Jahresmiete für 2001 ist schon nicht ersichtlich,
dass die Klägerin die vertraglich vereinbarten Mietpreise nochmals in einer Rechnung
aufzuführen hatte. Im Übrigen bezogen sich beide Rechnungen auf das
Außenwerbungsunternehmen J., deren Mitinhaber der Beklagte nach eigenem
Eingeständnis jedenfalls ab Juli 1999 war.
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3. Der geltend gemachte Zinsanspruch ist ebenfalls gerechtfertigt. Die Klägerin kann
vom Beklagten nach den §§ 286 Abs. 1, 284 Abs. 1, 3 S. 1 BGB a.F. bzw. §§ 288 Abs. 2,
286 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB n.F. die Verzinsung der im Berufungsverfahren weiter
geltend gemachten Summe von 3.377,99 EUR mit 8 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 01.01.2002 verlangen.
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Die am 25.11.2000 in Rechnung gestellte Jahresmiete 2001 über 1.746,49 EUR war zu
den in die Rechnung aufgenommenen Zahlungsterminen des 01.01.2001, 01.04. 2001,
01.07.2001 und 01.10.2001 fällig. Die in Ziffer 3.1 der Allgemeinen Bestimmungen zum
Miet-/Programmüberlassungsvertrag vorgesehene Vorleistungspflicht stellt keine
unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne des (gemäß Art. 229 § 5 S. 2
EGBGB anwendbaren) § 307 Abs. 1 BGB dar (vgl. Weidenkaff in: Palandt a.a.O. § 579
Rn. 3; Grüneberg in: Palandt a.a.O. § 309 Rn. 13). Gleiches gilt für den Umfang der auf
drei Monate erstreckten Vorleistungspflicht. Demnach befand sich der Beklagte mit der
geschuldeten Mietzinszahlung gemäß § 284 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. bzw. (ab dem
01.01.2003, vgl. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB) § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB n.F. seit dem
01.01.2002 auch ohne Ausspruch einer Mahnung in Verzug.
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Ebenfalls seit dem Jahr 2002 befindet sich der Beklagte mit der Begleichung der am
03.08.2000 in Rechnung gestellten Installationskosten von 1.631,50 EUR in Verzug.
Dass die Rechnung vom 03.08.2000 nicht zeitnah zugegangen ist, hat der Beklagte
nicht behauptet. Dann aber ist der Anspruch auf Zahlung der Installationskosten gemäß
Ziffer 3.3 der Allgemeinen Bestimmungen zum Miet-/Programmüberlassungsvertrag mit
Zugang der Rechnung fällig geworden. Dem zu Folge befand sich der Beklagte gemäß
§ 284 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. bzw. § 286 Abs. 3 S. 2 BGB n.F. jedenfalls ab dem
01.01.2002 mit der Rechnungsbegleichung in Verzug.
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II.
45
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 344 ZPO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
46
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Der Senat
weicht mit seiner Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs
ab noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus
grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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Streitwert für das Berufungsverfahren:
48