Urteil des OLG Köln vom 20.03.1998

OLG Köln (halter, person, verfolgungsverjährung, fahrverbot, versendung, fahrer, stpo, verjährung, beschränkung, eintritt)

Oberlandesgericht Köln, Ss 112/98 B - 70 B -
Datum:
20.03.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 112/98 B - 70 B -
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen. Das Fahrverbot
wird erst wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung
gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der
Rechtskraft. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e :
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Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von
DM 200,00 verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Mit der
Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird gerügt, vor Erlaß des Bußgeldbescheids sei
schon Verfolgungsverjährung eingetreten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,
"den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde" als unbegründet zu
verwerfen, da das Urteil keine zulassungsbedürftigen Fragen aufwerfe.
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Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft handelt es sich bei dem
Rechtsmittel des Betroffenen nicht um einen Antrag auf Zulassung der
Rechtsbeschwerde, sondern um eine Rechtsbeschwerde, da im angefochtenen Urteil
ein Fahrverbot verhängt worden ist (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG).
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Über die Rechtsbeschwerde hat nach § 80 a Abs. 2 OWiG i.d.F. des Gesetzes zur
Änderung des OWiG vom 26. Januar 1998 (BGBl. 1998 I, 156 ff) der Senat für
Bußgeldsachen in der Besetzung mit einem Richter zu entscheiden, da eine Geldbuße
von nicht mehr als DM 10.000,00 festgesetzt worden ist und auch keine Nebenfolge
vermögensrechtlicher Art hinzuzurechnen ist. Bei dem angeordneten Fahrverbot handelt
es sich um eine Nebenfolge nicht vermögensrechtlicher Art, die sich auf die Besetzung
des Senats nicht auswirkt (vgl. SenE vom 05.03.1998 - Ss 81/98 B).
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
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Ob eine Rechtsbeschwerde zumindest bei Verkehrsordnungswidrigkeiten wirksam auf
die Frage der Verfolgungsverjährung beschränkt werden kann (so OLG Frankfurt NStZ
1982, 35; OlG Celle NZV 1995, 40; Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 79 Rdn. 32; Hanack in
Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 344 Rdn. 18; vgl. jedoch: BGHSt 2, 385; BGH NJW
1984, 988, 989; OLG Celle VRS 31, 193; SenE vom 10.07.1987 - Ss 51/87), bedarf
keiner Entscheidung, da eine derartige Beschränkung des Rechtsmittels nicht eindeutig
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erklärt worden ist. Von einer Beschränkung eines Rechtsmittels kann nur ausgegangen
werden, wenn sich der Beschränkungswille zweifelsfrei ermitteln läßt (ständige
Senatsrechtsprechung, vgl. SenE VRS 76, 125; 77, 452). Die Rechtsmittelbeschränkung
muß wirklich gewollt und erklärt sein (OlG Düsseldorf VRS 76, 447, 448; SenE vom
23.02.1996 - Ss 39/96). Im Zweifel ist von einem unbeschränkten Anfechtungswillen
auszugehen (BGHSt 29, 359, 365 = NJW 1981, 589, 590). Allein der Umstand, daß sich
der Verteidiger in der Rechtsbeschwerdebegründung nur mit der Verjährungsfrage
befaßt, läßt einen Beschränkungswillen nicht zweifelsfrei erkennen.
Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Die Verjährung der am 13.10.1996
begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit ist am 31.10.1996 gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1
OWiG durch die Versendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen unterbrochen
worden. Durch die Übersendung eines Anhörungsbogens wird dem Betroffenen gemäß
§ 55 OWiG Gelegenheit gegeben, sich zur Beschuldigung zu äußern (vgl. Göhler,
OWiG, 11. Aufl., § 55 Rdn. 4). Darin liegt zugleich die Bekanntgabe der Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens (vgl. BGHSt 24, 321, 324; OLG Köln, 3. Strafsenat, VRS 66, 362;
Göhler, a.a.O., § 33 Rdn. 11). Es trifft zwar zu, daß durch die Versendung des
Anhörungsbogens an den Halter eines Fahrzeugs nicht die Verjährung gegenüber dem
noch unbekannten Fahrer unterbrochen wird (BGHSt 24, 321 = NJW 1972, 914; BGH
NJW 1997, 598 = NStZ 1997, 346; OLG Köln, 3. Strafsenat, VRS 66, 362; SenE VRS
72, 208 und 84, 106). In den Fällen, in denen dieser Grundsatz anerkannt wurde,
handelte es sich aber um solche, in denen der Halter nicht mit dem Fahrer identisch war.
Für Fälle, in denen der Halter und der Fahrer identisch sind, gelten andere Grundsätze:
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Wenn die Verwaltungsbehörde zunächst gegen den Halter ermittelt und ihm einen
Anhörungsbogen zusendet, so hat die Zusendung des Anhörungsbogens ihm
gegenüber verjährungsunterbrechende Wirkung, auch wenn erst später geklärt wird,
daß der Halter und der Fahrer identisch sind (OLG Hamm NStZ 1981, 225 = MDR 1981,
607; KK OWiG - Weller, § 33 Rdn. 23). In einem solchen Fall richtet sich die
Ermittlungshandlung nicht gegen eine unbekannte Person, sondern gegen eine
bestimmte Person, nämlich gegen die der Verwaltungsbehörde bekannte Person des
Halters. Auch wenn die Verdächtigung zunächst ohne ausreichende tatsächliche
Grundlage erhoben worden ist und deshalb weitere Ermittlungen nach der Person des
Fahrzeugführers durchgeführt werden, ändert sich nichts daran, daß das
Ermittlungsverfahren zunächst gegen den Halter eingeleitet und ihm bekanntgegeben
worden ist (BayObLG VRS 57, 218). Ergeben die Ermittlungen, daß der Halter auch
Fahrer war, bedarf es keiner weiteren Anhörung nach § 55 OWiG; vielmehr wird das
Verfahren weitergeführt. Dem Halter gegenüber vorgenommene Ermittlungshandlungen
behalten ihre verjährungsunterbrechende Wirkung.
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Die von der Rechtsbeschwerde zitierte Rechtsprechung betrifft ein Problem, das sich im
vorliegenden Fall nicht stellt, nämlich die - zu verneinende - Frage, ob in einem
Ermittlungsverfahren "gegen Unbekannt", in dem die Personalien des unbekannten
Fahrzeugführers erst ermittelt werden sollen, die Person, auf die sich die
Unterbrechungshandlung bezieht, durch ein bei den Akten befindliches, zur
Identifizierung geeignetes Beweisfoto hinreichend bestimmt ist (vgl. BGH NJW 1997,
598 = NStZ 1997, 346; OLG Hamburg NZV 1997, 286 = VRS 93, 115; OLG Hamm DAR
1997, 250 = VRS 93, 368; SenE vom 14.03.1997 - Ss 663/95). Im vorliegenden Fall
wurde nicht "gegen Unbekannt", sondern gegen den Halter ermittelt. Ob der der
Versendung des Anhörungsbogens zugrunde liegende Verdacht, der Halter habe selbst
die Ordnungswidrigkeit begangen, von der Verwaltungsbehörde selbst angezweifelt und
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durch weitere Ermittlung überprüft wurde und sich erst später bestätigte, ändert nichts
daran, daß die in der Versendung des Anhörungsbogens liegende
Unterbrechungshandlung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG sich gegen eine bestimmte
Person, und zwar gegen den "der Person nach" damals schon bekannten Betroffenen
des vorliegenden Verfahrens richtete.
Nachdem also durch Versendung des Anhörungsbogens an den Betroffenen am
31.10.1996 die Verjährung wirksam unterbrochen wurde, erging der Bußgeldbescheid
vom 23.01.1997 vor Eintritt der Verfolgungsverjährung. In der Folgezeit ist die
Verjährungsfrist von sechs Monaten (§ 26 Abs. 3 StVG) jeweils rechtzeitig durch den
Eingang der Akten beim Amtsgericht (§ 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG) am 14.04.1997, durch
den Amtsgerichtsbeschluß vom 18.04.1997, mit dem das Verfahren wegen Verjährung
eingestellt wurde (vgl. hierzu Göhler, a.a.O., § 33 Rdn. 43) und durch die
Terminsbestimmung (§ 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG) am 05.09.1997 unterbrochen worden.
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Da eine wirksame Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf die Frage der
Verfolgungsverjährung nicht vorliegt, bedeutet die Rüge, Verfolgungsverjährung sei
eingetreten, die allgemeine Sachrüge (vgl. BGH NJW 1984, 988, 989; OLG Celle VRS
31, 193; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. SenE vom 05.05.1987 - Ss 570/86 und
vom 10.07.1987 - Ss 51/87; Hanack in Löwe/ Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 344 Rdn. 74
m.w.N.).
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Das angefochtene Urteil läßt aber keinen materiell-rechtlichen Fehler erkennen. Der auf
eine Radarmessung und ein Geständnis des Betroffenen gestützte Schuldspruch ist
rechtsfehlerfrei. Die verhängte Geldbuße und das angeordnete Fahrverbot entsprechen
der Bußgeldkatalogverordnung, wobei dem angefochtenen Urteil entnommen werden
kann, daß das Amtsgericht sich der Möglichkeit bewußt war, von dem Regelfahrverbot
abzusehen (BGH NJW 1992, 446 = VRS 82, 223). Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht
das Vorliegen eines besonderen Härtefalles ausgeschlossen.
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Nach der Neufassung des § 25 Abs. 2 AStVG (Gesetz zur Änderung des OWiG vom
26.01.1998) hat der Senat allerdings zu bestimmen, daß das Fahrverbot erst wirksam
wird, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit
Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Nach § 4 Abs. 3 OWiG, § 354a
StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG ist diese für den Betroffenen günstige Gesetzesänderung
auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren zu berücksichtigen (vgl. SenE vom 05.03.
1998 - Ss 81/98). Die Voraussetzungen dieser Abweichung von der Regel des § 25
Abs. 2 und Abs. 5 StVG müssen grundsätzlich vom Tatrichter festgestellt werden. Das
Rechtsbeschwerdegericht kann keine neuen tatsächlichen Feststellungen treffen (vgl.
SenE vom 05.03.1998 - Ss 812/98). Wenn - wie im vorliegenden Fall - dem
amtsgerichtlichen Urteil entnommen werden kann, daß keine Voreintragungen im
Verkehrszentralregister vorliegen, kann der Senat auf dieser Tatsachengrundlage die
Anordnung nach § 25 Abs. 2 a StVG selbst treffen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 StPO. Die Ergänzung
des Rechtsfolgenausspruchs um die nunmehr in § 25 Abs. 2 a StVG n.F. vorgesehene
"Bestimmung" gibt keinen Anlaß, die Gerichtsgebühr zu ermäßigen und die
notwendigen Auslagen des Betroffenen teilweise der Staatskasse aufzuerlegen (vgl.
SenE vom 02.03.1998 - Ss 66/98 B).
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