Urteil des OLG Köln vom 27.11.2007

OLG Köln: daten, berufliche tätigkeit, schule, meinungsfreiheit, schüler, einstweilige verfügung, schutzwürdiges interesse, lehrer, pflicht zur duldung, internetseite

Oberlandesgericht Köln, 15 U 142/07
Datum:
27.11.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 U 142/07
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 28 O 263/07
Tenor:
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landge-
richts Köln vom 11.07.2007 - 28 O 263/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Verfügungsklägerin.
Dieses Urteil wird mit seiner Verkündung rechtskräftig.
G r ü n d e :
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I.
2
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Nennung und Bewertung der
Verfügungsklägerin in ihrer Eigenschaft als Lehrerin auf der Homepage der
Verfügungsbeklagten. Die Verfügungsklägerin ist Lehrerin am K-T-Gymnasium in O-W
und unterrichtet dort die Fächer Deutsch und Religion. Die Verfügungsbeklagte zu 4),
deren Geschäftsführer und Gesellschafter die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) sind,
betreibt die Homepage www.T.de. Bis zur Eintragung der Gesellschaft in das
Handelsregister wurde die Homepage von der "T GmbH iG" betrieben, deren
Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls die Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3)
waren. Bei der Homepage www.T.de handelt es sich um ein sog. Community-Portal, bei
welchem die Inhalte des Dienstes - auch - durch die Nutzer gestaltet werden.
Angemeldete Benutzer tragen ihre Daten in ein Profil ein, sie können ein Profil über sich
anlegen, Gruppen und Clubs bilden und mit anderen Mitgliedern des Netzwerkes
kommunizieren. Bei der als Schüler-Portal konzipierten Homepage der
Verfügungsbeklagten, die derzeit über circa 200.0000 angemeldete Mitglieder verfügt,
können angemeldete Nutzer Informationen über sich selbst zur Verfügung stellen, über
das Portal Nachrichten an andere Nutzer senden oder eigene soziale Kontaktnetze,
bestehend aus "Freunden", "Mitgliedern einer Stufe" und "Clubs" aufbauen. Bestandteil
des jeweiligen Schülerprofils ist neben den Rubriken "Meine Seite", "Meine Freunde",
"Nachrichten", "Meine Stadt" u. ä. die Rubrik "Meine Schule". In dieser Rubrik kann der
Schüler allgemein Meinungen über die Schule in vielerlei Aspekten in Form einer
Notengebung äußern. So werden die Ausstattung der Schule, das Schulgebäude und
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auch Faktoren wie der "Flirt-Faktor" bewertet. Auf dieser Schulseite existiert auch ein
"Lehrerzimmer", in dem die Namen einzelner Lehrer, die an der Schule unterrichten,
verzeichnet sind. Diese Namen werden von den Schülern eingetragen, was nur möglich
ist, wenn der Eintragende als Schüler der betreffenden Schule bei www.T.de registriert
ist. Um als Schüler eine Registrierung zu der Homepage www.T.de zu erhalten, muss
der exakte Namen der Schule, ein Benutzername und eine E-Mail-Adresse angegeben
werden. An die E-Mail Adresse wird ein Passwort versandt, mit dem sich der Nutzer
jeweils anmelden kann. Ferner ist es möglich, sich als "Interessierter" anzumelden,
worunter die Verfügungsbeklagten Lehrer oder Eltern verstehen. Dies erfordert ebenfalls
die Angabe eines Benutzernamens und einer E-Mail-Adresse. Bewertungen der Lehrer
kann nur eine bei T als Schüler registrierte Person und auch nur für die Lehrer der
angegebenen eigenen Schule vornehmen. Einsehbar ist die Bewertungsseite für alle
als Schüler oder Interessierte registrierten Benutzer.
Im "Lehrerzimmer" ist der Nachname der Lehrerin oder des Lehrers aufgeführt. Klickt
man die zu einem Lehrer gehörende Schaltfläche an, so gelangt man zu einer
Unterseite, aus der der Zuname, die unterrichteten Fächer und die Schule, an der der
Lehrer oder die Lehrerin unterrichtet, hervorgehen. Darüber hinaus wurden auch die mit
Schulnoten von 1 – 6 zu bewertenden Kriterien "sexy", "cool und witzig", "beliebt",
"motiviert", "menschlich", "gelassen", "guter Unterricht", "leichte Prüfungen" und "faire
Noten" angezeigt. Im September 2007 haben die Verfügungsbeklagten die Kriterien
"sexy", "gelassen" und "leichte Prüfungen" aus dem Lehrerbewertungsmodul
herausgenommen und durch die Kriterien "fachlich kompetent", "gut vorbereitet", "faire
Prüfungen" und "vorbildliches Auftreten" ersetzt. Aus dem Durchschnitt der für den
jeweiligen Lehrer abgegebenen Bewertungen wird auf der Bewertungsseite eine
Gesamtbewertung errechnet, wobei auch die Zahl der abgegebenen Bewertungen
genannt wird. Bewertungsergebnisse werden auf dem Bewertungsmodul erst angezeigt,
wenn mindestens vier Schüler einen Lehrer bewertet haben. Bewertungen, die
ausschließlich aus dem Wert "1"oder dem Wert "6"bestehen, fließen nicht in das
Bewertungsergebnis ein. Das Bewertungsergebnis kann auch als "Zeugnis"
ausgedruckt werden. Auch hier werden der Name des zu bewertenden Lehrers, die
Schule, an der er unterrichtet, die Noten in den einzelnen Bewertungskategorien und die
Gesamtnote ausgedruckt. Ferner können die als Schüler der Schule angemeldeten
Nutzer in einer Zitatsektion angebliche Zitate der bewerteten Lehrer auf die Homepage
einstellen, die sodann ebenfalls von angemeldeten Nutzern auf der Homepage
abgerufen werden können.
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Nachdem die Verfügungsklägerin Anfang Mai 2007 davon erfahren hat, dass sie mit
Namen, Schule, an der sie unterrichtet, und dem Fach Deutsch auf der Domain
www.T.de genannt worden ist und mit vier Schülerbewertungen in den oben genannten
Einzelkategorien mit einer Gesamtnote von 4,3 bewertet worden ist, hat sie vor dem
Landgericht Köln den Erlass einer Unterlassungsverfügung beantragt. Mit Beschluss
vom 15.05.2007 hat das Landgericht den Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) unter
Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel entsprechend dem damaligen Antrag der
Verfügungsklägerin verboten, auf der Internetseite www.T.de Daten betreffend die
Verfügungsklägerin bestehend aus Vor- und Zunamen, Schule, an der die
Verfügungsklägerin unterrichtet und ihre unterrichteten Fächer zu veröffentlichen.
Wegen der Einzelheiten der einstweiligen Verfügung wird auf Bl. 21 f. d. A. verwiesen.
Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten zu 1) bis 3) hat das Landgericht Köln mit
Urteil vom 11.07.2007 – 28 O 263/07 – die einstweilige Verfügung vom 15.05.2007
aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Zur
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Begründung hat es ausgeführt, dass der Verfügungsklägerin der geltend gemachte
Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weder unter dem Gesichtspunkt
einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch wegen Verletzung
datenschutzrechtlicher Vorschriften zustehe. Eine Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts liege nicht vor, weil die Daten der Verfügungsklägerin – die von
den Verfügungsbeklagten unstreitig korrekt wiedergegeben worden seien – aus
allgemein zugänglichen Quellen entnommen worden seien. Auch aus dem
Zusammenhang der Veröffentlichung der Daten mit den Bewertungskriterien des
Lehrerbewertungsmoduls folge kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, weil
die beanstandete Bewertung vom Grundrecht auf Meinungsäußerung umfasst sei. Die
Bewertung der Verfügungsklägerin als Lehrerin in dem Portal der Verfügungsbeklagten
stelle keine unwahre Tatsachenbehauptung dar und sei auch nicht als unzulässige
Schmähkritik anzusehen. Die Bewertungen stellten keine bloßen Diffamierungen dar
und entbehrten auch nicht eines erforderlichen Sachbezuges, da sich die jeweiligen
Schüler mit dem Verhalten und Auftreten der Lehrer auseinandersetzten. Schließlich
könne die Verfügungsklägerin Unterlassungsansprüche auch nicht aus dem
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) herleiten. Zwar handele es sich bei den Angaben
zur Person der Verfügungsklägerin um Daten im Sinne des § 3 BDSG. Die Speicherung
und Veröffentlichung der Daten der Verfügungsklägerin in ihrer konkreten Ausgestaltung
sei jedoch durch § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG gestattet.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der landgerichtlichen Entscheidung sowie der
erstinstanzlichen Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Köln, Bl. 247 bis Bl. 257
d. A. Bezug genommen.
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Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Verfügungsklägerin ihr
Unterlassungsbegehren weiter. Sie macht geltend, das Landgericht habe die
vorzunehmende Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit der Verfügungsbeklagten
und dem Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin unzutreffend und unvollständig
vorgenommen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei durch die auf der
Internetseite www.T.de enthaltene Bewertungsmöglichkeit die Privatsphäre der
Verfügungsklägerin betroffen. Indem die Verfügungsklägerin per Notengebung bewertet
werde, ob sie "sexy", "cool und witzig", "menschlich" und "gelassen" sei, seien private
Charaktereigenschaften und ihre sexuelle Identität betroffen. Gerade sexuelle
Äußerungen würden auch dann dem Bereich der Privatsphäre zugerechnet, wenn
solche Äußerungen sich auf den Arbeitsplatz bezögen. Soweit die Bewertungskriterien
von den Verfügungsbeklagten nunmehr geändert worden seien, führe dies zu keiner
anderen rechtlichen Bewertung. Die nach wie vor im Bewertungsmodul enthaltenen
Kriterien "cool und witzig", "menschlich" und "beliebt" bezögen sich ausschließlich auf
Charaktereigenschaften der zu bewertenden Verfügungsklägerin und wiesen keinerlei
Bezug zu ihrer Berufsausübung auf. Bei allen weiteren Kriterien sei jedenfalls die
Sozialsphäre der Verfügungsklägerin betroffen. Alle Bewertungen verletzten aufgrund
der gleichzeitigen Nennung persönlicher Daten der Verfügungsklägerin deren Recht auf
informationelle Selbstbestimmung. Durch die auf der Website enthaltene Rubrik "Zitate"
werde zudem das Recht der Verfügungsklägerin am gesprochenen Wort gemäß Artikel
2 GG tangiert. Hierzu gehöre auch die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob der
Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis
oder der Öffentlichkeit zugänglich sein solle, wobei es nicht darauf ankomme, ob es sich
bei den ausgetauschten Informationen um besonders persönlichkeitssensible
Kommunikationsinhalte handele. Entgegen der Auffassung des Landgerichts handele
es sich bei den auf der Website enthaltenen Informationen auch nicht in erster Linie um
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Werturteile, sondern um Tatsachen. Grundlage der Internetseite sei die
Tatsachenbehauptung, dass Schüler ihre Lehrer bewertet hätten. Diese Behauptung,
die einem Beweis offen stehe, sei von der Verfügungsklägerin bereits erstinstanzlich
bestritten worden. So könne sich jedermann unter Angabe eines frei gewählten Vor- und
Nachnamens und lediglich korrekter Bezeichnung der Schule auf der Internetseite der
Verfügungsbeklagten als Schüler anmelden und Bewertungen abgeben. Schließlich
habe das Landgericht zu Unrecht eine Verletzung datenschutzrechtlicher Normen
verneint. Eine Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 4 BDSG stehe
der Verfügungsklägerin schon deshalb zu, weil sie in die Veröffentlichung ihrer
personenbezogenen Daten nicht eingewilligt habe.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
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1.
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Den Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, die persönlichen Daten der
Verfügungsklägerin bestehend aus Name, Schule, an der sie unterrichtet und ihre
unterrichteten Fächer im Zusammenhang mit der Gesamt- und Einzelbewertung der
Verfügungsklägerin durch Notengebung von 1 bis 6, ob sie cool und witzig, beliebt,
motiviert, menschlich, fachlich kompetent, gut vorbereitet sei, ob sie guten Unterricht
mache, faire Prüfungen und faire Noten erteile und ein vorbildliches Auftreten habe, auf
der Internetseite www.T.de zu veröffentlichen.
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2.
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Den Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, die persönlichen Daten der
Verfügungsklägerin bestehend aus Name, Schule, an der sie unterrichtet und ihre
unterrichteten Fächer im Zusammenhang mit der Rubrik Zitate: "Alles, was Frau Dr. D
schon so vom Stapel gelassen hat (Lustiges, Fieses...)"auf der Internetseite www.T.de
zu veröffentlichen.
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3.
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Den Verfügungsbeklagten zu untersagen, die persönlichen Daten der
Verfügungsklägerin bestehend aus Name, Schule, an der sie unterrichtet und ihre
unterrichteten Fächer im Zusammenhang mit einem mit T.de unterzeichneten Zeugnis,
in dem Einzelbenotungen und eine Gesamtbenotung angegeben sind durch
Notengebung von 1 bis 6, ob sie cool und witzig, beliebt, motiviert, menschlich, fachlich
kompetent, gut vorbereitet sei, ob sie guten Unterricht mache, faire Prüfungen und faire
Noten erteile und ein vorbildliches Auftreten habe, auf der Internetseite www.T.de zu
veröffentlichen.
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4.
15
Den Verfügungsbeklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden
Verpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu 250.0000,00 € und für den Fall, dass dieses
nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten
anzudrohen.
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Hilfsweise beantragt die Verfügungsklägerin,
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die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 15.05.2007 – 28 O 263/07 – zu
bestätigen und wie folgt neu zu fassen:
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Den Verfügungsbeklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu
250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der
Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden Fall der
Zuwiderhandlung verboten, auf der Internetseite www.T.de Daten betreffend die
Verfügungsklägerin bestehend aus Name, Schule, an der die Verfügungsklägerin
unterrichtet und ihre unterrichteten Fächer zu veröffentlichen.
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Die Verfügungsbeklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Verfügungsbeklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Die Berufung der
Verfügungsklägerin sei bereits unzulässig, weil sie mit ihrer Berufungsbegründung und
mit Schriftsatz vom 10.08.2007 Berufungsanträge gestellt habe, die in ihrer wesentlichen
Substanz vom Verfügungsantrag abwichen. Mit ihren neuen Anträgen ändere die
Verfügungsklägerin den Streitgegenstand und führe zusätzliche Sachverhaltselemente,
deren Prüfung für den ursprünglichen Antrag nicht erforderlich gewesen sei, in den
Rechtsstreit ein. In Bezug auf die Zitatfunktion und die Zeugnisfunktion des
Lehrerbewertungsmoduls fehle es darüber hinaus an einem Verfügungsgrund. So
hätten die Verfügungsbeklagten bereits mit Widerspruchsbegründung vorgetragen und
belegt, dass beide Eigenschaften am 13.06.2007 auf der streitgegenständlichen
Internetseite enthalten gewesen seien. Spätestens seit Zustellung dieses Schriftsatzes
habe die Verfügungsklägerin auch Kenntnis beider Funktionen gehabt. Zutreffend habe
das Landgericht einen Unterlassungsanspruch der Verfügungsklägerin verneint, weil
die im Internetdienst T.de enthaltenen Äußerungen aufgrund der Meinungsfreiheit
zulässig seien. Zu Unrecht gehe die Verfügungsklägerin davon aus, dass eine
zulässige Meinungsäußerung nur bei Vorliegen eines "berechtigten" oder "öffentlichen"
Interesses an der Äußerung dem Schutz des Artikel 5 GG unterfalle. Dass auch Schüler,
die in Bezug auf das Unterrichtsverhalten von Lehrern im Übrigen die einzige
tatsächliche Quelle darstellten, von ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung
Gebrauch machen dürften, stehe außer Frage. Die Artikulation der eigenen Meinung
über das Internetangebot eines Dritten erleichtere den Schülern die Ausübung der
Meinungsfreiheit, da keine technischen Kenntnisse erforderlich seien und – so
zumindest beim Angebot der Verfügungsbeklagten – keine Kosten für die Ausübung des
Grundrechts auf Meinungsfreiheit anfielen. Der Umstand, dass nur Schüler über das
dienstliche Verhalten von Lehrern Auskunft geben könnten, mache das dienstliche
Verhalten der Lehrer auch nicht zu deren Privatsache. Für einen Schutz durch Artikel 5
GG komme es auch nicht darauf an, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, rational oder
emotional, begründet oder grundlos sei und ob sie für nützlich oder schädlich gehalten
werde. Gerade in der Möglichkeit einer kollektiven Meinungsäußerung, die erst durch
das Erreichen einer gewissen kritischen Masse ihre Durchschlagskraft erhalte, bestehe
der Mehrwert für den Meinungsbildungsprozess, den der Dienst T.de gegenüber den
Schülern und der Gesellschaft erbringe. Sämtliche Bewertungskriterien seien auch
allein dem beruflichen Verhalten der jeweiligen Pädagogen zugeordnet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der
zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, welche
Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat waren.
23
II.
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Die Berufung ist zulässig. Insbesondere liegt in der von der Verfügungsklägerin mit
Einlegung der Berufung vorgenommenen Neufassung ihrer Anträge keine
Klageänderung gemäß §§ 263, 533 ZPO. Vielmehr handelt es sich bei der Neufassung
der Anträge lediglich um eine Klarstellung bzw. Konkretisierung des ursprünglichen
Verfügungsantrages. Bereits in ihrer Antragsschrift vom 11.05.2007 hat die
Verfügungsklägerin im Einzelnen dargelegt, dass die Nennung ihrer persönlichen Daten
in Zusammenhang mit den von den Verfügungsbeklagten entworfenen
Bewertungskriterien und der Zitatfunktion ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletze.
Der dem ursprünglichen Verfügungsantrag und jetzigem Hilfsantrag zugrunde liegende
Lebenssachverhalt betraf daher auch gerade die Nennung der persönlichen Daten der
Verfügungsklägerin im Zusammenhang mit dem Bewertungsmodul. Dürften die
persönlichen Daten, bestehend aus Zuname, Schule und unterrichteten Fächern, auf
der Internetseite der Verfügungsbeklagten nicht mehr erscheinen, entfiele damit
automatisch auch eine Bewertungsmöglichkeit der Verfügungsklägerin.
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Bei der Einbeziehung der Verfügungsbeklagten zu 4) in den Rechtsstreit handelt es sich
um eine subjektive Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO (vgl. Zöller-Greger, ZPO,
26. Aufl., § 263 Rdnrn. 3, 9), die gemäß § 533 ZPO zulässig ist. Unstreitig ist die
Verfügungsbeklagte zu 4) jetzt Anbieterin und Betreiberin der Website www.T.de und im
Impressum als solche angegeben. Eine Sachdienlichkeit im Sinne von § 533 Nr. 1 ZPO
ist gegeben, weil die Zulassung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen
Rechtsstreits auszuräumen und einem weiteren Rechtsstreit vorzubeugen. Auch muss
durch die Einbeziehung der Verfügungsbeklagten zu 4) über keinerlei neue oder andere
Tatsachen entschieden werden, als in dem Rechtsstreit gegen die Verfügungsbeklagten
zu 1) bis 3), § 533 Nr. 2 ZPO. Das gesamte erstinstanzliche Vorbringen der
Verfügungsbeklagten zu 1) - 3), auf das sich die Verfügungsbeklagte zu 4) in ihrem
Schriftsatz vom 05.11.2007 auch bezieht, gilt gleichermaßen für die Verfügungsbeklagte
zu 4), so dass durch die jetzige Einbeziehung ein Verlust einer Instanz nicht gegeben
ist.
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In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet. Zwar fehlt es entgegen dem
Vorbringen der Verfügungsbeklagten nicht an einem Verfügungsgrund. In Bezug auf die
Verfügungsbeklagte zu 4) hat die Verfügungsklägerin vorgetragen und glaubhaft
gemacht, dass sie am 20.09.2007 von einer Änderung des Impressums der Website
Kenntnis erlangt hat. Erweitert worden ist der Antrag auf die Verfügungsbeklagte zu 4)
mit Schriftsatz vom 11.10.2007, so dass eine Dringlichkeit gegeben ist. In Bezug auf die
"Zitatfunktion"und "Zeugnisfunktion"kann offen bleiben, zu welchen Zeitpunkten die
Verfügungsklägerin hiervon Kenntnis erlangt hat, weil diese bereits von ihrem
ursprünglichen Antrag, für den eine Dringlichkeit vorlag, umfasst waren.
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Der Verfügungsklägerin steht jedoch kein Verfügungsanspruch zu. Ein
Unterlassungsanspruch ergibt sich weder unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung
ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch wegen Verletzung datenschutzrechtlicher
Bestimmungen.
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1.
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In der Bewertung der Verfügungsklägerin auf der Internetseite www.T.de liegt keine
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Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1
GG i. V. m. §§ 823, 1004 BGB analog. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass
es sich bei dem Namen der Verfügungsklägerin, ihrer beruflichen Tätigkeit und der von
ihr unterrichteten Fächer, um – wahre – Tatsachenbehauptungen handelt. Die
vorgenommenen bzw. vorzunehmenden Bewertungen der Verfügungsklägerin sind vom
Landgericht zutreffend als Meinungsäußerung bzw. Werturteil angesehen worden. Ob
eine Äußerung ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung darstellt, ist nach ihrem
Inhalt, so wie sie in ihrem Gesamtzusammenhang von den angesprochenen
Verkehrskreisen verstanden wird, zu bestimmen (BGH NJW 1988, 1589). Vom
Überwiegen des tatsächlichen Charakters wird ausgegangen, wenn die Wertung sich
als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt und damit
eine Beweisaufnahme über die Wahrheit der behaupteten tatsächlichen Umstände
möglich ist (BVerfG, AfP 2003, 43, 45). Ist die Äußerung hingegen durch die Elemente
der Stellungnahme, der Beurteilung und der Wertung geprägt, ist von einer
Meinungsäußerung auszugehen (BVerfG NJW 1985, 3303; OLG Hamburg, AfP 1992,
165; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 4,
Rdn. 48). Ebenso ist von einer Meinungsäußerung auszugehen, wenn der tatsächliche
Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber dem Wertungscharakter in
den Hintergrund tritt (BGH NJW 1992, 1439, 1440; BGH NJW-RR 2001, 411). Nach
diesen Grundsätzen stellen alle Kriterien des Bewertungsmoduls und auch der
Zeugnisfunktion im Zusammenhang mit der Nennung der personenbezogenen Daten
der Verfügungsklägerin, die allerdings insoweit lediglich den Bezugspunkt bilden,
Werturteile dar. Keines der Kriterien wäre auch soweit es sich um ein
unterrichtsbezogenes Kriterium handelt - einem Beweis zugänglich, so dass insgesamt
eine Meinungsäußerung vorliegt. Das Bewertungsforum des Schülerportals T.de fällt
daher in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Abs.
1 GG.
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gilt allerdings nicht vorbehaltlos. Es findet in Artikel
5 Abs. 2 GG seine Schranken u. a. in den allgemeinen Gesetzen und dem Recht der
persönlichen Ehre. Kollidiert das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 Abs. 1
GG bzw. ein auf dieser Grundlage in Betracht kommendes Unterlassungsbegehren
gemäß §§ 823, 1004 BGB mit dem Recht der Freiheit auf Meinungsäußerung nach
Artikel 5 Abs. 1 GG, ist tatrichterlich eine Abwägung zwischen den beiderseitigen
Grundrechtspositionen im Rahmen der Tatbestandsmerkmale der einschlägigen
zivilrechtlichen Normen vorzunehmen (BVerfG NJW 1999, 2358, 2359; BVerfG NJW
1999, 1322, 1323; BVerfG NJW 1998, 2889, 2890). Einzubeziehen in diese Abwägung
ist die Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und
die Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits,
wobei grundsätzlich die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind
(BVerfG NJW 1999, 1322, 1323, BVerfG NJW 1999, 2358, 2359). So findet auch eine
wertende Kritik regelmäßig ihre Grenze dort, wo es sich um eine reine Schmähkritik
oder eine Formalbeleidigung handelt oder sich die Äußerung als Angriff auf die
Menschenwürde darstellt (BVerfG NJW 1999, 2358, 2359; BVerfG NJW 1999, 1322,
1324; BGH NJW 2002, 1192, 1193).
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Unter Abwägung dieser Kriterien stellen die Bewertungsmöglichkeiten im Schülerportal
der Verfügungsbeklagten einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin nicht dar. Soweit die Bewertung unter den
Kriterien "guter Unterricht", "fachlich kompetent", "motiviert", "faire Noten", "faire
Prüfungen" und "gut vorbereitet" sowohl im Bewertungsmodul als auch im Zeugnis
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stattfindet, sind nicht das Erscheinungsbild oder die allgemeine Persönlichkeit der
Verfügungsklägerin betroffen, sondern die konkrete Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit
und damit ihre Sozialsphäre. Auch die Erklärungen und Kommentare, die auf der
Homepage als Orientierung zu den einzelnen Kriterien des Bewertungsmoduls
vorgegeben werden, stellen rein sach- und unterrichtsbezogene Kriterien dar. So
werden "fairen Prüfungen", "fairen Noten" und "gut vorbereitet", die als Bestnote mit
einer "1"zu bewerten sind, die Kriterien "unfaire Prüfungen", "unfaire Noten" und "
schlecht vorbereitet" entgegengesetzt. Das Gegenteil von "gutem Unterricht" wird als
"schlechter Unterricht" und das Gegenteil von "motiviert" als "unmotiviert" definiert. Eine
Schmähkritik oder auch ein An-den-Pranger-Stellen der Verfügungsklägerin ist durch
die Möglichkeit dieser Schülerbewertung und den Umstand, dass ihr Name im
Zusammenhang mit den Bewertungskriterien genannt wird, nicht gegeben. Dabei ist im
Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen, dass eine Bewertung unter den
genannten Kriterien durchaus für eine Orientierung von Schülern und Eltern dienlich
und zu einer wünschenswerten Kommunikation, Interaktion und erhöhter Transparenz
führen kann. Gerade der schulische Bereich und die konkrete berufliche Tätigkeit von
Lehrern sind durch Bewertungen gekennzeichnet, so dass es – auch vor dem
Hintergrund eines Feedbacks – nahe liegt, diese im Rahmen einer Evaluation
zurückzugeben. Vergleichbar mit Zeugnisbewertungen von Schülern, denen
kontinuierliche mündliche und schriftliche Leistungskontrollen zugrunde liegen und die
unter bestimmten Vorrausetzungen auch rechtlich nachprüfbar sind, sind diese
Bewertungen nicht. Sie stellen, obwohl in Notenstufen angegeben, eher gegriffene,
subjektive Einschätzungen widerspiegelnde Wertungen dar, die dennoch geeignet sein
können, Schülern und Lehrern eine gewisse Orientierung in der Einschätzung der
bewerteten Kriterien zu ermöglichen. Hier verhält es sich ähnlich wie bei Bewertungen
in Schülerzeitungen, die als solche ebenfalls vermehrt ins Internet gestellt werden.
Einzubeziehen in die Abwägung ist auch der Umstand, dass die Bewertung nicht
erscheint, wenn der Name der Verfügungsklägerin in Internet-Suchmaschinen
eingegeben wird, sondern lediglich nach erfolgter Anmeldung auf der Homepage
www.T.de. Auch auf dem Schülerportal www.T.de ist es nicht möglich, nach dem
Namen eines einzelnen Lehrers zu suchen. Eingegeben werden kann lediglich die
konkrete, exakt zu bezeichnende Schule und erst dann kann das Lehrerzimmer mit den
dort genannten Lehrern angeklickt werden. Insoweit ist gerade kein uneingeschränkt
"öffentliches" Bewerten der Lehrerinnen und Lehrer und kein uneingeschränkter Zugang
im Internet zu diesen Bewertungen gegeben, sondern diese werden lediglich unter den
einzelnen Schulen aufgeführt, die im Wesentlichen von interessierten Schülern oder
Eltern eingegeben und aufgesucht werden dürften. Ferner haben die
Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, dass
Bewertungen nach 12 Monaten gelöscht werden, wenn zwischenzeitlich keine neuen
Bewertungen erfolgt sind, was zwischen den Parteien unstreitig ist.
Vor diesem Hintergrund vermag die Schwere einer eventuellen
Persönlichkeitsbeeinträchtigung der Verfügungsklägerin durch die Bewertung eine
Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Bewertung nicht zu
rechtfertigen. Dies gilt auch für die Bewertungsmöglichkeiten "cool und witzig",
"menschlich", "beliebt" und "vorbildliches Auftreten". Diese Bewertungsmöglichkeiten
knüpfen zwar an ein Auftreten innerhalb des schulischen Wirkungskreises an, der
bewertete Lehrer wird jedoch auch in seiner allgemeinen Persönlichkeit beurteilt, so
dass jedenfalls auch die Privatsphäre des Beurteilten betroffen ist. Werden nicht nur ein
berufliches Wirken, sondern auch private Attribute, die sicherlich im Rahmen dieses
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beruflichen Wirkens eine Rolle spielen mögen, herangezogen, ist zu berücksichtigen,
welche Rückwirkungen eine Äußerung auf die persönliche Integrität des Betroffenen hat
und ob vor dem Hintergrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Artikel 2 Abs.
1 GG tatsächlich eine Pflicht zur Duldung der Äußerung besteht ( BVerfG NJW 1999,
2358, 2359). Gemessen an diesen Maßstäben begegnen diejenigen Bewertungen der
Verfügungsklägerin, die – jedenfalls auch – auf die Bewertung ihrer allgemeinen
Persönlichkeit abzielen, ebenfalls keinen Bedenken. Dabei kann offen bleiben, ob auch
die Bewertung der Verfügungsklägerin unter dem Kriterium "sexy", dem auf der
Homepage www.T.de als Negativkriterium "hässlich" gegenüber gestellt wird, zulässig
wäre. Dieses Bewertungskriterium ist inzwischen von den Verfügungsbeklagten aus
dem Bewertungsmodul entfernt worden und von den jetzigen Anträgen der
Verfügungsklägerin ausdrücklich nicht erfasst. Alle noch genannten Kriterien sind auch
im Zusammenhang mit der namentlichen Nennung der Verfügungsklägerin weder als
Angriff auf die Menschenwürde, noch als Schmähung einzustufen. Im Vordergrund steht
nicht eine Diffamierung oder Herabsetzung der Person als Ziel der Äußerung, sondern
die Bewertung von Eigenschaften, die sich jedenfalls auch im schulischen
Wirkungskreis spiegeln. Dabei ist bei der Diktion und Formulierung der Kriterien auch
auf den Sprachgebrauch von Schülern und Jugendlichen abzustellen, so dass auch
Begriffe wie "cool", dem der Begriff "peinlich" gegenübergestellt wird, eine Grenze zur
Schmähung oder Diffamierung nicht überschreiten und eine Prangerwirkung, hinter der
die Meinungsfreiheit zurückzutreten hätte, von ihnen nicht auszugehen vermag. Das
Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt die Meinungskundgabe unabhängig davon, ob
die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von
anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (BVerfG NJW
2001, 3613; BVerfG NJW 1972, 811). Auch eine polemische oder verletzende
Formulierung der Aussage entzieht sie nicht seinem Schutzbereich (BVerfG NJW 2001,
2613; BVerfG NJW 2002, 1192, 1193); insbesondere reicht der Schutz des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts nach Artikel 2 Abs. 1 GG nicht so weit, dass er dem Einzelnen
einen Anspruch darauf verleiht, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er
sich selber sieht oder von anderen gesehen werden möchte (BVerfG NJW 1999, 1322,
1323).
Ohne Erfolg macht die Verfügungsklägerin geltend, dass die Bewertung schon deshalb
unzulässig sei, weil sie anonym erfolge. Dass im Medium des Internets User nicht mit
ihrem vollen Namen und Adresse auftreten, ist dem Internet immanent. Auch
Meinungen, die lediglich unter einer E-Mail-Adresse oder auch anonym im Internet
abgegeben werden, genießen jedoch den Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG
(vgl. die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.03.2007, VI ZR 101/06). Darüber
hinaus erfolgen Evaluationen im Hochschul- oder Schulbereich regelmäßig nicht unter
voller namentlicher Nennung der Studenten oder Schüler, wodurch auch einer gewissen
Furcht vor möglichen Sanktionen Rechnung getragen werden kann.
34
Ähnliches gilt für den Umstand, dass sich im Forum der Verfügungsbeklagten
Manipulationsmöglichkeiten dadurch ergeben könnten, dass sich Dritte oder auch ein
Schüler mehrfach unter verschiedenen Namen einloggen, um eine Bewertung zu
manipulieren, oder sich jemand als Schüler ausgibt, bei dem es sich tatsächlich nicht
um einen solchen handelt. Auch dies kann von einem Betreiber eines Meinungsforums
nicht ausgeschlossen werden, da die tatsächliche Identität der Personen, die Beiträge in
dieses Forum einstellen, nicht überprüfbar ist. Andererseits ist gerade dies auch für die
Teilnehmer eines Meinungsforums wie dem Forum T.de erkennbar. Ferner wird auf der
Bewertungsseite des Schülerportals T.de die Zahl der Bewertenden exakt genannt, so
35
dass sich der Leser auch insoweit ein Bild machen kann. Bewertungen werden erst ab
einer Zahl von vier Bewertenden in die Seite eingestellt und Bewertungen, die
vorwiegend oder ausschließlich die Noten 1 und 6 enthalten, werden herausgenommen,
um Manipulationen zu vermeiden. Schließlich ergibt sich ein Korrektiv möglicher
Manipulationen dadurch, dass die Schüler einer Schule die Bewertungsseite im
Allgemeinen gut verfolgen und – wie von den Verfügungsbeklagten im Rahmen der
mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt und auch zwischen den Parteien
unstreitig – sich mit Rückmeldungen an die Verfügungsbeklagten wenden, sofern sie
durch eine größere Zahl unbekannter Bewertender, die offensichtlich nicht zu ihrem
Jahrgang oder zu ihrer Stufe gehören, eine Manipulation vermuten. Hierfür ist auf der
Lehrerseite eine Schaltfläche " Hier stimmt was nicht" vorgesehen, welche jeder Nutzer
anklicken und den Betreiber auf Unstimmigkeiten einer Lehrerbewertung aufmerksam
machen kann.
2.
36
Auch in der im Bewertungsmodul enthaltenen Zitatfunktion liegt keine Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerin nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art.
1 Abs. 1 GG. Das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich
gewährleistete Persönlichkeitsrecht schützt zwar auch davor, dass jemandem
Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getätigt hat und die seinen von ihm
selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen (BVerfG NJW 1980, 2070,
2071). Ein falsches Zitat kann daher gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
verstoßen. Dass ein Falschzitat in die Zitatfunktion des Bewertungsmoduls eingestellt
worden sei, wird jedoch von der Verfügungsklägerin nicht behauptet. Eine
Wiederholungsgefahr ist daher für ein falsches Zitat nicht gegeben. Eine
Erstbegehungsgefahr ergibt sich auch nicht unter dem von der Verfügungsklägerin
genannten Gesichtspunkt, dass die einzustellenden Äußerungen gegenüber einem
geschlossen Klassen- oder Kursverband getätigt worden sind. Einzustellende Zitate der
bewerteten Lehrer werden in dienstlicher Funktion und im Rahmen ihrer
Berufsausübung Dritten gegenüber getätigt. Es handelt sich daher um Äußerungen, die
nicht etwa dem Privatbereich unterfallen, sondern im Rahmen des beruflichen
Wirkungskreises der Sozialsphäre zuzuordnen sind. Werden Äußerungen eines
Unterrichtenden in seiner Funktion wiedergegeben, ist das korrekte Zitieren dieser
Äußerungen erlaubt. Hier verhält es sich ähnlich wie bei Zitaten von Lehrern in
Schülerzeitungen oder auch in der Tagespresse, die ebenfalls einem großen Publikum
zur Kenntnis gebracht werden können, was zulässig ist. Auch insoweit erfolgt nach den
zwischen den Parteien unstreitigen Angaben der Verfügungsbeklagten eine Löschung
der Zitate, wenn in einem Zeitraum von 12 Monaten keine neue Bewertung erfolgt ist.
37
3.
38
Die Nennung von persönlichen Daten der Verfügungsklägerin in Form ihres Zunamens,
der Schule, an der sie unterrichtet und der unterrichteten Fächer verstößt auch nicht
gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das in Art. 2 Abs. 2 GG i. V. m.
Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die Befugnis
jedes Einzelnen, die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu
bestimmen (BVerfG NJW 1984, 419, 422; BVerfG NJW 1988, 2031; BGH NJW 1991,
1532, 1533). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist jedoch nicht
schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat keine absolute, uneingeschränkte
Herrschaft über "seine" Daten, denn er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der
39
sozialen Gemeinschaft. In dieser stellt aber die Information, auch soweit sie
personenbezogen ist, einen Teil der sozialen Realität dar, der nicht ausschließlich dem
Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Vielmehr ist über die Spannungslage
zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -
gebundenheit der Person zu entscheiden. Deshalb muss der Einzelne grundsätzlich
auch Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
hinnehmen, wenn und soweit solche Beschränkungen bei einer Gesamtabwägung
zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der diesen rechtfertigenden
Gründe gerechtfertigt sind (BVerfG NJW 1984, 419, 422; BVerfG NJW 1988, 2031; BGH
NJW 1991, 1532, 1533). Der Name der Verfügungsklägerin, ihre berufliche Tätigkeit und
die von ihr unterrichteten Fächer sind mit ihrem Einverständnis auf der Homepage ihrer
Schule bereits ins Internet eingestellt worden. Sie sind daher ohne Mühe aus einer
allgemein zugänglichen Quelle zu entnehmen und im Schülerportal www.T.de unstreitig
korrekt wiedergegeben worden. Zudem handelt es sich um keine "sensiblen"
Informationen. Werden jedoch personenbezogene Daten wie der Name und die
berufliche Tätigkeit einer Person aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen und
im gleichen oder in einem anderem Medium wiedergegeben, liegt aufgrund der
freiwilligen Einstellung der Daten in ein Medium eine nicht hinzunehmende Belastung
nicht vor und eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht
gegeben (BGH NJW 1991, 1532, 1533). Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch
nicht unter Heranziehung des Umstandes, dass zusätzlich zur Nennung der
personenbezogenen Daten der Verfügungsklägerin eine Bewertung im Schülerportal
www.T.de erfolgt. Bei den Bewertungskriterien handelt es sich – wie bereits ausgeführt
– nicht um Tatsachen, sondern um reine Wertungen, die vom Grundrecht auf
Meinungsfreiheit gedeckt sind, weil weder von der Form noch vom Inhalt der
Meinungsäußerung eine Prangerwirkung ausgeht, die die Grenze zur Schmähkritik
überschreitet.
4.
40
Schließlich ergibt sich der von der Verfügungsklägerin geltend gemachte
Unterlassungsanspruch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 4 BDSG. Zwar handelt es
sich bei den veröffentlichten Daten der Verfügungsklägerin um Daten i. S. d. § 3 BDSG,
deren Veröffentlichung die Verfügungsklägerin nicht gem. § 4 Abs. 1 BDSG zugestimmt
hat (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, 9. Aufl., § 3 Rdn. 3). Gemäß § 4 Abs. 1 BDSG ist die
Erhebung, Verbreitung und Nutzung personenbezogener Daten jedoch unabhängig von
einer Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn diese durch das BDSG oder eine
andere Vorschrift erlaubt ist. Als solche Rechtsvorschrift greift vorliegend § 28 Abs. 1 Nr.
3 BDSG ein, die eine Rechtsvorschrift im Sinne von § 4 Abs. 1 BDSG darstellt
(Gola/Schomerus, a. a. O., § 4 Rdn. 14). Danach ist die Übermittlung und Speicherung
von Daten zur Erfüllung eines Geschäftszweckes aus allgemein zugänglichen Quellen
zulässig, es sei denn, dass ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der
Verbreitung oder Nutzung überwiegt. Die Verfügungsbeklagten verfolgen mit der von
ihnen betriebenen Homepage ein geschäftliches Interesse, nämlich das durch Werbung
u. ä. wirtschaftliche Betreiben eines Internetportals. Hierzu verwenden sie Daten der
Verfügungsklägerin, die der sich im Internet befindenden Homepage ihres Gymnasiums,
einer allgemein zugänglichen Quelle im Sinne von § 28 BDSG, entnommen sind. Ein
überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Verfügungsklägerin an dem Ausschluss
der Verbreitung oder der Nutzung besteht nicht. Hier ist - auch unter Berücksichtigung
der Bewertungen der Verfügungsklägerin, die als Werturteile durchaus selbst
personenbezogene Daten i.S.d. § 3 BDSG darstellen mögen (vgl.
41
Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, 2007, § 3 Rdn. 31) - eine
Interessenabwägung vorzunehmen. So ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das
schutzwürdige Interesse der Verfügungsklägerin den Interessen der
Verfügungsbeklagten gegenüberzustellen (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, § 28 Rdn. 36).
Bei der insoweit erneut vorzunehmenden Interessenabwägung sind die oben unter Ziffer
1. genannten Kriterien einzustellen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem
Grundrecht auf Meinungsfreiheit gegenüber zustellen (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, §
28 Rdn. 36). Bei § 28 BDSG handelt es sich um ein allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5
Abs. 2 GG. Zwar findet das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 2
GG seine Schranke in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Doch müssen diese
Schranken im Lichte der Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit gesehen
werden, sie sind ihrerseits aus der Erkenntnis der weitreichenden Bedeutung des
Grundrechts auszulegen und in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst
wieder einzuschränken (BVerfG NJW 1976, 1680, 1681). Danach führt die
vorzunehmende Abwägung zu einem Ziffer 1) dieser Entscheidung gleichlaufenden
Ergebnis und es ist der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG der Vorrang zu geben.
Diesem Ergebnis steht auch die "Lindquist"-Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofes vom 06. November 2003 – Rs C 101/101, abgedruckt in AfP 2004, 248ff.,
nicht entgegen. In dieser Entscheidung, die die Auslegung der Richtlinie 95/46 EG des
Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat, stellt der Europäische
Gerichtshof ausdrücklich darauf ab, dass die Bestimmungen der Richtlinie 95/46 als
solche keine Beschränkungen enthalten, die im Widerspruch zu allgemeinen
Grundsätzen der Meinungsfreiheit stehen und es Aufgabe der Behörden und Gerichte
der Mitgliedsstaaten sei, die Richtlinie nicht in einer mit durch die
Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten kollidierenden Weise
auszulegen (EuGH, AfP, 2004, 248, 252).
42
Da der Hauptantrag der Verfügungsklägerin nicht begründet ist, bleibt aus den
genannten Erwägungen auch ihr auf Unterlassung der Nennung personenbezogener
Daten gerichteter Hilfsantrag ohne Erfolg.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit und zur Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da das Urteil
kraft Gesetzes nicht revisibel ist, § 542 Abs. 2 ZPO.
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Wert des Berufungsverfahrens:
24.000,00 €
45