Urteil des OLG Köln vom 23.02.2010

OLG Köln (höhe, besondere gefährlichkeit, unfall, spiel, zpo, verletzung, schmerzensgeld, gefahr, klettern, anhörung)

Oberlandesgericht Köln, 3 U 89/08
Datum:
23.02.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 89/08
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 14 O 109/07
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin zu 2) gegen das am 16. April 2008
verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O
109/07 - wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Klägerin zu 1) wird das am 16. April 2008
verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O
109/07 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels
teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
a) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
zu 1) ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.500,00 € zu zahlen.
b) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
zu 1) einen weiteren Betrag in Höhe von 129,75 € nebst Zin-sen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. April 2007
zu zahlen.
c) Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner
verpflichtet sind, der Klägerin zu 1) 3/4 des dieser als Folge des Vorfalls
vom 19. August 2006 (Unfall auf der Hüpfburg) zukünftig noch
entstehenden materiellen Schadens zu ersetzen, soweit nicht die
Ansprüche des Klägerin zu 1) auf Träger der gesetzlichen
Sozialversicherung oder sonstige Dritte übergegangen sind.
d) Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner
verpflichtet sind, der Klägerin zu 1) den in Folge des Vorfalls vom 19.
August 2006 (Unfall auf der Hüpfburg) zukünftig noch entstehenden
immateriellen Schaden zu ersetzen, wobei zu berücksichtigen ist, dass
die Klägerin zu 1) hinsichtlich der Unfallursache ein Mitverschulden von
1/4 trifft.
e) Im Übrigen wird die Klage der Klägerin zu 1) abgewiesen.
3. Von den Gerichtskosten beider Instanzen tragen die Beklagten als
Gesamtschuldner 60 %, die Klägerin zu 1) 30 % und die Klägerin zu 2)
10 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) in beiden
Instanzen tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 67 % und die
Klägerin zu 1) selbst 33 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten in beiden Instanzen
tragen diese selbst 60 %, die Klägerin zu 1) 30 % und die Klägerin zu 2)
10 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) in beiden Instanzen
trägt diese selbst.
4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
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(Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2,
313 a ZPO abgesehen.)
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Die Berufung der Klägerin zu 1) hat in der Sache teilweise Erfolg. Demgegenüber ist die
Berufung der Klägerin zu 2) unbegründet.
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1. Die Beklagten haften der Klägerin zu 1) auf Schmerzensgeld und Schadensersatz,
wobei sich die Klägerin zu 1) jedoch ein Mitverschulden von 1/4 anrechnen lassen
muss.
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a) Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines
Schmerzensgeldes in Höhe von 4.500,00 €, wobei dahinstehen kann, ob sich ein
solcher Anspruch aus den §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der
Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht oder aus den §§ 832 Abs. 1 und 2, 253 Abs.
2 BGB wegen der Verletzung einer Aufsichtspflicht ergibt. Soweit die Klägerin zu 1)
darüberhinausgehend ein Schmerzensgeld von 6.000,00 € begehrt, ist die Klage
unbegründet.
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aa) Der Senat ist allerdings mit dem Landgericht der Auffassung, dass eine Verletzung
der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagten in Bezug auf die Sicherung der
Hüpfburg als solche nicht festzustellen ist. Eine – hier nicht erfolgte - Sicherung durch
Auslegen von Matten rund um die Hüpfburg wäre nur erforderlich gewesen, wenn bei
deren bestimmungsgemäßem Gebrauch die Gefahr bestanden hätte, dass Kinder neben
die Hüpfburg fielen (so im Fall AG Nordhorn, NJW-RR 2001, 1171 f.: Hüpfkissen, also
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ohne Umrandung). Diese Gefahr bestand bei einer mit zwei Meter hohen Seitenwänden
versehenen Hüpfburg nicht. Deshalb unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von
dem von den Klägerinnen zitierten Fall des LG Köln in dem Verfahren 3 O 271/00, in
dem die nur einen Meter hohen Seitenwände bei bestimmungsgemäßer Verwendung,
also beim Hüpfen, überwunden wurden. Ob für den offenen Eingangsbereich der
Hüpfburg insoweit eine Ausnahme zu machen wäre, kann dahinstehen, denn unstreitig
hat sich der Unfall nicht in diesem Bereich ereignet.
bb) Die Beklagten haben die an der Geburtstagsfeier teilnehmenden Kinder und damit
auch die Klägerin zu 1) bei dem Spiel in der Hüpfburg aber nicht ausreichend
beaufsichtigt hinsichtlich der Gefahren, die durch einen bestimmungswidrigen Gebrauch
auftreten konnten. Ob unter diesem Aspekt eine Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht bezogen auf die von der Hüpfburg ausgehenden Gefahren
vorliegt – dann greift die Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB ein – oder eine Verletzung der
von den Beklagten unstreitig übernommenen Aufsichtspflicht zu bejahen ist und die
Haftung der Beklagten aus § 832 Abs. 1 und 2 BGB folgt, kann dahinstehen. Hieraus
ergeben sich – jeweils in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB - keine unterschiedlichen
Rechtsfolgen.
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(1) Es steht zunächst fest, dass die Kinder bereits vor dem Unfall die Wände der
Hüpfburg hochgeklettert sind und damit die Hüpfburg nicht nur – bestimmungsgemäß –
zum Hüpfen, sondern auch - bestimmungswidrig - zum Klettern benutzt haben. Dies
haben sämtliche von dem Landgericht vernommene Zeugen bestätigt. Auch die
Beklagten haben im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat eingeräumt, im Laufe des
Nachmittags mitbekommen zu haben, dass Kinder auf den äußeren Wulst der Hüpfburg
hochgeklettert sind. An ihrem erstinstanzlichen Vortrag, die Kinder seien zu keiner Zeit
an der Wand der Hüpfburg hochgeklettert, so dass kein Anlass bestanden habe, die
Kinder von einem bestimmungswidrigen Klettern abzuhalten, haben sie deshalb nicht
mehr festgehalten. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Kinder so auf der
Hüpfburg gespielt haben, wie dies die von dem Landgericht vernommene Zeugin T. und
die von dem Senat persönlich angehörte Klägerin geschildert haben. Hiernach sind alle
Kinder, die sich an dem Spiel beteiligten, an den Rändern der Hüpfburg bis auf die
obere Umrandung hochgeklettert. Derjenige, der dort "runtergeschubst" wurde, hatte
verloren; er musste vom Inneren der Hüpfburg einen neuen Versuch starten. Wer bis
zum Ende oben auf den Rändern der Hüpfburg oder den Ecken blieb, war der Sieger
des Spiels. Dass die Zeugin U. dies so nicht bestätigt hat, spricht nicht gegen die
Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin von T., da die Möglichkeit offen bleibt, dass die
nach eigenen Angaben überwiegend mit der Betreuung des eigenen Kleinkindes
beschäftigten Zeugin U. genau diese Art des Spielens nicht mitbekommen hat.
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(2) Die Beklagten haben nicht ausreichend dafür Sorge getragen, dass die Kinder diese
bestimmungswidrige Nutzung der Hüpfburg unterließen.
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Dies gilt zunächst für den Fall, dass die Beklagten sich nur darauf beschränkt hätten,
den Kindern vor Benutzung der Hüpfburg eine allgemeine Einführung zu geben und sie
darauf hinzuweisen, dass die Hüpfburg nur zum Hüpfen auf dem Hüpfkissen benutzt
werden dürfe und es während des Spielens und des Kletterns an der Wand kein
Einschreiten von Seiten der Beklagten gegeben hätte, obwohl sie zumindest dieses
Klettern mitbekommen hatten. Nach den Bekundungen der Zeugin T. soll den Kindern
während des Spiels keiner der Erwachsenen gesagt haben, dass sie von den Wänden
der Hüpfburg herunterkommen sollten. Auch der Zeuge W. hat – ebenso wie die von
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dem Senat angehörte Klägerin zu 1) - bekundet, von den Erwachsenen nichts gehört zu
haben. Wäre dies zutreffend, wäre die Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten evident,
da die Gefahr, dass die Kinder nicht nach innen in die Hüpfburg, sondern nach außen
auf den nicht durch Matten abgefederten Boden fallen und sich hierbei verletzen
konnten, nicht fernliegend war.
Aber auch dann, wenn man auf der Grundlage der Bekundungen der von dem
Landgericht vernommenen Zeugin U. davon ausgeht, dass der Beklagte zu 2) die
Kinder während des Spielens "ein paar Mal" ermahnt und ihnen gesagt hat, sie müssten
"runterkommen" – in diesem Sinne haben sich auch die Beklagten im Rahmen ihrer
Anhörung vor dem Senat geäußert – hätten die Beklagten ihrer Aufsichtspflicht nicht
genügt. Der Umstand, dass ein mehrmaliges Ermahnen erfolgte, zeigt, dass sich die
Kinder über die erste Ermahnung hinweggesetzt haben. Den Beklagten hätte deshalb
bewusst sein müssen, dass ein schlichtes Ermahnen nicht genügte, um eine
bestimmungswidrige Benutzung der Hüpfburg zu unterbinden. Die Aufsichtspflichten der
Beklagten waren darüberhinaus deshalb gesteigert, weil sie hätten erkennen müssen,
dass die Kinder nicht nur an den Wänden der Hüpfburg hochkletterten und deshalb die
Gefahr von Stürzen bestand. Die besondere Gefährlichkeit bestand gerade in dem Spiel
des "Herunterschubsens" von der oberen Umrandung der zwei Meter hohen
Seitenwände. Da die Kinder dieses Spiel nicht nur einmal, sondern mehrmals gespielt
haben, hätten die Beklagten dies auch erkennen und notfalls den Zugang zur Hüpfburg
beschränken müssen.
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cc) Der Höhe nach hält der Senat ein Schmerzensgeld von 4.500,00 € für angemessen.
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(1) Die Klägerin zu 1) hat eine komplizierte Unterarmfraktur erlitten. Sie musste
insgesamt viermal stationär – mit drei Operationen - im Krankenhaus behandelt werden,
wobei der Aufenthalt insgesamt 3 ½ Wochen dauerte. Die Operationsnarben sind
deutlich sichtbar, wie die zu den Akten gereichten Fotografien belegen. Dieses
Unfallfolgen haben die Beklagten nach Vorlage der Fotos und der
Krankenhausunterlagen nicht mehr bestritten. Streitig ist insoweit lediglich noch der
Eintritt des von der Klägerin zu 1) behaupteten Dauerschadens. Insoweit hat der Senat
ein Gutachten des Sachverständigen Prod. Dr. S. eingeholt. Ausweislich dieses
Gutachtens, gegen dessen Richtigkeit von den Parteien keine Bedenken erhoben
worden sind, steht fest, dass eine dauernde Bewegungsbeeinträchtigung des linken
Arms der Klägerin zu 1) in Höhe von 1/15 verbleibt.
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(2) Zu Lasten der Klägerin zu 1) ist jedoch ein Mitverschulden in Höhe von 1/4 zu
berücksichtigen. Der Senat ist davon überzeugt, dass auch für die Klägerin zu 1) trotz
ihres geringen Alters von 9 Jahren die Gefährlichkeit des Spiels erkennbar war. Nach
den von der Klägerin zu 1) in ihrer Anhörung durch den Senat bestätigten Bekundungen
der Zeugin T. war die Klägerin zu 1) vor dem hier in Rede stehenden Sturz schon
einmal von der Hüpfburg nach außen gefallen. Die Zeugin T. hatte bei diesem Spiel
nach eigenen Angaben "schon ein bisschen Angst". Dies spricht dafür, dass auch bei
der Klägerin zu 1) ein entsprechendes Gefahrenbewusstsein vorhanden war. Zweifel an
ihrer Deliktsfähigkeit i.S.d. § 828 BGB hat der Senat deshalb nicht. Allerdings bewertet
der Senat die Mitverantwortung der Klägerin zu 1) als nicht besonders gravierend. Die
Hauptverantwortung für den Unfall liegt bei den Beklagten.
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(3) Unter Berücksichtigung der aufgrund des Unfalls erlittenen Verletzungen und
Beeinträchtigungen, der Dauerschäden, der insgesamt mehr als dreiwöchigen
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stationären Aufenthalte und der deutlich sichtbaren OP-Narben auf der einen Seite und
des Mitverschuldens der Klägerin zu 1) auf der anderen Seite hält der Senat ein
Schmerzensgeld in Höhe von 4.500,00 € für angemessen aber auch für ausreichend.
b) Den der Klägerin zu 1) durch Fahrtkosten, Krankengymnastik etc. unstreitig
entstanden materielle Schaden in Höhe von 173,00 € kann sie gem. den §§ 823 Abs. 1,
832 Abs. 1 und 2 BGB in Höhe von 3/4 und damit in Höhe von 129,75 € verlangen. Ob
der Klägerin zu 1) auch ein – allenfalls anteiliger - Anspruch auf Erstattung des der
Klägerin zu 2) entstandenen Verdienstausfalls in Höhe von 895,05 € zusteht, bedarf
keiner Entscheidung mehr, da die Klägerin zu 1) die Klage insoweit nach
entsprechendem Hinweis des Senats auf die strengen Voraussetzungen eines solchen
Anspruchs ( vgl. BGHZ 127, 391) mit Zustimmung der Beklagten in der mündlichen
Verhandlung wirksam zurückgenommen hat (§ 269 Abs. 1 ZPO).
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c) Der der Klägerin zu 1) zuerkannte Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 BGB
(Rechtshängigkeitszinsen). Die Voraussetzungen für eine Verzinsungspflicht bereits ab
dem 16.10.2006 sind von der Klägerin zu 1) nicht dargelegt worden.
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d) Der Feststellungsantrag ist zulässig, da im Hinblick auf den von dem
Sachverständigen diagnostizierten Dauerschaden auch zukünftige materielle und
immaterielle Schäden jedenfalls nicht sicher ausgeschlossen werden können. Der
Feststellungsantrag ist überwiegend auch begründet, wobei jedoch zu Lasten der
Klägerin zu 1) der Mitverschuldensanteil in Höhe von 1/4 zu berücksichtigen ist. Zudem
ist die Klägerin zu 1) für die Geltendmachung zukünftiger materieller Schäden nicht
aktivlegitimiert, soweit ihre Ansprüche auf Träger der gesetzlichen Sozialversicherung
(§ 116 SGB X) oder sonstige Dritte übergegangen sind.
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2. Die Berufung der Klägerin zu 2) ist unbegründet. Sie ist in keinem absoluten,
deliktisch geschützten Rechtsgut verletzt; ihr steht ein eigener Schadensersatzanspruch
daher, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, nicht zu (vgl. nur Palandt/Sprau,
BGB, 29. Aufl. 2009, § 823 BGB Rdn. 73).
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3. a) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 und 4,
269 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre
Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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b) Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht.
Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der
Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
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Streitwert des Berufungsverfahrens: 8.068,05 €
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Hiervon entfallen auf die Berufung der Klägerin zu 1) ein Betrag in Höhe von 8.068,05 €
(6.000,00 € Antrag zu 1) + 1.000,00 € Antrag zu 2) + 173,00 € Antrag zu 3) + 895,05 €
Hilfsantrag) und auf die Berufung der Klägerin zu 2) ein Betrag in Höhe von 895,05 €.
Beide Beträge sind nicht zu addieren, da es sich im Hinblick auf die geltend gemachten
895,05 € um denselben Gegenstand i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt.
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