Urteil des OLG Köln vom 14.03.2017

OLG Köln (zpo, anordnung, vergleich, rechtskraft, beschwerde, beendigung, höhe, zwangsvollstreckung, verhältnis, zahlung)

Oberlandesgericht Köln, 4 WF 24/80
Datum:
10.02.1978
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 WF 24/80
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird geändert und wie folgt neu gefaßt:
Die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts Euskirchen -
Familiengericht - vom 15. November 1977 ist außer Kraft getreten mit
Ausnahme der Anordnung zu 1), wonach der Antragsgegner an die
Antragstellerin mit Wirkung vom 19. Oktober 1977 bis zum 6. Dezember
1977 (Rechtskraft des Scheidungs-Urteils) eine monatliche
Unterhaltsrente in Höhe von 600,- DM zu zahlen hat.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander
aufgehoben.
Gründe:
1
Im September 1977 ist ein Ehescheidungsverfahren zwischen den Parteien anhängig
geworden. Am 19. Oktober 1977 ging ein Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer
einstweiligen Anordnung betreffend Unterhalt und Zahlung eines
Prozeßkostenvorschusses ein. Durch einstweilige Anordnung vom 15. November 1977
hat das Familiengericht dem Antragsgegner aufgegeben,
2
1.
3
an die Antragstellerin mit Wirkung ab 19. Oktober 1977 eine monatliche Unterhaltsrente
in Höhe von 600,- DM zu zahlen,
4
2.
5
an die Antragstellerin für die Ehesache einen Prozeßkostenvorschuß in Höhe von
664,65 DM in Raten zu zahlen.
6
Am 6. Dezember 1977 fand in der Familiensache der Parteien eine mündliche
7
Verhandlung statt, in der die Parteien für den Fall der Scheidung einen Vergleich
schlossen, in dem sie unter anderem folgendes regelten:
"Der Antragsgegner verpflichtet sich an die Antragsteller in ab Rechtskraft des Urteils in
der Scheidungssache für die Dauer von 18 Monaten einen monatlichen
Unterhaltsbetrag in Höhe von 600,- DM zu zahlen. Die Parteien sind sich darüber einig,
daß die vorstehende Regelung als anderweitige Regelung im Sinne von § 620 f Satz 1
ZPO angesehen werden soll.
8
....
9
6.
10
Die Kosten dieses Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben."
11
In der mündlichen Verhandlung beantragte der Prozeßbevollmächtigte der
Antragstellerin, ihm eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses vom 15.
November 1977 in dem einstweiligen Anordnungsverfahren zu erteilen. Ein
Widerspruch des Antragsgegners dagegen erfolgte nicht. In diesem Termin wurde
sodann das Urteil verkündet, wonach die Ehe der Parteien auf Antrag beider Parteien
geschieden wird. Die Kosten der Ehesache wurden gegeneinander aufgehoben. Die
Prozeßbevollmächtigten der Parteien erklärten, die verzichteten auf die Einlegung von
Rechtsmitteln gegen dieses Urteil. Am 27. Dezember 1977 hat die Antragstellerin gegen
den Antragsgegner aufgrund des Beschlusses über die einstweilige Anordnung vom 15.
November 1977 ein vorläufiges Zahlungsverbot erwirkt wegen des
Unterhaltsrückstandes vom 19. Oktober 1977 bis November 1977 und des
Prozeßkostenvorschusses.
12
Der Antragsgegner hat daraufhin am 28. Dezember 1977 beantragt, den Beschluß vom
15. November 1977 aufzuheben, hilfsweise die Zwangsvollstreckung aus dem
Beschluß einstweilen einzustellen.
13
Der Antragsgegner vertrat die Auffassung, die einstweilige Anordnung sei durch die
anderweitige Regelung in dem Vergleich vom 6. Dezember 1977 bzw. durch die
Kostenentscheidung in der Ehesache außer Kraft getreten.
14
Durch Beschluß vom 29. Dezember 1977 hat das Familiengericht angeordnet, daß die
Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß vom 15. November 1977 nach § 775 Nr. 1 ZPO
eingestellt werde, da die einstweilige Anordnung gemäß § 620 ZPO durch den
Vergleich und das Urteil vom 6. Dezember 1977 außer Kraft getreten ist.
15
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie meint, daß es
unzulässig gewesen sei, eine Entscheidung gemäß § 775 zu treffen, ohne zuvor die
erforderliche grundlegende Entscheidung gemäß § 620 f ZPO zu fällen. Im übrigen
enthalte der Vergleich bezüglich der Unterhaltsrückstände keine anderweitige Regelung
im Sinne des § 620f ZPO. Auch über die Prozeßkostenvorschußpflicht sei eine
anderweitige Regelung nicht getroffen worden.
16
Der Senat hat die Akten 15 F 202/77 betreffend die Ehesache der Parteien beigezogen
und die Sitzungsniederschrift vom 6. Dezember 1977 seiner Entscheidung
zugrundegelegt.
17
Die gemäß § 620 f Satz 3 ZPO "statthafte und gemäß §§ 577 Abs. 2, 569 ZPO in
rechter" Norm und Frist eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig.
18
Der Senat legt den angefochtenen Beschluß dahin aus, daß er inzident auch einen
Beschluß im Sinne des § 620 f Satz 2 ZPO enthält.
19
Diese Auslegung erscheint gerechtfertigt, weil das Familiengericht in seinem Beschluß
diese Vorschrift herangezogen und auch im Sinne des § 620 f Satz 2 festgestellt hat,
daß die einstweilige Anordnung gemäß § 620 f Satz 1 außer Kraft getreten ist. Für eine
einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 1 ZPO wäre nicht das
Familiengericht sondern das Vollstreckungsgericht beim Amtsgericht zuständig. Es
handelt sich bei der einstweiligen Einstellung nach § 775 um eine
Vollstreckungsmaßnahme, die keine Familiensache im Sinne der §§ 621 ZPO, 23 GVG
ist. (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1977, 725). Da aber ein Beschluß gemäß § 620 f
Satz 2 ZPO vorliegt, ist dieser auch mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 620 f Satz 3
anfechtbar.
20
Diese sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist aber nur zum Teil begründet. Das
Rechtsmittel hat insoweit Erfolg, als die Antragstellerin geltend macht, die einstweilige
Anordnung sei wegen der Unterhaltsrückstände bis zur Rechtskraft des
Scheidungsurteils nicht außer Kraft getreten. Insoweit liegt nämlich eine anderweitige
Regelung im Sinne des § 620 f nicht vor. In dem Vergleich der Parteien ist eine
Unterhaltspflicht des Antragsgegners erst ab Rechtskraft des Urteils in der
Scheidungssache begründet worden. Der Unterhaltsverzicht der Antragstellerin bezieht
sich auch lediglich auf Unterhaltsansprüche, die nach Ablauf der 18 Monate seit
Rechtskraft des Scheidungsurteils kraft Gesetzes entstehen würden. Wenn in dem
Vergleich protokolliert ist, daß die Parteien sich darüber einig sind, daß ihre Regelung
als anderweitige Regelung im Sinne des § 620 f Satz 1 ZPO angesehen werden soll, so
bezieht sich dies nach dem Sinn und Inhalt des Vergleichs lediglich auf eine
anderweitige Regelung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners seit Rechtskraft des
Scheidungsurteils. Daß die Parteien den Vergleich so auch verstanden haben, ergibt
sich auch daraus, daß der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin noch im Termin zu
erkennen gab, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß über die einstweilige
Anordnung notfalls betrieben werde. Das folgt aus seinem Antrag, ihm eine
vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses zu erteilen.
21
Soweit allerdings mit der einstweiligen Anordnung eine Prozeßkostenvorschußpflicht
des Antragsgegners angeordnet wurde, liegt jetzt eine anderweitige Regelung im Sinne
des § 620 f vor. Diese besteht darin, daß mit der Kostenregelung im Vergleich und im
Urteil nunmehr die Kostentragungspflicht der Parteien in der Weise feststeht, daß die
Antragsgegnerin ihre eigenen außergerichtlichen Kosten und die Hälfte der
Gerichtskosten trägt. Diese Kostenentscheidung und Kostenregelung des Vergleichs
betreffen zwar in erster Linie die prozessuale Kostentragungspflicht; damit liegt aber
auch für den Fall der Anordnung zur Zahlung eines Kostenvorschusses eine Regelung
vor, die einem Fortbestehen dieser Anordnung entgegensteht. Der
22
Prozeßkostenvorschuß ist nämlich nur eine vorläufige Kosten wenn Pflicht, die nicht
mehr besteht, wenn der Rechtsstreit vor Zahlung beendet ist. Mit diesem Zeitpunkt
besteht schon aus der Natur dieses Anspruchs kein Recht mehr auf Bevorschussung
des Rechtsstreits. Auch im Verhältnis der Parteien untereinander ist daher bei
23
Beendigung des Rechtsstreits mangels einer anderen unterhaltsrechtlichen Regelung
die prozessuale Kostenentscheidung maßgebend (vgl. Palandt-Diederichsen, 36. Aufl.
§ 1360 a Bern. 3 d; Köhler, Handbuch des Unterhaltsrechts 4. Aufl., S. 65).
In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht auf das Problem an, ob gezahlte
Prozeßkostenvorschüsse nach Beendigung des Rechtsstreits zu erstatten sind (vgl.
BGHZ 56, 93 = NJW 71, 1262). Diese Rechtsfragen sind gerade auf der Grundlage
entstanden, daß § 1360 a Abs. 4 BGB nur die Vorschußpflicht regelt, die ihren
Rechtsgrund mit dem Prozeßende verliert. Es ist dabei nicht im Streit, daß für die
Kostentragungspflicht im Verhältnis unter den Parteien materiell etwas anderes gilt als
die Kostenentscheidung; ein Streit besteht lediglich darüber, ob durch familienrechtliche
Fürsorgepflichten möglicherweise dennoch die Rückzahlung eines nach der
Kostenentscheidung nicht geschuldeten Vorschusses entfällt.
24
Das Ergebnis, daß die Kostenentscheidung des den Rechtsstreit beendenden
Scheidungsurteils oder die Kostenregelung eines Vergleichs eine anderweitige
Regelung im Sinne des § 620 f ZPO darstellen, wird auch vom Gesetzeszweck
bestätigt: § 620 f ZPO enthält eine Erweiterung der früheren nur für die Personensorge
und die Unterhaltsansprüche der Ehegatten vorgesehenen Ausnahmeregelung der §§
627 a, 627 b a.F., um zu verhindern, daß in Fällen einer einstweiligen Anordnung nach
§ 620 ZPO ein regelungsloser Zustand durch die Beendigung der Scheidungssache
eintritt. Eine solche anderweitige Regelung nach Vorliegen des Scheidungsurteils ist
aber für den Fall der Anordnung eines Prozeßkostenvorschusses nur denkbar durch die
Kostenentscheidung, da jede materiell-rechtliche Grundlage fehlt, nach Beendigung des
Scheidungsrechtsstreits eine Vorschußpflicht oder auch die Frage der Tragung der
Prozeßkosten im Verhältnis der Parteien untereinander festzulegen. Der Gesetzgeber
hat bewußt keine unterhaltsrechtliche Regelung darüber getroffen, wer die Kosten eines
Prozesses des Bedürftigen endgültig zu tragen hat (vgl. Brühl, Unterhaltsrecht, 1. Teil, 3.
Aufl, Randbem. 285).
25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
26