Urteil des OLG Köln vom 05.02.1992

OLG Köln (kläger, operation, aufklärung, einwilligung des patienten, risiko, verhältnis zu, kosmetische operation, unerlaubte handlung, arzt, schmerzensgeld)

Oberlandesgericht Köln, 27 U 117/91
Datum:
05.02.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 117/91
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 225/87
Schlagworte:
Aufklärung Magenballon
Normen:
BGB §§ 823, 847
Leitsätze:
1. Je weniger dringlich der Eingriff ist, desto größere Anforderungen sind
an die Aufklärung zu stellen. Besonders eingehender Aufklärung bedarf
es, wenn der Arzt neuartige Behandlungsmethoden anwenden will, für
die noch keine abgesicherte Erfahrung mit möglicherweise
unübersehbaren Risiken besteht. 2. Läßt sich eine Behandlung risikolos
durchführen (hier: Gewichtsreduktion bei adipositas permagna), so ist
der Patient vor Implantation eines Magenballons ähnlich umfangreich
aufzuklären, wie vor einer kosmetischen Operation. Der Arzt muß dem
Patienten die Chancen für einen mit dem Eingriff bezweckten Erfolg und
die mit ihm verbundenen Risiken offen und schonungslos mitteilen und
ihm Gelegenheit und Zeit zu ruhiger Überlegung geben. 3. Wird infolge
einer rechtswidrigen Behandlung eine Operation zur Beseitigung eines
Dünndarmileus erforderlich, so ist - unter Berücksichtigung eines
erheblichen Mitverschuldens des Patienten - ein Schmerzensgeld in
Höhe von 3.000,00 DM angemessen.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 2. Juli 1991 verkündete Urteil
der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 225/87 - unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise wie folgt
abgeändert: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein
Schmerzensgeld von 3.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. Mai
1987 zu zahlen. 2. Es wird festgestellt, daß die Beklagten dem Kläger
gegenüber verpflichtet sind, diesem sämtliche entstandenen und noch
entstehenden Schäden aus der am 13. Februar 1986 vorgenommenen
Magenballonimplantation unter Berücksichtigung einer
Mitverschuldensquote von 2/5 zu Lasten des Klägers zu ersetzen mit
Ausnahme des mit der Operation vom 26. Juni 1986 verbundenen, durch
die Verurteilung zu 1) abgegoltenen immateriellen Schadens, soweit die
Schadensersatzansprüche nicht auf einen Dritten übergehen bzw.
übergegangen sind. Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen. 3. Die
Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/5, die Beklagten zu 3/5.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen eines ärztlichen
Behandlungsfehlers und Ver-letzung der Aufklärungspflicht in Anspruch.
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Bei dem stark übergewichtigem Kläger (Größe 186 cm, Gewicht 147,5 kg), der von
Beruf Koch ist, wurde am 27. Juni 1985 nach einer Ösophago-Gastro-Duode-
noskopie von dem Zeugen Dr. K. ein "Magenvo-lumen-Reduzierballon" implantiert.
Der Ballon ging spontan ab. Dasselbe geschah mit dem am 29. Okto-ber 1985
implantierten Ballon. Am 13. Februar 1986 wurde dem Kläger bei der Beklagten
erneut ein Magenballon implantiert. Wegen abdomineller Be-schwerden begab sich
der Kläger am 21. Juni 1986 in das V.-Hospital in K. . Auf eigene Verant-wortung
verließ er das Hospital einen Tag darauf. Am 23. Juni 1986 wurde er dort erneut
wegen zuneh-mender Bauchbeschwerden aufgenommen. Nach vorüber-gehender
Besserung wurde er am 26. Juni 1986 wegen eines Dünndarmileus, der durch den im
Dünndarm hän-gengebliebenen Magenballon verursacht worden war, operiert.
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Der Kläger hat neben anderen Aufklärungsversäumnis-sen gerügt, daß er über das
Risiko eines Dünndarm-verschlusses mit erforderlich werdender Operation nicht
aufgeklärt worden sei. Er hat von den Be-klagten ein Schmerzensgeld von 5.000,00
DM begehrt und beantragt festzustellen, daß die Beklagten ihm gegenüber
verpflichtet seien, ihm sämtliche entstandenen und noch entstehenden Schäden aus
dem am 26. Juni 1986 operativ beseitigten Dünndarmileus zu ersetzen, soweit diese
nicht auf einen Dritten übergegangen seien.
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Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie behaupten, der Kläger sei vor
der ersten Implanta-tion des Magenballons ordnungsgemäß über Risiken, wie das
Risiko einer Perforation von Magen, Spei-seröhre und Zwölffingerdarm, sowie einer
dadurch möglicherweise erforderlich werdenden Operation und über die
Erfolgsaussichten aufgeklärt worden. Der Kläger habe sich zu den verabredeten
Kontrollunter-suchungen nicht vorgestellt. Die Bauchoperation am 26. Juni 1986
wäre zu vermeiden gewesen, wenn sich der Kläger an die verabredeten
Kontrolluntersuchun-gen gehalten und er sich bei den ersten Beschwerden an Dr. K.
gewandt oder aber die Ärzte des
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V.-Hospitals von der Ballonimplantation unterrich-tet hätte.
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Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens
und nach Vernehmung des Zeugen Dr. K. im wesentlichen mit der Begrün-dung
abgewiesen, der Kläger sei sowohl über die Ri-siken der Ballonimplantation als auch
darüber, wie er sich zu verhalten habe, aufgeklärt worden. Die Operation am 26. Juni
1986 sei auch indiziert und nicht etwa durch eine Punktion des Ballons zu ver-
hindern gewesen.
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Gegen das ihm am 5. August 1991 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. August
1991 Berufung eingelegt, die er am 10. Oktober 1991 begründet hat.
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Mit der Berufung verfolgt er sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Er wiederholt und
vertieft seinen Vortrag aus erster Instanz.
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Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und ergänzen und vertiefen
ebenfalls ihren Vortrag aus erster Instanz.
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Der Senat hat durch Vernehmung des Zeugen Dr. K. Beweis erhoben. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Januar
1992 und wegen aller übrigen Einzelheiten auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, die eingeholten Gutachten, das angefochtene Urteil und
die Krankenunterlagen betreffend den Kläger Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung hat in der Sache im erkann-ten Umfang Erfolg; im übrigen ist
sie unbegründet.
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I.
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Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines
Schmerzensgeldes von 3.000,00 DM aus §§ 831 Abs. 1 Satz 1, 823 Abs. 2, 847 BGB.
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1.
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Der Zeuge Dr. K. hat gegenüber dem Kläger eine unerlaubte Handlung gemäß § 823
Abs. 1 BGB began-gen, weil er durch die am 13. Februar 1986 vorge-nommene
Magenballonimplantation ohne rechtfertigen-den Grund in die körperliche
Unversehrheit des Klä-gers eingegriffen hat. Die Ballonimplantation war nur mit
wirksamer Einwilligung des Patienten ge-stattet.
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a)
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Eine wirksame Einwilligung setzt voraus, daß der Patient weiß, worin er einwilligt.
Dazu ist er nicht nur über die Art des Eingriffs, sondern auch über sämtliche nicht
ganz außer Wahrscheinlichkeit liegende Risiken ins Bild zu setzen, soweit diese sich
für ihn als medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs nicht ohnehin ergeben und
für seine Entschließung von Bedeutung sind. Zwar müssen ihm nicht die Risiken in
allen denkbaren Erscheinungs-formen aufgezählt werden; aber ihm muß eine all-
gemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm
verbundenen Risiken vermittelt werden, insbesondere soweit diese, wenn sie sich
verwirklichen, seine Lebensführung schwer belasten und er mit ihnen nach der Natur
des Eingriffs nicht rechnen kann (BGH NJW 1984, 1398). Eine entscheidende Rolle
für den Umfang der Auf-klärung spielt die Dringlichkeit des Eingriffs. Je weniger
dringlich der Eingriff ist, desto größere Anforderungen sind an die Aufklärung zu
stellen. Zu berücksichtigen ist ferner das Gewicht des Risikos im Verhältnis zu den
Folgen, die für den Patienten im weiteren Verlauf der Krankheit zu erwarten waren,
wenn die vorgesehene Behandlung unterblieb. Besonders eingehende Aufklärung
bedarf es, wenn der Arzt neuartige Behandlungsmethoden anwenden will, für die
noch keine abgesicherte Erfahrung mit mög-licherweise unübersehbaren Risiken
besteht. Dafür, mit welcher Genauigkeit und mit welchem Stellenwert der Arzt die
Risiken ansprechen muß, ist die Erfah-rung mit maßgebend, daß ungünstige
Nebenwirkungen für den Patienten um so weniger gravierend sind, je schwerer die
Folgen einer Nichtbehandlung für ihn wären; er andererseits das Für und Wider um
so genauer abwägen wird, je weniger dringlich der Ein-griff, je fragwürdiger die
Prognose ist (Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung, 4. Aufl., S.
97; Nüßgens in RGRK, 12. Aufl., § 823 Anhang II Rdn. 129).
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Bei Anwendung dieser Grundsätze war eine einge-hende und weitreichende
Aufklärung geboten. Die mit der Ballonimplantation beabsichtigte Gewichts-abnahme
hätte bei entsprechender Selbstkontrolle auf andere Weise - Reduktion der
Nahrungszuführung, Diät - erreicht werden können. Da es sich bei der
Ballonimplantation um eine noch recht neue Methode handelte, konnten auch noch
keine umfangreichen Erkenntnisse über eventuelle Risiken vorliegen. Aus diesem
Grund ist der Umfang der Aufklärung ähnlich dem über eine kosmetische Operation
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zu bemessen. Die Wirksamkeit der Einwilligung in eine kosmeti-sche Operation setzt
voraus, daß der Arzt dem Pa-tienten die Chancen für einen mit dem Eingriff be-
zweckten Erfolg und die mit ihm verbundenen Risiken offen und schonungslos mitteilt
und ihm Gelegenheit und Zeit zu ruhiger Überlegung gibt (OLG Düsseldorf AHRS
4370/1; OLG K. AHRS 7370/2). Die Aufklärung mußte sich deshalb auch auf das
Risiko eines Darm-verschlusses und einer deshalb eventuell erforder-lich werdenden
Operation erstrecken.
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Dr. K. war von dieser Pflicht nicht deshalb befreit, weil zum Zeitpunkt der dritten
Ballonim-plantation nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 7. Mai
1990 in der medizinischen Literatur nicht bekannt war, daß durch den Magen-ballon
ein operationsbedürftiger Dünndarmileus ver-ursacht werden könne. Da damit zu
rechnen war, daß der Ballon in teilweise gefülltem Zustand den Magen verlassen und
durch den Darm weitertransportiert werden würde, um auf natürliche Weise
ausgeschieden zu werden, war es nicht unwahrscheinlich, daß er durch anatomische
oder andersartige Besonderheiten bedingt im Darm sich festsetzen konnte. Immerhin
lag - worauf der Sachverständige hingewiesen hat - im Februar 1986 die
Beschreibung eines temporä-ren inkompletten Okklusionsileus infolge Ballonab-
gangs vor. Folgerichtig hat der Zeuge Dr. K. nach seiner Aussage mit dem Kläger
auch über die Möglichkeit eines Darmverschlusses gesprochen. Daß auch über das
Risiko einer dann eventuell erforder-lich werdenden Operation aufzuklären war, folgt
aus der weiteren Aussage des Zeugen vor dem Landge-richt, er wisse zwar heute
nicht mehr, ob er auch die Möglichkeit einer Operation erwähnt habe, doch halte er
einen entsprechenden Hinweis für sehr na-heliegend. Dieses Hinweises bedurfte es
nicht, wenn eine Operation, wie die Beklagten in der Berufung behaupten, auf keinen
Fall erforderlich wurde. Die Notwendigkeit der Aufklärung war umsomehr gegeben,
als Dr. K. eine Ballonhülle aus Silikon ge-wählt hatte, deren Konsistenz und deren
Inhalt ein vollständiges Absaugen durch eine percutane Punk-tion nicht zuließ, so
daß hier von vornherein diese Therapiemöglichkeit ausschied. Zwar hat der Zeuge
bei seiner Vernehmung vor dem Senat zunächst seine vor dem Landgericht
gemachte Aussage bekräftigt, dann aber auf Vorhalt seine Aussage dahin einge-
schränkt, er glaube nicht, über die Operationsmög-lichkeit in dem Sinn aufgeklärt zu
haben, daß er sie mit dem möglichen Darmverschluß in einen kausa-len
Zusammenhang gebracht habe. Diese Einschränkung bezieht sich indessen nur auf
den Umfang der dem Kläger erteilten Aufklärung, nicht aber auf die in den Aussagen
des Zeugen vor dem Senat und dem Land-gericht erkennbar gewordene Auffassung,
wegen eines möglicherweise eintretenden Darmverschlusses durch den Ballon halte
er unter Umständen auch eine Ope-ration für erforderlich.
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Auch der Hinweis von Prof. Dr. W. in der Medical Tribune vom 20. Dezember 1985
(Anlage B 9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 6. Juli 1987), eine Operation sei noch
nicht erforderlich gewesen, beweist, daß der Darmverschluß mit anschließender
Operation als ein nicht auszuschließendes Risiko bekannt war. In dem Aufsatz von
W. , Sch. und L. "Der Magenballon in der Behandlung der Adipositas permagna" in
der deutschen Medizinischen Wochenschrift (Anlage B 9 zum o.a. Schriftsatz) er-
gänzt W. seine Aussage, die chirurgische Ent-fernung eines Ballons sei bisher nicht
erforderlich gewesen, dahin, die chirurgische Entfernung sei jedoch bei
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Verwachsungen und sonstigen Darmunweg-samkeiten vorstellbar. Dr. F. führt in dem
Aufsatz "Einsatz des Magenballons zur Gewichtsre-duktion" in der Zeitschrift T. Seite
174 (Anlage B 9 zum Schriftsatz des Beklagten vom 4. Juli 1987) aus, eine weitere,
weniger gravieren-de Komplikation sei die Dünndarm-Obstruktion durch einen
Ballon, dessen Materialmasse (Ballon und Ver-schluß) so groß sei, daß er auch im
entleerten Zu-stand den Dünndarm nicht passieren könne. In diesem Fall sei eine
Operation erforderlich. Durch Auswahl geeigneter, dünnwandiger Materialien könne
eine solche Komplikation, normale anatomische Verhält-nisse vorausgesetzt,
vermieden werden. Bisher sei kein Fall bekannt geworden, in dem sich das Risiko
einer Ileusoperation verwirklicht habe. Dem ent-spricht es, wenn H. in dem Aufsatz
"Ambulante Gewichtsreduktion durch einen intragastral appli-zierten Ballon - erste
Erfahrungen" im Jahre 1979 darauf hinweist, daß die vorgenommenen Versuche mit
einem Magenballon nach eingehender Information über den experimentellen
Charakter und die möglichen theoretischen Risiken erfolgt seien.
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b)
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben die insoweit beweispflichtigen
Beklagten nicht bewie-sen, daß der Kläger über das Risiko einer Darmope-ration
wegen eines durch den Ballon verursachten Darmverschlusses hingewiesen worden
ist. Der Zeuge Dr. K. hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat auf Vorhalt seiner
Aussage vor dem Landgericht bekundet, er glaube nicht, daß er über die Opera-
tionsmöglichkeit in dem Sinn aufgeklärt habe, daß er sie mit dem möglichen
Darmverschluß in einen kausalen Zusammenhang gebracht habe. Die tatsäch-lich
erteilte Aufklärung über das Risiko einer Ma-genoperation wegen Verletzungen oder
Blutungen, die durch eine Magenspiegelung ausgelöst werden können, reichte nicht
aus. Dabei handelt sich um ein anders geartetes Risiko, von dem der Patient im
übrigen annehmen kann, daß es von einem mit Darmspiegelun-gen vertrauten und
erfahrenen Arzt, wie dem Zeugen als Gastroenterologen weitgehend beherrscht
werden kann. Hinzu kommt, daß bei der Verwirklichung dieses Risikos in einem
Krankenhaus wie dem der Beklagten alsbald neben den qualifizierten ärztli-chen
Fachkräften die gesamte notwendige apparative Ausstattung zur Verfügung steht. Bei
einem Darmver-schluß infolge des Ballons, der regelmäßig außer-halb des
Krankenhauses eintritt, ist das jedenfalls nicht von vornherein gewährleistet.
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c)
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Der Einwand der Beklagten, der Kläger würde sich auch bei ordnungsgemäßer
Aufklärung zu dem Eingriff entschlossen haben, ist grundsätzlich beachtlich (BGH
NJW 1984, 1399). Allerdings haben die Beklag-ten diesen Nachweis zu führen, und
es sind grund-sätzlich strenge Anforderungen hieran zu stellen, damit nicht auf
diesem Wege das Aufklärungsrecht des Patienten unterlaufen wird. Insbesondere
reicht dazu nicht schon die Feststellung aus, ein vernünf-tiger Patient würde sich von
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diesem Risiko nicht haben schrecken lassen.
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Andererseits können auch den Patienten Substantiierungspflichten treffen, wenn er
Ersatzansprüche aus einem Aufklärungsversäumnis herleiten will (BGH NJW 1982,
698; NJW 1984, 1399). Die von ihm vorgebrachten Gründe müssen erkennen lassen,
daß er bei ordnungsgemäßer Aufklärung aus damaliger Sicht vor einem echten
Entscheidungskonflikt gestanden hätte, aus dem heraus die behauptete Ablehnung
der Behandlung zum damaligen Zeitpunkt verständlich wird.
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Der Kläger hat einen solchen Entscheidungskonflikt plausibel dargelegt. Er hat
behauptet, bei voll-ständiger Aufklärung über die möglichen Folgen der
Ballonimplantation hätte er in den Eingriff nicht eingewilligt. Zwar mag die heutige
ablehnende Einstellung des Klägers zu der Ballonimplantation durch die Erfahrung
des Darmverschlusses und der zu dessen Beseitigung erforderlich gewordenen
Darmope-ration beeinflußt sein, diese Erfahrung hätte aber - weil erst nachträglich
gemacht - vor der Ballo-nimplantation kein entscheidendes Motiv für die Ablehnung
sein können. Der Entscheidungskonflikt erscheint dennoch plausibel, weil mit der
Vorunter-suchung und der Ballonimplantation weitere Risiken verbunden waren, aus
der Sicht des Klägers die Gewichtsreduzierung zwar vielleicht geboten, aber nicht
dringlich war und ihm die Möglichkeit offen blieb, durch energische Reduzierung der
Nahrungs-aufnahme eine praktisch risikolose Gewichtsabnahme zu erreichen, zumal
die beiden vorangegangenen Bal-lonimplantationen zu keinem durchschlagenden
Erfolg geführt hatten.
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Die mangels wirksamer Einwilligung des Klägers folglich nicht gerechtfertigte
Ballonimplantation war für die Darmoperation am 26. Juni 1986 ursäch-lich. Der
Kausalzusammenhang ist im Rechtssinn nicht dadurch unterbrochen worden, daß
sich der Kläger nach Auftreten der Bauchbeschwerden nicht an den Zeugen Dr. K.
gewandt hat, die Bal-lonimplantation gegenüber den Ärzten des V.-Hos-pitals
zunächst verschwiegen und am 23. Ju-ni 1986 das Krankenhaus eigenmächtig
verlassen hat, so daß keine weitere Abklärung der Beschwerden und andere
Therapiemaßnahmen erfolgen konnten. Das Verhalten des Klägers mag objektiv
falsch und un-vernünftig gewesen sein, liegt aber nicht außerhalb jeder
Wahrscheinlichkeit. Es beseitigte daher nicht den adäquaten
Ursachenzusammenhang, sondern ist nur im Hinblick auf ein Mitverschulden zu
würdigen.
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Die Beklagten haften für den Zeugen Dr. K. nach § 831 Abs. 1 Satz 1, 823 Abs. 1,
847 BGB. Sie haben sich auf den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB
nicht berufen.
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2.
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a)
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Der Kläger hat sich aber gemäß § 254 Abs. 2 BGB ein nicht unerhebliches
Mitverschulden anrechnen zu lassen, weil er unterlassen hat, den Schaden, näm-lich
die Operation am 26. Juni 1986, abzuwenden. Er hat sich nach dem Einstellen der
Bauchbeschwerden zwar in ein Krankenhaus begeben, aber nicht etwa zu Dr. K. ,
sondern in das V.-Hospital in K. . Statt sofort darauf hinzuweisen, daß ihm am 13.
Februar 1986 ein Magenballon implantiert worden war, verschwieg er bei seiner
Aufnahme diesen für die diagnostische Abklärung ganz erheblichen Umstand und
verließ am 22. Juni 1986 auf eigene Verantwortung das Krankenhaus. Nach seiner
erneu-ten stationären Aufnahme am 23. Juni 1986 wegen zunehmender
abdomineller Beschwerden stellte man am 26. Juni 1986 nach vorübergehender
Besserung aufgrund von Röntgenaufnahmen und der auftretenden Symptome
Zeichen eines Dünndarmverschlusses fest. Erst jetzt gab der Kläger an, ihm sei ein
Magenbal-lon implantiert worden. Dem Kläger ist ferner vor-zuwerfen, daß er die mit
Dr. K. verabredeten Kontrolluntersuchungen nicht regelmäßig eingehalten hat. Das
ergibt sich schon aus dem Schreiben des Zeugen an den Kläger vom 20. Mai 1986
(Anlage B 7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 6. Juli 1987), in dem es heißt, in der
Zwischenzeit sei wieder viel Zeit ins Land gegangen, in der er sich nicht vorgestellt
habe. Es mag sein, daß er sich mehrfach zu Kontrolluntersuchungen bei Dr. K.
eingefun-den hat. Indessen trägt der Kläger selbst nicht vor, er habe sich nach der
dritten Implantation bei Dr. K. zwecks Kontrolle vorgestellt. Unstrei-tig hat er lediglich
den Zeugen Dr. K. nach dem Schreiben vom 20. Mai 1986 angerufen und ihm
mitgeteilt, daß er einige Tage zuvor blauen Urin bemerkt habe und glaube, der Ballon
sei wieder ab-gegangen.
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b)
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Der Kläger kann sich nicht erfolgreich mit dem Hinweis entlasten, er sei im Glauben
gewesen, daß der Ballon abgegangen sei. Trotz des blaugefärbten Urins konnte er
dessen nicht sicher sein. Es konnte sich einmal um eine zeitweise Undichtigkeit des
Ballons handeln, vor allem aber gab die Blaufärbung keinen Aufschluß darüber, ob
die Ballonhülle eben-falls abgegangen war. Im übrigen konnte der Kläger nicht sicher
sein, ob die Beschwerden nicht von einem durch die Ballonimplantation
hervorgerufenen Magengeschwür herrührten, über dessen mögliche Ent-stehung der
Zeuge Dr. K. den Kläger aufgeklärt hatte.
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c)
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Allerdings steht nicht fest, daß die Operation sich hätte vermeiden lassen, wenn der
Kläger die Kon-trolluntersuchungstermine eingehalten und nach Auf-treten der
Bauchbeschwerden Dr. K. aufgesucht oder schon am 21. Juni 1986 die Ärzte im
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V.-Hospital über die Ballonimplantation unterrich-tet hätte. Zwar hat Dr. K. bekundet,
ein Stek-kenbleiben des Ballons im Darm könne unter Umstän-den dadurch
erfolgreich behandelt werden, daß man Spasmolytika gebe, weil diese den Darm
weitstellten und mit der noch restlich vorhandenen Motilität das Hindernis dann auf
natürlichem Wege nach draußen befördert werden könne. Prof. Dr. W. habe ein
derartiges erfolgreiches Vorgehen in einem Fall schon vor der beim Kläger
eingetretenen Komplika-tion beschrieben. Der Senat hat keinen Zweifel, daß der
Zeuge als Internist und Gastroenterologe und Krankenhausarzt diese Frage
sachkundig beantworten kann, zumal auch in der Literatur hierauf verwiesen wird
(vgl. W. in Medical Tribune a.a.O.). Aber hierbei handelte es sich nur um eine
Chance, den Darmverschluß zu beseitigen. Ob diese auch zum Er-folg geführt hätte,
ist dagegen nicht bewiesen.
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Grundsätzlich obliegt dem Schädiger die Beweislast für das Verschulden des
Geschädigten und dessen Ursächlichkeit für den Schaden (BGHZ 91, 260). Hier
kommen den Beklagten aber die Grundsätze über den Anscheinsbeweis zur Hilfe. In
der Regel wird schon der Ballon auf natürlichem Wege ohne Zurhilfenahme von
Spasmolytika ausgeschieden. Setzt er sich aber wie hier wider Erwarten fest, kann
bei gleichzeitiger Gabe von Spasmolytika davon ausgegangen werden, daß er durch
die damit bewirkte Weitstellung des Darms und der Restmotilität ausgeschieden wird.
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Aber auch wenn man den Anscheinsbeweis nicht als geführt ansähe, kämen dem
Beklagten Beweiserleich-terungen zugute, weil der Kläger den Beklagten schuldhaft
die Beweisführung unmöglich gemacht hat. Für den Nachweis des
Ursachenzusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und Körperschaden hat der
Bundes-gerichtshof dem Patienten Beweiserleichterungen zu-gestanden, wenn der
Arzt es schuldhaft unterlassen hat, medizinisch zweifelsfrei gebotene Befunde zu
erheben und zu sichern, und dadurch die Aufklä-rung eines immerhin
wahrscheinlichen Ursachenzusam-menhangs zwischen ärztlichem
Behandlungsfehler und Gesundheitsschäden erschwert oder vereitelt wird und die
Befundsicherung gerade wegen des erhöhten Risikos des in Frage stehenden
Verlaufs geschuldet war. Wenn materiellrechtlich ein Befund zu sichern und wenn
darüber Rechenschaft abzulegen ist, kann diese Verpflichtung in einem etwaigen
späteren Prozeß nicht außer Betracht gelassen werden. Die beweisbelastete Partei
kann vielmehr dem zur Siche-rung der Aufklärung Verpflichteten entgegenhalten, daß
er schuldhaft auch die Beweislage im Prozeß verschlechtert oder vereitelt hat (BGH
NJW 1987, 1482, 1483). Umgekehrt kann nichts anderes gelten, wenn dem Kläger
nach § 254 Abs. 2 BGB oblag, sich entweder an Dr. K. zu wenden oder die Ärzte im
V.-Hospital von der Ballonimplantation zu in-formieren. Da nach der Erfahrung und
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der Bekundung des Zeugen Dr. K. das Abgehen des Ballons nach Gabe von
Spasmolytika nahelag, brauchen die Beklag-ten wegen der Beweisvereitelung durch
den Kläger den vollen Beweis für die Ursächlichkeit der Unter-lassung des Klägers
nicht zu führen.
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3.
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Der Senat hält unter Berücksichtigung aller Umstände für die infolge des
rechtswidrigen Eingriffs am 26. Juni 1986 notwendig gewordene Operation ein
Schmerzensgeld von 3.000,00 DM für gerechtfertigt. Bei der Bemessung des
Schmerzensgeldes ist zu berücksichtigen, daß der Kläger nach einigen Tagen, in der
er unter Bauchbeschwerden mit zeitweiligem Erbrechen gelitten hatte, sich am 26.
Juni 1986 einer Bauchoperation unterziehen mußte. Der postoperative Verlauf
gestaltete sich ausweislich des Entlassungsberichts vom 21. Juli 1986 völlig
komplikationslos, die Wundheilung erfolgte primär. Am 10. Juli 1986, also 14 Tage
nach der Operation, wurde der Kläger bei gutem Wohlbefinden entlassen. Auf der
anderen Seite ist dem Zeugen Dr. K. nur normale Fahrlässigkeit anzulasten. Bei der
Bemessung des Schmerzensgeldes fällt ferner das nicht unerhebliche
Mitverschulden zum Nachteil des Klägers ins Gewicht. Der Senat hält das
Mitverschulden des Klägers für nicht wesentlich geringer als das
Aufklärungsversäumnis des Zeugen Dr. K. . Unter Berücksichtigung aller Umstände
erscheint ein Schmerzensgeld von 3.000,00 DM angemessen.
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II.
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Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 ZPO zulässig. Der Kläger hat ein
rechtliches Interesse daran, daß die Haftung der Beklagten für seinen weiteren
Schaden alsbald festgestellt wird. Der Antrag ist nicht - auch nicht teilweise - deshalb
unzulässig, weil der Kläger einen Teil seines nach der Operation vom 26. Juni 1986
entstandenen Schadens heute beziffern kann und daher insoweit die Leistungsklage
möglich ist (BGH WM 1978, 470).
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In der Sache hat aber der Feststellungsantrag nur im erkannten Umfange Erfolg. Der
Kläger hat durch Vorlage der Bescheinigung des Dr. V. vom 26. März 1987
nachgewiesen, daß er bei Klageerhebung wegen eines infolge der Bauchoperation
entstandenen Narbenbruchs mit einer Narbenbruchoperation rechnen mußte. Das
reiche zur Begründung des Feststellungsantrages aus.
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Daß die Beklagten für den dem Kläger weiter entstehenden Schaden dem Grunde
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nach zum Teil haften, ergibt sich aus den Ausführungen zum Schmerzensgeld. Die
Mitverschuldensquote bemißt der Senat aus den zum Schmerzensgeld dargelegten
Gründen mit 2/5 zu Lasten des Klägers.
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III.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 291, 288 BGB, 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für die Berufung:
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Antrag zu 1): 5.000,00 DM
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Antrag zu 2): 20.000,00 DM Wert der Beschwer: unter 60.000,-- DM.
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