Urteil des OLG Köln vom 16.11.2005

OLG Köln: firma, erfüllung, beweislastverteilung, erstellung, auflage, schadenersatz, inventur, vollstreckbarkeit, bezahlung, wechsel

Oberlandesgericht Köln, 11 U 163/04
Datum:
16.11.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 163/04
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 8 O 143/03
Tenor:
1.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer des
Landgerichts Köln von 05.08.2004 (8 O 143/03) abgeändert und der
Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den
Kläger 46.016,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4% seit dem
22.10.2001 zu zahlen.
2.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
1
Wegen des Sachverhalts und des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf
das angefochtene Urteil Bezug genommen.
2
Der Kläger, der den Beklagten auf Schadensersatz wegen zweier im Jahre 1999
ausgeübter Einbruchdiebstähle in sein Juweliergeschäft in Anspruch nimmt, wiederholt
und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Seinen bei den beiden
Einbruchdiebstählen im Jahre 1999 erlittenen Schaden hat er zuletzt wie folgt
berechnet:
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Warenbestand zum 31.12.1998 293.978,25 DM
4
Wareneinkauf 1999 163.531,68 DM
5
Warenverkauf 1999 - 58.625,78 DM
6
Sollbestand zum 31.12.1999 398.884,15 DM
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Tatsächlicher Warenbestand zum 31.12.1999 - 124.861,97 DM
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Differenz 274.022,18 DM
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(140.105,31 EUR).
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 05.08.2004 den Beklagten zu
verurteilen, an den Kläger 46.016,27 EUR nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 22.10.2001 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
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Der Senat hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 22.06.2005 (Bl. 374 d. A.) durch
Vernehmung der Zeuginnen T H und I Q Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.09.2005 (Bl. 463 ff. d.A.)
verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
die Schriftsätze der Parteien sowie die sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen
Bezug genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat - bis auf einen Teil des Zinsbegehrens - in der Sache Erfolg.
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1.
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Der Beklagte ist dem Kläger dem Grunde nach jedenfalls wegen Hehlerei aus § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. § 257 StGB zum Schadenersatz verpflichtet. Das hat das Landgericht
zutreffend ausgeführt; hiergegen hat der Beklagte auch im Berufungsverfahren keine
erheblichen Einwendungen mehr erhoben.
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2.
21
Die Klage ist auch der Höhe nach in vollem Umfange begründet. Das Landgericht hat
die Klage abgewiesen, weil dem Kläger nicht der Beweis gelungen sei, dass die von
ihm in der Aufstellung Blatt 140 ff. d. A. bezeichneten Uhren und Schmuckstücke
entwendet worden und nicht wieder an ihn zurückgelangt seien. Diese Entscheidung
beruht auf einer Verkennung der Beweislast. Nach allgemeinen Grundsätzen hat der
Geschädigte die Höhe des Schadens zu beweisen. Maßgebender Zeitpunkt ist dabei
der Zeitpunkt der Erfüllung; verfahrensmäßig ist von der Verhandlung zur Zeit der letzten
mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter auszugehen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB,
64. Auflage, Vorbemerkung vor § 249 Rdn. 174 m. w. N.). Ist dem Geschädigten dieser
Beweis gelungen, so trägt der Schädiger die Beweislast hinsichtlich der Umstände, die
den Schaden verringert haben. Dies gilt etwa für den Einwand des Vorteilsausgleichs
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(Palandt-Heinrichs a.a.O. Rdn. 123) oder den der Erfüllung (Palandt-Heinrichs § 363
Rdn. 1). Nichts anderes kann dafür gelten, ob und in welchem Umfange der durch
Entwendung von Sachen entstandene Schaden dadurch verringert worden ist, dass der
Geschädigte entwendete Gegenstände zurückerlangt hat. Für die Beweislastverteilung
kann es nicht von Bedeutung sein, ob diese Zurückerlangung auf einer freiwilligen
Handlung des Schädigers (Erfüllung) oder aber auf sonstigen Umständen beruht. Für
die nach dieser Beweislastverteilung zu beurteilende Schadenshöhe gilt der Grundsatz
des richterlichen Schadensermessens (§ 287 Abs. 1 ZPO). Hierfür reicht als Beweismaß
eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit
für die richterliche Überzeugungsbildung aus (BGH NJW 1993, 734; NJW 2004, 444,
445; NJW 2004, 1521, 1522; Senat NJW-RR 2005, 1042, 1044 = OLGR 2004, 424;
Palandt-Heinrichs Vorbemerkung von § 249 Rdn. 172). Eine richterliche
Schadensschätzung ist lediglich dann unzulässig, wenn sie mangels greifbarer
Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge (Zöller-Greger, ZPO, 25. Auflage, § 287 Rdn. 4 m.
w. N.).
Unter Zugrundlegung dieser Maßstäbe ist dem Kläger der Beweis des von ihm geltend
gemachten Schadens hinreichend gelungen. Nach den von ihm vorgelegten Anlagen K
3 und K 4 (Anlagen zum Schriftsatz vom 19.09.2005) betrug der Warenbestand zum
31.12.1998 293.978,25 DM und zum 31.12.1999 124.861,97 DM. Hierbei hat er den
Einkaufswert angesetzt, den er mit den in der Liste angeführten Faktoren errechnet hat.
Der Einkaufswert ist eine ge-eignete Grundlage für die Bemessung des Schadens. Der
Senat ist aufgrund der Aussagen der Zeuginnen T H und I Q davon überzeugt, dass die
Inventurlisten sorgfältig erstellt worden sind. Die beiden Zeuginnen haben an der
Erstellung der Liste selbst mitgewirkt; Anhaltspunkte dafür, dass sie die Unwahrheit
gesagt haben, bestehen nicht. Gleiches gilt im Hinblick auf die als Anlage K 5 (zum
Schriftsatz vom 19.09.2005) eingereichte Liste über den Wareneinkauf in Höhe von
insgesamt 163.531,06 DM. Auch zur Erstellung dieser Liste haben die Zeuginnen
bekundet und dabei den überzeugenden Eindruck vermittelt, dass die Liste zutreffend
erstellt wurde. Diese Liste weist ebenfalls den Einkaufswert aus. Schadensmindernd zu
berücksichtigen ist der im Jahre 1999 erfolgte Warenverkauf. Diesen hat der Kläger mit
58.625,78 DM angegeben. Der Beklagte wendet insoweit ein, dass ausweislich der vom
Kläger vorgereichten Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1999 die Umsatzerlöse
nebst Mehrwertsteuer 142.195,15 DM betragen hätten. Auch wenn in der Gewinn- und
Verlustrechnung der vom Kläger angegebene Betrag als Aufwendungen für Roh-, Hilfs-
und Betriebsstoffe sowie bezogene Waren ebenfalls aufgeführt ist und der Kläger den
Warenverbrauch bereits in der Anlage zum Schriftsatz vom 30.06.2003 (Bl. 58 d. A.)
aufgeführt hat, legt der Senat im Rahmen der Schadensschätzung zu Gunsten des
Beklagten die Umsatzerlöse in Höhe von 142.195,15 DM zu Grunde. Dieser Erlös ist
allerdings in die Einkaufspreise umzurechnen. Wendet man hierbei insgesamt den für
den Beklagten günstigsten Umrechnungsfaktor von 1,9 (für Uhren) an, so errechnet sich
ein den Schaden vermindernder Umsatzerlös von 74.839,55 DM.
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Auf dieser Grundlage ergibt sich folgende Schadensberechnung:
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Warenbestand zum 31.12.1998 293.978,25 DM
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Wareneinkauf 1999 163.531,68 DM
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Warenverkauf 1999 - 74.839,55 DM
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Ergebnis/Sollbestand zum 31.12.1999 382.670,38 DM
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Tatsächlicher Warenbestand
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zum 31.12.1999 - 124.861,97 DM
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Schaden 257.808,41 DM
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Hiervon ist der Wert der vom Kläger zurückerhaltenen Gegenstände in Abzug zu
bringen. Der Kläger beziffert diesen Wert auf 119.720,00 DM, so dass ein Restschaden
von 138.088,41 DM (70.603,48 EUR) verbleibt. Dieser Betrag übersteigt den mit der
Klage geltend gemachten Schaden von 46.016,72 EUR um mehr als 24.000,00 EUR.
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Mit Rücksicht auf diese Differenz sind die vom Beklagten geltend gemachten
Einwendungen unerheblich. Für seinen Einwand, der Kläger habe nicht alle
zurückerhaltenen Gegenstände angegeben, ist er - wie ausgeführt - darlegungs- und
beweispflichtig. In Anbetracht des Differenzbetrages von 24.000,00 EUR zwischen dem
vom Kläger aufgrund der Inventur- und Einkaufslisten hinreichend nachgewiesenen
Schaden und dem geltend gemachten Schadenersatz hätte der Beklagte im Rahmen
des § 287 ZPO hinreichende Anhaltspunkte dafür beweisen müssen, dass der Kläger
weitere Gegenstände im Wert dieser Größenordnung zurückerhalten hätte. Dies ist nicht
der Fall; die Einwände des Beklagten beschränken sich auf den Rückerhalt einzelner
Gegenstände in einem weit geringeren Wert.
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Unbegründet ist auch sein Einwand, die Goldpreise seien entgegen den Angaben des
Klägers und der Zeugin H in den letzten zehn Jahren nicht gestiegen. In dem
nachgelassenen Schriftsatz vom 18.10.2005 wendet er ein, der Goldpreis sei von 1988
bis zu den Jahren 1999/2000 stetig gefallen, insbesondere in der Mitte des Jahres 1999
habe er auf einem Tiefpunkt gelegen. Erst seit dem Jahre 2001 sei er stark angestiegen
und befinde sich jetzt wieder auf dem Niveau des Jahres 1988. Auch wenn man das
zugrunde legt, bleibt der Einwand des Beklagten unerheblich. Maßgebend ist der
Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Nach dem vom Beklagten als Anlage
zum Schriftsatz vom 18.10.2005 selbst vorgelegten Laufkursdiagramm hat der Goldpreis
in dem nunmehr maßgeblichen Zeitpunkt ein Niveau erreicht, das nicht unter, sondern
über dem Stand der letzten zehn Jahre liegt.
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Aus der Schadensberechnung sind zu Gunsten des Beklagten auch nicht die von der
Firma P mit Rechnung vom 26.05.1999 zum Einkaufspreis von 47.475,05 DM
berechneten und von dem Kläger in der Zusammenstellung der Einkäufe 1999 (Anlage
K 5 zum Schriftsatz vom 19.09.2005) mit diesem Betrag einbezogenen Waren
herauszunehmen. Diese Waren mögen zwar entsprechend den auf der Rechnung
abgedruckten Geschäftsbedingungen bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum der
Firma P verblieben sein. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers hat die Firma P
ihm die Waren aber nach dem Einbruch in Rechnung gestellt und sich vom Kläger
Wechsel ausstellen lassen. An den Beklagten hat sie sich zum Zwecke der
Schadenswiedergutmachung dagegen nicht gewendet. Hieraus ist zu entnehmen, dass
sie dem Kläger die Warengegenstände entweder übereignet oder ihn zumindest
ermächtigt hat, Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten im eigenen Namen
geltend zu machen.
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III.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB a.F. Da die Klageforderung vor dem
1.5.2000 entstanden und fällig geworden ist, kommt die bis zum 30.3.2000 geltende
Fassung des § 288 BGB zur Anwendung, nach der gesetzliche lediglich Zinsen in Höhe
von 4% geschuldet werden (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 288 Rdn. 1).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus §§ 711 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die dafür nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO
erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
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Berufungsstreitwert: 46.016,27 EUR
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