Urteil des OLG Köln vom 13.10.2004

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Oberlandesgericht Köln, 11 U 184/03
Datum:
13.10.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 184/03
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.10.2003 verkündete Urteil
des Landgerichts Köln (5 O 20/01) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Bürgschaft der I.
Kreditversicherungs-AG, Urkunde Nr. 256.465 vom 23.10.1991 über
196.400 DM herauszugeben.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 58 %
und die Beklagte zu 42 %, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen
die Klägerin zu 55 % und die Beklagte zu 45 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
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I.
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Die Rechtsvorgängerin der Klägerin führte für die Beklagte in den Jahre 1991 und 1992
Sanierungsarbeiten an zwei Abschnitten der Autobahn A 4 zwischen Köln und Aachen
durch den Hocheinbau einer bituminösen Decke durch. Der Auftrag für den Abschnitt
zwischen den km 36,90 und 32,10 (Nr. 51/91) wurde der Rechtsvorgängerin der
Klägerin am 24.6./3.7.1991 erteilt; die Abnahme erfolgte am 21.10.1991. Der den
Abschnitt zwischen km 49,8 und 46,4 betreffende zweite Auftrag (Nr. 134/91) datiert vom
24.9.1991; die Abnahme erfolgte nach Auftragsdurchführung am 4.2.1992. In der
Folgezeit rügte die Beklagte für beide Autobahnabschnitte das Auftreten von Mängeln in
Form von Spurrinnen; die den zweiten Auftrag betreffende Mängelrüge erfolgte am
22.1.1997. Zuvor, nämlich am 21.12.1993, hatten die Parteien hinsichtlich des zweiten
Auftrags die Verlängerung der ursprünglich am 4.2.1996 ablaufenden
Gewährleistungsfrist um ein Jahr bis zum 4.2.1997 vereinbart, nachdem sich in der von
der Klägerin aufgetragenen Gussasphaltschicht Flecken zeigten. Wegen der
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Einzelheiten der vertraglichen Beziehungen der Parteien und des näheren Inhalts der
Mängelrügen der Beklagten wird auf die Darstellung in der angegriffenen Entscheidung
Bezug genommen.
Zur Sicherung ihrer Ansprüche auf Vertragserfüllung erhielt die Beklagte zwei
Bürgschaften, deren Herausgabe die Klägerin mit der Klage verlangt. Der
Bürgschaftsgestellung lagen die "Zusätzlichen Vertragsbedingungen der Beklagten für
die Ausführung von Bauleistungen im Strassen- und Brückenbau - ZVB-StB 88-" (GA
391 ff) zugrunde. Der vertraglich vorgesehene Austausch der Vertragserfüllungs- gegen
Gewährleistungsbürgschaften erfolgte nicht.
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Durch die angefochtene Entscheidung, auf die wegen aller weiteren Einzelheiten Bezug
genommen wird, hat das Landgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme die auf
Herausgabe der Bürgschaftsurkunden und Feststellung des Nichtbestehens von
Gewährleistungsansprüchen gerichtete Klage abgewiesen. Es hat im wesentlichen
ausgeführt: Die Klägerin hafte für die unstreitig aufgetretenen Spurrinnen, weil sie die
nach der DIN 18317 gebotene Optimierung des Mischgutes unterlassen habe. Sie
könne sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte hinsichtlich der Verkehrsbelastung
und der Bauklasse in der Leistungsbeschreibung unzutreffende Angaben gemacht
habe. Es sei für sie ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die betreffenden
Autobahnabschnitte - entsprechend der schon zur Zeit des Vertragsschlusses geltenden
Neufassung der RStO 86 und der ZTV bit StB 84 - in die "Bauklasse SV" und nicht in
die ausgeschriebene "Bauklasse 1" einzustufen gewesen seien.
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Gegen die Abweisung ihrer Klage wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie
wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen; unter Vorlage eines von ihr
eingeholten Privatgutachtens des Sachverständigen H. (GA 244 ff) vertritt sie den
Standpunkt, die Ursache der Spurrinnen sei eine nicht ausreichende Dicke der mittleren
Schicht des Aufbaus; das wiederum sei maßgeblich auf einen Planungsfehler der
Beklagten zurückzuführen, der für sie nicht erkennbar gewesen sei. Daher sei eine
Haftung schon dem Grunde nach ausgeschlossen, jedenfalls aber treffe die fachkundige
Beklagte ein ganz überwiegendes Mitverschulden, weil für diese die Verkehrsbelastung
- anders als für sie, die Klägerin - nicht zweifelhaft gewesen sei. Das Mischgut sei nach
den Feststellungen des Sachverständigen H. nach dem damals geltenden Stand der
Technik optimal rezeptiert worden. Weiter verweist die Klägerin darauf, dass die
Beklagte die den zweiten Vertrag betreffende Bürgschaft schon deshalb herausgeben
müsse, weil die Mängelrüge erst innerhalb der ohne Zustimmung des Bürgen
verlängerten Gewährleistungsfrist erfolgt sei und der Bürge sich daher auf Verjährung
berufen könne.
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Den zunächst mit der Berufung noch weiterverfolgten Antrag auf Feststellung des
Nichtbestehens von Gewährleistungsansprüchen der Beklagten aus beiden Verträgen
hat die Klägerin - mit Zustimmung der Beklagten - für erledigt erklärt, nachdem die
Beklagte erklärt hat, über die Inanspruchnahme der Bürgschaften hinaus keine weiteren
Gewährleistungsansprüche geltend zu machen.
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Die Klägerin beantragt nunmehr,
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die Beklagte unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung zu
verurteilen, an sie die Bürgschaften der I. Kreditversicherungs-AG mit der
Urkunden-Nr. 246.289 vom 25.6.1991 über 241.100 DM und der Urkunden-Nr.
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256.465 vom 23.10.1991 über 196.400 DM herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht unter Wiederholung und Vertiefung
ihres erstinstanzlichen Sachvortrags geltend, dass die wesentliche Ursache für die
aufgetretenen Mängel in der fehlenden Optimierung des Mischgutes liege, wie der
erstinstanzlich beauftragte Sachverständige T. festgestellt habe. Ein Planungsfehler
lege dagegen nicht vor, da die richtige Bauklasse sich aus den Vertragsbedingungen
ergebe. Unabhängig davon sei die Klägerin mit neuem Vorbringen dazu, in welcher
Schicht der maßgebliche Fehler liege, ausgeschlossen. Die Bürgin könne sich
entgegen der Auffassung der Klägerin schon deshalb nicht darauf berufen, dass die
Mängel nicht rechtzeitig gerügt worden seien, weil sie nach der Vereinbarung über die
Verlängerung der Gewährleistungsfrist der Vertragsübernahme durch die
Rechtsvorgängerin der Klägerin zugestimmt habe.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren
wird auf den schriftsätzlichen Vortrag und die überreichten Unterlagen Bezug
genommen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
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Die Beklagte ist verpflichtet, die den zweiten Auftrag (Nr. 134/91) betreffende Bürgschaft
unabhängig davon, ob die Klägerin die aufgetretenen Mängel zu verantworten hat, an
die Klägerin herauszugeben. Hinsichtlich des ersten Auftrags (Nr. 51/91) besteht eine
Gewährleistungsverpflichtung der Klägerin und die Haftung der Bürgin fort; daher ist die
Beklagte nicht verpflichtet, auch diese Bürgschaftsurkunde herauszugeben. Im
Einzelnen gilt Folgendes:
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1.
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Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Gewährleistungsansprüche der Beklagten
aus dem zweiten Auftrag (Nr. 134/91) nach Ablauf der durch die Mängelrüge vom
22.1.1997 in Gang gesetzten neuen zweijährigen Gewährleistungsfrist verjährt sind.
Sofern der Bürge sich auf diese Einrede berufen kann, kann er aus der Bürgschaft nicht
mehr in Anspruch genommen werden; sie ist dann an den Auftragnehmer (Lauer,
NZBau 2003, 318) herauszugeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
(BGH NJW 1993, 1132) hindert der Eintritt der Verjährung der gesicherten Forderung
allerdings die Inanspruchnahme eines Bürgen nicht in jedem Fall. Gemäß § 17 Nr. 8
VOB/B ist eine nicht verwertete Sicherheit zwar spätestens nach Ablauf der
Gewährleistungsfrist zurückzugeben; wenn die Ansprüche des Auftraggebers zu dieser
Zeit aber noch nicht erfüllt sind, darf er die Sicherheit oder einen entsprechenden Teil
zurückhalten, sofern der Sicherungszweck der Bürgschaft so weit reicht. Der
Verjährungseintritt hindert also die Zurückhaltung nicht, sondern ist vielmehr
Voraussetzung für die Anwendung von § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B.
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Der Sicherungszweck ergibt sich aus den zugunsten der Beklagten gestellten
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Bürgschaften: übernimmt der Bürge wie im vorliegenden Fall nach dem Inhalt seiner
Erklärung die Zahlung der Bürgschaftssumme, wenn der Auftragnehmer
Gewährleistungsansprüche nicht fristgerecht erfüllt, bedeutet das nach objektivem
Verständnis, dass er in demselben Umfang haften will, in dem der Auftraggeber in
seinem Verhältnis zum Unternehmer gesichert sein soll. Da die Bürgschaft danach auch
den Zweck hat, die Beklagte unter den Voraussetzungen des § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B
für verjährte Ansprüche zu sichern, gehören diese zu den nach den
Bürgschaftsurkunden gesicherten Ansprüchen. Auf die ihm an sich nach § 768 BGB
zustehende Einrede, der Gewährleistungsanspruch der Beklagten sei verjährt, kann
sich der Bürge im vorliegenden Fall daher nicht berufen.
Das gilt nach Wortlaut und Sinn der Bestimmung des § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B allerdings
nur dann, wenn die Mängel in unverjährter Zeit gerügt wurden (BGHZ 121, 168 ff). Die
nach §§ 639 Abs. 1, 478 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. erforderliche Anzeige innerhalb der
Gewährleistungsfrist dient dem Schutz der berechtigten Interessen des Unternehmers;
in gleicher Weise schützenswert ist der Unternehmer, wenn statt der nicht vollständigen
Zahlung des Werklohns noch Sicherheiten ausstehen.
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Im vorliegenden Fall ist - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - die Mängelrüge erst
am 22.1.1997 und damit nach Ablauf der ursprünglichen, bis zum 4.2.1996 laufenden
Gewährleistungsfrist erfolgt. An der nach der Bürgschaftserklärung getroffenen
Vereinbarung vom 21.12.1993, mit der die Frist bis zum 4.2.1997 verlängert wurde, war
die Bürgin nicht beteiligt. Es handelt sich um eine rechtsgeschäftliche Erweiterung der
Hauptschuld, die die Bürgin nicht gegen sich gelten lassen muss (OLG Düsseldorf,
BauR 1993, 747; Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 15. Auflage 2004, § 17 Nr. 4
VOB/B, Rdn. 99) und der sie entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht
nachträglich zugestimmt hat. Die von der Beklagten für die Begründung ihrer insoweit
gegenteiligen Auffassung herangezogene Zustimmungserklärung vom 30.6.1998 (GA
334) bezog sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf die
Schuldübernahme durch die Klägerin, die durch die Einstellung des Geschäftsbetriebes
der U. GmbH und Co KG, der ursprünglichen Vertragspartnerin der Beklagten,
erforderlich geworden war. Der Behauptung der Beklagten, die Bürgin habe zum
Zeitpunkt der Zustimmung zur Vertragsübernahme von der Verlängerung der Verjährung
gewusst, daher liege in dieser Zustimmung auch eine nachträgliche Billigung der
Verlängerung der Gewährleistungsfrist, war nicht nachzugehen. Der zugrunde liegende
Sachvortrag ist nicht hinreichend bestimmt und findet in den vorgelegten Unterlagen
keinerlei Anknüpfungspunkt.
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Daraus ergibt sich, dass die Bürgin nur für die Dauer der ursprünglich vereinbarten
Gewährleistungsfrist einzustehen hat. Gegenüber einer Inanspruchnahme durch die
Beklagte ist sie daher zur Erhebung der Verjährungseinrede berechtigt; demzufolge hat
die Beklagte mangels rechtlichem Interesse an deren Zurückhaltung die Bürgschaft
herauszugeben.
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2.
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Einen Anspruch auf Herausgabe der für den Vertrag Nr. 51/91 gestellten Bürgschaft
besteht dagegen nicht.
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Für den vorliegenden Fall spielt es keine Rolle, dass nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes (BauR 2004, 1145) die Verpflichtung zur Gestellung von
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Bürgschaften auf erstes Anfordern in allgemeinen Geschäftsbedingungen auch bei
öffentlichen Auftraggebern unwirksam ist, denn die hier von der Beklagten verwendete
Bestimmung des § 48 der ZTV-StB 88 (GA 404) sah nur die Verpflichtung zur
Gestellung einer einfachen selbstschuldnerischen Bürgschaft vor. Diese kann die
Klägerin nur dann herausverlangen,, wenn der Auftraggeber keinen Anspruch auf eine
den rechtlichen Anforderungen entsprechende Bürgschaftserklärung hat. Ein solcher
Anspruch ergibt sich jedoch aus § 48 ZTV-StB 88; er betrifft auch die vorliegende
Fallgestaltung, in der es sich bei der im Besitz der Beklagten befindlichen Bürgschaft
noch um die ursprünglich gestellte Vertragserfüllungsbürgschaft handelt. Deren
Herausgabe kann die Klägerin nur Zug-um-Zug gegen Gestellung einer
Gewährleistungsbürgschaft in der vertraglich vorgesehenen Form verlangen kann, die
sie jedoch nicht angeboten hat.
Dem Anspruch der Beklagten steht auch ein Wegfall ihrer Gewährleistungsansprüche
nicht entgegen, denn diese bestehen fort: für die - unstreitig innerhalb der vereinbarten
und nicht verlängerten Gewährleistungsfrist von der Beklagten gerügten - Mängel hat
die Klägerin einzustehen; sie kann sich nicht darauf berufen, die Beklagte habe eine
unrichtige Bauklasse ausgeschrieben und sei daher für die Mängel selbst
verantwortlich. Das hat das Landgericht zutreffend festgestellt. Den Ausführungen in der
angegriffenen Entscheidung schließt sich der Senat an und nimmt zur Vermeidung von
Wiederholungen darauf Bezug. Die zweitinstanzlich dagegen vorgebrachten
Einwendungen der Klägerin vermögen ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen.
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Dass die Beklagte statt der der Verkehrsbelastung entsprechenden "Bauklasse SV" die
"Bauklasse 1" ausgeschrieben hat, entlastet die Klägerin nicht, denn nach den
Feststellungen des Sachverständigen T. kann nicht zweifelhaft sein, dass die A 4 in
dem fraglichen Bereich im Hinblick auf ihre Verkehrsbelastung der "Bauklasse SV"
zuzuordnen war. Das gilt auch unabhängig davon, dass diese Bauklasse erst (kurz)
nach Abschluss des Vertrages zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der
Beklagten, nämlich im Mai 1991, verbindlich eingeführt worden ist (GA 60), denn die
technischen Regelwerke (die RStO) waren bereits geändert und die Grundlagen dafür
den Fachkreisen, zu denen auch die Rechtsvorgängerin der Klägerin gehörte, seit
längerem bekannt. Die Klägerin greift das mit der Berufung auch nicht mehr
ausdrücklich an, meint aber unter Berufung auf das von ihr vorgelegte Privatgutachten,
sie habe bei der Rezeptur des Mischgutes nicht nur den Verformungswiderstand,
sondern auch Anforderungen an Rissbeständigkeit und Verarbeitbarkeit beachtet und
dabei das Mischgut dem damaligen Stand der Technik entsprechend optimal
zusammengesetzt. Eine höhere Verformungsresistenz habe sich daher unter
Berücksichtigung der anderen Anforderungen nicht erzielen lassen.
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Diese Schlussfolgerung ist jedoch durch die erstinstanzlich durchgeführte
Beweisaufnahme widerlegt und findet letztlich auch in den Ausführungen in dem
Gutachten des Sachverständigen H. keine Stütze: das vom Landgericht eingeholte
Gutachten hat ergeben, dass bituminöse Tragschichten ein seit langem bewährter und
prinzipiell auch langfristig nicht mit Spurrinnenbildung einhergehender Belag für viel
befahrene Autobahnstrecken mit höchster Belastung sind. Das hat der Sachverständige
T. überzeugend dargelegt und im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme auf die
Einwendungen der Klägerin bekräftigt; an seinen Ausführungen zu zweifeln besteht
auch unter Berücksichtigung des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin kein
Anlass. Bereits daraus folgt, dass die Bildung von Spurrinnen auf dem fraglichen
Abschnitt vermeidbar war. Letztlich hat auch der Sachverständige H. eingeräumt, dass
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der Belag auch mit einer größeren Resistenz gegen Verformungen hätte hergestellt
werden können (Gutachten S. 6; GA 249). Soweit die Klägerin in diesem
Zusammenhang darauf verweist, dass nach dem Privatgutachten die maßgebliche
Ursache des Mangels nicht in der Mischgutzusammensetzung, sondern in der
unzureichenden Stärke des Unterbaus, nämlich der Asphaltbinderschicht liege, handelt
es sich um neues, dem unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Urteils
widersprechenden Sachvortrag, der nicht mehr geltend gemacht werden kann (§ 531
Abs. 2 ZPO). Im Übrigen ändert sich durch diese Erwägung auch in der Sache nichts an
der Haftung der Klägerin: wenn sie wusste, dass sie eine statt der "Bauklasse 1" den
Maßstäben der "Bauklasse SV" entsprechende Stärke der Asphaltbinderschicht
einzubringen hatte, hätte sie die Beklagte darauf hinweisen müssen.
Die Feststellungen des Landgerichts zur Mangelhaftigkeit der Arbeiten der Klägerin sind
verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Die Kammer war nicht gehalten, den
Sachverständigen - nachdem dieser zu den Einwendungen der Klägerin schriftlich
ergänzend Stellung genommen hatte - mündlich anzuhören. Einen darauf gerichteten
Antrag hatte die Klägerin zwar zunächst gestellt, ihn aber nach Einholung der
ergänzenden Stellungnahme weder schriftsätzlich noch im Termin zur mündlichen
Verhandlung wiederholt, so dass trotz fortbestehender Einwendungen davon
auszugehen war, dass die Klägerin mit einer Entscheidung auf der Grundlage der
bereits vorliegenden Ergebnisse der Beweisaufnahme einverstanden war.
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Die Kosten für die Sanierungsarbeiten hinsichtlich des Vertrages Nr. 51/91 in Höhe von
181.832,56 DM sind unstreitig, erreichen aber nicht den Bürgschaftsbetrag. Dennoch
kann die Klägerin nicht - wie es grundsätzlich im Austausch gegen eine Bürgschaft mit
einem niedrigeren Betrag möglich wäre - die Herausgabe der Bürgschaft verlangen,
denn es darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der für die Mängelbeseitigung
erforderliche Betrag um einen Zinsanspruch erhöht, den die Beklagte in ihrem
Schriftsatz vom 14.5.2004 grundsätzlich zutreffend berechnet und der zu einer die
Bürgschaftssumme nahezu erreichenden Ersatzforderung der Beklagten führt. Ein
Austausch der Bürgschaft wegen des dann allenfalls verbleibenden minimalen
Differenzbetrages scheidet nach Treu und Glauben aus; zudem bestehen zugunsten der
Beklagten auch nach dem Vortrag der Klägerin weitere Mängel, für die die Beklagte
eine in der Höhe allerdings strittige Wertminderung verlangt hat, die zusammen mit dem
verzinsten Kostenerstattungsanspruch die Bürgschaftssumme erreichen.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt auch ein Abzug "neu für alt" nicht in
Betracht. Die von der Klägerin ausgeführten Arbeiten sollten, wie ihr aus der
Leistungsbeschreibung bekannt war) nicht die endgültige Sanierung der Fahrbahn
darstellen, sondern dienten nur der zeitweiligen Wiederherstellung der
Fahrbahnoberfläche bis zu der schon zur damaligen Zeit geplanten (und inzwischen
durchgeführten und mit einem Ausbau auf sechs Fahrspuren verbundenen)
Grundsanierung. Die Sanierungsarbeiten der Klägerin führten daher nicht zu einer
längeren Nutzung und damit nicht zu einer messbaren Vermögensmehrung, die
Voraussetzung für einen Abzug "neu für alt" ist (dazu Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch,
63. Auflage 2004, vor § 249 BGB, Rdn. 146).
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Der Ersatzanspruch der Beklagten ist schließlich auch nicht um einen
Mitverantwortungsanteil gemäß § 254 BGB zu kürzen. Zwar kommt in den Fällen, in
denen der Auftraggeber unzutreffende Anordnungen hinsichtlich der Ausführungsart
getroffen hat, ein Mithaftung gemäß § 254 BGB grundsätzlich in Betracht, weil der
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Unternehmer an Anordnungen nach § 13 Nr. 3 VOB/B gebunden ist. Das gilt auch in
den Fällen, in denen der Unternehmer den nach § 4 Nr. 3 VOB/B gebotenen Hinweis
unterlässt (Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 15. Auflage 2004, § 9 VOB/A, Rdn. 82).
Für den nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Spurrinnenbildung
wesentlichen Fehler, nämlich die nicht optimierte Mischgutzusammensetzung, war die
Klägerin allerdings auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie der
Beklagten die Ergebnisse der Eignungsprüfung übersandt hatte, allein verantwortlich,
wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Auf die unzutreffende Bezeichnung der
Bauklasse kommt es in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht an, weil dieser
Fehler der Klägerin unzweifelhaft bekannt war bzw bekannt sein musste.
3.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708
Nr. 10 und 713 ZPO.
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4.
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Die Revision wird nicht zugelassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung
noch ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der
Rechtsprechung eine Entscheidung durch das Revisionsgericht geboten.
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Streitwert:
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bis zur (Teil)Erledigung: 239.871,21 EUR
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danach 223.690,20 EUR (437.500 DM; die Summe der Bürgschaftsbeträge)
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