Urteil des OLG Köln vom 10.07.2001

OLG Köln: widerklage, fahrzeug, unfall, versicherungsnehmer, entschädigung, anhörung, nachlässigkeit, unterlassen, entschuldigung, rücknahme

Oberlandesgericht Köln, 9 U 191/00
Datum:
10.07.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 191/00
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 11 O 158/99
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.09.2000 verkündete Urteil
der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 11 0 158/99 - unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert
und wie folgt gefasst:
Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 4/5 der Klägerin und zu 1/5 der
Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin ist nur teilweise
begründet. Soweit sich das Rechtsmittel auf die Widerklage bezieht, hat es Erfolg.
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1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Entschädigung nach
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§ 12 Nr. 1 II e) AKB gegen die Beklagte wegen des Schadenereignisses vom
06.10.1998 in B, S. Straße in Fahrtrichtung M. A., betreffend den PKW Daimler Benz
190 D mit dem amtlichen Kennzeichen XXXX
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auf Grund der zwischen den Parteien bestehenden Teilkaskoversicherung nicht zu.
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Die Klägerin hat den ihr obliegenden Nachweis eines ursächlichen und unmittelbaren
Zusammenhang zwischen dem von ihr behaupteten Zusammenstoß mit dem parkenden
Kraftwagen der Frau T und den an ihrem Fahrzeug festgestellten Beschädigungen, für
die von der Beklagten eine Ersatzleistung verlangt wird, nicht geführt.
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Grundsätzlich muss der Versicherungsnehmer den Unfall voll beweisen (vgl. zur
Beweislast Senat, r+s 1998, 406). Ergibt sich allerdings aus den Beschädigungen des
Wagens, dass sie nur von außen durch ein mit mechanischer Gewalt einwirkendes
Ereignis herbeigeführt sein müssen, so kann der Nachweis ausnahmsweise durch diese
Umstände erbracht werden. Das gilt aber nur dann, wenn der schadenbegründende
Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann, etwa wenn der Schädiger nicht bekannt ist
(vgl. Senat, r+s 1998, 230).
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Dem Versicherungsnehmer steht aber grundsätzlich kein Anspruch auf Entschädigung
zu, wenn festgestellt wird, dass der Unfall sich entgegen seiner Darstellung nicht in
dieser Weise ereignet haben kann (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Hamm, r+s 1998, 455;
Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 12 AKB, Rn 45 mit weiteren
Nachweisen).
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Der Versicherer muss nur für solche Schäden Ersatz leisten, die ursächlich und
unmittelbar durch einen versicherten Schadenfall entstanden sind. Einen solchen hat
die Klägerin vorliegend nicht bewiesen.
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Aus dem vom Landgericht eingeholten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen
Dr. Q, dem der Senat folgt, geht hervor, dass am PKW der Klägerin sämtliche
Schadenmerkmale fehlen, die nach einer Kollision mit dem Kraftwagen der Frau y
erwarten gewesen wären. An dem Fahrzeug der Klägerin hat der Gutachter Schäden
festgestellt, die auf ein anderweitiges Unfallereignis hinweisen, wobei der
Sachverständige allerdings nicht ausgeschlossen hat, dass die beiden PKW kollidiert
seien. Allerdings wäre bei einem Entlangstreifen am stark geschädigten rechten
Bugbereich des PKW der Frau T entsprechend am Wagen der Klägerin an der rechten
Seite eine zumindest partiell flächige Schädigung und Abschürfung des rechtsseitigen
Karosseriebereichs zu erwarten gewesen. Solche Schäden haben aber nicht
vorgelegen.
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In seiner mündlichen Erläuterung vor dem Landgericht hat der erfahrene
Sachverständige - auch unter Berücksichtigung und kritischer Würdigung des von der
Beklagten in erster Instanz vorgelegten Gutachtens des Sachverständigenbüros T. -
weiter ausgeführt, dass charakteristische Schäden für einen Streifunfall nicht feststellbar
gewesen seien. Danach passen einzelne Schadenbereiche nicht zusammen. Die
schräg verlaufenden bzw. horizontal verlaufenden Streifschäden im vorderen Bereich
des PKW der Klägerin korrespondieren nicht zu einem reinen Streifschaden. Dies gelte
auch, wenn der PKW der Klägerin abgebremst worden sei. Auch unter
Außerachtlassung der Schäden am Fahrzeug T seien die Linien der Zerkratzungen
nicht mit dem behaupteten Streifschaden in Einklang zu bringen. Dieser sorgfältigen
Analyse schließt sich der Senat an.
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Soweit die Klägerin erstmalig in zweiter Instanz vorträgt, der Unfall sei in der Weise
verlaufen, dass das Fahrzeug der Klägerin nach rechts von der Fahrbahn abgekommen
sei, zunächst mit seiner rechten Seite die Front des rückwärts abgestellten Fahrzeugs
der Unfallgegnerin gestreift habe und sodann an dem dort stehenden Betonmast und an
der dort befindlichen, circa 0,65 m hohen Mauer entlang geschrammt sei, ist dieser neue
Vortrag nach den §§ 528 Abs. 1 bzw. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Richtigkeit dieser
Schilderung ist schon nach dem unstreitigen Schadensbild, das sich aus den
Fotografien ergibt, zweifelhaft. Die Zulassung würde jedenfalls eine umfangreiche
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Beweisaufnahme durch weiteres Sachverständigengutachten verursachen und damit
die Erledigung des Rechtsstreits verzögern.
Der Klägerin war durch das Landgericht eine Replikfrist gesetzt, § 276 Abs. 3 ZPO (Bl.
78 GA), so dass Veranlassung bestanden hätte, zur Kompatibilität der Schäden,
gegebenenfalls nach frühzeitiger Besichtigung der Unfallstelle durch gutachtliche
Rekonstruktion des Unfallverlaufs, vorzutragen, insbesondere als Antwort auf das von
der Beklagten vorgelegte Gutachten T., in dem dieser Aspekt angesprochen worden ist.
Eine ausreichende Entschuldigung ( § 528 Abs. 1 ZPO) hat die Klägerin nicht
vorgebracht.
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Hinzu kommt, dass die Klägerin entsprechende Einwendungen gegen das Gutachten
des Sachverständigen Dr. Q, der entscheidend auf die Kompatibilität der Schäden
abgestellt hat, trotz Fristsetzung (§§ 411 Abs. 4 ZPO), nicht vorgebracht hat. In der
Folgezeit, auch nicht anlässlich der mündlichen Erläuterung des Gutachtens vor dem
Landgericht, ist der nunmehr behauptete Geschehensablauf von der Klägerin nicht
dargelegt worden. Dieses Unterlassen beruht auch auf grober Nachlässigkeit im Sinne
des § 528 Abs. 2 ZPO, weil die Problematik auf der Hand lag. Insbesondere hatte die
Klägerin genug Zeit, den Unfallort rechtzeitig zu besichtigen. Im übrigen hat die Klägerin
nunmehr bei ihrer Anhörung vor dem Senat erklärt, eine wirkliche Erinnerung an das
Unfallgeschehen habe sie eigentlich gar nicht. Sie habe damals unter Schock
gestanden. Daraus ergibt sich, dass der neuer Vortrag nicht auf eigener Wahrnehmung
beruhen kann.
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Danach musste das neue Vorbringen unberücksichtigt bleiben.
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2. Die Widerklage ist hingegen nicht begründet.
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Da die Klägerin der Rücknahme der Widerklage nicht zugestimmt hat, ist sie weiterhin
anhängig geblieben. Eine Einwilligung war nämlich erforderlich, weil über die
Widerklage zur Hauptsache mündlich verhandelt war (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 22.
Aufl., § 269, Rn 9).
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Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das von der beklagten eingeholte Gutachten
T. steht der Beklagten gegen die Klägerin jedoch nicht zu.
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Ein solcher Ersatzanspruch kann sich nur unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten
Handlung, §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB, oder der positiven Vertragsverletzung
ergeben.
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Für die Voraussetzungen ist jedoch die Beklagte beweispflichtig. Sie muss
insbesondere die subjektiven Merkmale des Anspruchs nachweisen. Hieran fehlt es.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Landgericht steht nicht fest, dass es
sich um ein gestelltes Schadenereignis handelt oder in anderer Weise durch falschen
Vortrag über den Unfallhergang eine Täuschung gegeben ist. Dass die Klägerin keine
Erinnerung mehr an das Unfallgeschehen hat, ist ihr nicht zu widerlegen. Es ist im
übrigen nicht auszuschließen, dass Vorschäden am Fahrzeug vorhanden waren, die die
Klägerin vor Fahrtantritt nicht entdeckt hat.
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Demnach kommt ein Kostenerstattungsanspruch nicht in
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Betracht.
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3. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Wert
der Beschwer ist nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 14.307,80 DM (Klage und Widerklage).
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Wert der Beschwer der Klägerin: 11.711,95 DM
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und der Beklagten: 2.595,85 DM.
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Keller Mähr Dr. Halbach
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