Urteil des OLG Köln vom 23.11.1992

OLG Köln (bundesrepublik deutschland, klage auf zahlung, ddr, höhe, kind, beschwerde, deutschland, zahlung, unterhalt, leistungsfähigkeit)

Oberlandesgericht Köln, 11 W 67/92
Datum:
23.11.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 W 67/92
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 9 O 442/92
Schlagworte:
nichtehelich Kind vorzeitig Erbausgleich
Normen:
Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB
Leitsätze:
Hat das nichteheliche Kind in dem für die Berechnung des vorzeitigen
Erbausgleichs maßgeblichen 5-Jahreszeitraum teilweise in der
ehemaligen DDR und teilweise in der alten Bundesrepublik
Deutschland gelebt, so ist bei leistungsfähigem Vater mit gewöhnlichem
Aufenthalt im alten Teil der Bundesrepublik Deutschland auch für die
Zeit des Aufenthalts des nichtehelichen Kindes in der ehemaligen DDR
der fiktive in der Bundesrepublik Deutschland zu zahlende
Unterhaltsbetrag anzusetzen.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluß der 9.
Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 30. September 1992 - 9 O
442/92 - abgeändert. Dem Beklagten wird unter Beiordnung von
Rechtsanwalt R. H. in A. zur Wahrnehmung seiner Interessen in erster
Instanz Prozeßkostenhilfe mit Ratenzahlung gewährt wird, soweit er sich
gegen einen 3.841,56 DM übersteigenden Anspruch sowie gegen den
Zinsanspruch verteidigt. Die monatlichen Raten betragen ab 01.01.1993
120,-- DM. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
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I.
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Der Beklagte begehrt Prozeßkostenhilfe für die Ver-teidigung gegen die Klage seines
in der ehemaligen DDR geborenen nichtehelichen Sohnes auf vorzeitigen
Erbausgleich nach § 1934 d BGB in Höhe des dreifa-chen Jahresunterhalts.
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Der Beklagte lebt seit 1975 in den alten Bundes-ländern, der Kläger seit 1984. Er hat
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den Erbaus-gleichsanspruch nach dem Unterhaltsanspruch aus der Zeit von August
1984 bis September 1986 mit durch-schnittlich monatlich 213,42 DM berechnet.
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Das Landgericht hat mit Beschluß vom 30.09.1992 den Antrag des Beklagten auf
Gewährung von Prozeß-kostenhilfe zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die
Beschwerde des Beklagten. Er beruft sich auf Artikel 235 § 1 Abs. 2 EGBGB, macht
geltend, daß die Unter-haltsleistungen der letzten 5 Jahre geringer anzu-setzen
seien, da vor 1984 in der ehemaligen DDR nur monatlich 150,-- DM Ost gezahlt
worden seien und ist der Auffassung, daß er bei seinen Einkommensverhält-nissen
nicht zu der geforderten hohen Zahlung heran-gezogen werden könne.
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II.
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Die zulässige Beschwerde des Beklagten ist in dem im Tenor bezeichneten Umfang
begründet.
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Die Verteidigung des Beklagten hat teilweise Aus-sicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
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Dabei kann sich der Beklagte - worauf das Landgericht zu Recht hinweist - allerdings
nicht mit Erfolg auf Artikel 235 § 1 Abs. 1 EGBGB berufen. Diese Vorschrift steht dem
Anspruch des Klägers auf vorzeitigen Erbausgleich nach § 1934 d BGB nicht
entgegen. Artikel 235 § 1 Abs. 2 EGBGB kommt nicht zur Anwendung, wenn bei
gedachter Zurückverlegung des Erbfalls vor den Beitritt der Erbfall bereits nicht dem
DDR Erbrecht unterfallen wäre. Sinn der Vorschrift ist es, die nach dem DDR-Recht
durch die Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder begründete Erbaussicht
des DDR Kindes aufrechtzuer-halten. Diese Erbaussicht konnte sich aber durch die
Anwendung des BGB nur verschlechtern, falls das nichteheliche Kind ohne den
Beitritt seinen Vater nach DDR-Recht beerbt hätte (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 51,
Aufl. 1992 Rdnr. 2 zu Artikel 235 EGBGB und Schotten, Johnen DtZ 91, 225).
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Das DDR-Erbstatut ist nach den Regeln des interlo-kalen Privatrechts jedoch nur
anzuwenden, wenn der Vater zur Zeit des Beitritts seinen gewöhnlichen Aufenthalt
im Beitrittsgebiet hatte (vgl. dazu Pa-landt a.a.O. Rdnr. 5). Da der Beklagte seit 1975
in der Bundesrepublik lebt, ist Artikel 235 § 1 Abs. 2 EGBGB ist nicht anwendbar.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten ist für die Berechnung des vorzeitigen
Erbausgleichsanspruchs auch für die Zeit vor 1984, in der der Kläger noch in der
ehemaligen DDR lebte, fiktiv der in der Bun-desrepublik zu zahlende Unterhalt
anzusetzen.
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Zwar ist grundsätzlich der geschuldete Unterhalt der letzten 5 Jahre für die
Berechnung des vorzeitigen Erbausgleichsanspruchs in Ansatz zu bringen. Es trifft
auch zu, daß sich in Bezug auf den Unter-haltsanspruch die Leistungsfähigkeit des
Beklagten nach hiesigem Recht und die Bedürftigkeit des in der ehemaligen DDR
lebenden Klägers nach DDR-Recht rich-tete, weil - da beide die deutsche
Staatsangehörig-keit besitzen die Rechte und Pflichten aus den Rech-ten des
gewöhnlichen Aufenthalts zu entnehmen sind (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1978, 934
und OLG Celle FamRZ 81, 200). Danach hatte der Beklagte trotz hö-herer
Leistungsfähigkeit wegen geringerer Bedürftig-keit des Klägers nur geringeren
Unterhalt zu zahlen.
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Dieser unterhaltsrechtliche Vorteil, dessen Hinter-grund auch darin zu sehen ist, daß
mit Unterhalts-leistungen kein Vermögen angesammelt werden soll (vgl. zu diesem
Gesichtspunkt Tempel, NJW 1987, 1529 f.) kann dem leistungsfähigen Beklagten
aber im Rahmen des vorzeitigen Erbausgleichsanspruchs ebensowenig zugute
kommen wie ein Abfindungsvertrag bezüglich des Unterhalts nach § 1615 e BGB
oder eine Adoption des nichtehelichen Kindes nach altem Adop-tionsrecht (vgl. dazu
Münchner Kommentar-Leipold, BGB, 2. Aufl., 1989 Rdnr. 36 zu § 1934 d und Soer-
gel-Stein, 12. Aufl., 1992 Rdnr. 20 zu § 1934 d). Dabei ist zu berücksichtigen, daß es
sich hier gera-de nicht um einen Unterhaltsanspruch, sondern um ei-nen
erbrechtlichen Anspruch handelt, der dem nicht-ehelichen Kind eine Starthilfe geben
soll (vgl. Kum-me, Zentralblatt für Jugendrecht 1984, 127).
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Für diesen Anspruch ist - wie § 1934 d Abs. 2 Satz 2 BGB zeigt - anders als beim
Unterhaltsanspruch in erster Linie auf die Erwerbs- und Vermögensverhält-nisse des
Vaters zur Zeit des Ausgleichsverlangens und nicht auf die Bedürftigkeit des
nichtehelichen Kindes abzustellen. Darauf zielt auch Abs. 2 Satz 1 ab, wonach für die
Feststellung des Unterhalts die Zeit heranzuziehen ist, die der Stellung des
Ausgleichsverlangens unmittelbar voranging, denn nur diese Zeit gibt einen
Anhaltspunkt für die relevan-ten Vermögensverhältnisse des nichtehelichen Vaters
(vgl. Staudinger/Werner, BGB, 12. Aufl. 1989 Rdnr. 21 zu § 1934 d BGB). Wollte man
hier trotz höherer Leistungsfähigkeit des Beklagten in der fraglichen die geringeren
Unterhaltszahlungen berücksichtigen, die nur auf dem seinerzeitigen geringeren
Unter-haltsbedarf des Klägers beruhen, würde man dem Sinn und Zweck der
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vorzeitigen Erbausgleichsanspruchs nicht gerecht werden.
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Daß der Beklagte in der Zeit vor August 1984 Ein-künfte bezogen hat, die eine
Unterhaltspflicht von durchschnittlich 213,42 DM monatlich in der Bundes-republik
Deutschland nach sich gezogen hätten, hat der Beklagte nicht bestritten und ist nach
der Höhe seiner Rente anzunehmen.
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Im vorliegenden Fall ist jedoch die Zahlung des ermittelten dreifachen des
Jahresunterhalts in Höhe von 7.683,12 DM (213,42 x 12 x 3) dem Beklagten un-ter
Berücksichtigung seiner Erwerbs- und Vermögens-verhältnisse sowie seiner
Verpflichtungen nicht zu-zumuten, § 1934 d Abs. 2 Satz 2 BGB.
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Die Angemessenheit des Regelbetrags ist nach den tatsächlichen Umständen des
Einzelfalles zu prüfen. Dabei muß der Ausgleichsbetrag eine angemessene Relation
zu dem wahren, was das nichteheliche Kind bei dem Familienstand und den
Vermögensverhältnissen des Vaters als Erbersatzanspruch oder als Pflicht-
teilsanspruch erwarten konnte (vgl. BGHZ 96, 262, 272). Maßgebend sind die
Familien- und Vermögensver-hältnisse des Beklagten. Eine Unzumutbarkeit ist z. B.
anzunehmen, wenn der Beklagte weder aus dem Ver-mögen, noch aus den
laufenden Einkünften (auch nicht mit Ratenzahlung oder Stundung) den Anspruch
befrie-digen kann (vgl. KG FamRZ 1973, 51).
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Unter Berücksichtigung aller Umstände insbesondere des Alters und des Grades der
Schwerbeschädigung des Beklagten, seiner nicht sehr hohen Rente von 1.544,23
DM, seiner laufenden Pfändung von monatlich 231,70 DM zu Abdeckung des noch
mit 12.000,-- DM valutierten Darlehens, seines aus der Schwerbeschä-digung
resultierenden Mehrbedarfs von 150,-- DM monatlich sowie der Tatsache, daß sein
Vermögen nur aus einem Pkw im Werte von ca. 3.000,-- DM besteht, er aber
andererseits keine ehelichen Kinder und auch keine Ehefrau zu versorgen hat, hält
der Senat die Zahlung eines vorzeitigen Erbausgleichs in Höhe des 1 1/2-fachen
Jahresbetrags - d. h. 3.841,56 DM - für zumutbar.
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Es war daher für die Verteidigung gegen die Klage in Höhe des 3.841,56 DM
übersteigenden Anspruchs Pro-zeßkostenhilfe zu bewilligen.
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Die Verteidigung hat auch hinsichtlich des Zins-anspruchs Aussicht auf Erfolg, da die
Klage auf Zahlung des Ausgleichsanspruchs nach Eintritt der Rechtskraft gerichtet
sein muß (vgl. BGHZ 96, 262, 273).
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Die monatlichen Raten für die Prozeßkostenhilfe wa-ren gemäß Anlage 1 zu § 114
und § 115 ZPO bei einem zu berücksichtigenden Nettoeinkommen von 1.163,53 DM
(1.544,23 - 231,70 - 150) auf 120,-- DM ab 01.01.1993 festzusetzen.
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Dem Beklagten dürfte auf einen entsprechenden Antrag hin Ratenzahlung bzw.
Stundung zu gewähren sein (vgl. §§ 1934 d Abs. 5, 1382 Abs. 5 BGB und Pa-
landt/Edenhofer, a.a.O. Rdnr. 25 zu § 1934 d BGB).
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Eine Kostenentscheidung erübrigt sich im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO.
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