Urteil des OLG Köln vom 15.01.2008

OLG Köln: leistungsklage, feststellungsklage, verkehrsunfall, sicherheitsleistung, auflage, fahrtkosten, entstehung, verdienstausfall, bürgschaft, schmerzensgeld

Oberlandesgericht Köln, 4 U 21/07
Datum:
15.01.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 21/07
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 27 O 644/04
Tenor:
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom
3. Februar 2007 - 27 O 644/04 - teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
1.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in
Höhe von 35.790,43 € nebst Zinsen in Höhe von 8% seit dem
16.12.2000 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage hinsichtlich des Schmerzensgeldantrages
abgewiesen.
2.
Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrages zu 2 - bezifferter materieller
Schadensersatzanspruch - dem Grunde nach gerechtfertigt.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet
sind, dem Kläger 100% aller materiellen Schäden, die ihm aus dem
Verkehrsunfall am 31.12.1995 bereits entstanden sind und noch
entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw.
übergehen werden.
Es wird zudem festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem
Kläger sämtliche künftigen immateriellen Schäden, die ihm aus dem
Verkehrsunfall am 31.12.1995 noch entstehen, zu ersetzen, soweit
Ansprü-che nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte
übergegangen sind bzw. übergehen werden.
II.
Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz bleibt dem
erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
G r ü n d e
1
I.
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Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
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Das Landgericht hat ein Grund- und Teilurteil erlassen, mit dem es den
Feststellungsantrag insoweit, als er den bereits entstandenen materiellen Schaden
betraf, abgewiesen hat.
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Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, der in
diesem Fall die Leistungsklage – anders als das Landgericht – nicht für vorrangig hält.
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Der Kläger beantragt,
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1. unter teilweiser Abänderung des Grund- und Teilurteils des Landgerichts Köln
vom 03.07.2007 – 27 O 644/04 – festzustellen, dass die Beklagten als
Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger (auch) sämtliche weiteren
materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Verkehrsunfall vom
31.12.1995 bereits entstanden sind und derzeit entstehen, soweit diese
Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen
sind oder übergehen werden,
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2. dem Kläger für den Fall der Anordnung einer Sicherheitsleistung zu gestatten,
diese auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse
oder Genossenschaftsbank zu erbringen,
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3. die Revision zuzulassen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie sind der Ansicht, vorliegend handele es sich um die Frage der Schadenprognose
nach Abschluss der Schadenentstehung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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II.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.
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Die Feststellungsklage bezogen auf die bereits entstandenen materiellen Schäden, die
der Kläger aufgrund des Verkehrsunfalls erlitten hat, ist hier als zulässig anzusehen.
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Zwar ist grundsätzlich die Feststellungsklage unzulässig, wenn auch die Leistungsklage
erhoben werden könnte.
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Befindet sich aber der anspruchsbegründende Sachverhalt (wie hier der durch den
Unfall verursachte Schaden) zur Zeit der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung,
so ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig, auch wenn der Anspruch bereits
teilweise beziffert werden könnte. Der Geschädigte kann aber auch bezüglich des
bereits bezifferbaren Teils Leistungsklage und im Übrigen Feststellungsklage erheben
(Zöller/Greger ZPO, 26. Auflage § 256 Rn. 7 a mit Hinweis auf BGH NJW 1984, 1552,
1554; VersR 1991, 788). Auch wenn der Anspruch während des Prozesses bezifferbar
wird, muss der Kläger nicht zur Leistungsklage übergehen (Zöller a.a. O. Rn. 7 c mit
Hinweis auf BGH NJW 1978, 210).
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So liegt der Fall hier aber.
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Der Kläger hat in der Klageschrift den erlittenen materiellen Schaden, soweit er bis zum
31.12.2004 bereits eingetreten war, beziffert und insoweit Leistungsklage erhoben.
Während des Verfahrens hat sich der materielle Schaden weiter entwickelt, wie z. B. der
Verdienstausfall, die Kosten für eine Haushaltshilfe, Zuzahlungen, Fahrtkosten,
orthopädische Hilfsmittel. Der Kläger brauchte seinen Leistungsantrag nicht ständig zu
aktualisieren.
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Anders als die Beklagten meinen, handelt es sich hier nicht um einen Fall, in dem die
Entstehung des Schadens bereits abgeschlossen ist und nur noch die Schadenshöhe
zu prognostizieren ist. Hier ist lediglich das Ereignis, das den Schaden hervorgerufen
hat, nämlich der Verkehrsunfall mit den verursachten Körperverletzungen
abgeschlossen. Der sich aus diesen Körperverletzungen ergebende oben genannte
Schaden befindet sich aber immer noch in der Entwicklung.
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Deshalb war das angefochtene Urteil abzuändern wie geschehen.
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Die Nebenkostenentscheidungen folgen aus §§ 97, 516 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war nicht - wie beantragt - zuzulassen, weil die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert,
§ 543 ZPO.
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Berufungswert: 25.000,00 € Berufung des Klägers (geschätzt)
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zu 1) 35.790,43 € am 08.10.2007 zurückgenommene Berufung
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zu 2) 211.805,47 € der Beklagten
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zu 3) 75.000,00 €
28
322.595,90 €
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