Urteil des OLG Köln vom 06.09.2006

OLG Köln: arglistige täuschung, immobilienfonds, vertragsabschluss, darlehensvertrag, vertragsschluss, widerruf, mietvertrag, vermittler, arbeitsamt, nichtigkeit

Oberlandesgericht Köln, 13 U 32/06
Datum:
06.09.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 U 32/06
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 15 O 283/05
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 12. Januar 2006 – 15 O 283/05 – wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor
Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
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I.
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Die klagende Bank (früher: X.-I.-Bank AG) nimmt die Beklagte aus einem gekündigten
Darlehensvertrag, den die Beklagte am 29./30.12.1993 gemeinsam mit 45 weiteren,
ebenfalls treuhänderisch vertretenen Darlehensnehmern zur grundpfandrechtlich
besicherten - (Teil)Finanzierung ihrer Beteiligung an dem geschlossenen
Immobilienfonds "Arbeitsamtsgebäude N. GbR" abgeschlossen hatte, auf
Darlehensrückzahlung in Höhe von 105.228,57 € in Anspruch. Die Beklagte
beansprucht ihrerseits widerklagend von der Klägerin Zahlung von 41.390,77 € Zug um
Zug gegen Abtretung des von der Klägerin finanzierten Beteiligungsanteils.
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Mit Urteil vom 12.01.2006, auf das wegen der erstinstanzlichen Anträge, des dortigen
Sach- und Streitstandes und seiner Würdigung durch die Zivilkammer Bezug
genommen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage
abgewiesen.
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Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Sie hält den
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von der B. Treuhand GmbH für sie abgeschlossenen Darlehensvertrag für unwirksam,
weil die Vollmacht der Treuhänderin wegen Verstoßes gegen das RBerG gemäß § 134
BGB nichtig sei und auch nicht gemäß §§ 171, 172 BGB als wirksam behandelt werden
könne, obwohl der Klägerin bei Vertragsabschluss die Vollmachtsurkunde – unstreitig -
im Original vorlag. Auch der Umstand, dass die Finanzierungsvollmacht nicht die in § 4
Abs.1 S.4 Nr.1 Buchst. a)- f) VerbrKrG vorgeschriebenen Angaben enthält, führe zur
Nichtigkeit des Darlehensvertrages (nach § 6 Abs.1 VerbrKrG). Die
grundpfandrechtliche Besicherung des Darlehens rechtfertige bei der gebotenen
teleologischen Auslegung des § 3 Abs.2 Nr.2 VerbrKrG keine Anwendung auf den
Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds. Außerdem habe die Beklagte die
gemäß darlehensvertraglicher Anweisung an die Treuhand GmbH Y. ausgezahlte
Darlehensvaluta auch nicht i.S.d. § 6 VerbrKrG "empfangen". Die Berufung meint ferner,
es sei von einer Haustürsituation i.S.d. § 1 HWiG auszugehen, so dass der von der
Beklagten im Verlauf des Rechtsstreits erklärte Widerruf des Darlehensvertrages
wirksam sei. Unter Berufung auf ein Schreiben der C. g. B. vom 03.12.2004 (Bl. 89/140
d.A.) macht die Beklagte schließlich geltend, durch arglistige Täuschung über die
fehlende Bereitschaft der C. g. B. zur Verlängerung des Mietvertrages zum
Vertragsabschluss veranlasst worden zu sein; dies müsse die Klägerin auch nach der
neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgrund vermuteter Kenntnis der
arglistigen Täuschung gegen sich gelten lassen.
Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und die Klägerin
auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 41.390,77 € nebst 7% Zinsen seit
dem 29.12.1993 Zug-um-Zug gegen Übertragung des Anteils der Beklagten am
Immobilienfonds "Arbeitsamt N. GbR" im Zeichnungswert von 188.010 DM zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Berufungsangriffen unter
Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vornehmlich mit Rechtsausführungen
entgegen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivortrags in der Berufungsinstanz
wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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II.
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Die Berufung der Beklagten ist – spätestens nach Aufgabe der abweichenden
Rechtsprechung des II. Zivilsenats, auf die sich die Berufung weithin stützt –
unbegründet.
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1. Es erscheint schon fraglich, ob die der Treuhänderin im Kaufauftrag (Bl. 31 d.A.) und
im Treuhandvertrag (Bl. 32 ff. d.A.) erteilte Finanzierungsvollmacht überhaupt gegen das
Rechtsberatungsgesetz verstößt. Jedenfalls die im Kaufauftrag enthaltene Vollmacht
hatte nicht den Abschluss eines ganzen Bündels von Verträgen mit mannigfaltigem
rechtlichen Beratungsbedarf zum Gegenstand, sondern beschränkte sich auf die
Erklärung des Beitritts zur Fondsgesellschaft und die treuhänderische Verwaltung der
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Beteiligung sowie auf die Aufnahme der Finanzierungsdarlehen, mithin auf die
Wahrnehmung von im Wesentlichen wirtschaftlichen Belangen (vgl. Urteile des BGH
vom 25.04.2006 – XI ZR 219/04 – Rz. 16, und XI ZR 29/05 – Rz. 15). Ob die in § 2 des
Treuhandvertrages enthaltene Finanzierungsvollmacht nach Art und Umfang der darin
enthaltenen Ermächtigungen der Treuhänderin (u.a. zur Schuldhaftübernahme, Abgabe
abstrakter Schuldanerkenntnisse, Vollstreckungsunterwerfungserklärungen,
Sicherungszweckerklärungen und Anteilsverpfändungen) anders zu beurteilen ist, kann
offen bleiben; denn auch bei etwaiger Nichtigkeit dieser Vollmacht ist sie jedenfalls
nach §§ 171, 172 BGB als gültig zu behandeln, da sie der Klägerin unstreitig bei
Abschluss des Darlehensvertrages im Original vorlag (ebenso wie der Kaufauftrag). Die
zeitweise abweichende Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, auf
die sich die Berufung stützt, ist verfehlt und überholt; auf die Begründung der
vorgenannten Urteile des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 25.04.2006 (- XI
ZR 219/04 – Rz. 18–20, 26-28, 51; - XI ZR 29/05 -, Rz. 25-30, 41) wird Bezug
genommen. Die Angriffe der Berufung geben insoweit zu weiteren Ausführungen keine
Veranlassung.
2. Dass die Vollmacht zum Abschluss des Darlehensvertrages nicht die nach § 4
VerbrKrG - in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung – erforderlichen Angaben
enthält, ist unschädlich (st. Rspr. seit BGHZ 147, 262, 266 ff.), und zwar unabhängig
davon, ob die Vollmacht von Anfang an wirksam ist oder ob sie nur gemäß §§ 171 ff.
BGB als gültig zu behandeln ist (Urteil des BGH vom 26.10.2004 – XI ZR 255/03 -, juris-
Rz. 44). Der Umstand, dass der Gesetzgeber die Aufnahme der Mindestangaben für
nach dem 01.01.2002 erteilte Vollmachten in § 492 Abs.4 S.1 BGB abweichend geregelt
hat, ist nicht geeignet, das Verständnis der bis dahin geltenden anders lautenden
Rechtsvorschriften zu bestimmen (Urteil des BGH vom 23.03.2004 – XI ZR 194/02 -,
juris-Rz. 14). Darüber hinaus hat sich inzwischen auch beim Bundesgerichtshof die – in
der gesamten Kommentarliteratur zu § 6 Abs.2 S.1 VerbrKrG und § 494 Abs.2 S.1 BGB
ohnehin einhellig vertretene – Auffassung durchgesetzt, dass der Darlehensnehmer
selbst bei verbundenen Verträgen das Darlehen durch die weisungsgemäße
Auszahlung an den Verkäufer oder den Treuhänder empfängt, mit der Folge, dass der
Darlehensvertrag trotz etwaiger Formmängel nach § 4 Abs.1 S.4 Nr.1 VerbrKrG gemäß
§ 6 Abs.2 S.1 VerbrKrG gültig wird (Urteile des BGH vom 25.04.2006 - XI ZR 193/04 -,
Rz. 30-35, 36; XI ZR 219/04 -, Rz. 36-41, 51; - XI ZR 29/05 -, Rz. 33-40, 41; - XI ZR
106/05 -, Rz. 15-20, 21).
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3. Entgegen der auf die – inzwischen aufgegebene – Rechtsprechung des II. Zivilsenats
des Bundesgerichtshofs gestützten Auffassung der Berufung findet § 3 Abs.2 Nr.2
VerbrKrG auch auf den Fall des kreditfinanzierten, grundpfandrechtlich abgesicherten
Beitritts zu einem Immobilienfonds Anwendung, und zwar auch dann, wenn der
Erwerber ein Grundpfandrecht nicht selbst bestellt, sondern ein bestehendes (teilweise)
übernimmt. Auch hier ist die gesetzliche Neuregelung (§ 358 Abs.3 S.3 BGB) nicht
geeignet, das Verständnis der zuvor geltenden anders lautenden Vorschrift zu
bestimmen. Ebenso wenig lässt sich eine andere Auslegung des § 3 Abs.2 Nr.2
VerbrKrG aus europarechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen; gemäß Art. 2 Abs.3 der
Verbraucherkreditrichtlinie findet Art. 11 der Richtlinie, der finanzierte Verbundgeschäfte
betrifft, auf Realkreditverträge keine Anwendung (Urteile des BGH vom 25.04.2006 – XI
ZR 219/04 -, Rz. 46-49, und XI ZR 29/05 -, Rz. 19-23). Die Anwendung des § 9
VerbrKrG ist somit schon angesichts der grundpfandrechtlichen Absicherung des
Darlehens gemäß § 3 Abs.2 Nr.2 VerbrKrG ausgeschlossen.
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4. Der von der Beklagten während des Rechtsstreits erklärte Widerruf des
Darlehensvertrages nach § 1 HWiG scheitert bereits daran, dass für das Vorliegen einer
Haustürsituation bei einem Vertragsabschluss durch einen bevollmächtigten Vertreter
auf dessen Person, nicht hingegen auf die Situation des Vertretenen bei der
Vollmachtserteilung abzustellen ist (ganz h.M. und st. Rspr. seit BGHZ 144, 223, 227).
Der Einflussnahme des Vertragspartners oder eines Dritten ausgesetzt ist grundsätzlich
nur derjenige, der mit dem Vertragspartner verhandelt und die Vertragserklärung abgibt.
Dies ist bei einem Vertretergeschäft der Vertreter. Aus dem Rechtsgedanken des § 166
Abs.1 BGB ist deshalb zu folgern, dass für die situationsbezogenen Voraussetzungen
des Widerrufsrechts nach § 1 Abs.1 HWiG grundsätzlich allein die Person des Vertreters
maßgebend ist. Die Treuhänderin ist indessen zur Abgabe der darlehensvertraglichen
Erklärungen für die Beklagte nicht in oder aufgrund einer Verhandlungssituation im
Sinne des § 1 Abs.1 Nr.1 HWiG bestimmt worden.
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5. Die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten für eigenes
Aufklärungsverschulden unter dem Gesichtspunkt des konkreten Wissensvorsprungs –
wie vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 16.05.2006 – XI ZR 6/04 – erweitert (Rz. 50 ff.)
– sind nicht dargetan.
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a) Das gilt schon für die Annahme eines institutionalisierten Zusammenwirkens mit den
Fondsinitiatoren oder dem Vertrieb. Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin im
Wettbewerb mit anderen Banken (Bl. 12 d.A.) die besseren Konditionen für die in einer
Urkunde zusammengefassten Darlehensverträge mit 46 von der Treuhänderin
vertretenen Anlegern bot, lässt sich kein institutionalisiertes Zusammenwirken im Sinne
einer ständigen Geschäftsbeziehung (wie im Urteil des BGH vom 16.05.2006 – XI ZR
6/04 – unter Rz. 53 konkretisiert) herleiten.
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b) Aus dem Schreiben der C. g. B. vom 03.12.2004 (Bl. 89/140 d.A.) lassen sich auch
nicht die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung durch unrichtige Angaben von
Prospektverantwortlichen, Fondsinitiatoren oder der mit dem Vertrieb beauftragten
Vermittler über die – fehlenden – Aussichten einer Verlängerung des Mietvertrages
entnehmen. Denn der Mietvertrag war bereits mit dem Voreigentümer, der M. B. GmbH &
Co. Grundbesitzverwaltungs KG abgeschlossen worden, die der Fondsgesellschaft das
Objekt vermietet verkauft hatte (Bl. 190, 316 f. d.A.). Die Fondsgesellschaft sah sich
insoweit ihrerseits getäuscht und ist deshalb – wie sich aus dem Geschäftsbericht 1998
sowie dem Rundschreiben vom 27.10.1999 (Bl. 152 ff. d.A.) ergibt – gerichtlich gegen
den Verkäufer des Objekts vorgegangen (zum Ausgang jenes Rechtsstreits konnten
sich beide Parteien in der Berufungsverhandlung nicht erklären). Dass die
Fondsgesellschaft wie auch die Beklagte selbst "spätestens im Jahre 1998" davon
erfuhren, dass eine Verlängerung des Mietvertrages nicht beabsichtigt war (Bl. 150
d.A.), gibt für ein Aufklärungsverschulden bei Vertragsschluss mit der Beklagten (1993)
nichts her.
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c) Von einer evidenten Unrichtigkeit der Angaben des Fondsprospekts als Grundlage für
eine sich aufdrängende Annahme, die Klägerin müsse sich der Kenntnis der arglistigen
Täuschung geradezu verschlossen haben, kann ebenfalls keine Rede sein. Ausweislich
des Fondsprospektes stand erklärtermaßen (Seite 10 = Bl. 46 d.A.) nicht fest, ob der
Mietvertrag mit der C. g. B. über die feste Vertragslaufzeit von 7 Jahren hinaus
verlängert wird. Diese Prospektangabe war weder falsch noch unvollständig. Nach den
Angaben im Schreiben der C. g. B. vom 03.12.2004 war die Verwirklichung der bereits
1991 bestehenden Planung der C. g. B., ein eigenes Arbeitsamtsgebäude in N. zu
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errichten, vom Ausgang laufender Vermögenszuordnungsverfahren und den zu
erwartenden Denkmalschutzauflagen abhängig, so dass trotz dieser eigenen
Bauabsichten eine Verlängerung des Mietvertrages keineswegs ausgeschlossen war.
Tatsächlich ist es dann auch - infolge Verzögerungen in der Bauphase - zu einer
dreijährigen Verlängerung des Mietvertrages gekommen.
d) Sollte der Vermittler der Anlage, Herr Dr. S., im Gespräch mit der Beklagten über
deren Beitritt zur Fondsgesellschaft behauptet haben, es bestünden bereits konkrete
Verlängerungsoptionen über eine weitere Vertragslaufzeit von 10 Jahren (Bl. 123 d.A.),
blieb gleichwohl das Risiko einer Nichtausübung der Option durch die Mieterin
unkalkulierbar und lediglich einer subjektiven Einschätzung überlassen ("dass das
Arbeitsamt nie aus dem Gebäude ausziehen werde"). Die Berufung kann daher schon
nicht die Überzeugung vermitteln, die Beteiligungsentscheidung der Beklagten beruhe
auf solchen Äußerungen des Vermittlers. Im Übrigen ist auch nichts dafür ersichtlich,
dass solche Äußerungen des Vermittlers für die Klägerin erkennbar waren. Für die
Annahme eines – sei es auch nur widerleglich vermuteten – konkreten
Wissensvorsprungs der Klägerin hinsichtlich der Risiken einer weiteren Vermietbarkeit
des Objekts fehlt es daher an einer tragfähigen Grundlage.
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III.
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Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass kein Grund i.S.d. § 543 Abs.2
ZPO besteht, die Revision zuzulassen. Die prozessualen Nebenentscheidungen im
Übrigen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10, 711 ZPO.
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Streitwert der Berufung: 146.619,34 €.
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