Urteil des OLG Köln vom 20.08.2001

OLG Köln: eigentumswohnung, time sharing, eigenes verschulden, kaufpreis, erwerb, investition, mietvertrag, firma, abrechnung, anfechtung

Oberlandesgericht Köln, 13 W 71/00
Datum:
20.08.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 W 71/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 22 O 124/00
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beklagten zu 1.) vom 20.08.2000 wird der die
beantragte Prozesskostenhilfe verweigernde Beschluss der 22.
Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 02.08.2000 - 22 O 124/00 -
aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Pro-
zesskostenhilfegesuch der Beklagten zu 1.) an das Landgericht
zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Die Beschwerde ist gemäß §§ 127 Abs. 2, Satz 2, 567 ff. ZPO zulässig und hat auch in
Sache selbst einen vorläufigen Erfolg insoweit, als der angefochtene Beschluss
aufzuheben und die Sache gemäß § 575 ZPO zur erneuten Entscheidung nach
Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen an das Landgericht zurückzuverweisen war.
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Die Rechtsverteidigung der Beklagten zu 1.) hat - entgegen den Ausführungen der
Kammer in dem angefochtenen Beschluss - hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne
von § 114 ZPO, weil die Klage jedenfalls nicht ohne Beweiserhebung in vollem Umfang
zugesprochen werden darf.
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I.
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1. Zu Unrecht hat das Landgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin
gegen die Beklagte zu 1.) wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss mit der
Begründung angenommen, die Beklagte zu 1.) sei als Anlagevermittlerin zu einer
umfassenden Aufklärung und Beratung der Klägerin und ihres Ehemannes bei
deren Kauf der Eigentumswohnung als Anlageentscheidung verpflichtet gewesen;
die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte zu 1.) habe nicht
substantiiert dargelegt, dass der Beklagte zu 3.) als ihr Erfüllungsgehilfe die
Klägerin und deren Ehemann über die Risiken und die steuerlichen Folgen des
Kaufs der Eigentumswohnung ordnungsgemäß und umfassend aufgeklärt habe;
die Vorlage der Berechnungsbeispiele sei diesbezüglich nicht ausreichend, zumal
diese erst am Tag des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages, dem
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14.03.1995 (insoweit irrtümliche Annahme des Landgerichts; tatsächlich ist der
notarielle Kaufvertrag am 02.03.1995 abgeschlossen worden), vorgelegt worden
seien.
Die Beklagte zu 1.) war nicht Anlagevermittlerin, sondern Verkäuferin der
Eigentumswohnung. Als solche war sie grundsätzlich nicht verpflichtet, die Eheleute B. -
ungefragt - im Hinblick auf deren monatliche Belastungen aus dem Erwerb der
Eigentumswohnung umfassend zu beraten (BGH WM 2001, 1158).
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Eine Haftung wegen Verschuldens beim Abschluss des notariellen Kaufvertrages wird
man - entgegen der Annahme des Landgerichts - auch nicht mit der Begründung
bejahen können, dass der Kaufpreis von 10.000,00 DM für das Time-Sharing-Recht,
welches der Beklagte zu 3.) der Klägerin und ihrem Ehemann abgekauft hat, auf den
Kaufpreis für die Eigentumswohnung aufgeschlagen worden sei. Zum einen ist nicht
substantiiert vorgetragen, dass dies tatsächlich so war; vielmehr handelt es sich
insoweit um eine reine Spekulation der Klägerin. Zum anderen ist der Verkäufer
grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Preiskalkulation dem Käufer gegenüber offen zu
legen.
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1. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (WM 99, 137; 2001, 1158)
trifft allerdings auch den Verkäufer dann eine Beratungspflicht im Rahmen eines
gesondert anzunehmenden Beratungsvertrages, wenn der Verkäufer im Zuge
eingehender Vertragsverhandlungen auf Befragen des Käufers diesem einen
ausdrücklichen Rat erteilt. Dabei steht es einem auf Befragen des Käufers erteilten
Rat gleich, wenn der Verkäufer als Ergebnis intensiver Vertragsverhandlungen ein
Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt,
das zur Förderung der Vermittlung des Geschäfts dienen soll ( BGH a. a. O.). In
einem solchen Fall soll der Verkäufer über die allgemeinen vorvertraglichen
Nebenpflichten hinaus, die sich aus der Anbahnung des Kaufvertrages ergeben,
aufgrund eines daneben bestehenden selbstständigen Beratungsvertrages
verpflichtet sein, den Kaufinteressenten über die Kosten und die finanziellen
Vorteile des Immobilienerwerbs individuell zu beraten. Allerdings dürfte sich auch
nach der Rechtsprechung des BGH der Umfang der Beratungspflicht nach dem
erkennbaren Beratungsbedürfnis des Interessenten richten, da Ausgangspunkt für
die Annahme eines solchen Beratungsvertrages einerseits die entsprechende
Nachfrage des Kaufinteressenten und andererseits die tatsächliche Raterteilung
des Verkäufers bzw. seines Vertreters ist.
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1. Vorliegend sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Beratungsvertrages
gegeben.
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Nach dem jetzigen Vortrag der Beklagten zu 1.) in der Beschwerdebegründung (Bl.
175 ff der angelegten Zweitakte) und dem Vorbringen der Klägerin (siehe Klageschrift
Bl. 4, 7; Beschwerdeerwiderung vom 06.10.2000, Seite 6 = Bl. 190 der Zweitakte
sowie Berufungsbegründung vom 14.10.2000, Seite 6 = Bl. 179 der Originalakte) ist
nämlich als unstreitig anzusehen, dass der Beklagte zu 3.) der Klägerin und ihrem
Ehemann spätestens eine Woche vor Abschluss des Kaufvertrages vom 02.03.1995
ein schriftliches, auf ihre individuellen Verhältnisse zugeschnittenes
Berechnungsbeispiel vorgelegt hat.
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b) Der Annahme eines entsprechenden Beratungsvertrages zwischen der Klägerin
und ihrem Ehemann auf der einen Seite und der Beklagten zu 1.) auf der anderen
Seite steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die tatsächliche Beratung mittels
Vorlage eines Berechnungsbeispiels nicht durch die Beklagte zu 1.), sondern durch
den Beklagten zu 3.) erfolgt ist.
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Soweit Verkaufsverhandlungen nicht vom Verkäufer selbst geführt werden, sondern
von einem damit beauftragten Makler, hat der Bundesgerichtshof diesen in den
zitierten Entscheidungen als zumindest stillschweigend bevollmächtigt angesehen,
einen Beratungsvertrag zwischen Verkäufer und Käufer zustande zu bringen, wenn
der Verkäufer keinerlei Kontakt zu dem Käufer aufgenommen und er dem
Makler/Anlagevermittler für die Verhandlungen freie Hand gelassen hat (BGH, WM
99, 137; 2001, 1158). Es kann hier offen bleiben, ob dem in dieser Allgemeinheit zu
folgen ist. Der Verkäufer einer Eigentumswohnung, der diese einem Makler zum
Verkauf an die Hand gibt, wird regelmäßig, wenn sich nicht im Einzelfall aus den
Umständen (etwa einem Prospekt mit weitergehenden Hinweisen) etwas anderes
ergibt, kaum damit rechnen (müssen), dass der Makler in seinem Namen zusätzlich
einen (Anlage-) Beratungsvertrag abschließt. Dies erscheint selbst dann fraglich,
wenn der Makler - wie hier - auf Visitenkarte oder Firmenbogen nicht nur auf die
Vermittlung von Immobilien, sondern auch auf die Vermittlung von Finanzierungen
hinweist.
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Im vorliegenden Fall sprechen aber jedenfalls die unstreitig von der Beklagten zu 1.)
an den Beklagten zu 3.) und dessen Mitarbeiter, den Zeugen V., gezahlten Gelder für
eine zumindest stillschweigende Bevollmächtigung des Beklagten zu 3.) durch die
Beklagte zu 1.) in Bezug auf den Abschluss eines gesonderten Beratungsvertrages.
Unstreitig sind aus dem von der Klägerin und ihrem Ehemann an die Beklagte zu 1.)
gezahlten Kaufpreis in Höhe von 118.000,00 DM insgesamt 15.977,37 DM
(13.808,00 DM + 2.169,37 DM) an den Beklagten zu 3.) und 10.092,00 DM an den
ebenfalls für die Firma EG-F.E. arbeitenden Zeugen V. geflossen; weitere 10.000,00
DM sind als vom Beklagten zu 3.) zu zahlender Kaufpreis für das Time-Share-
Wohnrecht an den Ehemann der Klägerin zurück geflossen (vgl. die Abrechnung des
Notaranderkontos vom 01.07.1996, Anlage K 4). Auch diese 10.000,00 DM sind
damit letztlich von der Beklagten zu 1.) an den Beklagten zu 3.) gezahlt worden,
wobei insoweit dahinstehen kann, ob dies auf einer besonderen Absprache beruhte
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ob oder sich die Provision des Beklagten zu 3.) dadurch um die entsprechende
Summe verringerte. Jedenfalls haben der Beklagte zu 3.) und der Zeuge V. als
Mitarbeiter der Firma EG-F.E. insgesamt 36.069,37 DM und damit rd. 30 % des
Kaufpreises von der Beklagten zu 1.) für die Vermittlung des Wohnungsverkaufes
erhalten. Es liegt auf der Hand, dass diese weit über eine übliche Maklerprovision
hinausgehende Vergütung auf einer entsprechenden Absprache zwischen den
Beklagten zu 1.) und 3.) beruht haben muss, die zugleich das Einverständnis der
Beklagten zu 1.) beinhaltete, dass der Beklagte zu 3.) zum Zwecke der
Verkaufsförderung auch eine weitergehende individuelle Beratung der
Kaufinteressenten vornahm.
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Wegen Verletzung dieses Beratungsvertrages - wie auch wegen Verschuldens beim
Abschluss des Kaufvertrages - kommt durchaus ein Schadensersatzanspruch der
Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes in Betracht, da die
Beklagte zu 1.) sich das Handeln des Beklagten zu 3.) gegebenenfalls als eigenes
Verschulden gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss.
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3. Insoweit kann aber der Rechtsverteidigung der Beklagten zu 1.) - jedenfalls nach
deren ergänzendem Vorbringen in der Beschwerdebegründung - eine hinreichende
Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden, § 114 ZPO.
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1. Soweit die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 3.) habe erklärt, bei der gewählten
Finanzierung sei für sie und ihren Ehemann lediglich eine Investition von jährlich
400,25 DM (= 33,35 DM im Monat) erforderlich (Bl.4, 7), die Eheleute müssten also
praktisch nichts zuzahlen (Bl. 190 f.), ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der
Beklagte zu 3.) seinerzeit nicht nur eine Beispielsrechnung für das sogenannte
Erwerbsjahr 1995 aufgestellt hat, die mit einer Investition von 400,25 DM für
dieses Jahr endete (vgl. Anlage K 8), sondern auch eine weitere, zweite
Berechnung für die anschließende Mietphase, die mit einer Investition von jährlich
2.401,00 DM = 200,08 DM/Monat abschloss (vgl. Anlage Bl. 74). Insoweit ist zwar
unstreitig, dass die im Prozess vorgelegten Computerausdrucke vom 14.03.1995
stammen, diese der Klägerin und ihrem Ehemann also erst nach Abschluss des
notariellen Kaufvertrages vom 02.03.1995 (und nicht, wie vom Landgericht
angenommen, am Tag des Kaufvertragsabschlusses) vorgelegt worden sein
können. Nach dem Vorbringen der Parteien dürfte aber als unstreitig anzusehen
sein, dass der Beklagte zu 3.) den Eheleuten B. mindestens eine Woche vor
Abschluss des Kaufvertrages bereits zwei schriftliche Beispielsrechnungen
vorgelegt hatte, die den Computerausdrucken vom 14.03.1995 inhaltlich
entsprachen. Mit der Beschwerdebegründung (Bl. 175 ff.) wird dies ausdrücklich
so behauptet. Das jetzige Vorbringen der Beklagten zu 1.) steht damit zwar in
einem gewissen Widerspruch zu ihrem erstinstanzlichen Vortrag gemäß
Schriftsatz vom 17.04.2000 (Bl. 72 f.), mit dem die Beklagte zu 1.) aus dem
Umstand, dass die Beispielsrechnung erst am 14.03.1995 überreicht worden sei,
gerade hat herleiten wollen, dass ein etwaiges Beratungsverschulden jedenfalls
nicht ursächlich gewesen sein könne. Die Klägerin hat aber bereits in der
Klageschrift selbst vorgetragen, dass der Beklagte zu 3.) ihr und ihrem Ehemann
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bei einem dritten Gesprächstermin vor Abschluß des Kaufvertrages die
angeblichen Vorteile des Immobilienerwerbs schriftlich vorgerechnet habe. Dabei
sei ihnen erklärt worden, dass bei der gewählten Finanzierung lediglich eine
Investition von jährlich 400,25 DM notwendig sei, dass sich die Immobilie also
praktisch selbst trage (Bl. 4, 7). Die Klägerin bestreitet auch jetzt nicht - jedenfalls
nicht substantiiert -, dass ihr und ihrem Ehemann bereits vor Abschluss des
Kaufvertrages nicht nur eine, sondern zwei Beispielsrechnungen - entsprechend
den Anlagen K 8 und Bl. 74 - vorgelegt worden sind. So ist in der
Berufungsbegründung der Klägerin vom 14.10.2000 (Bl. 179 der Originalakte 22 O
124/00 LG Köln = 13 U 150/00 OLG Köln) von mehreren Berechnungen die Rede,
die vor Abschluss des Kaufvertrages (vom 02.03.1995) vorgelegt worden seien.
Angesichts dessen dürfte sich der Vortrag der Beklagten zu 1.) in der
Klageerwiderung (Bl. 72 f.) lediglich auf die Computerausdrucke vom 14.03.1995
bezogen haben.
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Sollte den Eheleuten B. bei Vorlage der beiden Beispielsrechnungen gleichzeitig
erklärt worden sein, dass bei Erwerb der Eigentumswohnung lediglich Investitionen
von jährlich rund 400,00 DM erforderlich seien, dass sich die Immobilie also praktisch
selbst trage, wie die Klägerin behauptet, so läge darin sicherlich eine
Pflichtverletzung, die eine Haftung wegen positiver Forderungsverletzung begründen
würde. Die Beklagte zu 1.) bestreitet aber eine entsprechende Erklärung, so dass zu
diesem Punkt Beweis zu erheben ist durch Vernehmung der von den Parteien
benannten Zeugen.
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1. Soweit der Beklagte zu 3.) in dem Verkaufsprospekt und auch in den
Berechnungsbeispielen eine Kaltmiete von (ca.) 550,00 DM/Monat als nachhaltig
erzielbar angegeben hat, ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass dieser -
seinerzeit tatsächlich gezahlte - Mietzins über der ortsüblichen Vergleichsmiete
lag, sich diese Angabe nicht auf ein Sachverständigengutachten stützte und der
bestehende Mietvertrag kurzfristig kündbar war, war diese Angabe ebenfalls
pflichtwidrig, wenn tatsächlich eine Kaltmiete von ca. 550,00 DM/Monat nicht
nachhaltig erzielbar war. Auch darüber müsste jedoch Beweis erhoben werden
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Allein die Tatsache, dass
dieser Mietzins über der im Mietspiegel ausgewiesenen ortsüblichen
Vergleichsmiete lag, besagt noch nichts. Zwar wurde der genannte Betrag
aufgrund des Mietvertrages mit den Eheleuten T. vom 04.12.1994 immerhin über 3
1/2 Jahre lang tatsächlich gezahlt. Andererseits ist der Vermieter bei einer
Neuvermietung nicht an den ortsüblichen Vergleichsmietzins nach dem
Mietspiegel gebunden. Es kommt daher darauf an, ob der Beklagte zu 3.) davon
ausgehen konnte, bei einer Neuvermietung die Wohnung wieder zu einem
Nettomietzins von 550,00 DM/Monat vermieten zu können. Das Gutachten S. vom
30.11.1993, welches bei Abschluss des Kaufvertrages ca. 1 1/3 Jahre alt war, kam
immerhin auch schon zu einer nachhaltig erzielbaren Nettomiete von 480,00
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DM/Monat, die über der im Mietspiegel ausgewiesenen Vergleichsmiete lag.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass ausweislich des Verkaufsprospekts (Anlage K
9) im Jahre 1994 das Treppenhaus komplett renoviert und der Keller neu
gestrichen worden sein soll und außerdem laut Mietvertrag vom 04.12.1994 die
streitgegenständliche Wohnung renoviert übernommen worden sein soll.
1. Dass die übrigen Angaben in den Berechnungsbeispielen falsch gewesen seien,
hat die Klägerin nicht substantiiert darlegt. Welche Nebenkosten zum damaligen
Zeitpunkt für die Wohnung nach der Wohnungseigentümervereinbarung
tatsächlich zu zahlen waren, hat sie nicht im einzelnen angegeben und belegt.
Falsch ist dagegen ihre Behauptung, die Wohnung habe keine Steuervorteile
gebracht. In den Berechnungsbeispielen ist nicht angegeben worden, dass der
Erwerb der Eigentumswohnung zu einer Steuererstattung führen würde; vielmehr
ging es darum, dass die Kosten der Eigentumswohnung zu einer Steuerersparnis,
also zur Zahlung von weniger Steuern, führen würden. Nach den vorgelegten
Steuerbescheiden für die Jahre 1995 bis 1998 (Anlage K 11 ff) war dies auch
tatsächlich der Fall - wenngleich in etwas anderer Form, als in den
Beispielsrechnungen angegeben (betrifft den Ansatz der Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung in den Jahren 1995 und 1996). Insgesamt dürfte
jedenfalls die angegebene Steuereinsparung erreicht worden sein, zumal das
Einkommen der Eheleute B. ab 1995 tatsächlich deutlich höher lag als in den
Beispielsrechnungen (unter Zugrundelegung der Steuererklärung 1993)
angenommen. Beweispflichtig dafür, dass die gemachten Angaben falsch waren,
ist die Klägerin (BGH NJW 2000, 3558, 3559).
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1. Dass der Beklagte zu 3.) den Sanierungsbedarf in Höhe von ca. 4.000,00 DM der
laut Gutachten S. auf die Wohnung der Klägerin entfiel nicht angegeben hat, dürfte
allein für ein Beratungsverschulden nicht ausreichen. Denn nach dem Gutachten
S. waren die Auswirkungen der vorhandenen Mängel in der Wohnung selber wohl
eher geringfügig. Außerdem haben die Klägerin und ihr Ehemann nach
Durchführung der Reparaturen im Jahre 1996 tatsächlich nur insgesamt 378,53
DM zuzahlen müssen (siehe Anlage K 6).
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1. Sollte sich herausstellen, dass etwaige falsche Angaben auf einer Fahrlässigkeit
des Beklagten zu 3.) beruhten , so käme im übrigen ein Mitverschulden der
Klägerin und ihres Ehemannes in Betracht, soweit diese sich die
Eigentumswohnung vor dem Erwerb nicht angesehen haben und sich auch den
Mietvertrag nicht haben vorlegen lassen.
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II.
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Der Klageanspruch ist auch nicht aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen ohne
vorherige Beweiserhebung in vollem Umfang begründet:
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1. Ein Rückabwicklungsanspruch aus § 812 BGB nach Anfechtung des
Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB dürfte
ausscheiden. Darauf hat die Klägerin die Klage auch nicht gestützt. Soweit das
Anfechtungsschreiben vom 07.01.1999 (Anlage K 7.1) auf die im Kaufpreis
enthaltenen sogenannten "Innenprovisionen" abstellt, war die Anfechtung verfristet
(§ 124 BGB), da den Eheleuten B. dieser Umstand bereits seit Juli 1996, nämlich
ab Erhalt der Abrechnung des Notaranderkontos (Anlage K 4), bekannt war. In
Bezug auf Miethöhe und Sanierungsbedarf ist ein arglistiges Verhalten der
Beklagten zu 1.) bzw. des Beklagten 3.), dessen Kenntnis sich die Beklagte zu 1.)
nach § 166 BGB zurechnen lassen müsste, nicht ausreichend dargetan. Selbst
wenn sich herausstellen sollte, dass eine Nettomiete von 550,00 DM/Monat im
März 1995 nach den Marktverhältnissen nicht als nachhaltig erzielbar angesehen
werden konnte, kann nicht ohne weiters davon ausgegangen werden, dass dies
dem Beklagten zu 3.), der seinen Firmensitz in E. hat, bekannt war.
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1. Die Klägerin und ihr Ehemann haben den Kaufvertrag auch nicht wirksam gemäß
§ 1 HaustürWG widerrufen. Abgesehen davon, dass die in der Klageschrift (Bl. 18)
enthaltene Widerrufserklärung insoweit schon nicht bestimmt genug
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sein dürfte, findet das Haustürwiderrufsgesetz auf notariell beurkundete Erklärungen
auch keine Anwendung (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 HaustürWG).
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1. Soweit ein Gewährleistungsanspruch gemäß §§ 459 Abs. 2, 462, 463 BGB im
Hinblick auf die Angabe der Miethöhe in Betracht kommt (vgl. dazu BGH, NJW 93,
1385; 98, 534; Palandt-Putzo, 60. Aufl., § 459 Rdn. 26), bedarf es auch dazu der
Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
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III.
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Nach allem kann der Beklagten zu 1.) zum jetzigen Zeitpunkt Prozesskostenhilfe
jedenfalls nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverteidigung verweigert
werden.
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Die abschließende Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe und dabei
insbesondere über die Frage, ob die Beklagte zu 1.) nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zur Tragung der Prozesskosten in der Lage ist, war
gemäß § 575 ZPO dem Landgericht vorzubehalten. Dabei wird die Beklagte zu 1.)
zunächst weitere Angaben dazu machen müssen, was mit dem Kaufpreisanteil von ca.
77.000,00 DM, den sie aus der Veräußerung der streitgegenständlichen Wohnung
erlangt hat, geschehen ist. Sie hat auch die von ihr angegebenen Unkosten nicht belegt.
Aus ihren Angaben im Formular zur Erklärung über die persönlichen und
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wirtschaftlichen Verhältnisse ist nicht ersichtlich, wovon sie mit ihrer Familie überhaupt
lebt.
Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten
Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
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Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, § 127 Abs.4 ZPO.
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